Nr. 131 41. Jahrgang
Schwarz- Rot- Gold.
1. Beilage des Vorwärts
Eine Erinnerung aus Anlaß des 18. März. ,, So hebt die schwarzrotgoldenen Fahnen und laßt fie durch die Lande wehn, so gebt den Fahnen eurer Ahnen ein glorreich neues Auferstehn! Nicht fechsunddreißigfach gespalten, steht mehr in aller Wappen Sold. Das Banner, dran wir einzig halten, ift unser heilig schwarzrotgold.
Denn ob wir all in dunklen Sorgen geharret eine lange Nacht, boch endlich sprang der Freiheit Morgen empor in blutigroter Pracht. Und aus dem finstern Wolkenkranze, der vor dem Morgenwind zer bricht, steigt auf mit segnungsvollem Glanze des Tages neues goldenes Licht.
Nun schlingt die schwarzrotgoldenen Fahnen zusammen in ein festes Band und zieht es rings auf Steg und Bahnen um unser deutsches Baterland, vom Hochgebirg bis zu denen Dünen, vom Aufgang bis zum Niedergang, die alte Spaltung auszuföhnen, die unsere beste Kraft bezwang.
Wo deutsches Auge treu und offen in deutsches Bruderauge blickt, wo deutsche Hand mit festem Hoffen noch deutsche Hand zum Gruße drückt. Wo deutsche Lieder freudig flingen, wo deutsche Träne netzt den Sand, das alles soll umschlingen das eine heil'ge deutsche Band."
Menschenbrüderlichkeit, auch das alte deutsche Freiheitsbanner schwarzrotgold aufzupflanzen. Und dieses Banner, beschimpft, verochtet, bespien und zerrissen von denen, bie es einst unser heilig schwarzrotgold" heuchlerisch, wie nun wohl feststeht, priesen, fenti sich heute mit den roten Bannern in Ehrerbietung und Dankbarkeit por den Toten des 18. März 1848 und vor denen ber Märztage von 1920, die im Berliner Friedrichshain ruhen.
Anny Sanneck vor Gericht.
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Prügelei auf der Anklagebant. Ein weiblicher Staatsanwalt. Der große Hochstapeleiprozeß gegen Fraun Anny Sanned. Bernide wurde gestern vor der 8. Straffammer des Bandgerichts I zu Ende geführt. Es wurden noch zahlreiche Zeugen vernommen, aus deren Aussagen hervorging, daß die Angeflagte es mit großer Geschicklichkeit verstanden hatte, bas Geld ben Leu'en abzu loden. Nachdem die Angeklagte zu Beginn der Eizung sich sehr ruhig verhalten hatte, verübte fie plöglich einen richtigen Theater coup. Mit einem Male entstand auf der Antlagebant ein großes Hallo. Die Angeklagte geriet mit dem Mitangeklagten, ihrem früheren Liebhaber, Mag Cohn, in ein Handgemenge und beschimpfte ihn fürchterlich. Bandgerichtsdirektor Folk ließ die Angeklagten trennen und einen Wachtmeister fich zwischen fie setzen. Dann stellte sich aber heraus, daß die Sanned Cohn beschimpft hatte, weil er ihr eine fleine Schere, die sie aus der Tasche gezogen hatte, um sich die Pulsadern zu durchschneiden, weggenommen hatte. Tatsächlich hatte sie sich auch schon einen fleinen Einschnitt am Arm beigebracht. Nachdem war die Angeklagte wieder still. Bermutlich wird man an diesem die Farben der deutschen Eins Staatsanwaltschaftsrat Dr. Kyser ließ durch die Referendarin heitsrepublik verherrlichenden Gedicht nur auszusehen haben, daß Dr. Blumenthal die Anklage vertreten. Diese erblickte in der bas Deutsche darin gar zu auffällig und zu gefliffentlich betont wurde. Angeflagten eine gemeingefährliche gewerbsmäßige Hochstaplerin, die Im übrigen wird jeder, der das Gedicht, richtiger ben Sang lieft, zahlreiche tleine Beute um ihr ganzes Bermögen den Eindruck gewinnen, daß es der Dichter doch recht aufrichtig und gebracht habe. Sie beantragte, bie Angeklagte wegen Be ehrlich gemeint und daß ihn zweifellos eine Art Begeisterung für fruges in 29 Fällen und Urtundenfälschung zu einer Schwarzrotgold zu diesen Worten getrieben hat. Wenn man aber Gesamtstrafe von sieben Jahren Zuchthaus zu verurteilen. nun etwa glaubt, daß dieser Lobgesang in den Tagen der Republik Gegen Cohn wurde ein Jahr Gefängnis beantragt verfaßt worden ist, so irrt man sich. Das Gedicht steht nämlich Die Rechtsanwälte Dr. Frey und Dr. Eisenstadt beriefen fich abgedruckt in einem von dem Oberpoſtinſpektor Karl Heinede, auf die Gutachten der Gerichtsfachverständigen Dr. Thiele und Berlin B. 66, Reichspostamt, im Jahre 1915 herausgegebenen Dr. Haffe, wonach mindestens ein Grenzfall des§ 51 vor. Deutschen Liederbuch", das der betreffende Herr im Auf- liege. Bis dahin war die Angeklagte ruhig gewefen; als bann aber frag des Deutschbundes" zusammengestellt hat. Der Berlag des Rechtsanwalt Dr. Coßmann das Wort zur Verteidigung des Cohn Buches ist die Kanzlei des Deutschbundes in Gotha . nahm, schien ihr das nicht in den Kram zu paffen und sie begann Dieser Deutschbund aber ist eine Borfriegsgründung. Er wieder zu toben und zu schimpfen, so daß der Borfizende die Ange murde geleitet von einem meiningschen Regierungsrat namens Gersten- flagte während der Ausführungen des Verteidigers hinaus. hauer und war vollkommen völkisch eingestellt. Dieses Gedicht bringen ließ. Nach längerer Beratung fam das Gericht zur Ber ist aber in diesem Liederbuch nicht das einzige, das die den Hohen urteilung der Angeflooten, indem es die Angeklagte nicht für geistes. gallern Friedrich Wilhelm IV. und Wilhelm II. so tief verhaßte frant im Sinne des§ 51 hielt. Das Gericht hat aber eine fortgefekte fobt. Auch den herrlichen Grabgesang, den Freiherr von Binger im Handlung angenommen, indem die Angeklagte bestrebt war, sich mit Jahre 1818, als die preußische und europäische Reaktion wieder voll allen möglichen Mitteln Geld zu verschaffen. Die Urtundenfälschungen waren nur ein Mittel zu ihren Betrügereien. Das Urteil lautete im Gange war, auf die damals freiheitlichen Burschenschaften ge. gegen die Angeklagte Anny Sanned Bernide auf drei dichtet hatte: Wir hatten gebauet ein stattliches Haus. ift in Jahre Gefängnis uner Anrechnung von einem Jahr Unter. Diesem völkischen Liederbuch enthalten. Bekanntlich heißt es weiter fuchungshaft. Cohn wurde zu vier Monaten Gefängnis in dem Gedicht: Das Band ist zerschnitten, war verurteilt und es wurden ihm zwei Wochen durch die Untersuchungs1hwarz, rot und gold." Und schließlich findet man in dem Liederbuch auch das Gedicht von Karl Hintel: Wo Mut und haft als verbüßt angerechnet. Die Angeklagte Wernice erklärte: ?", deffen zweite Strophe lautet:" Rot wie die Liebe seich nehme teine minute der Strafe an und ließ fich Kraft dann ruhig abführen. Es schwebt gegen sie noch ein weiteres der Brüder Zeichen, rein wie das Gold der Geist, der uns durdy Strafverfahren, ba fie sich als Frau des Rechtsanwalts glüht, und daß wir nie, im Tode selbst nicht, weichen, jei ich war 3 Heiner ausgegeben hatte und in ähnlicher Weise wie in der abge. das Band, das unfere Bruft umzieht." Andere wahre Freiheitsnicht weniger als 25 Fälle gedichte von Schenkendorf und Freiligrath stehen gleichfalls in bem urteilten Sache Betrügereien verübt haben soll. Liederbuch, Nimmer wird das Reich zerstört, menn ihr einig feib und treu," hat der Herausgabe Heinede ahnungsvoll sperren lassen.
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Damals also war in Deutschland ein Bund, der sich„ ölfifch" nannte und es dennoch verantworten fonnte, daß er in der Kriegs. zeit ein Liederbuch herausgab, das den Kriegern ins Feld geschickt tourde und in dem die alte deutsche Einheits- und Demofratenfahne schwarzrotgold, die damals schon die Fahne aller Deutschen Defter reichs war, gepriesen wurde. Und die Mannen, die sich seit 1918 völlisch nennen, waren es, die diefelben jetzt zur Fahne der Republik erwähiten Farben in der schändlichsten und gemeinsten Weise be fchimpft haben. Sie haben damit, wenn sie es vor dem Krieg ehrlich gemeint haben, ihre eigenen Ideale beschimpft. Damals fangen fie, daß sie nicht in 36 Kleinftaaten gespalten sein wollten, und heute lassen sie es zu und sorgen dafür, daß von Bayern aus die Spaltung der Deutschen verewigt wird. Damals ließen sie singen: Das Banner, bas mir einzig halten, ist unser heilig schwarzrotgold." Heute sehen wir, daß es weder ihr Banner noch heilig war. Heute hat die Sozialdemokratie den Mut und die Kraft gefunden, neben ihrer roten Welteinheitsfahne, dem Zeichen der übernationalen
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Ihre Mutter war noch gar nicht auf der Welt und von Ihnen selbst, mein Gott, teine Spur, damals, als mein Bater die Möbel für Ihre Großeltern gemacht hat. Ich war feiner zeit Lehrjunge, und Ihre Tante war so ein huschiges Springer chen von zehn Jahren."
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Wie war denn meine Tante als Kind?" fragte Jürgen, plöglich wieder von Sympathie ergriffen.
Da, fehen Sie ihn an: der Sägbod war ihr Reitpferd. Auf demselbigen Sägbod ist sie geritten jeden Tag. Und so manches Mal war sie einfach verschwunden. Nicht zu finden! Da haben wir fie gar oft aus den Hobelspänen rausgezogen. Hat sich hineinvergraben, ganz und gar zugedeckt und ist dann plötzlich wie ein fleiner Teufel rausgefahren. Wollte nie nach Hause. Hat geftrampft und geheult... Wild war fie. Ein wildes Kind! Schwer zu erziehen."
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Was Sie sagen!"
„ Das Leben hat nachher das seine getan... Da tommt Ihr Wagen."
Jürgen zeigte die Abonnementskarte dem Schaffner, der lächelnd abwinfte: Gilt schon! Wir fennen ja einander." „ Nie hätte ich das gedacht. Ich hätte das überhaupt nicht für möglich gehalten."
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Mir wenigstens brauchen Sie die Abonnementstarte nicht mehr zu zeigen. Jetzt fahren Sie seit zwei Jahren täg
fich viermal."
Wenn ein wildes, unbändiges, eigenwilliges Rind so werden tann, wie die Tante geworden ist, vom Leben so ruiniert werden konnte, da fann man von Verantwortung des einzelnen ja überhaupt nicht mehr reden. Die Verhältnisse find schuld Sicher auch bei Rutharinas schöner Jugendfreundin mit dem leidensfähigen, milden Herzen, daß fie fo lala eine Gesellschaftsdome und die Frau des Oberstaatsanwalts wurde... Oder doch nicht die Verhältnisse?... Wet fönnte entscheiden, ob ein Mensch die Kraft gehabt hätte, weiter zu fämpfen und zu leiden, oder ob stärker als seine Kraft die Verhältnisse und die in ihm lebenden Begierden waren? Es gehört heutzutage schon sehr viel Kraft dazu, sich
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Tas lebende Paket.
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Wie man nichtsahnend zu einem Kinde fommen fann, zeigt ein Erlebnis, das eine Frau M. in Spandau hatte. Als sie um 4 Uhr nachmittags durch die Neuendorfer Straße frazieren ging. trat an der Ede des Ustanierringes eine ärmlich und verhärmt aussehende junge Frau an fie heran, und bat fie, ihr einen Augenblid ihr Batet zu halten, weil ihr schlecht geworden sei. Ahnungslos nahm ihr die Frau M. das Bündel, das in ein grünes Umschlage. tuch eingehüllt war, ab. ohne erst lange nach dem Inhalt zu fragen. zu ihrer Verwunderung aber war die junge Frau im nächsten Augenblick um die Ede verschwunden und nicht wieder zu finden. Als sie jeßt das Umschlagetuch öffnete, fand die gefällige Frau darin einen fleinen Knaben, der in weiße Windeln und ein weißes Hemdchen eingewickelt mar und dabei einen Bettel mit folgenden Worten:„ Eehr geehrte Dame, bin in Rot geraten, fann mein leines Kind nicht ernähren, und ins Wasser werfen kann ich es doch auch nicht. Es ist weder standesamtlich noch sonstwo gemeldet. Geboren ist es am 28. Februar, 11 Uhr
selbst im Leben vorwärts zu bringen. Wieviel mehr erst, die Sache der Allgemeinheit auf sich zu nehmen und vorwärts zu bringen!... Man feze erst fich selbst durch und stelle dann sich und seinen Einfluß und feine Macht in den Dienst der Allgemeinheit."
Und was wird unterdessen, während du dich durchfeßt, so lala mit dir, mit dem Bantier Rolbenreiher, geschehen?" so lala mit dir, mit dem Bantier Kolbenreiher, geschehen? fragte mit schon faum mehr vernehmbarer Stimme das weit zurückgedrückte Bewußtsein. Und stieß plöglich eine grauenvolle Drohung aus, die aber, von Jürgen nur dunkel vernommen und empfunden, nicht gleich vordrang bis an den Bezirk des neuen Bewußtseins, das in diesen Jahren immer häufiger Sieger geblieben war.
Noch einmal entwand sich die Drohung der tiefften Tiefe seines Wesens, stieg empor als Hinweis auf eine unentrinnbare Todesgefahr, und Jürgen wurde sekundenlang innerlich gelähmt, so ganz und gar wie in der vergangenen Nacht, da eine fremde Macht im Albtraum ihn gelähmt und unwider ftehlich gezwungen hatte, den Sarg zuzunageln, in dem, noch lebend, er selber gelegen war.
Wie lange fahren Sie schon auf dieser Strecke?" Und während der Schaffner sinnend Behn, nein, schon elf Jahre!" fagte, wiederholte in verzweifeltem Ansturme das zurückgedrängte Bewußtsein zum dritten Male seine grauen volle Drohung. Jürgen fröstelte im Rüdenmart, wie damals in der Hafenstadt.
Bastgeflecht ist sehr praktisch, hält lange, was?"
Ja, das gibt aus." Auch der Schaffner prüfte mit seiner ftarten Hand anerkennend das Baſtgeflecht der Siklehne und schritt dabei hinaus auf die hintere Plattform, legte den Zeige finger an die Müze, und das junge Bureaumädchen ichob ihre Abonnementsfarte wieder in das Handtäschchen, sah ernten Blickes ihr Leben an. Die Alleebäume flogen nach rücmärts.
Das sind nur die Nernen, dachte Jürgen, mit Bezug auf die Drohung... 3 mei Jahre! Muß endlich auf ein paar Wochen ausspannen. Mich erfrischen. Eine Reife! Das habe . Diese warmen wunderbaren Herbstich mir verdient. tage! Das wird schön sein
Als die Allee endete, die Straße enger, der Wagenverkehr und der Lärm stärker, die Luft schlechter geworden war, sette das Bureaumadhen fich in den Wagen, banfte mit ernftem Ricken für den Gruß ihres Chefs und begann in einem Buche
Dienstag, 18. März 1924
mittags. Ich stelle feine Ansprüche. Ich verlasse mich auf Gottes Gnade. Ich fenne Sie nicht. Ich vertraue auf Ihr gutes Herz. mit innigen Grüßen eine arme unglüdliche Mutter" Der Kleine murde dem Jugendamt Bezirt 8 in Spandau übergeben. Die Mutter ist noch nicht ermittelt
Der Rächer mit dem Taschenmesser.
Das Liebesabenteuer eines Albaners.
Die Eifersuchtstat eines Albaners, über die wir f. 3t. berich teten, gelangte jetzt vor der 6. Hilfsstraffammer des Landgerichts II zur gerichtlichen Aburteilung. Unter der schweren Anschuldigung des versuchten Mordes hatte sich ber Student Mohammed Djemal zu verantworten.
Der Angeklagte verteidigte sich, obwohl er der deutschen Sprache nicht ganz mächtig ist, in fehr bilderreicher, an die Erzählungen von 1001 Nacht erinnernder Sprache. Er lebte feit 1917 in Berlin und studierte Literaturgeschichte und Philosophie, hörbe auch Vorlesungen der Medizin. Er wird beschuldigt, am 26. Oftober auf eine Frau M., eine Berlinerin, die aber die Witwe eines im Kriege gefallenen Hauptmanns ist, einen Ueberfall verübt zu haben, indem er ihr in der Nähe ihrer Wohnung auflauerte und ihr einen Messerstich beibrachte. Als er über seine Beziehungen zu Frau M. gefragt wurde, erklärte er, daß er durch die Anklage und die Verhaftung das Gedächtnis über die Freundschaft mit dieser Frau verloren habe. Im Sommer 1921, Jo führte er aus, hielt ich mich zur Erholung am Nitolassee auf. Da fam ein kleines Mädchen mit einem Hündchen und sagte zu mir, ich solle das Hündchen lieben. Durch diesen Vorfall wurde ich mit der Mutter des Mädchens befannt. Als ich nachis in meinem Bimmer eingeschlossen lag, topfte es an der Tür. Beim Deffnen stand eine Frau in Nachtkleidung vor mir. Ich glaubte zuerst, es sei eine Nachterscheinung. Sie fiel aber vor mir nieder und betete mich an, mie die Christen das Kreuz anbeten und fagte mir: Seitdem ich dich gefehen habe, tann ich nicht effen und trinken, ich bin gang verrüdt" Gleid in der ersten Nacht haben wir eine ewige Freundschaft geschlossen. Es war ein Sprung in das Unendliche. Wochenlang haben wir zu sammen gelebt. Zweieinhalb Jahre hat diefer Freundschaftsbund bestonden. Ich glaubte, die Frau gehöre alle Zeit mir, wie wir das im Orient nicht anders kennen, denn sie war ja über und über in mich verliebt. Eines Nachts find wir unter dem Sternenhimmel niebergefniet und haben uns den Eid geleistet, uns nicht zu verlassen. Im weiteren Berlauf Teiner Bernehmung verwahrie er sich entschieden, daß er seine Frau" töten wollte, fönne er doch nicht einmal ein Lierchen töten, das an der Wand fummt wie eine Mandoline. Noch viel weniger fönne er die Liebe feines Herzens töten. Der Angeflagte schilderte meiter, wie Frau M. nach Ober bayern gefahren war, wie er mit ihren Verwandten Streit hatte und wie er schließlich bemerkte. daß fie in Bad Wildungen eine neue Liebe hatte. Als sie zurückkehrte, habe sie ihn auf dem Botsdamer Bahnhof feines Blides gewürdigt. De fet er in größter Aufregung fortgestürmt. Er vermutete, bak ste zu ihrer Mutter nach Friedenau fahren würde und sei auch dorthin gefahren. Kurz vor dem Hause stieß er auf sie. Da habe er ohne Befiniung mitfeinem tleinen Taschenmeffer nach ihr gestoßen. Er selbst ist nach der
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Tat weggelaufen und hat sich am nächsten Tage der Polizei gestellt. bern hatte ihr Ausbleiben mit neroofer Ertrantung entDie Belastungszeugin Frau M. war nicht anwesend, sonfchuldigt. Es wurde daher ihre frühere Aussage verlefen. Sie be ftrettet darin, daß fie jemals ernstlich ans heiraten grtacht habe. Der Angeflagte fei ein brutaler und eifersüchtiger Mensch gewesen, der fie oft bedroht habe. Auch in Wildungen habe er gerufen:„ Einer von uns beiden muß daran alauben!" Nach der Befundung von Beugen ist der Angeflagte plötzlich angeraft gefommen, habe un artikulierte Laute ausgestoßen und dann mit dem Messer gestochen. Eine Zeugin will die Worte verstanden haben: Jezt habe ich dich!" Der praktische Arzt Dr. Freist stellte fcft, daß es sich um eine Wunde von 5 Zentimeter Länge und 5 Zentimeter Tiefe im Oberarm handelte. Gerichtsmedizinalrat Dr. Thiele hat den Angeflagten auf Veranlassung des Gerichts auf feinen Geisteszustand unter fucht. Das Motiv der Tat ist leicht ertennbar als feguette Leidenschaft. De§ 51 fomme nicht in Frage. Staatsanwalt schaftsrat Schmidt ließ die Anflage wegen verfuchten Mordes fallen und beantragte, den Angeflanten megen Körperverlegung mittels hinterlistigen Ueberfalls zu einem Jahr Gefängnis zu verurteilen. Das Gericht verurteilte den Angeklaglen wegen einfacher Körperverletzung zu neun Monaten Gefängnis unter Anrechnung von vier Monaten Untersuchungshaft. Dem Angeklagten wurden mildernde Umstände zugebilligt, da er durch die Frau verführt und durch ihre plögliche Ablage in frankhafte Erregung geraten sei.
zu lesen. Sie war die Tochter eines in der Papierfabrik des Herrn Hommes beschäftigten Hilfsarbeiters und seit ihrem fechzehnten Jahre in der Buchhaltung des Bankhauses Wag ner und Kolbenreiher angestellt.
Am Vormittag hatte er persönlich die Jahresabrechnung über das Vermögen der Tante in der Buchhaltung geholt und dabei das Mädchen zum erstenmal gelehen. Jeẞt fizzt fie genau fo in sich verfchloffen da und liest, wie die fünfzehnjährige Ratharina im öffentlichen Parke gesessen hatte. Der felbe stillbewußte, ernste Blid, wie Katharina ihn heute noch hat. Nur jünger ist fie, Selbstverständlich viel jünger! Aeußerlich überhaupt ganz anders. Die Gestalt ist etwas voller. Aber dieser Blick!. Neue Jugend wächst heran und nimmt den Kampf auf," hatte er plötzlich gebacht.
Hübsch ist sie. Sehr hübsch!... Nur eine Geldfrage... Allerdings ein ernstes Geschöpf. Gerade deshalb ungeIhrem Chef würde sie nicht widerwöhnlich anziehend stehen tönnen." Er entfleidete fie. Eine zwei Zentner schwere, weißhaarige Frau mit gewaltigem Busen stieg ein, setzte sich Jürgen gegenüber.
" Der Hilfsarbeiter hat nichts als diese Tochter, die ihrem Chef gegenüber wehrlos ist."
" Dafür für die Verhältnisse bin nicht ich verant wortlich... Das Leben brennt, ist wild und schön und da, gelebt zu werden." Und er überlegte, wo und wie er ſeine hübsche junge Angestellte verführen fönne. Weshalb lachen Sie?" frag'e er freundlich die dice Frau.
" Das ist jetzt einunddreißig Jahre her," sagte die Alte und streckte lächelnd beide Hände vor. Herr Kolbenreiher, ich war die erste, die Sie in den Händen gehabt hat. So groß waren Sie."
Alle Fahrgäste lächelten über die alte Hebamme. Das Mädchen wandte ein Blatt um, fah auf und Jürgen an, lächelte auch.
Was tat ich denn? Wie war ich?"" Es geht doch nicht. Das fönnte einen öffentlichen Skandal geben. Und auch die Autorität ginge flöten."
„ Gebrüllt haben Sie. Gebrüllt, sag ich Ihnen, nicht anders, als ob Sie am Kreuz hingen. Sie wollten nicht. D, Sie woll ten absolut nicht."
Auch der Schaffner grinste." Endstation!... Genoffin, heut abend ist Bezirksversammlung. Erinnere auch deinen Bater," sagte er zu dem Bureaumädchen.( Fortsetzung folgt.)