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Nr.141 41.Jahrgang

Ausgabe A nr. 70

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Sozialbemotrat Berlin  .

Sonntagsausgabe

Vorwärts

Berliner Volksblatt

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Zentralorgan der Vereinigten Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands  

Redaktion und Verlag: SW 68, Lindenstraße 3 Herniprecher: Redaktion: Donbon 292-295 Verlag: Dönboff 2506-2507

Sonntag, den 23. März 1924

Wähler und Wählerinnen!

Am 4. Mai soll die Stimme des Boltes die Entscheidung geben für Ziel und Richtung der deutschen   Politit.

Ein Ansturm sondergleichen richtet sich gegen das alte, tampferprobte Heer der deutschen   Sozialdemokratie.

Bon rechts und links her wird ihre Front berannt, Rüd­schrittler in den verschiedensten Masten und Radikale", deren Kadikalismus sich in Worten und sinnlosen Butschen erschöpft, stürmen mit gleicher But gegen die Partei an, die in jahr zehntelangem Kampf den Aufstieg der Arbeiterklasse Schritt für Schritt erzwang.

Die Umwandlung der alten reaktionären Parteien in Bolfsparteien" reichte nicht aus, das Bolt zu täuschen. Neue Namen, neue Gruppen tauchen auf. Heute nennen sich die jenigen Freiheitspartei", die

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Wiederaufbau nicht gegen, sondern mit und durch die Werftätigen in Stadt und Land, durch Hebung ihrer mate­riellen Cage, ihrer förperlichen und geistigen Kräfte, das ist unfer Ziel.

Die Sozialdemokratie fordert die Aufrichtung der Herr schaft des Staates über die mächtigen Wirtschaftsgruppen, die Herrschaft der Allgemeinheit über die privaten Ringe und Kon­gerne, die das Volk ausplündern.

Die Sozialdemokratie will Steigerung der Produktion durch Berbesserung der Technik, durch Hebung des Wiffens und der Kultur der arbeitenden Massen. Nicht aber künstliche Erhöhung von Grundrente und Profit durch Schutz- und Lebensmittelzölle.

The Ziel ist Volksherrschaft über Volkswirtschaft! Die Sozialdemokratie verteidigt die Republtt gegen ihre Feinde.

jede errungene Freiheit wieder rückgängig machen wollen; heute nennen fich diejenigen Nationalsozialisten und Baterländische, die Ludendorff  , Hitler, Kahr   und Minour zu Diftatoren der deutschen   Nation ausrufen wollen, Herrn Milichen noug, den ehemaligen Geschäftsführer von Stinnes, Herrn Ludendorff  , der immer floh, wenn die eigene Berson in Ge­fahr war, Herrn Kahr und Herrn Hitler  , die sich gegenseitig schuldigen. Das sind die Helden der neuen Freiheitsparteien. Eine wüste antisemitische Heze soll die Aufmerksamkeit des

des Berrats und des ehrlosen Wortbruchs be

Boltes ablenten von dem gemeingefährlichen Treiben der

Kriegs- und Inflationsgewinner.

Bon links her behaupten die Kommunisten, die Sozialdemokratie habe dem Kapitalismus die Steigbügel ge­halten. Was ist die Wahrheit? Ueberall, wo die Kommunisten Erfolge errangen, triumphierte die Reaktion.

In Bayern  , in Thüringen  , in Mecklenburg  , in Italien  , in Ungarn  - auf jeden kommunistischen   Erfolg erfolgte der Sieg der Konterrevolution. milien in dem Hagel der Angriffe kämpft für die alten Grundsähe der Demokratie, und des Sozialismus die Sozialdemokratische Partei  .

Sie bleibt die Partei der Völkerverständigung, trotzdem der Weg dahin mit Dornen bestreut ist. Denn es gibt nur die Wahl zwischen Berständigung und Untergang aller Kultur in einem neuen Kriege.

Die Sozialdemokratie will den deutschen   wieder. aufbau nicht durch Verkümmerung der Menschenkraft und der Menschenleben, sondern durch Opfer des Besizes.

Dieser Gegensatz hat sie in Kampfstellung zu allen bürger­lichen Parteien gebracht, die an der Schaffung des Ermächti­gungsgefeßes mitgewirkt haben.

Die Regierung und die Regierungsparteien behaupten, die Sozialdemokratie wollte mit ihren Anträgen die Wert­beständigkeit des Geldes wieder vernichten.

Nichts falscher als das! Die Sozialdemokratie hat seit Jahren die Wertbeständigkeit des Geldes und die Ordnung des Staatshaushalts gefordert. Sie hat 1921 und 1922, lange bevor der schlimmste Verfall fam, Anträge und Vorschläge dafür dem Reichstag unterbreitet. Sie hat die Erfassung der Sachwerte verlangt. Sie stieß dabei aber auf den erfolgreichen Widerstand des

lichen Republik zum sozialistischen Boltsstaat. Die Sozialdemokratie erstrebt die Fortbildung der bürger­Die Sozialdemokratie lehnt es ab, in Putschen und finnlosen Generalstreits die Kraft der Arbeiterklasse zu ver­zetteln. Diese stärken nicht, sondern schwächen das Proletariat. Die Sozialdemokratie verlangt Abschaffung der Miet­Steuer und ihre Ersetzung durch Zuschläge zur Vermögens­

fteuer.

Renten der Kriegsverlehten, Invaliden und Witwen, um diese vor dem Berhungern zu schüßen.

Die Sozialdemokratie fordert die Heraussetzung der

Die Sozialdemokratie will den Arbeitslosen nicht Almofen, fondern Arbeit verschaffen, und solange das nicht möglich ist, den Rechtsanspruch auf eine menschenwürdige Unterstützung. Die Sozialdemokratie wird den

Kampf um den Achtstundentag fortfeßen. Findet der Achtstundentag im Parlament teine Mehrheit, so wird sie ihn durch ein Voitsbegehren aufs neue erringen.

fchaften um die Berbesserung der Lebenshaltung der Arbeiter, Die Sozialdemokratie unterstützt den Kampf der Gemert­Angestellten und Beamten. Sie wendet sich gegen die Politik der Lohnfenfung durch die Reichsregierung. Sie verlangt die Erhöhung der niedrigen Beamtengehälter, die Beseitigung von Willfür und Härten im Personalabbau.

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Vlastimil Tufar gestorben.

Sozialist und Diplomat.

Der außerordentliche Gesandte und bevollmächtigte Minister der Tschechoslowakischen Republit in Berlin  , Genosse Blastimil Tusar, ist gestern abend 347 Uhr nach eintägigem Kranken­lager einem Herzleiden erlegen. Ein plötzlicher Tod hat ihn aus einem arbeitsreichen Leben geriffen, das den Idealen des Sozialismus ergeben und dem Berk der internationalen Ver­ständigung gewidmet war. Ein durchdringender politischer Berstand und ein tiefes Gefühl für Menschlichkeit gaben seiner Persönlichkeit das Gepräge, und nicht nur für die Sozial­ demokratische Partei   seines eigenen Boltes, sondern für die ganze Arbeiterinternationale bedeutet das jähe Hinscheiden des faum Vierundvierzigjährigen einen schweren Verlust.

Als junger Handlungsgehilfe war Tujar vor etwa 25 Jah ren in die gewerkschaftliche und politische Bewegung einge­treten. Die sozialistische Arbeiterbewegung Desterreichs blieb bekanntlich von den nationalen Wirren nicht verschont. Tusar, geborener Realpolititer, ftellte sich auf den Boden derer, die aus der nationalen Grundlage heraus eine tsche­chische Sozialdemokratie als selbständiges Glied der Inter nationale schaffen wollten. Die tschechische Sozialdemokratie, die natürlich nicht ohne Irrungen und Reibungen emporwach sen konnte, wurde im Oktober 1918 das Rückgrat der natio­nalen Revolution, aus der die Tschechoslowakische Republit entstand. Ihr zweiter Ministerpräsi­dent war Vlastimil Tusar.  

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stehung dem Zusammenbruch der Mittelmächte. Die Entente Aber die Tschechoslowakische Republik verdankt ihre Ent­und vor allem Frankreich   standen an ihrer Wiege. Die Sudetendeutschen wollten von dem neuen Staat nichts wissen, und waren in seiner fonftituierenden Nationalversammlung nicht vertreten. Die Regierung war zudem eine Koalitions regierung. Der Schwierigkeiten waren viele, und Härten fonnten nicht ausbleiben.

Wenn die deutschen   Sozialdemokraten der Tschechoslowa­allereheften von allen tschechischen Staatsmännern zu Ver­mittlung und Ausgleich berufen war, so ist das das fei auch später noch in Tufar den Mann erblickten, der am allerehesten von allen tschechischen Staatsmännern zu Ber= beste Zeugnis für seine Tätigkeit auch als Ministerpräsident.

Am schwersten haben die Frauen, die Mütter unferes Staatsfelbständigkeit mur möglich sein durch polizeiliche Nieder­

Volkes gelitten.

Ihnen hat allein die Sozialdemokratie das Wahlrecht ge­geben. Jetzt ergeht gerade an sie der Lodruf der Reaktionäre, die früher die Frauen für minderwertig erklärt haben. Die Frauen aber sind die ersten Opfer einer Reaktion, die alle Lasten auf die Massen des arbeitenden Boltes abwälzt. Die Sozialdemokratie tritt für eine volkstümliche Rechts­pflege ein, gegen den Rechtsabbau der Justizreaktion.

Für das Bolt- gegen Rüdschrift, gegen Bedrudung, gegen Ausplünderung, gegen Rechtsminderung, das ist die Parole unseres Kampfes!

Deshalb stehen viele Feinde gegen uns im Streit. Eine von Kapitalisten getaufte Presse besudelt täglich unsere reinen Ziele. Berbitterte, Ermüdete, Gleichgültige gefellen fich zu den bewußten und bezahlten Vertretern fapitalistischer Aus­

Bürgerblocks der Steuerverweigerer: Der Mehrheit beutung und erschweren unsere Arbeit des Reichstages.

Sie will die Festigung der Währuna. Sie will aber diesen Erfolg nicht nur auf Kosten der Minderbemit telten, der Arbeiter, Angestellten und Beamten, auf Rosten der Rentenbezieher, Invaliden, Witwen und Arbeits­lofen: darum geht der Kampf!

Sicherung der Währung, Aufbau der Wirtschaft- aber auf Kosten derjenigen, die in Krieg und Nachkriegszeit ihr Cut erhalten und vermehren konnten, nicht auf Kosten derer, die alles verloren, die tief verarmten, nicht auf Kosten derer, beren

Frauen und Kinder bitterste leibliche Not gelitten und die ihre letzten Mittel eingebüßt haben.

Wir nehmen den Kampf auf! In dunkleren Tagen, in schwereren Zeiten hat er uns von Erfolg zu Erfolg geführt, er wird allen Gewalten und Hindernissen zum Troß uns zu neuen Siegen führen.

Für die Republik  , gegen die Monarchie! Für den sozialen Fortschritt, gegen die soziale Reaktion!

Bor drei Jahren tam Tusar als Gesandter nach Berlin  , als Vertreter eines Staates, in dem Frankreich   feinen Basal­len erblickt und der das nach dem Willen eines Teils feiner eigenen Bürger auch sein sollte. Nach der Theorie der tschechi­schen Nationalisten soll die Erhaltung ber tschechoslowakischen haltung des Deutschtums im eigenen Lande und durch mili­tärische Niederhaltung Deutschlands   und seine dauernde Ein­treifung. Diese Theorie hatte feinen überzeugteren Gegner als Tusar. Seinem flaren politischen Blid fonnte die tiefe wirtschaftliche, geistige und geschichtliche Verbundenheit Mitteleuropas   nicht entgehen. Daß er die Erhaltung der Republit wollte und für sein Bolt eine Stellung, die ihm feinen fulturellen Aufstieg gewährleistete, ist felstverständ­lich. Aber der Gedanke schien ihm Wahnsinn, mehr als drei Millionen Staatsbürger, die Sudetendeutschen, in ständige Rebellion gegen den Staat zu zwingen, und für die Idee einer militärischen Gegensäglichkeit zwischen Deutsch­ land   und seinem Vaterlande hatte er nur Ausdrücke stärkster Berachtung. Auch hier war es nicht nur das sozialistische Emp­finden, nicht nur der selbstverständliche Abscheu vor dem Krieg, fonderen auch die realpolitische Erkenntnis des besonderen Falles, die fein Denken bestimmte. Für die allgemeine Auf­faffung, daß der Krieg Selbstmord auf Gegenseitigkeit ist, ftellt ja ein gedachter Krieg zwischen Deutschland   und der Tschechoslowakei   den krasfesten Schulfall dar.

Tusars stärkste lleberzeugung mar, daß dieser Fall nie Wirklichkeit werden fönnte, und seine ganze Arbeit in Berlin  galt dem Ziel, diefer Ueberzeugung Bahn zu brechen. Die Arbeit war nicht leicht. Aus der Tschechoslowakei   tamen be­rechtigte Klagen über Unterdrückungen aller Art, denen die Für die Wirtschaftsdemokratie, gegen die Diktatur deutsche   Minderheit ausgefeßt war. Die Nationaldemokraten, der kapitalistischen   Monopole!

die Koalitionsgenossen der tschechischen Sozialdemokratie in der Prager   Regierung, feierten bei jeder Gelegenheit lärmend Für die Völkerverständigung, gegen den inter  - die Freundschaft mit Frankreich  . Es kam- ein nationalen Militarismus!

Auf in den Kampf, Wähler und Wählerinnen! Alle Kräfte angespannt, alle Hände gerührt, alle Geister wach! Es gilt, das Banner des Sozialismus zu neuen Siegen zu führen!

Berlin  , den 20. März 1924

Der Vorstand der Vereinigten Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

schwerer Schlag für Tufars Politit- der Bündnisvertrag vom 24. Januar d. J., und der wachgerufene Argwohn ließ den Glauben an gefährliche und tückische Geheimverträge ent­

stehen, der in den Veröffentlichungen des Berliner   Lage­dadurch verursacht wurden, war die geschwächte Gesundheit

blatt" feinen fonkreten Ausdruck fand. Den Aufregungen, die des schwer herzleidenden Mannes nicht mehr gewachsen.

Die Dokumente des Berliner Tageblatt" sind Fal­fchungen. Daran fann heute ebensowenig ein Zweifel be­stehen wie an dem guten Glauben derer, die sie veröffentlich­ten. Tufars Tage waren gezählt, die Politik kann nicht Rüd­ficht nehmen auf Politiker, deren Herz teine Erregung mehr