fr.188a 41.Jahrgang Ausgabe A nr. 95
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Dienstag, den 22. April 1924
Das Ministerium Stauning.
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Hypothet vermitteln, die Steuern erhöhen usw. Also erst, wenn das Aufgabe bald in Angriff nehmen müssen, denn es geht nicht an, Deutsche Reich einen
sid
fichtbaren Beweis feines Willens
Frau Nina Bang , Unterrichtsminister. Kopenhagen , 21. April. ( Eigener Drahtbericht.) Das neue dänische Ministerium mit dem Genossen Th. Stauning als Ministerpräsidenten ist gebildet; aber die Namen der neuen Minister werden erft offiziell veröffentlicht werden, wenn der König am 24. April von seiner Offerreise zurüdgelehrt ist. Die Namen der wichtigsten Mitglieder des Ministeriums find: Der Chefredakteur des „ Socialdemokraten" F. 3. Borgbjerg übernimmt den sehr wich figen Posten des Arbeitsministers. Borgbjerg ist über 25 Jahre Mitglied des dänischen Reichstages und der Sprecher der Partei in fast allen wichtigen sozialen Fragen gewesen. Er ist eines der dänischen Mitglieder des Bölkerbundes und war seit Jahrzehnten ein sehr fäfiger Teilnehmer an allen internationalen sozialistischen Kongreffen. An literarischen Arbeiten hat er unter anderem das große Wert„ Das Jahrhundert der Sozialdemokratie" veröffentlicht. Alis den Außenminister des Kabinetts Stauning haben wir bereits früher den bisherigen dänischen Gesandten in Berlin , Graf karl moitte genannt. Er hat nun seine endgültige Zusage gegeben, in das Minifterium einzutreten.
Am meisten Aufsehen wird es jedoch auch jenseits der Grenzen Dänemarks erweden, daß unsere dänische Bruderpartei eine Frau zum geschäftsführenden Minister ernennt. Unfere befannte Parteigenoffin Nina Bang wird das Unterrichtsministerium übernehmen. Frau Bang besitzt einen geschähten Namen in der internationalen wissenschaftlichen Welt mit Rüdsicht auf ihre nationalökonomischen Arbeiten. Sie hat außerdem mehr als 25 Jahre mit großer Energie an der Partelarbeit in Dänemarkt teilgenommen, u. a. als Mitglied der Ersten Kammer und durch ihre eifrige Mitarbeit am Socialdemokrat". Mina Bang ist die Witwe unferes Partelgenoffen Dr. Gustav Bang, des dänischen Margforschers, der bekanntlich auch in enger Zusammenarbeit mit Karl Kautsky. wirfte. Carl Bramsnaes, der den Posten des Finanzministers übernimmt, hat auch eine ganz internationale Caufbahn hinter sich. Er war ursprünglich Buchdrucker, begann jedoch im reiferen Alter Nationalökonomie an der Kopenhagener Universität zu studieren und legte nach einigen Jahren ein ausgezeichnetes Examen ab. Nun ist der frühere Buchdruder ein sehr angesehener Dozent an der Universität und befißt die besten Borbedingungen für seine Wirkjamteit als Dänemarts erster sozialdemokratischer Finanzminister. Der neue Kriegsminister, Reichstagsabgeordneter L. Rasmuffen, ist auch Buchdrucker. Er ist viele Jahre lang Sprecher unferer Partei im Reichstage bei den Militärdebatten gewesen.
Der Kampf um die Endlösung.
Frankreich verlangt Garantien. Paris , 20. April. ( WTB.) Nach einer von der Agentur Havas verbreiteten halbamtlichen Erklärung sind die französischen offiziellen Kreise der Ansicht, die am Donnerstag von der Reparationsfommiffion getroffene Entscheidung werde gewinnen, wenn sie perpolltommnet und präzisiert würde. Zweifelsohne werde die französische Delegation bei der Reparationstommiffion unverzüglich offiziell über den Standpunkt des französischen Minifter. präsidenten unterrichtet werden. Die französische Regierung habe die Initiative ergriffen, Sachverständigenausschüsse einzusetzen, und sie habe nicht gezögert, das Verdienst ihrer Arbeiten anzuerkennen und Ihre Schlußfolgerungen en bloc anzunehmen. Die französische Regierung wolle also heute nichts davon zurücknehmen, jedoch müßten die alliierten Regierungen vor eine flare und formelle
Entscheidung der Reparationskommiffion
gestellt werden die in der Zukunft zu feinerlei Zweideutigkeiten Anlaß gebe. Die Reparationskommisiten habe nun in ihrer Ent. Scheidung vom 17. April ohne andere Präzisierung die Schlußfolgerungen und die Methoden des Sachverständigenplanes, soweit sie threr Kompetenz unterstehen, angenommen, andererseits aber den alliierten Regierungen die Schlußfolgerungen zur Annahme empfohlen, die ihrer Kompetenz unterstehen. Es bestehe also fein Interesse, daß die Reparationstommission ausdrücklich erkläre, was bei der Aus. führung des sehr verwidelten Planes den intereffierten Parteien zur Durchführung zustehe, nämlich der Reparationstommiffion, den allierten Regierungen und Deutschland selbst. Nach Ansicht der Sachverständigen habe tatsächlich die Reparationsfommission alle Be fugniffe, gewiffe Organisationen des neuen Planes zu figieren. Aber die Sachverständigen hätten eine grundsägliche Regel auf gestellt, über die
die französische Regierung nicht feilschen fönne, fie müsse aber wiffen, ob die franzöfifch- belgischen Organi fationen im Ruhrgebiete aufgegeben oder ob sie erst in dem Maße, in dem sie die wirtschaftliche Einheit Deutschlands stören, umgewandelt werden sollen, wenn Deutschland den anempfohlenen Plan zur Ausführung gebracht hat. Die deutsche Regierung müsse vor allem Die erforderlichen gesetzgeberischen Maßnahmen erlassen und die nötigen Organisationen für die Bildung der Emissionsbant und für die Reichseisenbahngesellschaft durchführen, sie müsse die industrielle
gegeben habe, an dem endgültigen Plan der Reparationstommiffion mitzuarbeiten, tönnten Frankreich und Belgien aufgefordert werden, das wirtschaftliche Pfand im Ruhrgebiet gegen ein anderes, weitergehendes Kontrollsystem auszutauschen. Dann werde unvermeidlich die Frage der Garantien und der Sanktionen aufgeworfen, die die Sachverständigen nicht behandelt hätten, da diese Maßnahmen einen politischen Charakter hätten. Die franzöfifche Regierung nun wolle, bevor sie die Drudmittel auf gebe, über die sie jetzt verfüge, sich von vornherein mit den anderen alliierten Mächten
über die Sanffionen verständigen,
bie nach gemeinsamem Abkommen für den Fall getroffen werden müßten, daß Deutschland bei der Ausführung der neuen Bedin. gungen verfage, in London bagegen wolle man sich erst nach einer etwaigen Berfehlung des Deutschen Reiches , und zwar nach Kenntnis des Charakters derselben darüber aussprechen. Es sei klar, daß Boincaré darauf bestehen würde, feine These zum Siege zu führen, wenn die Stunde der Berhandlungen zwischen den alliierten Regierungen gekommen fei. Er werde das mit um so größerer Ueberzeugung tun, als die Erfahrung gezeigt habe, daß man teine Santtionen anzuwenden brauchte, wenn die Alliierten entschlossen waren, sie durchzuführen.
Frankreich , das Pfänder im Ruhrgebiet befihe, deren Wirksamkeit bewiesen sei, würde sehr naio handeln, wenn es fie gegen ein einfaches Versprechen der deutschen Mitarbeit aufgabe und ohne versichert zu sein, daß das Deutsche Reich sich nicht noch einmal jeinen Verpflichtungen entziehen werde. Frankreich zeige sein Entgegenkommen genügend dadurch, daß es die Empfehlungen der Sachverständigen annehme, man fönne ihm also nicht die unerläßlichen Garantien verweigern, deren Berechtigung die Sachverständigen sogar anerkannt hätten. ed
Dr. Schacht für schleunige Regelung.
Am besten schon vor den Wahlen.
Paris , 20. April. ( WIB.) Reichsbankpräsident Dr. Schacht hat einen Berichterstatter des„ Excelfior" empfangen, dem er u. a. er flärte, die Arbeit der Sachverständigen sei aufgebaut auf finanziellen und wirtschaftlichen Grundsägen von unantastbarer Folgerichtigkeit. Es scheine ihm jedoch, daß die in den ersten Jahren zu zahlenden Summen zu hoch seien. Es wäre von großem Wert, wenn eine Regelung schon vor den Wahlen in Deutschland und Frankreich erfolgen könnte, denn die Durchführung des Abkommens fei das sicherste Mittel, die politischen Leidenschaften zu dämpfen. wenn man aber zu diesem Ziel gelangen wolle, müsse man die biplomatischen Noten durch persönliche Aussprachen zwischen Männern ersetzen, deren Kompetenz anerkannt fei, und die von der Größe ihrer Mission überzeugt seien.
Zu den Aufgaben, die der am 4. Mai zu wählende Reichstag zu erledigen hat, wird die Aenderung des Reichs= tagswahlrechts gehören. Der neue Reichstag wird diese daß auch der zweite Reichstag der Republik zu Ende geht, ohne die notwendigen Berbesserungen am geltenden Wahlrecht vorgenommen zu haben. Ob der neue Reichstag normal seine vier Jahre aushält, erscheint fehr fraglich. Wenn die Spizenfandidaten von ganz recht und ganz links, Erich Luden dorff und Mar Hölz, eine größere Zahl von Hintermännern erhalten sollten, so wird mit dem nächsten Reichstag schwer zu arbeiten sein. Die großen Aufgaben, die infolge der außenpolitischen Lage bald zu lösen sein werden, fordern aber gebieterisch, daß ein arbeitsfähigeres Barlament vorhanden ist. Geht ein solches aus den Wahlen vom 4. Mai nicht hervor, so werden die Wählerinnen und Wähler bald in einem neuen Wahlkampf über Deutschlands Sein oder Nichtsein zu entscheiden haben.
Wenn von Wahlrechtsverbesserung die Rede ist, so muß charatter bes bestehenden Wahlrechts nichts geändert von vornherein bemerti werden, daß an dem Grundwerden soll. Daß das Reichstagswahlrecht des Kaiserreichs, das ein zugunsten des platten Landes wirkendes Pluralwahlrecht und nur scheinbar ein gleiches war, die wirkliche Boltsmeinung verfälschte und infolgedessen schlechter war als das geltende, daran ist kein Zweifel. Auch eine Heraufsegung der Altersgrenze tann nicht in Frage fommen. Das Frauenwahlrecht wieder abzuschaffen, fann teine politische Partei magen, trotzdem die Bölkischen grundfäßlich feine Frauen zur Wahl stellen. Die sozialdemotratische Forderung der Gleichberechtigung der Frauen ist im Wahlrecht für immer durchgefeht.
Das Verhältniswahlsystem, das jede für seine Partei abDie Unzuträglichkeiten, die sich unter diesem Wahlrecht ergeben gegebene Stimme zur Geltung bringt, muß erhalten bleiben. haben, sind mit Leichtigkeit zu beseitigen, ohne daß das Brinzip des Bahlrechts geändert wird. Wenn es nach dem Willen der fozialdemokratischen Frattion gegangen wäre, so hätte der aufgelöste Reichstag schon vor einem Jahre die notwendigen Korrekturen vorgenommen. Die Diskussion hierüber war damals in Fluß gebracht. Der Regierungsent später drängte, tam so spät, daß er wegen der Wahlvorberei wurf über die Wahlrechtsänderung, auf die der Reichsrat tungen aller Parteien nicht mehr verabschiedet werden konnte und infolge der einmütigen Haltung des Aeltestenausschusses gar nicht mehr an den Reichsrat gelangte.
Wenn eine Reform des Wahlrechts erfolgt, muß über eines von vornherein Klarheit herrschen: Die Wünsche aller Kritifer am bestehenden Wahlrecht werden nicht erfüllt werden können. An dem geltenden Wahlrecht wird nicht nur bei uns, sondern in allen Ländern schärfste Kritif geübt. Das englische Barlament, das unserem oft als Muster entgegengehalten wird, beruht auf feinem besseren Wahlrecht. Benigstens hat noch ruht auf feinem besseren Wahlrecht. Wenigstens hat noch Ramsay Macdonald fagt in seinem allen deutschen niemand seine Einführung in Deutschland empfohlen. Politikern zur Lektüre empfohlenen Buch„ Unsere Politit" ( Ueberlegung erschienen in Laubs Verlag, Berlin 1924, S. 127):
Die Debatten über Auslandspolitif im Unterhause sind, vielleicht mit Ausnahme des alten Reichstags, die oberflächlich sten, die am schlechtesten informierten und am wenigften bedeutenden dieser Art in allen einflußreichen Kammern; das britische Barlament hat foviel Einfluß auf die politischen Entwicklungen im der Infelgruppe von Jersen."
Bort, 21. April. ( Eigener Drahtbericht.) Am Sonntag wurde hier der Parteitag der Unabhängigen Arbeiterpartei Englands ( 3. C. P.) mit einer Aufprache des sozialistischen Bürgermeisters von Bort eröffnet. Anwesend find 500 Delegierte, darunter mehrere M- Ausland im Laufe der legten Generation ausgeübt, wie die Staaten nifter. In feiner Eröffnungsansprache behandelte der Parteivor figende Clifford Allen die Stellung der Partei zur Regierung. Er fagie u. a., daß die Propagandaarbeit der Partei jetzt erst recht begonnen habe. Es sei Pflicht der Partei, die Regierung loyal zu unterstützen und fie gleichzeitig zu fozialistischen Maß nahmen zu drängen. Bei der Berhandlung über den Bericht der Parteileitung fam es zu einer Debatte über die Reparationspolitit,
Am Sonntag abend fanden zwei Maffenversammlungen ftatt, in denen u. a. Minister Wheatley sprach. In der Montag vormittagsfihung des Parteitages wurde der Bericht der Parlamentsfraktion erörtert, wobei auch Ramjay Macdonald das Wort ergriff. Der Parteltag nahm eine Resolution über Arbeiterregte. tung und Sozialismus“ an, in der die Treue zur Regierung mit einem Betenntnis zum Sozialismus verbunden worden ist.
In der weiteren Debalte wurde über Refolutionen verhandelt, die folgende Fragen betrafen: Abrüstung, Arbeitslosigkeit, Sozialifierung, Mindestlohne, Erziehung, Wohnungsbau und Indien . Die Montag- Nachmittagsfihung des Parteltags begann mit Ansprachen der auswärtigen Delegierten: Friedrich Adler , Sekretär der Sozialistischen Arbeiter- Internationale, Conguet- Frankreich und Johnson, Sefretär der Jrischen Arbeiterpartei. Zu lebhafter Debatte tam es über die Abrüftungsfrage. Abgeordneter Ayles vertrat den pazififfifchen Standpunkt. Eine Resolution zu gunsten einer internationalen Abrüfungskonferenz wurde angenommen.
Macdonald wird für seine Kritik am englischen Barlament triftige Gründe haben. Wir selbst wissen, wie sehr wir auch im neuen Reichstag über mangelnden Einfluß auf die auswärtige Politik zu flagen haben. Dabei darf der deutsche Kritiker nicht vergessen, daß die deutsche Politik nach dem verlorenen Kriege leider vielfach zwangsläufig ist. Das hat nicht zuletzt das Interesse an der Arbeit des Parlaments start vermindert. Je mehr wir von äußerem Drud frei werden, desto mehr wird sich dieses Interesse wieder beleben. Uebrigens hat sich bei den Wahlen bisher immer starkes Intereffe fiehe Wahlbeteiligung!- gezeigt. gezeigt. Nur während der Arbeit des Barlaments war das Intereffe des Boltes gemindert. Viele Wähler famen eben nicht auf ihre Rechnung. Ist das nicht begreiflich?
Was hat z. B. bei den letzten Wahlen die Deutsche Volks partei den Wählern alles versprochen, wenn Deutschland erst von den roten Retten befreit sein würde? Und was haben die Wähler nachher erlebt? Parteien, die den Barlamentarismus nicht diskreditieren wollen, müssen ihren Wählern über die begrenzten Erfolgsmöglichkeiten der deut schen Politik der nächsten Jahre flaren Wein einschänken. Dabei fann im Wahlkampf die Weltanschauung jeder Partei voll zur Geltung kommen. Die Wähler müssen begreifen lernen, daß das Programm einer Partei erst restlos durchgesetzt werden kann, wenn die Partei durch