«r rm 4, t. Heilage des Vorwärts
Krieg im Laubenlanö. Die tierischen Freunde und Feinde des Kleinsiedlers.
Wenn die Natur aus ihrem Winterschlaf erwacht, kommt auch neues Leben in diejenigen Tiere, die während der kalten Zeit ein Schlafdasem geführt haben. Die ersten Sonnenstrahlen locken die Klügsten unter ihnen noch nicht hervor, aber wirklich mildes Früh- fingswetter treibt sie aus ihrem Winterschlupfloch. Es kommt freilich auch dann noch vor, daß eine später� stärkere Kälte sie hart mit» nimmt, ja dem Tode überliefert. Diele der niederen Tiere zeigen in gewissen Fragen, wie Wahl ihrer Behausung, Futtersuchen usm, eine ziemlich hohe Intelligenz: sie wissen auch in der Nähe arbeitende
Wesens und feine? Nützlichkeit beliebt rmd besonderer Schenuno wert. Er verzehrt Mäuse uird— Küchenschaben, Nacktschirecken, Insekten, wagt sich auch zuweilen an kleine Vögel, Nattern und dergl. heran— kurz, seine Speisekarte ist äußerst mannigfaltig. Aber' die Nützlich- kert überwiegt.— Wie steht es nun eigentlich mit dem Maulwurf? Daß er zu den nützlichen Tieren gehört, ist außer Frage. da er— ein sehr' gefräßiger und auch grausamer Geselle— eine Unmenge schädlicher Insekten und Würmer ins Jenseits befördert; zugleich ist er aber ein sehr lästiges Tier, das durch Aufwühlen der Erde in Gärten und noch mehr in Saatkästen nicht nur unnütze
Leute oder schwer beladene Fußgänger von den mit Spazieistöckchen bewaffneten Ausflüglern Und den tierfangenden Naturforschern beiderlei Geschlechts wohl zu unterscheiden. Und doch sind sie nicht frei von Irrtum hinsichtlich der Einschätzung des kommenden Win- ters auf größere oder geringere Kälte— sie wählen sich wohl ge- schützte, namentlich gegen die kalten Nord- und Ostwinde gesicherte chöhlen und Schlupfwinkel, vergessen aber oft, den Bau so weit zu führen, daß sie auch vor den stärksten Frost geschützt sind. Die Folge davon ist Erfrieren zahlreicher Kriechtiere und Rcp- t i l r e n; sicherlich aber zieht ein weit über das Normale binous- gehendes Erstarren Schaden nach sich. Nun wird der Unverständige fragen, ob es nicht gerade ausgezeichnet wäre, wenn Tiere,„denen man!«ch sonst den Garaus macht", von der Natur selbst vernichtet würden. den»Garaus machen". Da liegt der Hase im Pfeffer. Selbst sogenannte Gebildet« schämen sich nicht— d. h. richtiger: denken sich nichts dabei—,«ine harmlose Blindschleiche zu töten, eine nützliche Eidechse abzumurksen oder ein? ins Zimmer geflogene, an der Decke umherschwirrend« Fledermaus mit Besen und Schrubber totzuschlagen. Daß die Jugend sich ebenfalls„nichts dabei denkt", wenn sie Tiere der be- zeichneten Art neckt, wißhandelt und schließlich tötet, ist daher kein Wunder. Nehmen wir zunächst die schon erwähnte Blind« schleiche, so ist sie einer Schlange nicht unähnlich und wird des- halb von Touristen mit kühnem Mut getötet, trotzdem sie erstens zu der Familie der Echsen gehört und zweitens ein durchaus harmloses und nützliches Tier ist. dos nur von wirklichen Schädlingen. Insekten, Würmern. Nacktschnecken sich ernährt. Wenn nun sie schon die Mord- lust der Menschen erweckt, um wieviel mehr nruß dies der Fall bei der Ringelnatter sein, dar echten Schlang«, die in Deutschland fast überall heimisch ist Sie stellr, da sie am Wasser heimisch ist und gut schwimmt und taucht, schon böhere Ansprüche an die Ernährung; sie friß kleine.fische. Frösche, Molche, Eidechsen. Da sie durchaus verträglich ist, soll man sie aus Gärten und Gehöften, wo sie sich einfindet, nicht oertreiben. Etwas anderes Ist es natürlich mit der Kreuzotter, die ein« Giftschlange ist und deren Ausrottung nur zu begrüßen ist, wenn auch ihre gefährliche Betätigung durch Bisse nicht den Umfang hat, den Fabelberichte anzeigen. Zudem ist für den beschuhten Menschen die Gefahr, gebissen zu werden, fast gar nicht vorhanden. Als Heilmittel gegen Schlangenbiß gilt außer Ab- schnüren der verwundeten Stelle Zufuhr von Alkohol— mäßige Einzelgaben in rascher Aufeinanderfolge bis zur Berauscht- heit, die aber sich nicht so weir steigern darf, daß sie zur Alkoholocr- giftung führt. Im Sonnenschein glitzert die Eidechse am Waldes- rand oder auf grosbewachsener Böschung, ein prächtiges Schauspiel für unsere Augen. Da sie viele Feinde hat. ist sie scheu und sieht sich erst vorsichtig um, ob die Luft rein ist. Sie entfernt sich daher auch nicht weit von ihrer Behausung, in die sie bei drohender Gefahr eiligst zu schlüpfen bestrebt ist. Sie ist ein d u r ch a u s n ü tz l i ch e s Tier, das ein« groß« Zahl von Kerbtieren, Spinnen. Schmetter- fingen, Würmern usw. vertilgt, sofern sie lebend in seinen Besitz ge- langen. Igel unü Maulwurf. Gewiß hat schon mancher Gartenfreund bei einem Epaziergang in der Dämmerung einen komischen stachlichen Gesellen in seinem Revier angetroffen, der. falls er sich bemerkt sieht, sich zu einer Kugel zusammenrollt. Das ist der Igel, ein liebes K-rlchen, zwar nicht gerade zur Schlummerrolle geeignet, aber wegen feines possierlichen
Arbeit durch Glattmachen der Erde, Ausrichten der Pflanzen usw., sondern auch direttenSchaden anrichret. Man geht ihm daher mit Fallen zu Leibe und wird berechtigt sein, dort, wo er sich lästig machr, entsprechende Maßnahmen zu seiner Vertilgung vorzunehmen. Die schäülichen Infekten. Ei» nichtswürdiges Scheusal ist die mit dem Maulwurf durchaus nicht vsvwandte Maulwurfsgrill«, ein Infekt, das seinen Namen wegen der Wühlarbeit, die es verrichtet, erhalten hat. Aber ungleich dem Maulwurf begnügt es sich nicht mit Engerlingen und anderem Gewürm, sondern beißt die Wurzeln der Pflanzen durch, die mit Absterben reagieren. Heute rot— morgen tot, und das hat mit ihrem Nagen die Werr«, wie die Maulwurfsgrille populär genannt wird, getan. Aber die abgestorbene Pflanze und der auf- geworfene Gang verraten den Aufenthalt des Tieres, und man fängt sie mit leicht herzustellenden Fallen fort.— Die Werre gehört zu den Grabheu schrecken— aber auch fliegende Heuschrecken rreten zuweilen bei uns auf. Webe dem Garten oder dem Felde, das sie beglücken! Auch Maikäfer finden sich wohl in beängstigender Zahl«in, doch scheint es uns, als ob die Maikäferplage in früheren Jahren eine größere gewesen ist. Raupenplog« bietet aber oft genug noch Grund zu Klagen; hier heißt es, rechtzeitig das Nötige zu tun, indem man z. B. bei den K 0 h l g e w ä ch s e n die gelben Eier des Kohlweißlings auf der Rückseite dar Blätter vernichtet. Erd- flöhe treten vom Frühjahr an oft massenhaft auf und suchen nament- tich die nicht genügend durch Ueberbrausen und Schattengabe ge- schützten Freibeete heim. Ueberftreuen mit Tabatstaub. auch wohl Asche. Kalkstaud usw. nach vorbargegangenem Ueberbrausen ist ein wirksmnez Mittel. Der Tabakstoub wirkt auch gegen die Blatt- iäuse. die namentlich die schwächeren Pflanzen zuerst befallen, um dann in schnellster Vermehrung das ganze Quartier heimzusuchen. Räuchern mit Tabak in geschlossenen Räumen oder Bespritzen mit Tabakabfnd anzuraten, daneben aber sorgfältige Pflege, damit die
_ tNackidruck durch Ralil-Derwa, Berlin .) Der Bürger. von Leonharö Krank. „Einen Augenblick!" Er schnitt ein Stück ab, steckte es vor des Kellners Augen in den Mund.„Wieviel Einwohner hat Berlin ? Ich suche nämlich jemand." sagte er und kaute eifrig vor des Kellners Augen.„Deshalb habe ich mir den Stadt- plan bringen lassen. Die Wurst ist übrigens sehr gut. Sehr gut!... Und morgen bringen Sie mir zum Frühstück warme Milch und eine Semmel. Nur etwas warme Milch! Ich habe nämlich einen schwachen Magen." .Sehr gut gemacht! Bewundernswert! Nur etwas warme Milch. Ich habe nämlich einen schwachen Magen." Er hüpfte.„Es wird. Es wird. Eifrig studierte er den Stadtplan, zog Blaustiftstriche von Schmargendorf nach Wilmersdorf , über Charlottenburg weg noch Rixdorf, bohrte auf das«von Steglitzein i und kicherte: „Stieglitz ". Trillerte wie ein Stieglitz . Trillerte noch, als er schon im Bett lag. Und trillerte sich lustig und hoffnungsvoll in den Schlaf hinein. �.... Erwachte morgens mit dem Rufe.»Hahaha, einen schwachen Magen! O. hätte ich nur einen schwachen Magen. ein Magengeschwür, qualvoll und lebensgefährlich. Ware doch immerhin ein Magen." �„..... Trank hastig die warme Milch und füllte, die staunenden Augen vergrößert, die leere Tasse auf den Tisch.„Aber ich trank ja eben Milch. Ich! Ich trank. Ein Mensch trank Milch. Also muß dieser Mensch doch einen Magen haben und muß ein Mensch, muß vorhanden sein." 0 Da lächelte er ein schlaues, anerkennendes i-acheln, als Hobe er einen besonders stin angelegten Betrug durchschaut. »Ist es mir also tatsächlich gelungen, sogar wir selbst vorzu- tauschen, ich hätte einen Magen. Wunderbar! Kein Mensch wird merken, daß ich nicht vorhanden bin." Langsam und vor'ichtig. um nichts zu verschütten, trug er die leere Tasse zum Kübel, leerte die nicht vorlsdndene Milch �hort- dos Plätschern. Und riß sich zusammen.„Jetzt aber Es war erst sieben Uhr. Die starke Lust stand noch un° b��raucht in den Straßen. Jürgen hatte große Eile, sprang in Stadtbahnzüge, die schon angefahren waren, wurde von der
Untergrundbahn im Westen abgesetzt, von der Straßenbahn quer durch die ganze Stadt nach Berlin N. getragen, auf dem Dache eines Autobusses nach Wilmersdorf zurück. Sein Schema benutzte cr nicht. Denn immer, wenn er planvoll vorgehen wollte, fürchtete er. Jürgen werde zu der Zeit, da er ihn in Berlin O. suche, in Berlin W. sein. Er fragte viele Vorübereilende, ob sie wüßten, wo Jürgen Kolbenreiher sich momentan aufhalte. „Der Bortragskünstler? Ah, das Weinrestaurant mit der Bar?" „Nein, ein sebr entfernt Bekannter von mir." „Und ich soll wissen, wo der ist?! Sind Sie wahnsinnig!" „Ja." „Frechheit!" Der Wütende sauste weiter. Nach vielen verständnislosen Rückfragen des dicken Dienst. mannes, der auf seinem Bänkchen saß, sagte Jürgen:„Viel- leicht ist er in Odessa ." „Na, dann fahren Sie man nach Odessa ." „Können vielleicht Sie mir sagen..." „Keine Zeit!" „Er hat... keine... Zeit." Traurig blickte er den Händen nach, die den Weg hinter sich schaufelten. Wurde von den Hetzenden da- und dorthin gewiesen, angeschrien, stehengelassen, von Bummlern ausgelacht. Durch- streifte Restaurants, Kaffeehäuser, Kirchen, Warenhäuser, Kutscherkneipen, wurde in das Reichstagsgebäude nicht hin- eingelassen und aus einem Automatenrestaurant herausge- warfen, weil er, anstatt in den Schlitz , die Metallmarke dem verblüfften Kellner in den Mund geschoben hatte. Als er nach langer Fahrt vor dem Meldeamt ankam. war es schon geschlossen. Als erster stand er um zwei Uhr wieder vor dem Schaltersenster, bekam einen Zettel zum Aus- füllen. Sog den Staub- und Papiergeruch ein. Riecht wie in unserer Buchhaltung, dachte er. Und reichte, bebend vor Erwartung, den Zettel dem Beamten. Der unterhiell sich mit seinem Kollegen, schimpfte über die schlechte Beleuchtung, stand plötzlich reglos und sah aus, als denke er. „Alle Menschen denken in jeder Sekunde ibres ganren Lebens irgend etwas. Nur ich..."„Was denken Sie momentan?" „Nichts", bekannte mechanisch der Beamte. Dann erst staunte er und begann zu suchen.
donnerstags 10. �pril 1924
kränkelnde» Pflanzen sich kräsllgen. Nicht allgemein bekannt ist, daß die hübschen roten, schwarz punktierten Marienkäferchen die geschworenen Feinde der Blattläuse sind. Wo diese auftreten, stellen sich die kleinen netten Käfer auch ein, und man soll ihnen, die auch sonst keinen Schaden tun, das Leben nicht schwer machen. * Im allgemeinen kann man sagen, daß mangelnde Pflege das Zerstörungswelk der tierischen Feinde erleichtert: wer kräftige Säm- linge hat und sie gut betreut, hat weniger unter ihnen zu leiden. Vorbeugen ist bekanntlich leichter als heilen.
Kuf ü!e Straße! Die Mietgerichte haben jetzt ihre liebe Rot mit der täglich wachsenden Fülle der Räumungsklagen. Beim ersten Aus- ruf ist vor manchen Spruchkammern ein Gedränge wie bei Sensa- tionsprozessen. Gleich siebenzig oder noch mehr Parteien und Zeugen marschieren in den Saal. Auch zahlreiche„Mietrechtstudenten" sin- den sich ein. Man kann hier für vorkommend« Fälle, die gegen die eigene Haut gerichtet sind, in wenigen Sitzungen viel lernen. Auch die Mietgesetzgebung ist ein Netz mit Maschen, engen und weiten. Durch die weiten schlüpfen die Gescheiten, und in den engen bleiben die Dummen hängen. Der Mieterschutz ist noch lang« nicht so ausgebaut, daß es unmöglich ist, ohne eigenes Verschulden auf die Straße zu fliegen Was sich hier vor den Mietgerichten täglich ab- spielt, sind oft wahre Jammerbilder, für deren Auswirkung mancher Richter in seinen Motten nicht das genügende Verständnis zeigt. Muß der Richter, der jetzt fast immer ohne Mietschössen arbeitet, nach einem mangelhaften Gesetz aus sofortige Räumung ohne Frist und Ersatzwohnung erkennen, so ist es doch wahrlich nicht nötig, die Gefühle der vor der Obdachlosigkeit stehenden Beklagten zu ver- letzen und ihnen zu all ihrem Elend gemütsroh einen Fußtritt geben. Da ist ein älteres Ehepaar wegen Mieterückstand aus Räumung verklagt. Der Hauswirt und fem Rechtsanwalt erklären:„Es wird nicht länger gewartet und gestundet, weil drei erwachsene Kinder da sind, die für die betagten Eltern nicht sorgen." Ja, wissen denn die Herren nichts von der traurigen Wahrheit, daß eine Mutter zehn Kinder ernährt, aber nur zu oft zehn Kinder nichts übttg haben für eine Mutter? Hier steht die ergraute Mutter, dem Weinen nahe, mit zusammengebissenen Zähnen; sie schluckt und bttngt kein Wort hervor. Mit ergreifender Logik und Ruhe verteidigt sich der Mann:„Kann ich dafür, daß ich schon monatelang keine Arbeit habe? Kann ich von den paar Mark Erwerbslosengeld die Miete bezahlen? Das Wohlfahttsamt hat abgelehnt, für die Miete einzuspringen. Oft ist kein Stück Brot im Hause. Wohin sollen wir, Herr Amtsgerichtsrat, wenn Sie unsere Lage nicht ver- stehen?" Und der Herr Amtsgettchtsrat sagt, heute wohl schon zum zehnten Male hart, grausam, gänzlich überflüssig:„Auf die Straße!" Ja, er droht jedem, der aufgereizt zu widersprechen wagt, eine Ordnungsstrafe an. Der nächste Fall. Ein Unter- mitter soll räumen. Unvorsichtigenveise ist kein Mietvertrag ge- schlössen, die Genehmigung des Wohnungsamtes nicht eingeholt worden. Also raus... sofort!„Wohin?" fragen die Leute ver- zweifelt. Und wieder dröhnt es schneidend scharf aus dem Munde des Richters:„Auf die Straße!" Das Publikum murtt, der Richter bittet sich Ruhe aus. Run. auch wir möchten uns etwas ousbitten: eine andere, rücksichtsvollere, sozialverständigere Behandlung der Räumung verklagten Partei. Spricht man soviel von Seelenärzt«!_„ dann darf man sich auch Seelenrichter wünschen. Und es gibt ttwaS.'S womit auch dem' härtesten, schlechtesten Gesetz und der Richterpflicht, nach seinem starren Buchstaben zu handeln, ein Hintertürchen geöffnet werden kann. Das ist das soziale Gewissen. Nicht„aus die Straße mit euch!" soll es heißen. Der weise und humane Richter wird nicht müde werden, sein Bedauern auszusprechen, so urteilen zu müssen, wie es seinem eigenen Menschlichkeitsgefühl nicht entspttcht. Die kunstgewerbliche Ostermesse im Berliner Rathause bleibt heute, Donnerstag, wegen einer Stadtverordnetensitzung geschlossen, wird aber am Freitag, den 11. April, wieder geöffnet. An diesem Tage wird die Firma Heimkino und Heimmusik für unsere Kleinen ab 5 Uhr nachmittags hübsche Märchenfilme vorführen. Die Messe bleibt bis zun, Gründonnerstag geöffnet.
„Ist er hier gemeldet?" fragte Jürgen gierig.„Kolben- reiher mit H!" Der Beamte gab keine Antwort: er unterhiest sich weiter mit seinem Kollegen über die Tatsache, daß ein Teppichgeschüst in Berlin N. den Mitgliedern der Beamtenorganisation zehn Prozent Rabatt gewähre, fragte, ob er diesen Rabatt wohl auch bekäme, wenn er mir zwei ganz einfache Bettvorleger kaufe.„Wenn nicht, würde ich lieber Strohmatten nehmen. Kosten kaum die Hälfte." „Und halten auch vierzehn Tage!" „Haben Sie den Personalakt gefunden?" Jürgen streckte den Oberkörper durch das Schalterquadrat. „Man darf eben nicht mit den Schuhen darauftreten... Nun. wenn man früh aufsteht..." „Ist er hier gemeldet?" „... hat man ja in Berlin keine Schuhe an... Nein, ein Jürgen Kolbenreiher ist bei uns nicht gemeldet." Das Schalterfenster klatschte knapp vor Jürgens Stirn herunter. „Bielleicht lebt er einfach unangemeldet. Ich natürlich weiß am allerwenigsten, ob er dazu fähig ist." Vollkommen gefühl- und empfindungslos geworden, stand er in der verkehrsreichen Straße, gleich einem zu Eis erstarrten Gegenstand, der in der lebendigen, sengenden Sonne steht und nicht schmilzt. In allen Menschengesichtern, die an ihm vorbei auf Körpern straßauf, straßab getragen wurden, stand, ob sie sprachen oder schwiegen, lachten oder dachten, dieselbe eises- starre Einsamkeitt So unabhängig einsam, wie die Fliege, die. mit dem dicken Kopf roran, im Zickzack durch die Lust zuckt, dachte Jürgen und beugte sich, durchschüttelt plötzlich von wunder- barem Wehgefühl, hinab zu zwei kleinen Kindern, die im Erd- rund eines Baumes hockten und, in den Augen noch das volle Leben, hingegeben mit Steinchen spielten. „Und in zehn Iahren wird die große, lebendige, schmerz- liche Sehnsucht kommen, in weiteren zehn Iahren auch für sie die unlebendige graue Einsamkeit, da auch sie gleich allen dann die Sehnsucht nicht mehr haben werden." Ihn trieb die Sehnsucht, wiedererstanden in ihm durch das Erblicken der zwei noch im Fluß des Lebens spielverbun- denen Kinder, weiter straßauf, straßab. „Ja, der wohnt dort in dem gelben Haus." (Fortsetzung folgt.)