Abendausgabe
Str. 19741. Jahrgang Ausgabe B Nr.99
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Vorwärts
Berliner Dolksblatt
5 Goldpfennig
50 Milliarden
Sonnabend
26. April 1924
Berlag und anzeigenabteilungs Gefchäftszett 9-5 Uhr Berleger: Borwärts- Berlag Gmb Berlin S. 68, Lindenstraße 3 Ferufprecher: Dönbeff 2506-2802
Zentralorgan der Vereinigten Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands
Ehrenhaft für Räuber und Plünderer.
Strafantrag im kleinen Hitlerprozeß.
35. München , 26. April. Im Prozeß gegen den Stoßtrupp Hitler beantragte Staatsanwalt Wintersberger am Schlusse seines Plädoyers, sämtliche Angeklagten der Beihilfe zum Hochserrat schuldig zu sprechen und den Angeklagten Feifimener wegen Diebstahls zu verurteilen. 3m einzelnen wurden folgende Strajen beantragt:
Gegen die Hauptbelafteten Maurice, Schneider, Fröschel and v. Sinobloch, der sich nicht geweigert habe, den schamlofen Befehl weiterzugeben, die Geiseln zu erschlagen oder zu erschießen, je 3 mei Jahre Feftungshaft.
gegen die am wenigsten belasteten Angeklagten Schmidt, Stollwerd, Steinbinder und Gerum die Mindeftstrafe von einem Jahr
drei Monaten Festung,
gegen alle übrigen Angeklagten je ein Jahr jegs Monate Jeftung.
gegen fämtliche Angeklagte außerdem noch eine Geldstrafe, deren Höhe dem Ermessen des Gerichts überbleibt.
schweigend gebilligt, die jest in München zur Verhandlung standen. Er hat die Mißhandlung der Stadträte, ihre widerrechtliche Verhaftung nicht verhindert, trok dem er es fonnte. Er hat sich umgedreht mit den Worten Ach fo!" Das war alles! Er hat also die volle Berant wartung für das Treiben der Burschen, die auf sein Rom : mando eingeschworen waren. 3 wischen Ludendorf und hölz besteht also tein Unterschied, es sei denn der, daß Holz persönlich für seine Ansichten eintrat, Ludendorff aber die anderen für sich arbeiten ließ! Wer von beiden der sympathischere ist, darüber wird nicht die Tatsache entscheiden, daß der eine freigesprochen, der andere aber zu lebenslänglichem Zuchthaus ver bonnett wurde.
Die Ludendorff- Banden, die in München hausten, wie die Hölz- Leute in Mitteldeutschland , sind auf eine Stufe mit diefen zu stellen. Aber in München prämiert Monate Gefängnis wegen schweren Diebstahls, unter 3uZuchthaus. Dafür ist München aber die Ordnungszelle, Gegen Feist mener beantragte der Staatsanwalt fünf man jene mit Ehrenhaft, in Breußen verurteilte man diese zu billigung milderader Umstände. Breußen ein untultiviertes Land. Warum, das hat gestern abend Dr. Stresemann in einer Wählerversammlung in Steglik erzählt, als er ausführte:
Die den Angeklagten Feiftmeyer und Strauß früher bewilligte Bewährungsfrist fei zu widerrufen. Die erlittene Untersuchungs haft foll allen Angeklagten mit Ausnahme des Maurice angerechnet werden.
Diese Strafanträge fommen einer Bramiterung von Mordbrennern gleich und find ein Schlag ins Geficht für jeden, der in Deutschland noch an Recht geglaubt hat.
Wenn ihm von der Sozialdemokratie der Borwurf gemacht werde, daß er nicht auch gegen Bayern eingeschritten fei und daß er mit zweierlei. Maß gemeffen hätte, fo gebe er bas zu. Er sagte: Ich gebe zu, mit zwelerlei Maß gemeifen zu haben, weil ich der Meinung bin, daß man gegen politisch verführte National- Idealisten nicht diefelben Methoden anwenden kann wie gegen rote Horden, die von ausländischem Sowjetgeld bezahlt werden.
Soeben beschwert sich das Organ dieser Mordbrenner, das " Deutsche Tageblatt", darüber, daß der demokratische Abgeordnete Dernburg in einer Lichterfelder Wählerversammlung Stresemann bringt also den Sah des alten königlich auf die Gefahren hingewiesen hat, die bon Ludendorff preußischen Justizminifters Schönstedt wieder zu Ehren, und hölz gleicherweise drohen. Das Tageblatt" tut ent- daß es nicht dasselbe sei, wenn zwei dasselbe tun. Er stellte rüftet, daß man den Führer des deutschen Feld sich als Kanzler des Reiches ich ühend vor die Luden dorff Banditen! Rein Wunder, wenn auch der Staats. heeres" in einem Atemzuge mit Hölz nennt! Diefer Führer des deutschen Feldheeres" ist der Reich sanwalt des verfassungswidrigen„ Bolksgerichts" in München fpizenkandidat der völkischen Mörder! Er hat dasselbe fut, wie der frühere Kanzler und jetzige Reichsaußert. die Schandtaten mit angesehen und menigstens still minister, der Führer und befte Mann der Boltspartei".
Eine linksradikale Mörderzentrale. Ermordung eines angeblichen Spigels. Attentatsplan gegen Seedt
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Am 7. Sanuar. 3. wurde in Berlin ein Friseur Johann Rauf im Loreingang des Haujes, in bem ct wohnte, nieder geschossen. Raufa lag zwei Monate lang im Krantenhaus und erlag am 17. März feinen Berlegungen. Inzwischen waren bereits einige Berhaftungen vorgenommen worden, denen weitere in Glutigart folgten.
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auch mit so vielen Einzeltatsachen belegt, daß es schwer ist, an ihrer Richtigkeit zu ameifeln. Die Kommunistische Partei hatte bisher amar den bewaffneten Aufstand gepredigt, aber offiziell den per fönlichen Terror, den Meuchelmord aus dem Hinterhalt, abgelehnt Jezt scheint sie, wenn die behördlichen Angaben zutreffent, fatsächlich dem Beispiel der pöllischen Geheimbünde gefolgt zu fein und eine richtige Mörderzentrale gebildet zu haben. Damit hätte sie tatsächlich den Buntt erreicht, wo das schein revolutionäre Treiben in den regelrechten Banditismus, in das gemeine Berbrechertum mündet.
Die internationale Anleihe. Bankiersberatungen in Paris .
Paris , 25. April. ( WEB.) Wie bereits berichtet, hatten die Delegierten der verschiedenen Länder in der Reparationstommiffion gestern abend eine Besprechung mit Pierpont Morgan , melde heute fortgefeht werden soll. Laut Echo de Paris" finden heute Verhandlungen mit dem englischen Finanzmann Montagu Normann ffatt. Nach einer Meldung des Matin" tönnte man annehmen, daß Verhandlungen mit Finanzleuten anderer Staaten folgen werden, um über die Möglichkeit der Unterbringung der durch den Sachverständigenbericht vorgesehenen Anleihe von 800 Millionen Goldmart klarheit zu schaffen.
Das dieser Tage abgeschlossene Ermittlungsverfahren soll mun trad, amtlichen Quellen folgendes Ergebnis gezeitigt haben Johann Rausch galt bei den Kommunisten als Spiel und wurde deshalb ron ihnen ermordet. Mörder jolt tein anderer fein als Feilg Neumann, Schrifffeher, geb. 1889 ju Berlin , der einer fommunistischen icheta angehören joll und der bis zur Uebernahme diefer Tätigkeit als politischer Sefretär bei der Reichszentrale der SPD. in Berlin angestellt war. Sein Gehilfe bei der Tat war ein gewisser Boege, Mitbegründer der Ortsgruppe Leipzig der KPD. , ferner ein ge wiffer Margies, der megen wiederholten Diebstahls mit 12 Jahren Zuchthaus vorbestraft ist, und ein gewiffer Saon. Alle vier befinden sich in Haft Ferner find verhaftet Otto Roenig aus Daimstadt, Gottwald Deus aus Haan und der Kraftfahrer Adolf Roesner aus Berlin . Sie alle follen Mitglieder einer Tichela der Kommunistischen Partei gewesen sein, die die Aufgabe hatte, Berräter innerhalb der Partei und besonders gefährliche Gegner Paris , 25. April. ( Eca.). Dem Populaire" zufolge wird der der Partei durch Mord zu erledigen. Die Zuständigkeit der Gruppe Aufenthalt Morgans in Paris fehr furz sein. Morgan werde wahr erstreďte sich auf das ganze Reich. Gie unterstand einem Führerscheinlich Anfang der tommenden Woche. Paris verlassen, jedoch miit dem Dednamen Hellmut, der inzwischen in der Berfon eines vorher eine Zusammenkunft mit Poincaré haben. Muffen, der angeblich Goref heißt, festgestellt und in Berlin verhaftet
wurde.
Die Mitglieder der Tfcheta erhielten zunächst 180 m. Am Monat, ipäter 60 m. für die Woche mit 50 Broz. Zuschlag für Berheiratete. Sie wurden angeblich durch Handschlag mit folgenden Borten verpflichtet:" Ich verpflichte mich, bei meiner prole „ Ich tarischen Ehre(!) als Mitglied der Gruppe zur Ueberwachung der Bartei. Berrat, Feigheit und Flucht werden mit dem Tode bestraft." Bei den Verhafteten wurden Parabellumpistolen, erheb. liche Mengen von Sprengstoffen, sowie auch Kulturen von Ruhr, Typhus und Cholera- Bazillen beschlagnahmi.
Die italienische Antwort eingetroffen.
Baris, 26. April. ( Eca.) Die Antwort der italienischen Regierung an die Reparationsfommission ist der Reparationsfomuniffion nunmehr, wie wir aus amtlicher Stelle erfahren, zugegangen. Die Reparationskommission wird daraufhin gegen 12% Uhr die Texte Der Zuſchriften aan die Reparationskommission der Deffentlichkeit
übergeben.
Bon Karl H. iit, Mitglied des finnischen Reichsinges. Die Neuwahlen zum finnischen Reichstage, ihre Ursachen und Ergebnisse beleuchten grell die jeßige Eniwidlung in Finnland . Sie weiſen Symptome auf, bie nicht nur für Finn. land charakteristisch sind.
Kommunistenverhaftungen vom August 1923. Der Kommu Die Wahlen standen unter den Nachwirkungen der großen nismus ist keine besonders fräftige Pflanze in Finnland , we die Arbeiterschaft seit 25 Jahren in den fozialdemokratischen Organisationen geschult worden ist. Aber er dient, in Finn land wie in anderen Ländern, den Reaktionären als Berwand für Maßnahmen, unter denen die gesamte Arbeiterschaft zu
leiden hat.
Die nach 1918 in Finnland zur Machi gelangten fleins bäuerlichen Elemente waren von den Linksparteien zu abhängig, galt für sie, die neugewonnene Demokratie in einer für die um gegen die Arbeitertiaffe fchroff auftreten zu fönnen. Es Bauernschaft vorteilhaften Weise auszubauen und zu befestigen; es galt ferner, durch eine umfassende Siedlungsbewegung der Bauerntlasse mehr Mitglieder zuzuführen und somit die soziale blikanische Berfassung angenommen, und durch eine Reihe Grundlage der Bauernherrschaft zu befestigen. Das eine wie das andere gelang; im Sommer 1919 wurde eine repu das andere gelang; im Sommer 1919 wurde eine repi Schlußstein war die sogen, Ler Kallio, die die Großgrundvon Gesezen wurde eine Bodenreform angebahnt. befizer verpflichtete, einen Teil ihres Bodens dem Staate für Nachdem dieses Geses an Siedlungszwede abzutreten. genommen worden war die tommunistischen Stimmen hatten dabei den Ausschlag gegeben hatte der Mehr feine Schuldigkeit getan.
Der
Anfang August 1923 wurden plötzlich die führenden Kom munisten, insgesamt etwa 200 Personen, verhaftet und die tommunistischen Drudereien versiegelt, so daß die 3Zeitungen nicht mehr erscheinen fonnten. Bor dem Hofgericht in bo wurde ein Riesenprozeß inszeniert, von dem das Bürgertum voll Ungeduld die zerschmetternden Beweise gegen die Roms munisten erwartete, die die Regierung Kallio versprochen hatte.
Da der Reichstag durch die Berhaftung der fommunistifchen Abgeordniefen eine Maßnahme von zweifelhafter Gefeßlichkeit unvollständig geworden war, forderte die Gozialdemokratie die Auflösung des Reichstages und die Ansehung von Neuwahlen. Die Regierung lehnte diefe Forderung ab. Die Sozialdemokraten drohten, von den Nun griff der Sizungen des Reichstage's fernzubleiben. Reichspräsident ein, indem er im Januar 1924 das Rumpf parlament auflöfte. Die Regierung Kallio, bie bis zum Ende Widerstand geleistet hatte, mußte demiffionieren. Die Wahlen fanden am 1. und 2. April statt.
Jegt offenbarte es fich, welche Dummheit die Regierung Rallio begangen hatte, als sie die Reuwahlen nicht schon früher vornehmen ließ. Im Herbst 1923 waren die Roms munisten infolge des Schlages, der sie getroffen hatte, desorganisiert. In den Reihen der Sozialdemokratie herrschte Mißmut. Dagegen genoß die Regierung wegen ihres festen Auftretens" gegen die Kommunisten unter den Bürgerlichen eine große Autorität und die von ihr begangenen Gesegwidrig feiten verzieh man ihr nur allzu gerne.
Nun hat sich der große Kommunistenprozeß als eix Standal erwiesen. Nichts neues ist dabei dargelegt nur alte, schon längst veröffentlichte Parteis worden; programme und Refolutionen find vorgelegt und in hoch Die meisten ber verräterischem Sinne ausgelegt worden. Berhafteten find inzwischen auf freien Fuß gesetzt worden. Die reattionären Elemente machten die größten Axstrengungen, um die reaktionäre Stimmung im Bürgertum zu schüren und reaktionäre Pläne vorzubereiten. Sie vlantex unter anderem durch eine Mahlrechtsreform" die Kommu nisten auch für die Zukunft aus dem Reichstag auszuschalten hätte ihren Kampf um Erhöhung der Getreidezölle, Abschaffung und so die Zahl der Arbeitervertreter zu vermindern. Dies des Achtstundentages usw. außerordentlich erleichtert. hätte ihren Kampf um Erhöhung der Getreidezölle, Abschaffung
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Die Arbeiter fahen die Gefahr, die ihnen durch dieje Anschläge drohte. Es entstand eine starte Bewegung sur Selbstverteidigung. Bon Tag zu Tag änderte sich die Lage. An die Stelle des früheren Mißmutes trat Rampfesluit. Sogar die Kommunisten, die so gut wie ohne Zeitungen und Propagandisten dastanden, entfachten eine, freilich unbedeutende, Bahlpropaganda.
Als das Wahlresultat bekannt wurde, erweckte es großes
Aufsehen. Nicht weil die Zahl der kommunistischen Mandate ron 27 auf 18 gesunken mar ein anderes Resultat war unter den obwaltenden Berhältnissen faum zu erwarten. Aber daß die Sozialdemokratie beinahe alle von den Rommunisten verlorenen Mandate gewann und daß die Zahl der Arbeitervertreter fast unverändert blieb, das mar die große Sensation des Bahiausgangs.
Weitere Mord pläne der Neumann und Genossen follen fich gegen den General v. Seedt und den württembergischen Condon, 26. April. ( EB.) Der Bund der englischen Handels. Minister Bolz gerichtet haben. Es wird behauptet, daß Reumann, Poege, Margies und Szon dem General zweimal aufge. lammern hat an den Staatssekretär Snowden ein Schreiben geSchon seit einiger Zeit macht sich unter den Arbeitern, lauert hätten, in der Absicht, ihn niederzufchießen. Da Seedt nicht richtet mit der Erklärung, der Bollzugsausschuß des genannten Sam, ging Neumann ins Behrministerium und gab sich dort dem Offi- Bundes sei der Ansicht, daß der Sachverständigenplan die unter fommunistischer Führung standen, ein Uma aier vom Dienst gegenüber dis Berichterstatter einer Berner Zeitung angenommen werden solle, da dieser eine gerechte und verfch mung bemerkbar. Organisationen, die früher aus der eus, der sich nach der Lage in Deutschland erfundigen wollte. Neu- nünftige Löfung der Reparationsfrage darstelle. Der Bund der fozialdemokratischen Partei ausgetreten find, schließen fla mann erfuhr, daß Seedt in Beimar sei und voraussichtlich am englischen Handelskammern ersucht die englische Regierung, die ihr wieder an. Bei einer genauen Brüfung der Wahlziffern nächsten Sonntag sormittag 9 Uhr zurüdtommen werde. Zur anotwendigkeit anguerfernen, bas Möglichste zu tun, um diefen stellt sich jetzt heraus, daß die Zunahme der sozialdemokre Plan jo rasch wie möglich der Berwirklichung entgegenzuführen. gegebenen Zeit ftanden Neumann und Szon mit Fahrrädern am tifchen Stimmen genau der Abnahme der fommunistischen Anhalter Bahnhof bereit. Sie wollten Seedt niederschießen und Stimmen entspricht. Diese Erscheinung zeigt sich in sämtlichen dann auf den Fahrrädern flüchten. Seedt tam jedoch nicht. 16 Wahlkreisen Finnlands . Es ist offenbar, daß ein beträcht licher Teil der früheren tommunistischen Wähler( etwa ein Drittel) jetzt für die Sozialdemokratie geftimmt hat.
Soweit die Angaben, hie fich, wie gesagt, auf amtfiche Quellen gen. Sie sind abenteuerlich und phantastisch gemg, leider aber