Einzelbild herunterladen
 

Nr. 21041.Jahrgang Ausgabe Nr. 108

Bezugspreis:

Böchentlich 70 Goldpfennig, monatlich 3,-Goldmart voraus zahlbar. Unter Arenzband für Deutschland . Danzig , Gaar- und Memelgebiet. Defterreich, Bitauen, Lucemburg 4.25 Goldmart, fite das übrige Ausland 5,25 Goldmart pro Monat.

Der., Borwärts mit der Sonntags beilage Bolt und Reit mit Sied. Lung und Kleingarten. fomte ber Unterhaltungsbeilage Seimmelt" und Frauenbeilage Frauenstimme erscheint wochentäglich ameimal, Sonntags und Montags einmal.

-

Telegramm- Abreffe:

Sozialbemotrat Berlin

Morgenausgabe

Vorwärts

Berliner Dolksblatt

10 Goldpfennig

100 Milliarden

Anzeigenpreise:

Die einfpaltige Ronpareils geile 0,70 Goldmart. Reklameaetle 4 Goldmart. ,, Kleine Anzeigen das fettgedrudte Bori 0,20 Gold­mart( zuläffig awei fettaebrudte Marte), icdes weitere Wort 0.10 Goldmart. Stellengesuche das erfte Wort 0,10 Goldmark jedes meitere Wort 0.05 Goldmart. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Borte. Familienanzeigen für Abonnenten Reile 0.30 Goldmart. Eine Goldmart ein Dollar acteilt Burch 4,20.

GLASE

Anzeigen Hie die naaste Nummer müffen bis 4 Uhr nachmittags im Sauptgeschäft, Berlin SB 68, Linden ftraße 3. abgegeben werden. Geöffnet von 9 Uhr früh bis 5 Uhr nagm.

Zentralorgan der Vereinigten Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands

Redaktion und Verlag: SW 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Redaktion: Donhoff 292-293 Verlag: Donbok 2506-2507

Dienstag, den 6. Mai 1924

Vorwärts- Verlag G.m.b.H., SW 68, Lindenstr. 3

Bosticheckkonto: Berlin 375 36 Banffonto: Direktion der Distonto- Gefellichaft. Devontentaie Lindenstraße 3

99 Sozialdemokraten.

Die deutschnationalen Sieger in Verlegenheit.

Die Zusammenfegung des neuen Reichstags läßt sich voll­standig noch nicht feststellen. Heute schon Kombinationen dar­über anzustellen, wie die Parteigruppierung und die Regie­rungsbildung im neuen Reichstag sich gestalten tönnte, ist darum müßig. Eines aber läßt sich heute schon mit Bestimmt­heit fagen: b.er Traum der Rechten vom großen und entscheidenden Endsieg ist zerstoben. Wohl hat sie Mandats­und Stimmengewinn zu verzeichnen, aber fein eigentlich politisches Resultat. Sie ist mit großen Hoffnungen und Zielen in die Wahlschlacht gezogen. Das Ziel, das der deutschnationale Führer Westarp geftedt hatte, war, den Bürgerblod unter deutschnationaler Führung zur mathematisch zwingenden Nots mendigkeit zu machen. Dieser Traum hat sich nicht erfüllt. Die Schwächung der Mitte ist aber immerhin so groß, daß die Grundlagen für die Bildung einer festen Regierung der Mitte schwankend sind. Schon heute zeigt sich daher eine neue politische Verstrickung. Wenn das Wahlergebnis schließlich auch die Bildung einer Regierung gestatten wird, die ihre Außenpolitif unter dem Gesichtspunkt der Annahme des Sach­verständigengutachtens betreibt, so ist doch das Zustande fommen einer 3 weidrittelmehrheit für das Eisen­bahngefeh, das zur Durchführung der Sachverständigen gutachten nötig wäre, nicht möglich, wenn die Deutsch­ nationalen ihre politische Linie aus der Wahlzeit konfe­quent innehalten werden. Diese Frage aber verlegt heute schon die Deutschnationalen in unverkennbare Verlegenheit Sie haben in den Wahlen die Grundlagen schaffen wollen für eine innere Diftatur der Rechten. Sie haben dieses Ziel nicht erreicht. Was sollen sie nun beginnen? Sie haben den Wahl tampf geführt mit der Forderung der Ablehnung der Sach­Derständigengutachten. Sollen sie daraus im Reichstag die Konsequenzen ziehen und mit allen Mitteln, vor allem mit dem Mittel der Verhinderung des Zustandekommens des Eisenbahngefehes, die Ausführung des Sachverständigengut­achtens verhindern? Das sind die Fragen, über die nicht wir, sondern die Rechtspresse von gestern abend sich den Kopf gerbricht, wobei sie außer acht läßt, daß die Frage, ob das Eisenbahngefeß einer qualifizierten Mehrheit bedarf, juristisch noch nicht geklärt ist.

Allen Zeitungsstimmen der Rechten ist ein Gedanke ge­meinsam. Sie wollen die bürgerliche Regierung unter der Führung der Deutschnationalen , und sie drängen die bürgerlichen Mittelparteien, sich von dem Gedanken der großen Roalition abzuwenden, um sich unter deutschnationale Führung zu begeben. Die reuz- 3eitung" be­zeichnet den Gedanken an ein Wiederaufleben der großen Koalition als Betrug an der Volksmeinung. Die Deutsche Tageszeitung" schreibt:

3weifelsfrei fest steht allerdings schon jetzt die Möglichkeit einer nach rechts tendierenden Regierung, für deren parlamentarische Mehrheit die Demofraten entbehrlich find."

Der Lokal Anzeiger mendet sich mit folgenden Ausführungen an die Deutsche Volkspartei :"

Die Nation hat mit diesem Wahlergebnis eine große bür. gerlige Koalition mit einem start nach rechts ver. ridien Schwerpuntt ermöglicht und gefordert, und es ist Die Aufgabe der Deutschen Bolfspartei, von diefer Möglichkeit Ge brauch zu machen und diese Forderung erfüllen zu helfen."

Und die Nachtausgabe des Tag" schreibt: Die, bürgerliche Regierung mit Rechtsturs, das muß das Ergebnis sein, wenn dieser 4. Mai seinen Sinn er füllen fall."

Soweit herrscht also unter den Deutschnationalen Einig feit über das, was sie wollen. Die Frage ist nur, was unter dem Rechtsturs verstanden werden soll. Hier ist der Bunft, an dem sich die innere unsicherheit, ber mangelnde ein­heitlich politische Wille und der Mangel an politischer Orientie rung bei den Deutschnationalen offenbart. Kreuz- Zeitung " und Deutsche Tageszeitung" verstehen unter dem Rechtsturs eine Regierung unter deutschnationaler Führung, die Ableh­nung des Sachverständigengutachtens. Die Kreuz Zeitung " schreibt:

" Der Gedante, im Falle eines Scheiterns einer folchen Roali tionsregierung, den Reichstag aufs neue aufzulösen, ift bereits im Wahlkampf des öfteren erörtert worden. Obwohl wir auch einen folchen 3 weiten Rampf feineswegs zu fcheuen hätten, vor allem nicht, wenn es sich um die Fragestellung handelt, ob mir endgültig uns dem Feinde mit Ehre, hab und Gut unterwerfen wollen, würde es unverantwort Bich sein, ein solches Experiment erst in Angriff zu nehmen."

Sie läßt den Willen erkennen, das Zustandekommen einer 3meibrittelmehrheit für das Eisenbahngefeß im Reichstage zu

Derhindern

Das amtliche Ergebnis.

9

99 Mandate

Ueberlegungen und Gespräche der Rechtspreffe über die fünf tige deutschnationale Politif und ihre Stellungnahme zu den

läufigen amtlichen Endergebnis haben erhalten: Berlin , 5. mai, 12 Uhr nachts. Nach dem vor- nächsten politischen Problemen offenbaren das wahre Wesen Sozialdemokraten Deutschnationale Zentrum kommunisten Volkspartei Bölkische. Demofraten

Bayerische Volkspartei

99

62

61

45

32

24

15

9

9

Bayerischer Bauernbund mit Wirtschaftspartei 10 Landlifte mit Nationalliberale Bereinigung Hannoveraner Deutschsoziale

4

5 4

Der neue Reichstag wird demnach 465 Mitglieder zählen, die sich auf 13 Parteien und Gruppen verteilen. Mit ihrer Stimmenzahl froh Ueberschreitung von 60 000 Stimmen ohne Mandat geblieben find die USPD. , die Chriftlich- soziale Bolfsgemeinschaft, der Freiwirtschaftsbund, der Mieterschutz und Bodenrecht und die Nationalen Minderheiten Deutsch lands, well fie la feinem Wahlkreisverband die Mindestzahl von 60 000 Stimmen erreichten. Außerdem verlieren aus diesem Grunde der Bayerische Bauernbund mit der Wirtschafts­partei und die Deutschsoziale Partei je zwei Site, so daß 14 Sie mit über 800 000 abgegebenen Stimmen wegfallen

die

ST

Das amtliche Berliner Wahlergebnis. Gültige Stimmen. Sozialdemokraten Demofraten

Kommunisten

4

Wirtschaftspartei

Deutschjoziale Häußer Zentrum Deutschvölkische Sozialistischer Bund

Deutsche Volkspartei.

Polen ..

usp..

Republitauische Partei

Nationale Freiheitspartei Arbeitnehmerpartei

Deutschaationale

Nationalliberale Vereinigung

1096 826 238 861 93 953

225 194 41 388 35 218

976 44 161

40 064

7 323

77 251

4589

33 559

7633

2 330

3 163

235 151

5282

Durch Liftenverbindung mit Wahlkreis Potsdam 2 haben Demokraten ein zweites Mandat erlangt, das auf Frau

Dr. Lüders entfält.

Wie bereits mitgeteilt, ist auch Genoffe Aufhäuser durch Liftenverbindung als vierter gesichert.

-

Neben diefer einen Richtung der deutschnationalen Politit, mie sie in Kreuz- Zeitung " und" Deutscher Tageszeitung" er­tennbar ist, steht eine andere. Für diese andere Richtung be­deutet Rechtskurs Teilnahme der Deutschnationalen an der Regierung, innerpolitische Orientierung nach rechts hin, außen­politisch aber Erfüllungspolitik. So schreibt der Tag": ,, Es wird also unter vernünftigen politischen und wirtschaft­lichen Gefichtspunkten ganz ausgeschloffen sein, daß bürger­liche Parteien, die nach dem Eingeständnis des Außenministers schon mit der bisherigen Sozialdemokratie nicht regieren konnten, mit biefer wesentlich rabifaleren sozialistischen Frattion regieren. Dazu tommt, daß eine folche Große Roalition niemals die 3 weidrittelmehrheit für die Gefeße bekommen würde, die bei der Durchführung der Sachverständigengutachten gemacht werden müßten. Demgegenüber würde eine bürgerliche oalition in fehr vielen Fragen sicher auch der Unter­tügung der Deutschöllischen und der Demotraten dyer fein. Sie hätte in der auswärtigen Bolitit freie and im Sinne der legten Erklärungen der Deutschnationalen , und könnte, falls fie Geseze mit verfaffungsändern der Mehrheit für die Durchführung irgendwelcher Reparationsverpflichtungen maden wollte, auch ber Buftimmung der Sozialdemokratie fidher sein."

Mit anderen Worten: die Deutschnationalen sollen fich the patentierte nationale Haltung gegenüber ber Er füllungspolitit für Ministerporbefeuilles abfaufen lassen. Diese

der Deutschnationalen Partei. Diese Leute, die ohne festeat Willen, ohne ein flares Bild zu haben, von dem, was sie wirf­lich wollten in den wichtigsten politischen Fragen, in den Kampf gezogen sind, indem sie sich als die Retter Deutschlands onpriesen, sind nichts anderes, als gewöhnliche Demagogen, die aus der verworrenen Lage Deutschlands parteipolitisches Kapital und Reichstagsmandate herausschlagen wollten. Sieger, die nicht wissen, was sie mit dem Sieg" anfangen sollen, nicht einmal, was fie eigentlich wollen.

Sie schwanken hin und her zwischen dem Festhalten an dem, was sie während des Wahlkampfes gepredigt haben und ihrer Machtbegierde. Auf welche Seite fie schließlich fallen merden, das steht dahin. Die radikalen Deutschnationalen sind aber bereits schwüler Ahnungen voll. In der Deutschen Zei­tung" stößt Maurenbrecher einen Alarmruf aus. Der Gedanke der Bürgerfoalition ist für ihn schon Verwässerung der nationalen Opposition":

,, Die große Gefahr für die Deutschnationalen ist heute, daß sie sich dazu verführen lassen, nunmehr auch eine heute, daß sie sich dazu verführen lassen, nunmehr auch eine Mittelpartei zu werden. Wie die Sozialdemokraten in den Kommunisten, so haben die Deutschnationalen heute in ben Bartei-, Bölkischen eine Flügelparbei, der es äußerst erwünscht kommen würde, wenn es ihr gelänge, die Mutterpartei nach der Mitte abzu­

drängen.

Die Deutschnationalen haben es heute in der Hand, entweder sich in die Mitte der großen Roalition abdrängen zu Ieffen, oder die Führung ber nationalen Freiheitsbewegung zu gewinnen. Bon ihrer Entscheidung wird es abhängen, ob der große Aufschwung, den der nationale Gedante bei diesen Wahlen nahm, zum endgültigen Siege führen wird oder nicht."

Ob die Deutschnationalen sich für das eine oder für das andere, für die Fortsetzung der Demagogie oder für die Sti lung ihrer Machtbegierde entscheiden werden: die Zukunft und die Dauer des neuen Reichstags ist jedenfalls auf das höchste ungewiß. Wollen sie ihre Zustimmung zur Er­füllungspolitik erfaufen um den Preis von Ministerporte­feuilles und eines reaktionären Kurses in der inneren Polit so wird die Sozialdemokratie, immer noch die stärkste Fraßs tion des Reichstags, mit ihrer ganzen Kraft fich diesem Rechts­furs entgegenwerfen. Wollen sie aber die Lösung der Repa­rationsfrage verhindern, so wird die Entscheidung über das Geschid des neuen Reichstags sehr bald fallen müssen.

Mandatszuteilung und Zwergparteien.

Meber die Mandatszuteilung auf die Zwergparteien herrscht vielfach eine irrige Auffassung. Deshalb sei hier darauf hingewiesen, daß eine Partei auch durch Listenverbin dung im Bezirksverband und auf der Reichsliste fein Mandat

erhält, menn fie nicht in einem der Wahlkreise mindestens ein Mandat, also 60 000 Stim. men, befommen hat.

Die Listenverbindung in den Wahlkreis verbänden fonn nur dann ein weiteres(§ 31 RWG.) Mandat bringen, wenn die Partei in dem betreffenden Einzelwahlkreise 1. mins destens ein volles Mandat und 2. mindestens 30 000 Reft­stimmen bekommen hat. Andernfalls wird im Bezirksverband fein Mandat verteilt, sondern die Reststimmen gehen un verbraucht auf die Reichsliste über. Dort können sie aber auch nur für eine Mandatszuteilung nugbar gemacht werden, wenn die Partei mindestens ein Mandat in einem Einzel­wahlkreise erhalten hat.

Bei der Wahl 1920 hatten die Kommunisten im ganzen Reiche 441 995 Stimmen erhalten. Da sie aber mur im Chemnizer Bezirk die für ein Mandat erforderlichen 60 000 Stimmen aufgebracht hatten, erhielten sie auf 381 995 test stimmen nur noch ein einziges Mandat, so daß 321 995 fom­munistische Reststimmen im letzten Reichstag unvertreten ge­blieben sind, auf die fünf weitere Mandate gefallen wären, wenn die KPD. damals noch fünf Mandate in den Wahl freisen bekommen hätte.

"

Allem Anschein nach werden bei der diesmaligen Wahl sowohl die Liebknecht- Gruppe wie die Ledebour- Gruppe, die Runge- Partei" wie die Republikanische Partei ", der Häußer. Bund wie der Geusen- Bund und alle übrigen Zwergparteien das Schicksal der KPD. von 1920 teilen. Sie haben in feinem der Wahlbezirte 60 000 Stimmen aufgebracht und erhalten daher auch meder im Bezirksverband noch auf der Reichslifte ein Mandat Nugios abgegebene, weggeworfene Stimmen!