Nr. 183+ 41. Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts.
Zu Ostern in den Frühling.
Alle Beffimiften, die uns immer wieder beweisen wollten, daß| wir in diesem Jahr auch noch nicht zu Pfingsten warmes Wetter haben werden, das gestatte, in Feld und Flur den Staub der Stadt und die Sorgen des Alltags in der jubelnden Sonne abzustreifen, find zuschanden geworden. Das warme Wetter der letzten Tage und der wohltuende Regen haben in der Natur alles wie mit einem Schlage verändert. In grünem Feiertagskleid, frühlingsblant, stehen die Sträucher, und es ist, als warte die nun verjüngte Natur auf die Gäste und die Wanderer aus der Stadt. Auf und hinaus ins Freie muß die Parole für die Ostertage lauten. Die Eisenbahnverwaltung hat auch ein Herz für die großstadtmüden Menschen. Sie hat Karten für Ausflügler zu ermäßigten Breifen und mit zweitägiger Geltungsbauer aufgelegt, von denen gewiß viel Gebrauch gemacht werden wird. Wir bringen heute einen Blan für eine Wanderung durch die Udermart mit ihren mannigfaltigen, landschaftlichen Reizen, unk geben außerdem Fingerzeige für einige längere Touren in der Um. gegend von Berlin .
Bom Stettiner Fernbahnhof fahren wir über Ebers. walde oder Löwenberg nach Templin . Durch das Berliner Tor betreten wir die Stadt. An das Tor schließt sich die gut erhaltene Stadtmauer an. Die Berliner Straße führt an der St Georgskirche, dem ältesten Bauwerk der Stadt, vorüber zum Marktplatz. Beim Brenzlauer Tor( vergl. Abbildung) verlassen wir die Stadt. Wir bleiben furze Zeit auf der Prenzlauer Chaussee und wenden uns dann nach links zum Templiner See. Eine schöne Prome nade zieht sich um den See hin; rechts auf der Anhöhe das vor einigen Jahren nach hier verlegte Joachimsthalsche Gymnasium . Bei dem Wirtshaus Fährtrug haben wir das Ende des Templiner Gees erreicht, der sich östlich in dem Fährsee fortsegt. Auf der Prenz lauer Chauffee wandern wir über die Bahn, wenden uns bald lints ab in einer Viertelstunde zum Gleuensee. Durch eine ehemalige Ziegelei führt der Weg steil hinab zum Ufer. Ein schmaler Fußpfad bringt uns um den von alten Buchen umfränzten See zur Chaussee zurüd. Wir wandern auf dieser nach links weiter, bis sich zur Rechten ein breites Wiesental auftut, in das wir auf dem ersten Wege einbiegen. An der engsten Stelle des Tales liegt die Kloster. walder Mühle. Von hier wandern wir nach Norden, links von dem schön gelegenen Kleinen Dolgensee vorüber, nach Klosterwalde. Nicht in das Dorf hinein, sondern am Dorfbeginn sogleich rechts ab nach Herzfeld und weiter um den Trebowsee nach Wich. mannsborf. Bahlreich find in diesem Gebiet die Gölle, fleine freisrunde, mit Waffer gefüllte Senten, von benen man früher glaubte, fie feien Krater, die die zahlreichen Geschiebeblöde in dieser Gegend ausgeworfen hätten. Jegt weiß man, daß diese Blöde durch das Inlandeis hierher gelangt sind und daß die Gölle ebenfalls zu ben Spuren der Eiszeit gehören. Von Wichmannsdorf führt die Chauffee nach dem Fleden Boizenburg Dicht dabei liegt das Schloß, der Stammst der Grafen Arnim. Es wird von einem fchönen Barf umgeben. In der Nähe der Tiergarten mit der Ruine bes Riofters Mariapforte, das 1269 geftiftet wurde; davor bie Albrechtstiene, eine gewaltige Kiefer, die entrindet ist und Drehwuchs zeigt. Im Boizenburger Tiergarten werden wifente ge halten; der Garten gehört zu den wenigen Gebieten Europas , in denen dieses Bild der heimischen Urwälder aus längst pergangenen Tagen noch gehegt wird.( Weglänge Templin - Boizenburg etwa 24 Rilometer.)
Bon Boizenburg nördlich über 3erwelin nach Arendsee . Wir wandern jetzt im Gebiet der großen udermärkischen Endmoräne; die Gegend ist hügelig und reich an Steinen. Deftlich von Arendfee. liegt im Gebüsch verstedt eine wüste Kirche, wahrscheinlich die frühere Dorfkirche, die in den Kriegswirren ber vergangenen Jahrhunderte
79]
Täglich, vom frühen Morgen, bis in die späte Nacht hinein, beobachtete und erlitt Jürgen das Leben, fuchte erbe gleitet von Bahnsinn und Revolver und immer bereit zum Schuffe in das Herz- Bewußtsein und Weg. Wurde in feinem Kampfe, der in zweifachem Sinn ein Kampf um Sein oder Nichtsein war, noch wochenlang beständig hin und her geschleudert zwischen Hoffnung und Berzweiflung.
Wo ist das Herz?" hatte er einen Arzt gefragt. " 3wischen der vierten und fünften Rippe, von oben gezählt." Und hatte, zu Hause angelangt, an seinem abgezehrten Brustkorb die Einschußstelle abgetaftet, entschlossen, nicht eine Sefunde länger zu leben, wenn feine Hoffnung mehr sei.
Beobachtend lauschte er dem Leben und dabei immer in sich selbst hinein, folgte, ein zum Tode und zum Leben Entschlossener, jedem Fingerzeig, den die Umwelt gab, sprach mit Kindern und Greisen, mit Soldaten und mit Pferden. Das Erbliden eines Hundes, der, von einer Frau fortgezerrt, auf Jürgen zugestrebt war, veranlaßte ihn, fofort zum Hundehändler zu gehen.
" Haben Sie einen Schnauz, der alles erträgt, nur nicht die Trennung von dem, dem seine Sympathie gehört?"
Im sonnigen Hofe ftand reglos ein iunger, schwarzer Dadel, der, mit allen leren gleichzeitig, plötzlich hochflog, in der Luft herum, und wieder reglos stand, die verdrehten Augen auf Jürgen gerichtet.
„ Einen Schnauz nicht. Aber das Mistvieh können Sie billig haben, mitsamt der Leine."
Er hat gute Augen. Wird er mit mir gehen?" Der reglofe Dackel starrte auf eine Fliege, hüpfte auf sie zu, starrte in den Himmel..
" Der geht mit jedem." Freudig bellend zerrte der Dackel, die Schnauze am Boden, Jürgen hinter sich her, aus dem Hofe hinaus. Bon dieser Stunde an unternahm Jürgen täglich weite Fußtouren. Er beachtete nicht Sonnenbrand, nicht Regen und hatte teine örtlichen Ziele. Für ihn gab es Tag und Nacht, ob er wanderte und fann oder schlief und träumte, nur Das eine Ziel. Alles und nichts war ihm Wegweiser. Er eristierte zwischen dem Ziele, das, ein farbloses, winziges Pünktchen in immer gleicher Entfernung am Horizont: feine große Hoffnung, und dem Schuß ins Herz, der die Erlösung von dem Wahnsinn: seine lehte Freiheit war.
Der alte Landarbeiter, frummgebogen von der Lebens
zerstört wurde. Am Haussee und dem Graf Schlippenbachschen Sloß und Bart vorüber bis zum Westende von Arendsee . Hinter dem legten Hause auf dem rechts abgehenden Fußsteig( zuerst schwer erkennbar) durch Aecker und Gehölz, den Kieckerbusch, zur Barmener Mühle und weiter an die Straße nach Fürstenwerder . Auch diese Straße führt durch das Endmoränegebiet. Bon den Höhen schöne Fernblide bis zu dem 179 Meter hohen helpter Berg im Norden, unweit Woldegt in Medienburg. Bei Fürstenwerder befand sich früher ein Schotterwerf, das den Geschiebereichtum der Endmoräne
Donnerstag, 17. April 1924
wanderung durch die Udermart einen würdigen Abschluß.( Weglänge Fürstenwerder- Prenzlau etwa 25 Kilometer.)
Havelland.
Unsere Wanderung beginnen wir in Potsdam . Ein Rundgang durch die Stadt bringt uns zum Neuen Garten und zur Meierei an dessen Nordende. Wir haben hier den Jungfernfee erreicht, eine sich weithin erstreckende Ausbuchtung der Havel . Am Ufer des Sees wandern wir weiter nach Norden, am Wasserwert vorüber, bis nach Nedlih. Wir überschreiten den SafrowPareger Kanal und find nun in Neu- Fahrland . Rechts dehnt sich der Lehnißsee und der Krampnißsee aus, die nördliche Fortsehung des Jungfernfees. Von Neu- Fahrland wenden wir uns halblinks, am Aasberg vorüber, nach Fahrland . Der Weg führt stellenweise in der Nähe des großen fast viereckigen Fahrländer Gees hin. Fahrland ist der Geburtsort des märkischen Dichters Schmidt Don Werneuchen, der 1764 hier das Licht der Welt erblickte. Seine einfachen, manchmal findlich anmutenden Verse wurden von Goethe weidlich verspottet. Von Fahrland führt der Weg teils durch Wiesen, teils an Aeckern und kleinen Gehölzen vorüber nach Mar= quardt an der Wublik, einem Nebenflüßchen der Havel , das in der Gegend von Nauen seinen Ursprung hat. Auf der Wanderung durch das freie Gelände spüren wir die herbe Schönheit des norddeutschen Frühlings. Frischer Wind und flarer Sonnenschein, ein Wanderwetter, wie es uns die Ostertage hoffentlich bescheren werden, dann erleben wir den Frühling, der uns nach dem vergangenen langen Winter doppelt willkommen ist! Bei Marquardt erweitert sich die Wublik zum Schlänigsee, der vom Kanal gefreuzt wird. Wir verlaffen das Dorf in füdöstlicher Richtung. Bald überschreiten wir den Kanal wieder; die Straße führt anfangs durch ausgedehntes Wiefengelände, dann zwischen dem Kleinen Heineberg( links) und dem Großen Heineberg( rechts) hindurch, zuletzt über den Tiroler Graben nach Bornim . Von hier wandern wir südöftlich, am Schloß Lindstedt vorüber, nach dem Neuen Palais und weiter zum Bahnhof Wild part.( Beglänge etwa 25 Silometer.)
Bon der Stadtbahn fahren wir mit dem Zug nach Fürstenwalde ( in Ertner umsteigen) bis 5 angelsberg. Vom Bahnhof wenden wir uns nördlich bis zur Kreuzung mit dem Gestellweg B. Wir folgen diesem Gestellweg nach links; er bringt uns durch schönen Riefernwald nach Klein Wall. Hier haben wir die Lödniz erreicht, diese Perle der märkischen Fließe, die ihren Ursprung im Roten Luch westlich von Müncheberg hat. In einem schönen Wald tal fließt sie bis Erfner, wo sie in den Flatensee mündet. Ihr Tal ist in die Ebene des Berliner Urstromtals eingeschnitten. Von Klein- Wall wandern wir in nordwestlicher Richtung durch den schönen Wald nach Alt Buchhorst, das auf einer Bandzunge zwischen dem Möllensee( rechts) und dem Beessee( links) liegt. Diese Geen bilden eine Rinne, die sich in gleicher Richtung wie das Löcknitztal erstrect. Sie setzt sich fort im Werffee und vereinigt sich dann mit der Lödniz- Rinne. Diese Seentette mit ihrem Kranz lieblicher Ortschaften an den Ufern ist ein beliebtes Berliner Ausflugsziel Im Sommer vermitteln Motorboote den Verkehr zwischen Alt- Buchhorst zu Wertsteinen und Schotter verarbeitete. Fürstenwerder , ehedem und Ertner. Von Al- Buchhorft führt uns der Weg nordwestlich eine Grenzstadt der Udermart, ist jetzt ein Fleden. Die Mauer mit weiter. Das ebene Gelände zeigt uns an, daß wir noch im Urstromden Tortürmen und vielen Beichhäusern ist noch erhalten. Der Ort tal wandern. Der sandige, also nährstoffarme Boden dieses Tales fiegt zwischen zwei fiſchreichen Seen, dem Dammsee und dem Großen eignet sich nicht zur Aderwirtschaft; deshalb erstrecken sich hier See. Entfernung von Boizenburg etwa 18 Rilometer. Bir meilenweite Riefernwälder. Die Kiefer ist ein Baum, der auf einent wandern zum Berliner Tor hinaus, am Bahnhof der Prenzlauer derart geringen Boden noch gut gedeiht. Wir fommen zum ForstKreisbahn vorüber. Bald zweigt unser Beg von der Chaussee rechtshaus Rüdersdorf . Hier wird das Gelände hügelig. Wir ab nach Ferdinandshorft. Das Gelände ist auch hier äußerst hüglig haben den Nordrand des Tals, die Barnimer Hochfläche, erreicht. und reich an Geschieben und Söllen. Ueber Christianenhof Unsere Wanderung bringt uns zu dem alten Dorf Rüdersdorf fommen wir nach Scha pow, das am Quillow- Bach liegt, einem und zu dem westlich liegenden Ortsteil Kaltberge. Von dem Ays Nebenflüßchen der leder. Unser Weg führt an der Dochower fichtsturm auf dem 79 Meter hohen Schulzenberg bietet sich eine Mühle, ebenfalls am Quillow, vorbei nach Wilhelmshof und prächtige Fernficht bis nach Strausberg , den Rauenschen Bergen, weiter nach Gift o w. Vor uns im ledertal liegt Prenzlau , den Gosener Bergen und den Müggelbergen. Zu unseren Füßen die alte udermärkische Hauptstadt, überragt von dem gewaltigen liegen die Kalksteinbrüche von Rüdersdorf . Wir steigen hinab Doppelturm der Marienkirche,„ Stiefeltnecht" genannt. Der Weg und machen noch einen Rundgang durch die Brüche. ehe wir vom zieht sich in das Tal hinab. Der Rundgang durch die an mittel- Bahnhof Rüdersdorf die Heimfahrt antreten.( Weglänge eima alterlichen Baulichkeiten überaus reiche Stadt verleiht unserer Ofter 20 Kilometer.)
-
arbeit, rückte die Müze und deutete: Ihr Hund jagt. Wenn ihn der Forstaufseher vor den Lauf befommt, schießt er ihn." Aus dem hochstehenden Kleefeld tauchten, wie bei einem flüchtenden Känguruh, abwechselnd Kopf und Hinterteil des Dadels empor, der die Kleespißen übersprang und bei jedem Saße mit den Borderpfoten tief einfiel. Jürgen horchte auf das scharfe, verzweifelte Bellen.
Und da geschah es, daß Jürgen, dem jede Sefunde Zeit unschäzbar teuer war, der um feinen Preis, den dieses Leben zu bieten hatte, eine Gefunde lang das Suchen nach sich selbst unterbrochen hätte, dieses große Suchen auf Leben und Tod unterbrach, um erst den gefährdeten Hund zu suchen.
Was ist der Mensch und was der Sinn, der ihn bewegt? Wer vermöchte zu sagen, weshalb im Opfer der tiefste Sinn des Menschendaseins ruht?" flüsterte Jürgen, als er wieder auf dem Wege war, und begann zu weinen, laut und schrantenlos, in plöglicher, wunderbarer Befreiung.
Der Hund dackelte neben dem Schluchzenden her, hügelan, zum Waldrand. Vor Jürgen lag die Tiefebene, unübersehbar weit und breit.
Bahllose junge Menschen, Mädchen, gebunden fragen den Blides, Gymnasiasten, Studenten aller Nationen, standen dichtgedrängt, wartend auf das Wort. Immer neue Züge, endlos, traten aus den Wäldern heraus, tauchten hinter den fernen und fernsten Hügelfetten auf. Millionen füllten die Tiefebene. Auf der Schulter eines jeden Einzelnen fauerte ein unheimlich und böse blickendes Tier. Aller Augen waren auf Jürgen gerichtet.
Folgt euten Vätern nicht, den alten Verdienern!" Da bäumten fich die Tiere, bleckten die Zähne, sträubten die Rüdenhaare, schlugen ihre Krallen in die Schultern der stöhnenden Jugend, stießen grauenvolle Töne aus, die Schred und Machtlosigkeit verursachten im Blid und im Gesichte der Jugend.
Stoßt sie herunter von euren Schultern! Reißt sie heraus aus eurem Gefühle!.. Macht euren guten Müttern Sorge! Erfennt eure Aufgabe, und dann erfüllet sie! Tut ihr das nicht, dann geht ihr zugrunde, so oder so," begann Jürgen die große Rede an die Jugend, die zu einer Dar ftellung feines Lebens wurde und immer wieder von neuem in der Warnung gipfelte, nicht fo zu tun, wie er getan habe. Stunden später blidte Jürgen, sigend am Fensterplatz des fleinen Cafés und vor fich schon das Glas noll dampfen den Glühweins, dunkel fragend hinüber auf das Knopferporthaus und mußte nicht, wie und wann und weshalb er hierher gekommen war.
Nach seiner Rückkehr in die Heimatstadt war das immer wieder geschehen, daß Jürgen bei den Wanderungen in und außerhalb der Stadt unversehens sich an Stellen befunden hatte, die durch Erlebnisse in der Vergangenheit für ihn bedeutsam geworden waren.
Da steht ein Mensch plöglich vor einem schwarzen Tumelloch, ganz erfüllt von dem Gefühle, vor diesem Tunnelloch schon einmal gestanden zu haben in einem früheren Da fein. Er fißt auf einem Kilometerstein, finnend und tief im Leben, und Strauch und Baum, der stille Waldfaum und die schnurgerade Landstraße, die wie ein weißer Pfeil sich in den fernen Horizont verliert, sind rätselhaft vertraut dem unruhvollen Herzen.
Die Wand, die Jürgens Blick in das Gemejene verstellte, rückt lautlos weg, und auf ihn brechen die Erinnerungen ein, fo plötzlich und mit so lebendiger Gewalt, daß Jürgen in Abwehr schreit und bebt, gepackt von Angst, erdrückt zu werden von dieser Fülle, von des Bewußtseins blihesschneller Wiederkehr.
Um nicht Schaden zu nehmen an der Seele, bemüht sich der von Glück und Sein Durchblizte und Durchstürmte, das wiederkehrende Bewußtsein bewußt nur stückweise in sich einzulassen, lenkt sich ab, zählt, entlang dem Waldsaum, genau dreihundert Tannenstämme. Zählt und zählt, bebt und schluchzt und zählt, bedrängt von dem anstürmenden, von Stamm zu Stamm nachdrängenden Bewußtsein, das eine Sturmflut schmerzhaft lebendiger Erinnerungen mitführt, die ihm zum großen Rückblick werden, tief zurück in das Gewesene.
Biele Tage und in Maß und Abwehr durchwachte Nächte waren vergangen, ehe Jürgen sich bereitet und start genug gefühlt hatte, bewußt Erinnerungsorte aufzusuchen. Wieder sitzt er eine ganze Nacht in der Verbrecherkneipe und liest von den verwüsteten Gesichtern das schon Gewußte und das Bewußtsein des Berrates, den er begangen hat; sich von neuem in die Seele und weiß, schweren Herzens, wieder:„ Wer in diefem Leben nicht tief im Leide und im Kampfe steht, steht tief in Schild."
Die Straßenfreuzung, wo er Abschied genommen hatic Don Katharina, glüht und brennt. Lange steht er, zögert er. lnb plößlich überquert er sie doch, in fliegender Gile, Schauer im Rüdenmark.
In dem Maße, wie er das Bewußtsein wiedergewinnt, bricht auch das Leben in seiner Milliardenfältigkeit, die zu empfangen und zu begreifen der Mensch ein Menschenalter zur Verfügung hat, wieder in ihn ein, stoßweise und mit folcher Wucht, daß er, bebend wie der Auferstandene, vor Sonne, Blau und Lärm steht, vor dem ffeinen Leben der Straße, den schweren Pferden, die arbeitstreu das Backsteinfuhrwert bau märts ziehen, vor dem Sperling, der auf dem Pflaster hüpft und in die Rizen pidi.
Den Dadel an der Leine, schritt Jürgen aus der Stadt hinaus, auf der Kaimauer flußentlang, vorüber an einer Reihe Proletarierfrauen, die, fniend am Ufer, farbige Wäsche wuschen, an durchnäßten Kindern vorbei, die Hafenanlagen bauten aus Sand und Dreck.
( Schluß folgt.)