Verbraucher sich demnächst aus rd. 7 0 v. H. d e r F r i e d e n s- o l d m i e t e stellen würdel Eine derartig starke und plötzliche Steigerung des Mietaufwandes bedeutet eine Belastung der arbeitenden Bevölkerung, die bei den gegenwärtig geltenden Löhnen und Gehältern und bei der zurzeit immer noch sehr umfangreichen Erwerbslosigkeit von der Masse der Lohn- cmpfänger keinesfalls getragen werden kann. Von dem Preußischen Finanzministerium muß daher erwartet werden, daß es nichts unversucht läßt, um die großen Fehl- betrage in den Staats- und Gemeindehaushalten zu einem wesentlichen Teil'auf andere Weise zu decken oder durch Ersparnis und Einschränkungen beträchtlich herabzu- mindern und die Mietzinssteuer, soweit sie dann noch not- wendig sein sollte, st u f e n w e i s e, unter weitgehender An- passung an die hoffentlich bald zunehmende Leistungsfähigkeit der Wohnungskonfumenten, Zur Erhebung zu bringen. Als selbstverständlich erscheint es mir außerdem, daß der Herr Wohlfahrtsminister seine Pläne noch einmal einer gründ- lichcn Nachprüfung unterziehen muß. Es geht einfach nicht an, daß zu gleicher Zeit mit der Einführung einer beträchtlichen Mietzinssteüer auch noch eine allgemeine Mietsteigerung zu- gelassen wird. Aber nicht nur um den Zeitpunkt handelt es sich hier. Die jetzt geplante Erhöhung der Mieten von 3V bezw. 33 v. S). auf 42Yo bis 45 v. H. entbehrt überhaupt der Berechti- gung und würde nur ein Geschenk an die Haus- besitze? bedeuten. Davon kann und darf keine Nede sein. Än einer Zeit allgemeiner wirtschaftlicher Not, wo nicht einmal angemessene Löhne und Gehälter für wirkliche Arbeits- leistungen gezahlt werden können, darf die Regierung nicht die Hand dazu bieten, einer einzelnen Bevölkerungsschicht zu einem Renteneinkommen zu verhelfen. Und noch eine andere Forderung muß erhoben werden. Eine Besteuerung des Mietzinses, deren Ertrag zu SO Proz. zur Befriedigung rein fiskalischer Bedürfnisse bestimmt ist also fast ausschließlich unproduktiven Zwecken dienen soll, muß notgedrungen die Wirkung haben, daß die K a u f k r a f t der städtischen Bevölkerung, im besonderen der industriellen und kommerziellen Arbeitnehmerschaft, noch weiter herab- gedrückt und dadurch der dringend notwendigen Belebung der produktiven Erwerbstätigkeit geradezu entgegengewirkt wird. Die Folge wäre eine weitere Steigerung des Massen- elendes und, was vor allem der Herr Finanzminister beachten sollte, eine weitere BerminderungderSteuerkraft. Ganz anders gestalten sich die Verhältnisse, wenn von vornherein ein namhafter Teil des Steueraufkommens dazu de- stimmt wird, die Wirtschast zu befruchten, wie es zweifellos durch dieün der dritten Steuernotoerordnung vorgesehene Ab- zweigung zugunsten des Wohnungsbaues bewirkt werden würhe. Eine gehörige Beschäftigung des zurzeit völlig dar- niederliegenden Baugewerbes würde nicht nur Arbeit und Brot für Millionen baugewerblicher Arbeiter und An- gestellten schaffen, sondern auch die sehr zahlreichen Unter- nehmungen der verschiedenen Bauswssindustrien— Holz, Ziegel, Zement, Kalk, Gips, Glas, Eisen usw.— in Tätigkeit letzen, also einen sehr großen Teil der deutschen Wirtschaft wieder in Gang bringen und durch die hieraus folgende Er- höhung des steuerlichen Leistungsvermögens der Sanierung der Staats- und Gemeindesinanzen wahrscheinlich erheblich me h r n ü tz en, als es eine rein fiskalisch aufgezogene Steuer jemals tun kann. Wenn also der berühmte„Hohlraum", der infblge der Inflation durch das Zprückbleihen her Miete hinter den Friedensgoldsätzen gebildet worden ist. durchaus dem steuerlichen Zugriff ausgesetzt werden soll, so wird in erster Ljnie daraus bedacht genommen werden müssen, daß ein nam- Zaster Teil— worunter vielleicht 10 v. H. der Friedensmiete zu verstehen fein würden— zur Förderung der Woh- nm ngsneubautätigkeit Verwendung findet. Eine so gestaltete Mietzinssteuer würde jedensfalls weit eher eine parlamentarische Mehrheit finden, weil doch die Wählerschaft aller Parteien ein lebhaftes Interesse daran hat, daß nicht bloß Öpr bureaukratische Apparat finanziert wird, sondern vor allem' und mindestens gleichzeitig für die Be l e b u n g d e r W i r t- l ich aft gesorgt wird. j
Lenzblut. Zum 18. März. Alles guillt. schwillt, sehnt und drängt, Nach ward das Lenzblut. ktnterm Schnee heraus zeigt das Adonisröschen sein goldene» liebliches Blütentöpfchen., Die Weidenbuschen feiern mit silbernen Kätzchen. Släubig wird' die Hasel. Der Star pfeift vom Dache. Der wind springt lustig her uro den Berg. Die Natur ward wach. Und da der Abend sich senkt, hängt die Sonne als roter Granakapfel im wolkigen Llaltgrau. Nässe mit Kirschblul. Mädchen mit blitzenden Augen. Prinz Lenz. Die Nordsee schlägt mit den grauen Flügeln. Da» kräht am Strande. Die Ostsee dnckt sich grün. Die Alpen recken kühner ihre weißen Panzerbrüste. hohnlachend zeigt die Zugspitze mit spitzem Finger auf ZNLnchen— üble Militär» stehen entblößt—<> Lügendorsf umtanzt seinen Hiller. Durch Sachsen marschiert noch die Reichswehr . Der Arbeiter spuckt, baMg die Faust in der Tasche. 2m Herzen kocht rot das Lenzblut. Und die Zeit springt zurück. Ein anderer Dorlenz. Jahr 1848. Barrikaden funkeln flammig. Oualcnrosen blühen weiß an allen Straßenecken. Ein feiner König heuchelt Freundschaft. 'Dag aläubige Volk dämpft sein wirbelnde» Blut. Der wind aber wußte: Verrat, verrat. Wehklagen die Toten. Ha. der Mnd. er wird Stvrm•— heute, morgen, übermorgen. Deutschlands Blut quillt, schwillt, sehnt, drängt. Neusorm. Freiheit. Gemeinschaft. Die Pfalz schüttelt ihre rostigen Ketten. Der Rhein wogt auf zu den Sternen. Die Ruhr zeigt ihre schwarzen Zähne. Und all das andere Deutschland steht bereit zum letzte» große« Sprunge: Wahlkamps. Sieg. Gemeinschaft. Die Notur ward wach. Rote Danner trägt die Sonne. per wind. Der wind. De» Mob. � tui/. PUl Dort»,
Der weg öer volksparte!. „Neukonservativ oder altnationalliberak." Unüberlegt und Hals über Kops ist das R e i ch s k a b i- nett zur Auflösung des Reichstäyes geschritten. Eine sachliche Begründung für diesen Schritt konnte und kann nicht gegeben werden. Der Stand der gesetzgeberischen Arbeiten des Parlamentes erforderte nicht die Auflösung, sondern sachliche Arbeit, der man nicht hätte ausweichen, die man vielmehr hätte suchen müssen. Es ist in der Agitation der Rechts- und Mittelparteien üblich geworden, der So- zialdemokratie zuzuschreiben, daß sie durch angebliche „Flucht vor der Verantwortung" das Regieren erschwert habe. In Wirklichkeit liegt die Sache so, wie die„Kölnische Volkszeitung" sie in einer Besprechung über die„Sch'ld- erhebung der Stinnes-Gruppe" schildert..�Unsere ganze Politik in den letzten Iahren kranke daran, daß zwischen den Polen links und rechts die Mitte, auf die es unter solchen Um- ständen doppelt und dreifach ankam, an inneren Schwächen litt, deren hc.vorstechendste die u n z u v e r- lässige Rechtsgruppe der Deutschen Volks» Partei war. Hier war es auch, wo der Kampf zwischen Staatspol itik und Privatwirtschaft am stärksten hervortrat und niemals zur Ruhe kam." Von dem rechten Flügel der Volkspartei, von der Stinnes-Gruppe und Stinnes-Preffe. sind alle parlamen- tarischen Krisen der letzten Zeit infzeniert worden. Die Krisenmacher Maretzky, Ouaotz, Stinnes usw. waren dann die eifrigen Propheten des Direktoriums, das den„ab- gewirtschafteten Parlamentarismus" ablösen sollte. Die Kraft, die hinter diesen Leuten steckt, darf man auch dann nicht ver- kennen, wenn sie in der Parteiorganisation der Deutschen Volkspartei vielleicht in der Minderheit sind. S i e nnd die Deutschnationalen, sie wissen, was sie wollen. Die Parteien der Mitte winden sich unter den Stößen dieser Gruppe und haben, wie der verklausulierte Wahlaufruf des Zentrums deutlich zeigt, nicht den Mut, sich zu der in Deutschland auf die Dauer einzig möglichen Polftik zu be- kennen. Dr. Maretzky, Ouaatz usw. geben ihren Kampf in der Volksvartei keineswegs auf. Je mehr Vertrauensreso- lutionen Stresemann für sich fasten läßt, desto frecher treten sie auf. Deutlich erklärt Dr. Marctzky in einem Artikel in der„Börsenzeitung ": „Die Wage der politischen Entwicklung, die bisher nach links ausgeschlagen hat und die zurzeit in der Schwebe ist, soll dadurch nach rechts gezogen werden, daß auch das Gewicht der DVP. unein- geschränkt auf die rechte Seite geworfen wird." Und was Maretzky und feine Freunde unter dem Aus- schlagen nach rechts verstehen, sagt er ebenso eindeutig, wenn er glaubt feststellen zu dürfen: „Ganz und gar ablehnend stehen aber die zwar nicht unier den Parteifunktionären, aber in der Wählerschaft überwiegenden Teile der DVP. dem Gedanken gegenüber, daß di« Partei bei jenem Endkampf ein« Mittelstellung einnehmen soll, der um die politische Machtstellung der Sozialdemokratie im Staate demnächst ausgefochten werden wird und der sich notwendigerweise zu einem Kamps um die Links- oder Rechtsorieirtierung der deutschen Innenpolitik zuspitzen muß." Die Rechtsgruppe geniert sich auch keineswegs gegen die Parteileitung der Deutschen Volkspartei in der ener- gischften Weise anzurennen. Dr. Ouaatz schreibt in dem Leibblatt dieser Reukonservatwen, wie sie in der„Kölnischen Volkszeitung" mit Recht genannt werden: „Die Parteiorganisation ist, wie ein Blick auf die offiziösen Verlautbarungen ergibt, nochzusehrimSinneder Gr oßcn Koalition und dcs Kampfes gegen rechts eingestellt. Auch zeigt die in enger Gemeinschaft mit den Blättern der Linken, namentlich des Ullstein, und Moste-Konzerns, geführl« Fehde gegen die Beswcbungen der Vereinigung, daß von hier ein« Förderung ihrer B-rstrebungen nicht erwartet werden kann. Diese Fehde ist weder geeignet, eine Verständigung zu ermöglichen, noch auch der Par. teileitung das Vertrauen wiederzugewinnen, das si« gerade in den Kreisen verloren hat, welche di«
Uvonne Georgi. Diese sehr ergiebige Saison hat der deutschen Tanzbühne nicht weniger als drei neue Stern« erster GröZe beschert: d>e Hochtänzcrin Riefenstahl , die Ticftänzerin Palucca und jetzt die Mitteltänzerin Pvonne Georg i. Das Debüt der Georg! im Schmechten- Saal war ein ganz großes Ereignis. Die junge Küst'erin besitzt alle Vorzüge der Wigman -Schule, der st« zwei Jahre angehört hat, ihre Tanzkompositionen benutzen oft Motive, die wir von dorther kennen, die Familienähnlichkeit mit den Mitgliedern der Dresdener Meistergruppe ist unverkennbar. Trotzdem ist die Georgi eine ganz Eigene, Selbstherrliche, Unvergleichliche. Die technische Vollkommen- heit der Palucca erreicht sie nicht, aber sie ist stärker im rein Lyrischen. Die Gestaltung ihrer Visionen hat nicht das geheimnis- voll«, aus der Tiefe leuchtende Sfumato der Riesenstahl, dafür ist sie in ihrer sonnigen Klarheit tonturenrcicher und umfaßt ein weiteres Gebiet seelischer Ausdrucksmöglichkeiten. Obwohl der ganze wunder. voll trainierte Körper in ollen Teilen ununterbrochen wirksam ist, wird die Rhythmik weniger durch Spannungen, als— kennzeichnend für die Mitteltänzerin— durch Schwingungen der Glieder und des Kopfes bestimmt. Der Rumpf und auch die Arme wirken als fckun- däre Ausdrucksmittel, sie werden scheinbar mitgerissen durch den Elan der Hände, und vor allem der Bein« und Füße. Die Be- wegungen der unteren Gliedmaßen sind von einer Beseeltheit, wie ich sie ähnlich nur bei der Wigman gesehen habe. Jeder Schritt atmet Leben und Porste, und der Nüoncenreichlum der gern ange- wandten rückwärts gerichteten Drehsprünge ist unerschöpflich. Dabei nirgends die leiseste Spur van akrobatischer Effektmacherei. Alles künstlerisch nobel, alles leicht, fast spielend gegeben und vom Zauber des im Augenblick Geschaffenen umflossen. Nur ganz selten ein paar äußerlich gymnastische oder natura'istisch pantomimische Gesten Bei oller Jugend eine groß« Könnerin und eine Persönlichkeit, deren Reichtum und Tiefe unübersehbar« Entwicklungemöglichebiten in sich schließt._ John S ch i k 0 w s k i. „Zenufa" in der Staatsoper. Die Bauernoper von Leo Ja- n a e e t fand nach dem ersten Akt lauen, nach dem zweiten bezei- sterten Widerhall. Komponist. Dirigent und Spieler wurden auch nach Schluß herzlich gerufen. Das Werk, eine faustdicke oeristische Unmöglichkeit, hätte dank seiner krassen Handlung vor 20 Jahren einen Weltersolg haben können. Heute ist man in der Oper schon um zwei Riesenschritte weiter, man hat das Pathos wie den Na- turolismus überwunden So wirkt die Oper altväterlich, zumal das Naive, Tschechische sich nur schüchtern hervorwagt und die mustka- tische Arbeit bei aller Ehrlichkeit nicht genug Akte, Leidenschast und Abw echstung zeigt, um die Schwächen de» Buchs zu ertöten. Der sympathische Komponist dankt« mit Recht feinen Helfern, vor al- len den Frauen JurjewsKaja, Arndt-Ober. Letztere Kuf«ine Figur, deren Temperament und theatralische Meißelung, ren großes Spielformot man feit der Kemp nicht mehr erlebt hat, einen Darstellungserfolg ersten Ranges. Ueber die Werte und Mängel der Oper sei abends ausführlich gesprochen. A. E. INännerchöre. In Emil Thilo besitzt der Männergesang- orrein„Namenlos", der in der alten Garnisonkirche konzertiert«, zweisello» einen begabten und Willensstärken Führer. Wenn«s ihm
Vereinigung fflr di« Partei zu erhalten und wie- derzugewinnen bestrebt i st." Wie die Volkspartei sich organisatorisch und politisch mit dieser Gruppe auseinandersetzt, ist schließlich ihre Sache. Dar- über sollten sich Männer wie Stresemann nach langen und bitteren Erfahrungen im klaren sein, daß diese Leute mit Konzessionen nicht zu besänf-igcn find. Der bevorstehende Reichsparteitag der Deutschen Volkspartei wird schon wegen der Wahlen im Zeichen einer allgemeinen Verkleisterung stehen. Im W a h l k a m p f wird d'e Volkspartei versuchen, zu kneifen. Racß den Wahlen wird sie das nicht mehr können. Wer dem wirtschaftlichen Macht- bedllrfnis der Stinnes-Leute Folge leisten will, soll das tun. Politisch muß er daran sterben. von Luüenöorff bis Wiemeper. Wenn man Herrn L u d e n d 0 r f f in einem Atemzuge mit dem Parchimer Gurgelabschneider W i e m e y e r nennen würde, dann würden sich sicherlich alle nationalen Herrschaften über eine solche Verunglimpfung ihres Halbgottes empören. Und doch genügt es nicht, wenn ein paar Wortführer der völkischen Bewegung von den Schandtaten ihrer Anhänger mit einigen platonischen Redensarten abrücken, um die geisti- gen und materiellen Zusammenhänge zwischen den leitenden Köpfen der völkischen Bewegung und ihren Werkzeugen aus der Welt' zu schaffen. Solche Redensarten l oben wir sowohl nach der Ermordung von Erzberger und Rathenau , wie auch nach der Aufdeckung der Parchimer Bestialität bis zum Ueber- druß vernommen-, aber die ganze Politik der Rechisradikalen, ihr- Ag'tations:»zthoden, die Schreibweise ihrer Zeitungen, der Ton ihrer Flugblätter ist im Laufe der Jahre nur noch schlimmer und gemeingefährlicherer geworden, und nur die Angst vor dem Strafgesetzbuch hindert sie daran, offen und öffentlich zu Mord und Totschlag aufzufordern. Der Weg von Ludendorff zu Wiemeyer ist übrigens viel weniger kompliziert, als man zunächst meinen könnte: Die Intimität zwischen Ludendorff ' und von Graefe-Gol- d e b e e ist bekannt und sie ist erst kürzlich durch ein offizielles Schreiben Ludendorffs dokumentiert worden, in dem der C�ef der völkischen Heeresleitung Graefe als seinen einzigen„poli- tischen Bevollmächtigten" in Norddeutschland bezeichnete. Herr v. Graefe ist wiederum die Seele der Deutschoölkischen, ganz speziell in Mecklenburg . Während des Leipziger Prozesses hat der Unler'uchungsrichter Dr. Richter als Zeuge bekundet, daß Graefe wiederholt die in Untersuchungshaft sitzenden ehemali- gen Offiziere Mackensen, Thomsen und H 0 f f m a n n besucht hat und daß er mit ihnen in regem Briefwechsel stand. Diese früheren Offiziere aber sind wegen Begüstigung der Parchimer Mörder zu Gefängnisstrafen verurteilt worden. Ebenso haben verschiedene Angeklagte ausgesagt, daß sie unter dem Eindruck von Reden des Herrn v. Graefe der Deutsch - völkischen Freiheitspartei beigetreten waren. Im übrigen hat der Verlauf des Münchener Prozesses eine Episode zutage gebracht, die Ludendorff jedes Recht nimmt, sich über Vergleich« zwischen ihm und den Mord- fiesellen von Parchim zu beklagen. Die Aussage des Münchener ozialsstischen Stadtrates Dr. R u ß b a u m hat die Totsache enthüllt, daß Ludendorff die verhafteten Geiseln im Bürger- bräu gesehen und sie mit einer schnoddrig-gleichgültigen Vc» merkung ihrem Schicksal überlassen hat. Ludendorff hat damit gezeigt, daß ihm mit den Mecklenburgern nicht nur die völkische Gesinnung, sondern auch die untrennbar damit verbün- dene Roheit des Gemüts gemeinsam ist. Rur einer Kette von glücklichen Zufällen, aber nicht Herrn Ludendorfs , ist es zu verdanken, wenn diese Geiseln nicht ebenfalls zu Opfern der völkischen Bestialität wurden. Aber diese Bestia- lität wurzelte nicht in der zufälligen Person der Täter, sie wurzelt tiefer in der bewußt militärischen Einstellung der völkischen Bewegung. Der Weg von Ludendorff bis Wiemener ist ebenso kurz wie logisch. Und wenn die jugendlichen Mörder von Parchim die schweren Zuchthausstrafen des Leipziger Urteils fast gleich-
nicht gelingen tonnt«, seinen Chor in absoluter Reinheit vorzuführen, to lag das zumeist an dem geringe» Material der führenden Tenör«, >ie manche Wirkung beeinträchtigten. Die tieferen Chorregister sprechen leicht und klangvoll an. Die eingehende Arbeit des Diri- genten, besondere Geschlossenheit des Ausdrucks zu erwirken, war überall ersichtlich. Die Darbietungen des Chores unterbrach wieder- holt Otto P r i e b e mit Orgeloorträgen, wie wir sie von ihm in abgerundeter Form gewohnt sind, uitii, von diesem vortrefflichen Orgelmeister begleitet, der Geiger Otto Rybakowsti, von dem man recht günstige Eindrücke gewann, und der besonders in der Cantilene warmherzige Töne zu finden weiß. Chormeister Max Schaarschmidt führt« in der Hochschul« für Musik seinen Männerchor„Harmonie" auf das Konzert» podium. Neben vielem Anerkennenswerten, da» dos Vordringen dieses Männerchors in glücklichem Anlauf zu reiferen Taten deutlich machte, bemerkte man Klippen, die noch der Ueberwindung harren. Weitere Anspannung aller Kräfte würde bei Fleiß und gutem Willen, beides Eigenschaften, die bereits die heutigen Ehorleistungen des Ver- eins bestens beeinflussen und stützen, diese Unebenheiten qewlß b- seitigen. Als Solisten des Konzerte» waren Margaret« Roll(Mezzo- svpran) und Karl Borrplann(Flöte) gewonnen. Während die Sängerin, von Frl. W a r b u r g begleitet, unberührt lieh, überzeugte Karl Borrmann, der sich von Frl. Quader begleiten ließ, in ge- haltenen Sätzen und breiteren Zeitmaßen von guter, edler Ton» bildung.— rs. Tabletten statt Impfung. Wie aus Paris gemeldet wird, hoben dl« Forschungen Professor Besredkas vom Institut Pasteur über di« Entstehung der Immunität zu Ergebnissen geführt, die eine Umwälzung in der bisher geübten Technik der Schutzimpfung bedeuten. Professor Bcsredka bekämpft die allgemein anerkannte Hypothese, daß der Schutz gegen Infektionskrankheiten auf der Ent- Wicklung spezifischer Schutzkörper im Btute beruh«. Allerdings er- langt, wie auch er zugibt, das Blut nach jeder Heilung von einer Infektion oder nach Impfung mit dem abgetöteten Krankheitserreger Eigenschaften, die es vorher nicht besaß, z. B. die Fähigkeit, Bäk- terien zu töten oder aufzulösen. Die Annahme, daß die Entwicklung von Schutzkörpcrn im Blut diese Eigenschaften und damit die Heilung von jeder Infektionskrankheit verursacht, liegt nah«. Professor Bes» radka bewies jedoch, daß in vielen Fällen eine Schutz besteht, ohne daß Schutzkörper im Blut anwesend sind. Er impft« Meerschweinchen, gegen Milzbrand sehr empfindliche Tiere, mit dem vorher abgetöteten Milzbrandbozillus. und zwar bracht« er den Erreger auf das Bauch- kell oder andere Gewebe, nicht auf die Haut, die den Sitz der Milz- brandtnoten bildet. Es entwickelten sich im Blut der geimpften Tiere keine Schutzkörper, und sie gingen bei einer darauffolgenden Impfung mit lebenden Milzbrandbazillen in die Haut ein. Verimpft« er jedoch den getöteten Bazillus in die Haut, so wurden die Meer» schweinchen gegen jede Injektion mit Milzbrand unempfindlich. Dies« Unempsindlichkeit ist wiederum nicht mit dem Erscheinen von Schutzkörpern verbunden. Daraus fchlsß Professor Besredka, daß er, um Schutz gegen Milzbrand zu erlangen, die Widerstandskraft desjenigen Gewebes erhöhen müßte, da» der Miizbrcindbazillu» mit Vorliebe befällt, nämlich di« Haut. Von diesen Ergebnissen ausgehmd, wandte sich der Forscher dem Studium anderer Krankheiten, wie Cholera, Typhus und Ruhr