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ziehen und das, indem er den Schüler nach und nach von der Lehrerhilfe bis zur vollen Selbständigkeit bringt. Sind schon die unterrichtlichen Folgerungen, die hier gesehen und von der Denkschrift gezogen werden, überaus meittragend+ Befreiung pon engen Lehrplänen, an deren Stelle bloß Richtlinien treten; Befreiung von allem methodischen Drud, Aufhebung der geist lofen aufgegebenen Hausarbeiten u. dergl. m., so ist darüber hinaus die Umstellung der Unterrichtsanstalt mit festgebun­denen Lernzielen zur Erziehungsschule vollzogen. Denn selbsttätige Arbeit ist immer die Schule des Willens, der Persönlichkeit; sie ist der einzige Weg, die werdende Per sönlichkeit zur Einordnung in die Gemeinschaft zu bringen, ihr die Notwendigkeit der Gemeinschaft anschaulich zu machen. Das spricht die Denkschrift mit aller wünschenswerten Deutlich

feit aus.

Für uns lautet jetzt die Frage: wie weit fönnen wir als Sozialisten diesen Gedankengängen folgen? Wir fordern eine Schulorganisation, die die höhere und die Volksschule als getrennte Schularten aufhebt und die erste zu einer ( Ober-) Stufe der einheitlichen Schule macht, also eine gemein­fame 8-9jährige Grundschule, auf der sich die mannigfaltig gegliederte Oberstufe aufbaut. Eine Annäherung an die­fen Gedanken, etwa in der Angleichung der Unterstufe der höheren Schule an das 5.- 7. Schuljahr der Volksschule wie im Thüringer   Plan, bringt diese Reform nicht, ja fie läßt es infolge der Beibehaltung des grundständigen Gym­nasiums nicht einmal zu einem einheitlichen

Tageszeitung" einige Einzelheiten über die Lage bei Kriegs­ausbruch, die auch für die weitere Deffentlichkeit Interesse haben. Nach dem Geftändnis Wangenheims wurde die erste der später von den Agrariern und den Deutschnationalen so verlästerien Kriegs gesellschaften auf seinen Antrag beschlossen, nämlich die Zentrale für Heeresversorgung". Diese sollte, wie Wangenheim mitteilt, nach Verständigung mit der Verpflegungsabteilung im Kriegsministerium durch die Landwirtschaftskammern in 3u fammenarbeit mit Genossenschaften, Handel und Mühlen die er­forderlichen Lieferungen beschaffen. Diese Stelle unter Leitung von Ezrellenz Mehnert, dessen Stellvertreter ich war, hat etwa Jahre mit einem Infostenaufschlag von ½ pro Mille gearbeitet. Sie konnte nicht alles leisten, aber sie hat die Sache gehalten, bis feste Organisationen ge­schaffen waren." Aber Wangenheim gesteht noch mehr. Er versichert aus voller Ueberzeugung:

oder weniger von der Norm abweichen. So ist in erster Linie eine feinere Konstruktion des Nervensystems zu beob=> achten, die eine überaus starfe Reaktionsfähigkeit auf die Erschei nungen der Umwelt zur Folge hat und auf der auch gewiffe Stärfen und Schwächen seiner Pinche beruhen. Daß Dr. Zeigner Stärken aufzuweisen hat, hat auch die Verhandlung gezeigt. Neben seiner fympathischen Umgangsform, die ihm die Annäherung zu Menschen leicht macht, kommt seine gute Auffassungsgabe und sein starkes Ein­fühlungsvermögen in Betracht. Diese Lichtseiten seiner Persönlichkeit sind aber vielfach überschätzt worden. Seine intellektuellen Gaben fommen u. a. auch in den Ausgaben studienwissenschaftlicher Werte zum Ausdruck. Sein Intereffe war jedoch mehr theoretischer Natur und seine phantafiemäßige Einstellung hindert ihn, feine Kennt nisse nugbringend anzuwenden. Seine dialektischen Fähigkeiten werden sich wohl durch planmäßige llebung in der letzten Zeit her­ausgebildet haben. Seine lebhafte Phantafie wird durch geringe Menschenkenntnis noch gesteigert. Die zahlreichen unfritischen Be mertungen, die er während der verschiedenen Unterhaltungen mit mir machte, beweisen, daß Dr. Zeigner die Dinge nicht jo Der Todesstoß wurde unserer Ernährung schon im Herbst fieht, wie sie sind, sondern so, wie er sie zu sehen wünscht. 1914 durch die oben geschilderte Aufzehrung unseres Brotgetreides Sie hindern ihn auch, die Probleme in ihren Tiefen zu verfolgen. durch unsere Schweinemast verfeht. Wir fahen das Unheil kom- Er verzettelt feine Kräfte in oberflächlichen Betrachtungen. Auch ist men, und ich bin es gewesen, der... den Kaiser auf die Ge= es ihm unangenehm, in den Kern der Sache zu gehen. Eine psychische, fahr für unsere Ernährung hinweisen ließ, in der wir oft zu beobachtende Biefgeschäftigteit bildet eine um so uns schon damals befanden. 3ch, der verrufene Agrarier, babe größere Gefahr, weil sie die allzu große Arbeitsfähigkeit, eine Mög damals immer und immer wieder die Rationierung unseres Brot. lichkeit der Konzentration um so stärker beeinträchtigt. Diese Viet­getreides gefordert, da wir schon im erften Kriegsjahre durch die geschäftigteit führt dann zu einer allgemeinen erpofität, falschen Maßnahmen der Regierung vor dem gänzlichen die ihrerseits wieder eine lle berempfindlich feit gegen äußere Versagen unserer Brotversorgung standen. Eindrücke, Reizbarfeit, Stimmungswechsel, das Gefühl der Verlassen. So, das ist alles sehr nett und brav von dem alten Herrn heit, eine unzufriedenheit mit sich selbst und mit der Umwelt zur durch im Streit gegen die angeblich marristische 3 wangsmirt eine Furcht vor politischen Anfeindungen und Nachstellungen, die schaft" stellte? War es nicht auch der von Wangenheim geführte an und für sich auch nicht unberechtigt war, noch gesteigert. Geine Reichslandbund  , der die freie Wirtschaft" für Brotgetreide forderte, Einstellung zur Umwelt ist nicht eine verstandesmäßige, fondern eine bis feinen Wünschen von der bürgerlichen Barlaments mehrheit Rech gefühlsmäßige. Dementsprechend weist er auch einen bedenk­das war auch der Grund, mes= nung getragen war und der Brotpreis für die hungernden Bolks- lichen Mangel an Initiative auf maffen unerträglich wurde, halb er für eine. Reihe von Dienststellen in seiner Beamtenlaufbahn als untauglich befunden worden war. Hervorzuheben ist ferner feine Suggestivität und Autosuggestivität. Er unterliegt beshalb leicht den Lockungen seiner Familie und den Ansichten, die ihm vorgetragen werden. Lehteren um so leichter, als er glaubt zu schieben, wird aber in Wirklichkeit ge­choben. Seine Handlungen scheinen deshalb oft nicht nur trieb­haft, sondern auch unzweckmäßig. Diese Eigenschaften mußten ihm in seinem Verhalten mit Möbius verhängnisvoll merden. Die psychologischen Momente genügen nicht, um seine Beziehungen zu legteren restlos zu erklären. Das amtliche Urteil muß also dahin zusammengefaßt werden, daß Dr. Zeigner bei seinem reichen Wissen und seinem großen Fleiß nicht über Eigenschaften verfügt, die der Mensch befizen muß, um eine ausgeglichene, und in sich ab­geschlossene Persönlichkeit zu sein. Daran war zweifellos feine Entwicklung im Elternhaus und die Einflüsse feines Familien­lebens schuld, über die der Sachverständige doch nicht sprechen kann. Daß aber feine Schwächen die Stärken weit überragen, ist ohne weiteres flar. Wie weit aber alle diese Eigenschaften an den ganzen Ereignissen die Mitschuld tragen, ist schwer zu sagen.

Unterbau für sämtliche höheren Schulen fommen. Es ist Wangenheim. Aber wer mar es denn später, der die lautesten Rufer Folge hat. Diese Empfindungen werden bei Dr. Zeigner, der sche

doch sehr bedenklich-trok aller wohlverständlichen inneren Gründe!, daß hier wieder ehrgeizigen Eltern, die noch immer das Gymnasium für die einzig vornehme Schule halten, die Möglichkeit gegeben wird, ihr 10jähriges Kind auf den meist falschen Weg des Lateinschülers zu schieben. Aller­dings kann man sagen, daß die neue Festlegung der Schultypen so glücklich ist, wie das die heute noch gültigen, auf einem Uebereinkommen der Länder beruhenden Abitu riumsbestimmungen nur irgend zulassen. Ihre be­schränkte Stundenzahl läßt ja auch Sonderbegabungen noch darüber hinaus Raum zu weiterer Spezialisierung.

Die organisatorische Lösung, das muß troz aller Anerken­nung des unzweifelhaften Fortschrittes, den sie bringt, gesagt werden, befriedigt unsere Wünsche nicht. Wohl aber fönnen wir der inneren Reform, die von der Denkschrift vertreten wird, überall zustimmen. Arbeitsunterricht unter Be­freiung vom unnötigen Ballast der alten Lehrbücher, Richt linien, die der Individualität des Lehrers, des Schülers, der einzelnen Schule weiten Spielraum laffen, Freiheit für ernste Bersuche, produttive Hausarbeiten wie oft sind wir für alle diese Ziele eingetreten! Bird all das wirklich durchgeführt, finden sich die Lehrer, denen die neue Freiheit auch Kraft gibt, sie im Sinne der Denkschrift zu nußen, so machen unsere höheren Schulen einen gewaltigen Schritt vor­wärts.

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Leider aber und das ist der anfechtbarste Punktist diese gute Schulreform noch immer teine joziale Schul­reform. Sie kann nichts von den Mitteln' sagen, die bereit­gestellt sind, um allen Kindern des Voltes in gleichem Maße den Zugang zu diesen Schulen zu öffnen. Das aber ich muß es gerade in der gegenwärtigen Zeit sozialer Not aussprechen wäre die wichtigste Schul­reform, die wir uns denten fönnen,

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Ich tomme zu meinem Ausgangspunkt zurüd. Diese Dentschrift macht weder in ihrer Begründung noch in ihren Ergebnissen sozialistische Schulpolitit, aber sie gibt auch uns vieles, was wir gefordert haben, und sie märe nicht möglich ohne die in Preußen bestehende große Koalition, die hier gweifellos einen Aktivposten buchen kann.

Der Dolchstoß durch Schweinemast.

Ein Bekenntnis Wangenheims.

In einer Auseinandersetzung mit dem völkischen Freiherrn Don Gleichen Rußwurm erzählt der Borjizende des Reichs­landbundes, Freiherr von Wangenheim   in der Deutschen  

Pyjama- Literatur.

Bon Josephus.

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Wir halten fest: Die Schweinemast betrieben auf den Klitschen der Landbündler- versezte der Ernährung und damit der deutschen   Widerstandskraft schon im Herbst 1914 fast den Todesstaß. Dolchstoß sagte man später und die Agrarier führten die fpäter als margistisch" verschrienen Striegsgesellschaften ein! Haben diese verjagt, so trifft ihre Bäter die Schuld an dem Unglück des Landes. Nur deshalb ist ihre Dolch stoß"-Lüge gegen die Arbeiter begreiflich!

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Der Vordermann von Hugo Preuß  . Die Zeit" feilt mit, daß der bisherige demokratische Reichstags abgeordnete Trieschmann zur Deutschen   Volkspartei übergetreten ist. Dazu bemerkt das" B. T.": Herr Trieschmann, der 1920 an zweiter Stelle für Hessen- Nassau   fandidierte, ist diesmal nicht wieder aufgestellt worden und hat daraufhin seiner Partei den Rüden gekehrt. Er ist im Reichstage niemals rednerisch oder sonstwie hervorgetreten, und seine parlamentarische Bedeutung erschöpfte sich in der Tatsache, daß er dem hinter ihm auf der Liste Hessen  - Raffaus stehenden Hugo Preuß   den Eingang in den Reichstag persperrie.

Der Zeigner- Prozeß.

Das Urteil der Sachverständigen.

Leipzig  , 26. März.( Eigener Drahtbericht) Die Gizung wird präzise 9 Uhr eröffnet. Der Beginn der Plädoyers muß verschoben werden, da außer den Gutachten der ärztlichen Sachverständi­gen noch die Bernehmung der 3e u gen bevorsteht, die auf Antrag der Verteidiger bereits geladen sind. Der Sachverständige Dr. Schüß gibt darauf fein ausführliches Gutachten ab. Er ha. den Angeklagten Dr. Beigner von den ersten Tagen seiner Einlieferung in das Ge­fängnis an sehr häufig besucht, sich lange mit ihm unterhalten und den Gerichtsverhandlungen beigewohnt. Er fann aber trotzdem bei der Kompliziertheit der Persönlichkeit des Angeklagten fein Gut achten abgeben, das Anspruch auf Vollständigkeit haben könnte. Er will deshalb nur die Hauptmomente herausgreifen, in großen Linien feine Bersönlichkeit aufzeigen. An der geistigen Gesundheit ist nicht gezweifelt worden und fann auch nicht gezweifelt werden. Er ist aber ein Psychopath.

Diese Psychopathie bedingt eine Reihe von Eigenschaften, die mehr

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Auf die Frage des Staatsanwalts ergänzt Dr. Schüß sein Guts achten dahin, daß er bei Dr. Zeigner in den ersten Tagen feiner Ein­lieferung in die haft nicht die Erscheinung eines seelischen Zu­sammenbruchs wahrgenommen habe, von dem Dr. Graf gesprochen hat, allerdings habe er selbst auch mögliche Selbstmordver fuche zu befürchten gehabt. Anlaß dazu gaben Binfe, freiwillig aus dem Leben zu scheiden, die ihm von außen gemacht worden sein sollen. Schließlich erklärte der Sachverständige auf eine dies­bezügliche Frage des Staatsanwalts, daß Menschen mit lebhafter Phantasie daran zu glauben geneigt sind, was sie sich selbst vor­gaufeln, daß aber im speziellen Falle fein Grund vorhanden ist. an ber Selbstliebe des Dr. Beigner zu zweifeln. Damit schließt bas Gutachten des Sachverständigen.

Der Kampf um Gemer.

Der Reichskanzler stellt Strafantrag.

Gegen den Pressechef der Reichsregierung, Ministerialbirettos Dr. Spieder, find neuerdings in der Bresse ehrenrührige Vorwürfe erhoben worden. Auf seinen Antrag hat sich der Reichstanjler in feiner Eigenschaft als Dienstvorgesetzter ver­anlaßt gesehen, gegen die verantwortlichen Schriftleiter der in Frage fommenden Presseorgane Strafantrag wegen Beleidigung 3 stellen.

Allein uns fümmert das weniger. Die Wirkung der Pyjama| schaft entpuppen. Alt dieses Erschauen, Erfahren und Erschauerit literatur auf den Arbeitenden, den Proletarier", ist nur: Schaden- wird aphoristisch durch das Wort angedeutet, polkstümlich bald, bald. freude. Wir sehen diese Welt im Spiegel ihrer Satiriker. Wir können sehr bissig. Die Sprache ist hochgestellt, feierliche Reime, antife Chora mit einem beitern, einem spottenden Auge diese Borgänge betrach- rhythmit, flaffischer tragischer Vers. Man wird unwillkürlich daran ten. Wir sind vom Pyjama nicht entzüdt, also zu keinem Pathos verpflichtet. Objektiver, als uns gegenüber der Staatsanwalt, ge­stehen wir sogar die Berechtigung dieser Literatur. Denn sie wastiert sich nicht als das Heil. Vor ihrem Eingang hängt ihr Abzeichen und ihr Lockruf: die rote Laterne. Sie ist tausendmal sympathischer als Sudermann und die Rotter- Dramaturgie. Genau so, wie uns der graufame Rapitalist lieber ist als der barm herzige....

Was die Aufführung betrifft: die Pyjamas stammen aus dem Atelier Heilbrun.

Fackelfest der Truppe im Lustspielhaus.

Diese Galtung, älter als das Pyjama, wird im Intimen Theater Gustav Heppners gepflegt und verdient statt eines Re­ferats eine prinzipielle Auseinandersetzung. Denn es ist ziemlich gleichgültig, cb die jeweils zur Erstaufführung gelangenden Einatter, in denen das Pyjama Held, Handlung, Höhepunkt und Peripetie in einem ist, aus der bewährten Schreibmaschine Rudolf Lothars, Mel­chior Lengyels, Louis Verneuils stammen, oder ob die Dramatisierung des Schlafzimmerlebens durch Georges Feydeau   und Karl Gandrup, Rudolph Eger und Hans Gaßmann erfolgt ist. Nur ein Zufall fügte es, daß die gestern im Intimen Theater erstaufgeführten Einafter Don Annie Neumann- Hofer, von Rudolph. Lothar, von Julius or st sind. Der vierte in der Spielreihe der erste war cine Groteste nach Avertschenko". Der literarische Klang dieses Ramens tönnte täuschen. In Wirklichkeit ist ein tüchtiger Bearbeiter imftande, segar einen Dostojewsky so herzurichten, daß er mit Rus dolph Lothar verwechselt werden könnte. Man macht einfach aus dem nebensächlichen Requifit( den Damenhöschen oder dem Pyjama) die dramatische Pointe und gestaltet also einen Unsterblichen zum Interieurdichter. und auch noch aus anderen Gründen verdient die Pyjamaliteratur, zu der auch Zeitschriften wie Der Junggeselle", Berliner Leben" und so weiter gehören, mindestens dieselbe Berüd­sichtigung wie die Prostitution, das Zuhältertum, die Geschlechts­Frankheiten. Die Pyjamaliteratur ist die schillernde Fäulnisblüte aus dem Garten der bürgerlichen Gesellschaftsordnung. Auf dem benach dem Garten der bürgerlichen Gesellschaftsordnung. Auf dem benach. barten Beet sprießt die Syphills. Ich rufe trotzdem nicht nach dem Staatsanwalt, der, inmitten dieses Gartens lustwandelnd, ausgerech net den George Groß konfisziert, den Satiriker der Pojamamenfchen; der das Gift freigibt und das einzig wirksame Gegengift vernichtet. Denn er ist ein bürgerlicher Gärtner, von Pyjamaträgern bezahlt und nicht berechtigt, seinen Brotgebern das Bergnügen zu stören. Ich will nichts, als die Notwendigkeit dieser Literatur als einer Konnicht zufällig, daß die Poesie des Pamphletisten von der Wirklichkeit sequenz dieser Weltordnung feststellen.

Deshalb

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Hinter mir tief eine Dame aus: Gott  ! Was hat er für ein Gottes Stimme! Ich prächtiges Pyjama!" Bürgers Stimme Gottes Stimme! Sch habe nur den einen Vorwurf: daß dieses Nacht, Morgen- und Ge fchlechtsafigewand gar nicht so prächtig war. Daß die literarische Lues anderswo distinguierter, kapriziöser, lächelnder und noch mehr pointiert auftritt. Das Intime Theater müßte intimer werden und nacter, wenn es wirklich das Barisertum des deutschen   Bürgers repräsentieren will. Reine Halbheit in der schmerzlichen Helligkeit. Keine Rücksicht auf die eventuell noch zu erwartende Moral inmitten der Deutlichkeit. Keine Eindeutigkeit! Auch teine Sweideutigkeit! Alles mehr anderthalbdeutig! Die Deladenze müßte elegant ter sein und rücksichtsloser. Wenn schon Paris  , dann nicht Berlin  !

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Als Karl Kraus   vor 25 Jahren das erste rote Heft der Fadel" herausgab, waren die Leute in den Bürgerstuben neus gieriger als die geistig Beschäftigten. Erst allmählich wurde aus dem Wiener Spottvogel eine wirksame Macht der Ironie. Er hat mit einer grausamen Wahrheitsliebe den fleinen Blutsaugern und den großen Blutfäufern des Weltkrieges zugesetzt. Menschen, wie Bert held Viertel, der Führer der Truppe", erbliden in ihm den wichtigsten Entzauberer der Philisterphrase. Viertel trat gestern vor den Vorhang, um über Karl Kraus   zu predigen und zu prophezeien. Ein gelangweilter Zuhörer, dem nicht so heilig ums Herz war wie dem Redner, rief Schluß!" mitten in die weihevollen Heroldsworte der Biedner die Gewißheit ab, daß seiner Werbung für Karl Kraus  hinein. Aus dieser Unterbrechung eines närrischen Kauzes leitete gefchichtliche Bedeutung zulomme.

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Geschichtliche Bedeutung tommt dieser aufpeitschenden Persön lichkeit darum zu, weil sie das gesprochene und geschriebene Wort mit ungeheurem Bathos und dann wieder mit auserlesener Bartheit erfaßt. Karl Kraus   schrieb für das Theater einige Traumfzenen, die ihm zu Ehren auf die Bühne gebracht wurden. Es ist sicherlich weggeht. Der Mann, der als Spötter in die heißesten Lebensdinge hineingreift, ist nicht recht imftonde, ohne Umweg zu feiner Kunst­spielerei zu gelangen. Er muß sich selber träumend bespiegeln, er wagt es nicht, unmittelbar zu jagen, wie er sich die Welterlösung oder auch nur die Weltentlarpung denkt.

Traumtheater" und" Traumstüd" jedesmal ist es die Vision des Dichters. Zuerst das allernaheite Geficht, da der Dichter nicht erraten darf, ob die föstlichste Berwandlungskunst der Schauspielerin auch zufammentlingt mit einer einzigen, ihm allein gültigen Liebe. Im Traumstück" wird der Horizont erweitert. Der Dichter fieht Szenen aus dem verdammten Kriege, die Verrottung des Schiebertums, die Trauer des armen Proletarierfindes, das Eltern und Geschwister und seinen eigenen Hunger beklagt. Der Dichter hört irgendwie im Jenseitstraume zu, wie die aufgeblasenen Meister der Psychoanalyse sich als ganz kleine Krämer der Wissen

erinnert, daß Wedekind derartiges liebte, wenn er von der Rea listik in die höhere Welt hinauswanderte. Diese Krausschen Träumes reien, eigentlich nicht dramatisch, nur ins Raleidoskop hineingeworfen, oder durch das Wort behutsam angedeutet, fesseln die Aufmerksam feit wohl. Ihre Bildlichkeit wird unterstützt durch die nachfühlende Treue des Regiffeurs Berthold Viertel  , dessen Verdienst um Karl Kraus   nicht hoch genug geschätzt werden darf. Wer etwas fühler schaut, findet gewiß in dem Messiastum des Wiener Jronifers einige Mafel. Aber es handelte sich an diesem merkwürdigen Abend gar nicht um Kritit, sondern nur um Bewunderung. Mar Hochdorf.

Das Wunder der Schatten nennt sich eine amüsante optische Täuschung, die gestern im Rahmen der zum zweihundertsten Male aufgeführten Revue Drunter und drüber" im Admirals. palast vielen Kopfzerbrechen bereitete. Das Publikum wird mit fleinen grün und rot gefärbten Brillengläsern ausgerüstet und sieht auf der Bühne wie hinter einem weißen Borhang Schatten der Darsteller im Rahmen der Handlung sich bewegen. Blöglich beginnt eines der schönen Mädchen, wie dies in den Revuen so üblich ist, sich auszuziehen und die zarten Fähnchen von sich zu werfen. Nun hat es den Anschein, als ob alle diese Gegenstände auf den Be schauer zufliegen, während in Wirklichkeit das Gegenteil der Fail ist. Ein sehr bedrohlich aussehender Effekt wird erzielt, wenn eine Leiter hinter dem meißen   Borhang nach innen stürzt, wobei der Zu schauer unter dem Eindruck steht, daß die Leiter ihn in ihrer ganzen den unzerstörbaren Eindruck, daß die Darsteller sich auch heute noc Länge erdrückt. Im übrigen bot die 200. Aufführung der Revue buchstäblich im Schweiße ihres Angesichts abmühen, ein literarisch sehr anspruchsioses Bublifum in 30 Bildern zu amüsieren. Inter­effenten sei mitgeteilt, daß die übliche friderizianische Wachtparade und verwandtes Kompott von Militärmusit auch hier nicht fehlt. S.

Carl- Hauptmann  - Briefe. Da geplant ist, dem Gejamtwerk Carl Haupt­manns, das demnächst veröffentlicht werden soll, auch einen Sammelband Briefe beizufügen, bittet die Witive des Dichters, ihr Briefe, die sich in Brivatbejiz befinden, für kurze Zeit zu überlassen. Befizer von Carl Haupt­mann- Briesen werden gebeten, diese eingeschrieben an Frau Dr. Carl auptmann, Berlin   Wimersdorf, Hohenzollerndami 198, zu übersenden. Nach Einsichtnahme und Abschrijtanfertigung werden die Briefe sofort zurückgesandt.

Weitere Abnahme der deutschen   Sterblichkeitsziffer. Die Gesundheits. verhältnisse der deutschen   Großstädte waren nach dem Bericht der Klinischen Wochenschrift im Januar 1924 günftiger als im gleichen Monat des Borjahres. Die Geburtenzahl, die schon im Vorjahr niedrig genug stand, ist allerdings noch weiter gejunken, nämlich von 25 981 auf 24 332; aber die Gesamtsterblichkeit nahm noch beträchtlicher ab und fiel von 24 112 auf 20 832. Während sie noch 1923 15.1 pro 1000 betrug. belief sie sich int Jannar 1924 nur noch auf 13 pro 1000. Die Abnahine wird hauptsächlich hervorgerufen durch die geringere Säuglingssterblich feit( 2651 gegen 3703), durch die Abnahme der Sterblichkeit an Qungenentzündung und Influenza ( 1945 gegen 3001) und an Zuberfulose( 2332 gegen 3035). Die Abnahme ist also hauptsächlich dem Fehlen der Grippe im Januar zuzuschreiben.