Nr.222�»1.?ahrg«»s Ausgabe A Nr« 114 Bezugspreis: Wöchentlich 70(Bolbpfennlg, monatlich S,— Soldmarl docou-j zahlbar. Unter ürenzband für Deutschland . Danztg, Saar- und Memclgebiet. O est erreich, Litauen , Luxemburg i.25 Soldmark, [ilt das übrige Ausland WS Soldmari pro Monat. Der„BormZrts' mit der Sonntag«» beilage„Boll und fltit* mit„Siedlung und Kleingarten�, sowie der Untcrhaltungsbcilag«.Leimwclt' und Fraucnbeilage„Frauenstimme' erscheint wochentäglich«weimal. Sonntag» und Montag, einmal. Telegramm-Ad reffe: .,vo>ialde»»irat Berk»'
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Der Sieg der Sozialiften. Znsammenbruch des nationalen Blocks.— Poincare für England nicht mehr verhandlnngsfähig.
Paris , 12. Mai. (Eigener vrahkberlcht.) Nach einer amklichm Siaiistik des ÄUaisteriums des Zanera, die um 6 Uhr nachmittags herausgegeben wurde, verteilen sich die jeht bekanntgewordeuen Ergebnisse aus die einzelnen Parteien»nie folgt: Konservative 11(in der Kammer von ISIS: 26), Entente Repubticaine 137(202), Linksrepublikaner 92 (155), Rechtsradikale 34(50), Radikalsoziale 127(79), Republikanische Sozialisten 39(47), Sozialisten 101(50), Kommunisten 29(13). Stichwahlen finden vier statt Auger- dem stehen noch zehn Ergebnisse der Kolonien aus.— Räch einer vom„Temps" verössenitichten nichtamtlichen Uebersicht stieg die Ziffer der Sozialisten auf III, die der Radikalsozialeu aus 137 an. ZmDepartementRord, dem Zentrum der franzö- sischen Industrie, wo die Kommunisten mit einem ausschlaggebenden Sieg gerechnet hatten, haben die Sozialisten 10. der Rationale Block 5. die Linksrepublikaner 5. die Kommunisten nur 3 Sitze erhalten. Leider befindet sich unter den Richt- gewählten der Abgeordnete 3 n g h e l s. gegen den oon der Rechten wegen seiner Enthüllungen über die Blilliardenunter- schleife in den zerstörten Gebieten mit allen ertaubten und unerlaubten Mitteln gearbeitet worden war. Minitterrat über die Regierungsfrage. Pari«. 12. Mai.(Eigener Drahtbericht.) Im Elyse« find«- am Dienstagvormittag unter dem Vorsitz Millerands ein Minister- r a t statt, der sich mit der durch den Ausfall der Wahl geschaffenen Situation befassen wird. In unterrichteten Kreise» wird es vielfach für wahrscheinlich gehalten, daß Poincare schon am Dienstag die Konsequenzen aus feiner Niederlage ziehen und die De, Mission des Gesamt kabinetts überreichen wird. Keines- wegs ist das jedoch sicher, da die neu« Kammer erst am 4. Juni zu- sommentritt und bis dahin die Legislaturperiode der früheren Kammer weiterlöuft. Mit Rücksicht auf die außenpolitische Lage und die mit Ramsay Macdonald vereinbarte Aussprache ist« möglich, daß Poincare bis dahin die Regierung weiterführen wird. poincarös Stellung erschüttert. London , 12. Mai. (Eigener Drahtbericht.) Obwohl abschließende Ergebnisse der französischen Wahlen hier noch nicht vorliegen, be- schäftigt man sich in hiesigen politischen Kreisen doch angesichts der Tatsache, daß die französischen Wahlen einen gewaltigen Linksruck gebracht haben, eingehend mit der Frage, ob P o i n- c a r e angesichts dieses Wahlergebnisses Leiter der politischen Ge- schicke Frankreichs bleiben wird oder nicht. Im Ausammenhang damit wird natürlich auch eingehend die Frage erörtert, ob es daraufhin zu d«r zwischen Macdonald und Poincare verabredeten Zusammenkunft in Chequers kommen wird. Man hat hier den Eindruck, daß Poincare nicht mehr genügend parlamen- tarische Unterstützung hat und deshalb mit seinem Kabinett bald zurücktritt. In diesem Falle würde Ministerpräsident Macdonald den Nachfolger Poincares zu einer Besprechung des Sachverständigen- gut achtens zu einem späteren Datum nach London einladen. Nicht mehr verhanölungsfähig. Keine Zusammenkunft Maedonald-Poinearck. London 12. mal(WIV.) wie Revier ersährt. wirb wegen der Wahlniederlage Poincares die Zusammen- kunft mit Macdonald wahrscheinlich?°svegeben werden. Reuter fügt der Meldung hinzu- Es ,st fast sicher, daß eine Zn- sammenkunst des britischen und des sranzösijchen Premierministers binnen kurzen, stattfinden wird, aber wenn eine neue französisch. Regierung ihr Amt antritt, so muß die Zusammenkunft notwendiger. weise verschoben werden, um dem neuen französischen Prennermmi- sier Zeit zu geben, sich zu unterrichten. Die Pariser Presse zur Regiernugskrisc. Paris 12 Mai(EP.) Die A b e n d b l S t t e r anerkennen ein- heitlich. daß die Ergebnisse der Kammerwahlen eine Regie- rungskrise herbeiführen müssen. Der„Temps sucht zwar diese Möglichkeit ziemlich verlegen und im Grunde genommen mit wenig Ueberzeugung in Abrede zu stellen. Bis die vollständigen Resultate bekannt seien, könne nicht gesagt werden, ob die Links- Parteien Mehrheits- und somit Regierungsparteien werden tonnten. Wenn die« aber geschehen werde, so würden für die Linksparteien die Zeiten der Schwierigkeiten beginnen. Der.Temps" glaubt nicht. daß die Linksparteien, die nur in ihrem chasie gegen den nationalen Block einig gewesen seien, in ihrer Politik sich zu einer Einheit zusammenschließen können. Die Radikalen seien immerhin der Ansicht. es müsse Deutschland gegenüber«in« nationale Politik befolgt werden. während die Sozialiften glaubten, man habe Deutschland über- inebe« Losten auferlegt.«« gäbe nur»«et Riglichtette»
Deutschland gegenüber, wenn es die Reparationen nicht bezahlen wolle: entweder befolge man eine Erfüllungspoli- tik oder eine Politik der Schwäche. Wenn das erster« geschehe, so werde gegen früher nichts geändert sein. Wenn der zweite Fall eintrete, so werde, falls Deutschland nicht bezahle, an seine Stelle Frankreich zu bezahlen haben, und es frage sich dann, was für eine Steuerpolitik die neue Mehrheit befolgen werde, und ob im besonderen die Radikalen für die von den Sozialisten gefor- derte Vermögenssteuer zu haben sein würden. Im übrigen sind alle Blätter darin einig, die Schuld an der Niederlage des nationalen Blocks dem W a h l f y st e m in die Schuhe zu schieben, das nun, nachdem es nicht ein zweites Mal den Interessen des nationalen Blocks gedient hat, als unmoralisch gebrandmarkt wird. Da Poincarä für die Beibehaltung des gegen- wärtigen Wahlsystems und gegen die Rückkehr zum Mehrheitssystem seinerzeit die Vertrauensfrage gestellt hat, werden der Minister- Präsident uni» seine frühere Mehrheit für den Spott der Anten nicht zu sorgen haben. Der.Jntransigeant" anerkennt im Gegensatz zum .Temps" unumwunden, daß die Regierungskrise nun eröffnet sei, doch will er nichts davon wissen, daß auch Mille- rand zu demissionieren habe, wie da» heute früh von den Morgen, blättern gefordert wurde. Der.P a r i s i e n" faßt die sich aus den Wahlen ergebenden Konsequenzen wie folgt zusammen: Wenn Mille rand verstan- den hat, wird er zurücktreten. Wenn P o i n c a r i für die Beredsamkeit der Zahlen empfänglich ist, wird er d e m i s s! o n i e- r en. Der Wille des Landes geschehe. Der nationale Block ist tot, es leb« die RepubliiI Die„L i b er te glaubt nicht, daß die Kammerwahlen eine Mißbilligung der Politik Poincares bedeuten. Das Land sei durch das wenig erbauliche Schauspiel der letzten Kammer angewidert worden. Es Hab« die gesetzgebenden Personen ändern wollen, aber es sei wenig wahrscheinlich, daß es die Politik ändern wolle. Nach dem Sieg. V, Sch. Paris . 12. Mai.(Eigener Drahtbericht.) Das französische Volk hat ein furchtbares Gericht übe r- denNationalen Block abgehalten. Weder das Gespenst der deutschen Revanche, mit dem die Reaktion aus Grund der deutschen Reichstagswahlen operierte, noch die kommunistischen Handlangerdienste haben die Mehrheit von 1919 von ihrem verdienten Schicksal zu bewahren vermocht. Abgesehen von einzelnen Departements im Osten, Norden und vor allem im Westen, welche seit jeher Hochburgen der Reaktion waren, ist der Ruck nach links im französischen Volke unverkennbar und viel stärker, als es die optimistischsten Genossen erwar- teten. Man darf die Erfolge der Anhänger Poincarss in Paris und Umgegend nicht so sehr als das Werk der Boule- vard-Presse, vielmehr als das der Kräftezersplitterung im Lager der Opposition durch die Kommunisten ansprechen. Eine neue Mehrheit zieht ins Palais Bourbon ein, eine ausgesprochene Linksmehrheit mit starkem so zi a- l i st i s ch e n E i n f l u ß. Die Sozialisten sind die ein- zigen Sieger dieser Schlacht, numerisch, indem sie ihre Mandatsziffer glatt verdoppelt haben, moralisch, indem sie den Stempel ihrer innerpolitischen und außenpolitischen Ansichten dem Kartell der Linken im Wahlkampfe aufzwangen. Beson- ders bemerkenswert ist es übrigens, daß sie in verschiedenen Wahlkreisen, wo die Partei es abgelehnt hatte, mit nicht ein- wanüfreicn Radikalsozialisten gemeinsame Sache zu machen und wo infolgedessen eigene rein sozialistische Listen aufgestellt worden waren, ganz lzervorragend abgeschnitten hat, so z. D. in Toulouse , wo der bekannte Genosse Din » cent A u r i o l mit drei anderen Genossen gewählt wurde, in C r e u z o t, wo der rührige und sympathische Generalsekretär Paul F a u r e mir vier anderen Sozialisten mit ungeheurer Stimmenzahl gewählt wurde, trotz der konzentrischen Angriff« der Schwerindustrie und der Kommunisten, ferne? in den Bergwerksdistrikten im Norden, wo die Partei ihre Mandate gegen Loucheur und gegen die Kommunisten be- hauptet und ihre Stimmenzahl sogar verbessert hat. Gerade dort sind es die Kommunisten gewesen, die die Loucheur-Liste vor dem Zusammenbruch be- wahrt haben, ohne nennenswerte eigene Erfolge zu erzielen. Ueberhaupt wäre ohne die Kommunisten der Zusammen- bruch des Rationalen Blocks noch viel vollständiger gewesen. Eigene Erfolge haben sie— naturlich auf Kosten des Links- blocks und zugunsten der Anhänger Poincares— eigentlich nur in Paris und in feiner Bannmeile erreicht. Abgesehen von einzelnen kommunistischen Inseln hier und dort.& im Norden, in Le Hoote und im Elsaß haben dt«
Listen des sogenannten Arbeiter- und Bauernblocks nur klag- liche Stimmenzahlen erreicht, genügend immerhin, um die Wiederwahl von mindestens 8V Anhängern Poincarös zu er- möglichen. Wird nun die neue Linksmehrheit stark genug fein, um das Ministerium Poincars zum Rücktritt zu veranlassen? Die Linkspresse fordert das gebieterisch und erinnert an die ver» schiedenen Versprechungen, die insbesondere der Präsident den Republik für den Fall einer Ablehnung seiner Politik durch das Volk gegeben hat. PoincarS selbst Hot sich zwar nicht so fest- gelegt, insbesondere nicht aus innerpolitischem Gebiet,..her es kann kein Zweifel darüber sein, daß die Mehrheit des fronzösi» schon Volkes der gesamten Politik Poincar6s eine unzwei» deutige Absage hat erteilen wollen und auch erteilt hat. Unter diesen Umständen ist übrigens anzunehmen, daß P�rin» corö seine für den 21. Mai vereinbarte Zusammenkunft mitMacdonald wird absagen müssen, denn er ist wirklich nicht mehr berechtigt, in Frankreichs Namen zu verhandeln.. In Deutschland ergibt sich aus den französischen Wahlen, insbesondere für die Beurteilung des Problems der Bildung der Reichsregierung eine ganz neue Situation. Es wäre freilich gänzlich verfehlt, wollte man meinen, eine Linksregierung in Frankreich würde von heute auf morgen das Ruhrgebiet räumen können. Aber die Atmosphäre, der Geist, in dem dieses Problem dehandelt wird, wird ein ganz anderer sein, vorausgesetzt natürlich, daß nicht auf' deutscher Seite in solchen Situationen leider nur allzu hau- fige katastrophale Dummheiten geschehen. Eine solche Dummheit wäre die Bildung einer Rechts- regierung, gegen die sich alle französischen Parteien zusammen- schließen müßten. Ebensowenig darf man sich im Lager der „Lokal-Anzeiger"-Leser einbilden, daß eine Linksmehrheit dem Problem der Militärkontrolle angesichts der rechtsradikale» Geheimverbände mit geringerem Argwohn gegenüberstehen würde. Vor allem muß mit aller Energie dem Irrwahn ent» gegengetreten werden, als würde die Niederlage PoincarÄ und die Bildung einer Regierung Briand oder gar Herriot eine Politik der Winkelzüge und der Sabotage in der Repa- rationsfrage ermöglichen. * Von anderer Seite wird»ms aus Paris berichtet: Der Nationale Block liegt geschlagen am Boden. Die Demo, kratie, repräsentiert durch das„Cartel de(Bauche", zu dem die Sozialisten und die Parteien der entschiedenen bürgerlichen Linken sich in gemeinsamer Abwehr zusammengesunden hatten, ttiumphiert auf der ganzen Linie. Das Volk hat damit die Demokratie, die de» Nationale Block vier Jahre lang in Fesseln geschlagen hatte, erneut zur Herr» schaft erhoben. Die Reattton hat ein« entschiedene Niederlage er- litten. Ein großer Teil ihrer Führer, die Hauptschreier des Milita» rismus und Nationalismus insbesondere, haben dies niit dem Ver. lust des eigenen Mandats bezahlen müssen. General C a st« l n a u und der ehemalige Kriegsminister Andrö Lefevr«, die seit Iahren mit dem Schreckgespenst der deutschen Revanche den kriegerischen Geist wachhielten und auszupeitschen versuchten. Tardieu und Mandel, die beiden Gehilfen Clemenceaus, Lasteyrie, Maunoury und Vi dal, die ehemaligen Mit- mbeiter Poincares, Daudet , der Vorsteher der Royalistcn, und A r a g o, der Führer des Rationalen Blocks, sie alle sind nicht wiedergewählt worden. Di« Linke dagegen hat außer dem greisen Ferdinand B u i s s o n, dem Präsidenten der Liga für Menschen- rechte, kaum Berluste zu beklagen. Zahlreiche ihrer Vorkämpfer, die 1919 geschlagen worden waren, sind diesmal mit großer Mehrheit wiedergewählt worden, darunter Renaubel, Dalbiez, Faure , der Generalsekretär der„Pvpulaire", Maloy, der vom Staats� gerichtshof wegen Hochverrats fünf Jahre in Verbannung geschickt worden war, und zahlreiche andere. Für die s o z i a l i st i s ch e P a r t e i ist der Sonntag ein doppelter Erfolg. Sie hat bereits jetzt die Zahl ihrer Mandate verdoppelt. Sie wird aller Voraussicht nach mit über 100 Mitgliedern in die neue Kammer einziehen. Sie ist damit zu einem ausschlaggebenden Faktor -in politischen und parlamentarischen Leben des Landes geworden. Der Gewinn der Kommunisten oon kaum einem Dutzend Mandaten steht in geradezu kläglichem Widerspruch zu der Großsprecherei ihrer Führer und ihrer Parteiorgane. Noch bis zuletzt hatten die Kam- munisten zu behaupten gewagt, daß das Gros der werktätigen Bevölkerung Frankreichs in ihrem Lager stehe, hatten sie die Kühnheit besessen, von den sozialistischen Führern als einem armseligen Häuf- lein Abtrünniger zu sprechen. Die. Arbeiterichaft hat ihnen am Sonntag daraus die Antwort gegeben. Sie hat gezeigt, daß sie von der Herrschast und den Melhoden Moskaus ebenso wenig wissen will w« von denen de» Nationalen Stock*.