Str. 137 41.Jahrgang
Ausgabe A nr. 68
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Redaktion und Verlag: SW 68, Lindenstraße 3 Ferniprecher: Redaktion: Tonhoff 292-293 Verlag: Tönjoff 2306-2507
Freitag, den 21. März 1924
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Banffonte: Direktion der Diskonto- Geiellichaft. Devoitentaie Lindenstraße 3
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Eine deutsche Delegation soll angehört werden. Paris , 20. März.( Eigener Drahtbericht.) Die bisher befann gewordenen Grundzüge, der von den Sachverständigen in Aussicht genommenen Mahnahmen zur Bilanzierung des deutschen Budgets hat die deuifdhe Regierung veranlaßt, das komitee Dawes zu ersuchen, vor Faffung endgültiger Beschlüffe ciner deutschen Delegation Gehör zu geben. Das Komitee Dawes hat diesem Erfuchen flatigegeben und wird am Freitag dem Präsidenten der Ariegslaftenfommiffion, Staatssekretär Fischer, und dem Minifteria.bircfior Popis vom Finansministerium Gelegenheit geben, die deutschen Bedenken und Einwände gegen die von den Sachverständigen in Aussicht genommene Cösung vorzutragen. Dr. Schacht, der am Donnerstagnachmittag erneut mit der Bantenfommission des Komitee Dawes verhandelt hat, hat zu dem ihm.am Mittwoch bekannigegebenen Statutenentwurf der Deufchen Goldemissionsbant eine Anzahl Gegenvoridläge in Form eines Memorandums überreicht, über die voraussichtlich am Freitag dis
Eisenbahnen für eine internationale Anleihe, beren Ertrag teilweise als Rapital und Reserve der fünftigen Goldnotenbant, teilweise zur Finanzierung der Sachlieferungen Berwendung finden foll.
4. Einführung von Zabat, 3uder, Altohol und 3ünbholzmonopolen, beren Einnahmen zur Begleichung der Reparationen Verwendung finden sollen.
5. Rontrolle der Erhebung gewisser Einnahmen, sowie der Tätigkeit der Notenbank und des Betriebs der Eisenbahnen.
fuflert werden wird.
Beide Expertenfomitees haben sich am Mittwoch dahin geeinigt, ihren Bericht und ihre Vorschläge zu gleicher Zeit mit der Ueberreidung an die Reparationstommiffion der Oeffentlichteit zu übergeben.
Dr. Schacht ernent vor dem Dames- Ausschuß. Paris , 20. März.( BTB.) Reichsbankpräsident Dr. Schacht hat heute nachmittag von 8 bis 5 Uhr mit den Mitgliedern des ährungsunterausschusses über die Gründung der Goldemissionsbant verhandelt. Er überreichte eine schriftliche Aufzeich mung über die gestern an ihn gerichteten Fragen. Sachverständige werben bie Angaben Dr. Schachts in den nächsten Tagen prüfen und am fommenden Montag hierüber wiederum mit ihm verhandeln. Nach dem Temps" werden die Anhänge zum Bericht des Romitees Dames folgende Fragen zum Gegenfiand haben: 1. Errichtung einer Colonotenbant.
2. Deutscher Haushalt, Ausgleich zwischen Einnahmen und Ausgaben für das Faushaltsjahr 1924/25 und die nächfifolgen den Jahre. 3 weijähriges Moratorium für die Re parationsleistungen in bar, Forijegung der Sach Iteferungen und deren Bezahlung an die deutschen Industriellen.
3. Neorganisation ber deutschen Eisenbahnen. Eine neue Berwaltung für das gesamie Reß, in bas die zurzeit von der franzöfisch- belgischen Regie betriebenen Streden der Rheinlande und des Ruhrgebiets wieber einbezogen würden. Nutzbarmachung der
Churchill abermals geschlagen. Condon, 20. März.( Eigener Drahtbericht.) Am Mittwoch erfolgte im Stadtteil Westminster die mit Spannung erwartete nach wahl. Der Konservative Nicholson fiegie mit 43 Stimmen Mehrheit gegen Churchill ( 8144), den Kandidaten der unabhängigen Arbeiterpartei Jeuner Brodway, der 6146 Stimmen, und den Liberalen Duders, der nur 791 Stimmen erhielt. Churchill , der diesmal als„ Antifozialift" tandidierte, wurde damit zum dritten Male geschlagen. Dagegen fonnte die Labour Party als Reglerungspartei im Vergleich zu der vorletzten Wahl mehr als 4000 neue Stimmen buchen. Bei der letzten Wahl war in Westminster der Konfervative ohne Gegenfandidat gewählt worden.
Durch seine Serie von Niederlagen wird Winston Churchill au einer tragikomischen Figur der englischen politischen Welt. Die englischen Arbeiter werben sich aber über diesen neuen Reinfall Churchills um so mehr freuen, als er diesmal eine Etikette gewählt hat'e, die sich ganz besonders gegen die Regierung Macdonald richtete und mit der er hoffte, die fapitalistischen Stimmen beider bürgerlichen Parteien auf seinen Namen zu vereinigen.
Bei den Novembermahlen von 1922 hatte der Ronfervative mit 13 200 Stimmen gegen 2444 für den Arbeiterparteiler und 1950 für einen Unabhängigen gefiegt.
Einem Londoner Telegramm der Tl. zufolge hatte die erste Zahlung eine Mehrheit von 33 Stimmen für Churchill ergeben, der bereits Glüdwünsche von allen Seiten empfing. Mitten in bicje Gratulationsftimmung tam jedoch die Meldung, daß eine Nache zählung eine Mehrheit für den Ronservativen ergeben hatte. Churchill verlangte baraufhin eine dritte Zählung, die jedoch an dem Endergebnis nichts änderte.
Ultimatum Sowjetrußlands an China . Mostau, 20. März.( Eigener Drahlbericht.) Da China den zwischen dem Sowjetvertreter star ach an und Wang gefchloffenen Bertrag unter dem Druck der ausländischen Diplomatie nicht ratifiziert hat, fiberreichte die Sowjetregierung der chinesischen ein Ultimatum, welches den Abbruch der diplomatischen Beziehungen anfündigt, falls China binnen jweier Tage den Bertrag nicht afzeptiert.
Trinifprüche in Wien . Gestern abend gab Bundeskanzler Dr. Seipel ein großes Festessen zu Ehren von Dr. Marg und Strefemann. Seipel und Marg tauschten fehr herz'iche Trint fprüche aus, in benen fie den Dant ihrer Regierungen für die ge genfeitige Hilfe der letzten Jahre nacheinander aussprachen und die enge Solidarität Deutschlands und Deutschösterreichs betonten.
6. Organisation eines Systems von hypotheten auf die deutsche Wirtschaft", d. h. den industriellen, kommerziellen und landmoirischaftlichen Besitz Deutschlands , die als Pfand für die Aus. gabe von Obligationen dienen würden.
Unbehagen in Paris über Macdonalds Erklärung.
Paris , 20 März.( Eigener Drahtbericht.) Die Erklärung Mac. donalds, wonach die englische Regierung die Legalität der Ruhrbesehung ebensowenig anerkennen tönne wie die Auf faffung Frankreichs und Belgiens , daß sie berechtigt feien, die Kosten der Otkupation von den Einnahmen zurückzuhalten, hat hier leb. haftes Unbehagen hervorgerufen. In politischen Streifen nimmt man an, daß Poincaré darauf bei nächster Gelegenheit in einer offiziellen Ertiärung antworten werde. Der Neuaufrollung dieser Frage, die bereits im Sommer vergangenen Jahres zu einer scharfen Spannung zwischen Paris und London geführt hat, sieht man hier mit großer Besorgnis entgegen.
Die Lasten der Micum- Verträge. Im Hauptausi& nb des Landtags brachten Limbers und Genoffen einen Antrag ein, der die Etaatsregierung eriut, fineliftens und bringlich auf die Reicheregierung einauwirfen, daß diele für eine Verteilung der Laften aus den icum Bertzagen auf die gesamte beutiche Wirtschaft Gorge trage, weil das Ruhrgebiet ( und legten Endes feine Arbeiterschaft) diefe Lasten unmöglich länger tragen fann.
Alle bürgerlichen Barteien stimmten gegen den An trag, den Ausschlag für ieine Ablehnung gab aber der som munist Charpentier, der mit den Bürgerlichen gegen den Antrag ftimmte! Im Rubigebiet find fich dlle Arbeiter einig, daß im Sinne des Antrags gehandelt werden muß, im Landtag ftimmt der Kommunist mit den Deutsconationalen!
Die tschechischen Dokumente.
Prag , 20. März.( WTB.) Im Zusammenhang mit den Ber. öffentlichungen des Berliner Tageblatts" stellt die offiziöse Brager Breffe" folgende zwei Tegte einander gegenüber:
PP
1. Zitat aus dem Protokoll Andrassy Bismard über die Borbereitungen des Bündnisses vom 24. September 1874, abgedrudt im Buch des Professors A. Brzibram Die politilchen Geheimverfräge Desterreich- Ungarns 1874 bis 1914": Oraf Andrassy hat fig mit bem biefem Bertrage zugrunde liegenden Gebanten einverstanden erflärt, dagegen wider den Abschluß eines Uebereinkommens in der vom deutschen Reichsfang'er vorgeschlagenen Form und Ausdehnung Bedenten geltend gemacht, über welche hinauszugehen, ihm nicht möglich wäre, und die es ihm nicht geflatten würden, seinem Allerhöchsten Souverän die Annahme des gemachten Borschlages in der erwähnten Jaffung zu empfehlen."
"
2. Vergleich. Zibat aus dem Geheimprotokoll der Bet graber Ronferenz vom 10. Semuar 1924", abgebrudt im Berfiner Tageblatt" vom 19. März 1924:
P
„ Der Herr Minister Dr. Momcil Mintschitsch hat sich mit bem diesem Bertrage und dem vorgelegten ab schriftlichen Ronzeptvertrage zugrunde liegen. ben Gebanten einverstanden erklärt, bagegen ben Abfcy uß des neuen Beritares in ber von dem Herrn Dr. Eduard Benesch vorgeschlagenen Form und Ausdehnung gegenüber Bedenten geltend gemacht, aber weláje hinauszugehen ihm nicht mögfich wäre, und die es ihm nicht geftalien, feinem Allerhöchsten Herrn bem Rönig der Vereinigten Königreiche S..., die Annahm bes gemadten Vorschlages in der erwähnten Faffung zu empfehlen.
B
Anm. des„ Borwärts": Tanach ist bas ,, B. I." offenbar einem Fälscher zum Opfer gefallen.
gefelifchaft für Bährungs- und Finanzreform erklärte Die Kartellverordnung. In einem Vortrag vor der Studien ber Borsigende des Kartellgerichts, Geheimrat Dr. Lucas, daß man erwartet babe, der Hauptteil der Streitfälle aus der Kartellverorb. nung würde durch Richtigkeitserklärungen von Rartellen herbei. geführt werden. Tatsächlich ist tein einziger Fall cirer Nichtigkeits. erflärung zur Sprache gekommen. Dagegen hat sich das Kartell gericht mit 128 Ründigungen von Kartellen befaffen müffen, die fich auf 70 Kartelle erstrecken. Bon diesen 128 Fäilen find 38 zur Entscheidung gekommen. Davon ist in 30 Fällen die Kündigung als zulässig und in 8 Fällen als unzulässig erklärt worden. Dr. Lucas erklärte weiter, daß die Durchführung der Kartellverordnung nur dann möglia fei, wenn sie einer von allen politischen und wirtschaft lichen Einflüssen freien Stelle anvertraut würde.
Bon Joseph Wauters, ehem. Arbeits- und Ernährungsminister. Brüssel , 18. März 1924.
Die belgische Regierungstrife ist endlich, wenigstens vor läufig, gelöst. Am Dienstag hat sich das dritte Kabinett Theunis dem Parlament vorgestellt. Allgemein herrscht die Ansicht, daß sein Leben schwer und vielleicht furz fein wird; vielfach wird angenommen, daß die erst im Mai 1925 fälligen Neuwahlen vielleicht schon in einigen Monaten stattfinden müßten, aber allein die Sozialisten wünschen dies und drängen danach.
Das belgische Abgeordnetenhaus zählt 186 Mitglieder, und zwar 68 Sozialisten, 33 Liberale, 80 Katholiken und 5 ehemalige Frontkämpfer, darunter vier attivistische Flamen. Mährend aber die Sozialisten einen einheitlichen Block bilden, zählen die Liberalen, die mehr und mehr zu Stüßen des Kapitalismus geworden sind, noch einige Elemente mit forts schrittlichen und firchenfeindlichen Anschauungen. Diese Elemente ertragen nur schwer die von den Führern ihrer Partei mit den Katholiken getroffene Vereinbarung zwecks Regierungsbildung.
Auch bei den Ratholiten mangelt es immer mehr an Einheitlichkeit, von dem sehr mächtigen fonfessionellen Band abgefehen, wegen der sehr verschiedenartigen Interessen und Strömungen, die in dieser Partei vertreten find: Neben etwa 40 Bertretern des Adels und der tonservativen Bourgeoisie gibt es eine Gruppe von 40 Abgeordneten, die ihr Mandat den arbeitenden und demokratischen Schichten des Kleinbürger tums, Kleinbauerntums, Angestelltenschaft und Bauernschaft, die allein ihr Glaube in den Reihen der katholischen Partei festhält, perdantt. Aber auch diese lettere Gruppe gerfällt in zwei Teile: diejenigen, die sich längst ben fonservativen Anschauungen genähert haben, und diejenigen, deren Namen nur unter dem Drud her christlichen Arbeiterverbände auf die Kandidatens liften gelegt wurden; das sind vor allem etwa 20 Abgeordnete, die in Antwerpen , in Flandern und sogar in Brüffel im offe nen Kampfe gegen die traditionelle fatholische Richtung seinerzeit gewählt wurden
Schließlich darf nicht außer acht gelassen werden, daß, wenn auch alle belgischen Parteien Meinungsverschiedenheiten im Sprachenproblem aufweisen, die flämischen Elemente der Katholischen Partei so ziemlich identisch sind mit den aktiviten demokratischen Elementen dieser Partei. Aus allen diesen Gründen ist auch die neue Regierungstonstellation recht to m pliziert und jedenfalls sehr gefährdet, so daß man sagen fann, daß fie einem chronischen Krisenzustand verfallen ist.
Die erfte Regierung Theunis, die nach den Wahlen vom November 1921 gebildet wurde, stützte fich auf die Statholifen und die Liberalen und entsprach so ziemlich dem damaligen Willen der öffentlichen Meinung. Die Sozialisten waren aus der Regierung ausgefchieben, nachdem es ihnen gelungen war, einen wesentlichen Teil des unmittelberen Programms der Arbeiterklasse zu verwirklichen: Arbeitslofenversicherung, oftenlose literspensionen, Achtstundentag, Stipendien für begabte Stinber, paritätische Lohntommiffionen, Herabjegung der Militärdienstpflicht auf 10 Monate usw. Die verängstigten fapitalistischen Interessen hatten mit Hilfe der Berblendung des Mittelstandes einen Generalangriff gegen die Sozialisten unternommen, die jedoch nur zwei Sige im Barlament ver leren. Andererseits befand man sich damals mitten in einer schweren Industriekrise, die Arbeitslosigkeit hatte bis 200 000 gemertschaftlich Organisierte von insgesamt 800 000 betroffen, wodurch die letztere zugleich eine Schwächung ihrer Bestände bis auf etwa 600 000 erfuhr.
Dennoch stellte sich das erste Kabinett Theunis dem Parlament mit der Beteuerung vor, daß es gewillt sei, eine demo kratische Politit zu betreiben und sogar die Politik des früheren Ministeriums fortzusehen, in dem die Sozialisten einen so starten Einfluß ausgeübt hatten. In Birtlichkeit unter nahm dieses Kabinett zwar nichts offen gegen die foeben durch geführten Reformen, aber es versuchte sie auf verwaltungs. technischem Wege zu durchlöchern und zu sabotieren, zumeist unter dem Bormand notwendiger Ersparnisse. War doch Herr Theunis an die Macht gekommen mit dem Ruf, diejenige Finanzkapazität" zu sein, die fähig wäre, das Gleichgewicht der öffentlichen Finanzen wiederherzustellen und Deutschland zum Zahlen zu bringen.
Allmählich verstärkte sich der reattionäre Charat. ter der neuen Regierung; auf finanziellem Gebiete zeigte sie feinerlei Rühnheit, fondern begnügte fich mit oft widerlichen Ersparniffen; feinerlei wichtige Reform tonnte zustandegebracht werden, hingegen sah man sich vor allem vor ein großes politisches Problem gestellt, nämlich die Flamisierung der Benter Universität, wo die Unterrichtssprache seit einem Jahrhundert die französische ist. Ein heftiger Parteitampf entbrannte, der sich auch auf das Kabinett selbst übertrug. Ein von der Rammer angenommener Rompromißentourf wurde vom Senat abgelehnt. Die Regierung trat zurüdum sich dann neu zu bilden auf der Grundlage einer Kompro