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Nr.228 41.Jahrgang Ausgabe A nr. 117

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Zentralorgan der Vereinigten Sozialdemokratifchen Partei Deutfchlands

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Fernsprecher: Berlag: Danboff 2506-2507

Freitag, den 16. Mai 1924

Kein Rücktritt der Reichsregierung.

Scharfe Zurückweisung einer deutschnationalen Forderung.

Ja später Nachtstunde wird durch WEB. folgendes veröffentlicht: Die Reichsregierung ist, wie wir erfahren, auch angelicis des Beschlusses des Borstandes der Deutschnatio­ nalen Boltspartei entfchloffen, pflichtgemäß die ihr übertragenen Regierungsgeidäfte nicht vor dem Zusammentritt des Reichstages aus der hand 3u geben. Sie hat nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, Deutschland in den Berhandlungen über die Sach­verständigengutachten zu vertreten und die zur Durchführung der Gutachten erforderlichen Gefeßentwürfe vorzube­reiten, sowohl im Hinblid auf die iminer bedrohlicher werdende Krediffrisis, die finanziellen und wirtschaftlichen Erforderniffe Deutschlands , die ohne jeden Aufschub befriedigt werden müssen, wie aber auch in dem Bewußtsein, dadurch den Willen der Mehrheit des deutschen Bolles und der Mehrheit des neuen Reichstages zu ent­sprechen.

Der von der Reichsregierung vertretene Standpunkt hinsichtlich der Sachverständigen gutachten wird nach den eigenen Erklärungen geteilt von der Sozialdemokratischen Partei, von der Zentrumspartei , von der Deutschen Boltspartei, von der Demokratisgen Partei und Don der Bayerischen Boltspartei, die auch im neuen Reichstag auf jeden Fall über eine weit größere Stimmenzahl verfügen, als cine etwaige gemeinsame Opposition der Deutschnationalen Voltspartei, der kom Opposition der Deutschnationalen Volkspartei , der kom munistischen Partei und der Völtischen Freiheitspartei. Bei dieser Sachlage erachtet die Reichsregierung den Befchluß des Bor­fiandes der Deutschnationalen Bolfspartei als nicht im Einflan tehend mit den tatsächlichen Verhältnisjien, wie fie fich nach der Willensbefundung des deutschen Volfes in den Reichstagswahlen ergeben haben.

Die Reichsregierung sieht in dem Beschluß des Parteivorstandes ber DBp. eine ernste Gefährdung der deutschen Interessen in der Außenpolitit. Ueber die Gründe, die die Reichsregierung zu ihrer Stellungnahme zu den Sachverständigen­gutachten gezwungen haben, find Parteiführer der Deutschnationalen Bolkspartei von feiten der Reichsregierung eingehend unter­richtet worden, ohne daß es gelang, die deutjónationalen Bertreter zu einer positiven Erklärung zu bewegen. Auch sonst liegt immer noch teine flare und bindende Erklärung der Deutschnationalen Bolkspartei vor, wie sie sich die Erledigung der Sachverständigengut­achten denkt. Bielmehr wächst von Tag zu Tag die Unklarheit über ihre Abfichten hinsichtlich der Sachverständigengutachten, die zum Kern- und Angelpunkt der deutschen Politik geworden sind Die schnellste klärung der politischen Lage fönnte die Deutschnationale Volkspartei selbst schaffen, wenn sie Antwort geben wollte auf die fortgefeht an fie gestellten Fragen, wie sie denn zu den großn und wichtigen Einzelfragen der deutschen Außenpolitit fieht. Das wäre auch die beste Vorbereifung der bevorstehenden Re­gierungsbildung. Für die Reichsregierung wäre es unverant­wortlich, wollte fie aus innerpolitischen Gründen die außenpoli­fischen Intereffen Deutschlands aufs Spiel sehen.

Die Entschließung der deutschnationalen Parteileitung, gegen die fich der Rabinettsbeschluß richtet, hat folgenden

Wortlaut:

Die Verteilung der Reststimmen.

Der Unfug der Splitterparteien.

Der Reichswahtausschuß hat am Donnerstag, nach­bem die Wahlergebnisse aus den Wahlkreiſen I ( Ostpreußen ) und XVI( Sübhannover- Braunschweig) feststanden, endgültig über die Mandate der beiden in Frage kommenden Wahlkreisverbände ent. Ichieden. Danach erhalten durch Verrechnung im Wahlkreisverband je ein Mandat: Kommunisten, Demokraten und Bölkische im Wahlkreis XIV( Weser Ems ), Sozialdemokratie Deutsche Volkspartei im Wahlkreis XV( Osthannover) und Demo fraten und Zentrum im Wahlkreis XVI( Sübhannover- Braun­fchweig).

B

und

Gleichzeitig entschied der Reichswahlausschuß endgültig über die auf die Reichslisten entfallenden Reststimmen. Danach erhalten: Sozialdemokraten. 434 380 Etimmen 7 Mandate

Zentrum

·

Deutsche Bolfspartei Deutschnationale Boltsportei

Demokraten

Bayerische Boffspartei

Rommunisten

Deutsch- Hannoveraner

Landlifte

440 718

360 528

798 313

9

337 877

107 449

556 571

79-779

94 280

Deutschvöltische Freiheitspartei 604 553

Banerischer Bayernbund

384 395

7

8

36291205

( da auf die angeschloffenen Kreiswahlvorschläge nur fünf Mandate entfallen find) 217024 Stimmen 2 Manbate

Deutschsoziale Bartei

( da nur zwei Mandate auf Kreiswahlvorschläge). Da die Genoffen Hermann Müller , Wels, Crifpien, Frau Juchacz , Dittmann und Frau Reiße auf ihre Wahl auf der Reichslifte ver­

Wir fordern, daß die gegenwärtige Reichsregie. rung, entsprechend dem Ausfall der Wahlen, der den veränder: ten politifchen Willen des Boites festgestellt hat, dem Reichspräsidenten alsbald ihren Rüdtritt anbietet.

B

Die gegenwärtige Regierung entbehrt jeglichen Rech tes, Deutschland in den Berhandlungen über das Sach verständigen gutachten noch entscheidend zu vertreten. Wir erheben entschiedenen Einspruch dagegen, daß das Kabinett etwa die Gefeßentwürfe zur Durchführung des Gut achtens der Reparationstommission vorlegt oder auch nur in den vorbereitenden Berhandlungen den Organi fationsfomitees oder der Reparationskommission irgendwelche Er. tlärungen über den Standpukt der deutschen Regierung ab gibt oder abgeben fäßt. Die Deutschnationale Bolts partei wird derartige Erklärungen nicht als für fich bin

bend anerkennen."

Die Tattif der Deutschnationalen ist, zunächst das Kabinett Marr zu Fall zu bringen, damit die Berbindung der Mittel­parteien untereinander zu lodern, um dann eine günstigere Stellung bei den Verhandlungen über die Regierungsbildung zu haben. Kreuzzeitung " und" Deutsche Tageszeitung" feßen den Ansturm gegen die Regierung fort. Die Deutsche Lages zeitung" droht mit dem Staatsgerichtshof, Jede bindende Er klärung über das deutschnationale außenpolitische Programm wird vermieden, um dadurch die Mittelparteien nicht erneut zusammenzufchmieden.

Die 3 eit", das Organ Stresemanns, gibt folgende Auslegung bes prafelhaften Beschlusses von Borstand und Reichstagsfraktion der Deutschen Bolkspartei:

W

Die Frattion hält es dabei für notwendig, auf Grund des Fraktionsbeschlusses vom 12. Januar d. 3. eine 3ufammen fassung der staatsbejahenden bürgerlichen Bar teien anzustreben. Wenn der Tag" auch zu bezweifeln scheint, ob die Deutsch nationalen mit zu diesen Parteien gerechnet wor den sind, so ist es doch selbstverständlich, daß sie mit bazu gehören. Das Problem der Regierungsbildung besteht demnach zunächst darin, über die Haltung der Deutsch nationalen in der Frage der Außenpolitit völlige Klarheit zu schaffen."

Die Deutsch nationalen aber wollen diese Klarheit nicht, und der Beschluß der Deutschen Volkspartei erleichtert ihnen das Spiel. Die Deutsche Zeitung" hält der Bolkspartei entgegen, daß die Haltung der Bolfspartei selbst in der außenpolitischen Frage untlar und offen sei. Sie zieht aus der Anerkennung der Deutschnationalen als staats­bejahende Partei" durch die Volkspartei die Folgerung, daß auch die Deutschvolfische Freiheitspartei bei dieser Auslegung des Begriffes eine staatsbejahende Partei fei. Bei dieser Sachlage wird die innerpolitische Debatte ohne flare Ergebnisse weiter gehen. Erst in der kommenden Woche treten Frattionsfigungen der Mittelparteien zusammen, in denen- vielleicht!- Entscheidungen getroffen

werden fönnen.

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-P

Die französischen Wahlen.

Bon Paul Faure- Paris .

Die Niederlage des politischen Gebildes, das den Namen " Nationaler Blod" trug, wird das Ausland überrascht haben. Ich bin nicht sicher, ob sie nicht ebenfalls die offiziellen Kreise Frankreichs erstaunt und zugleich betrübt hat, denn zwei Tage vor der Wahl ließ das Minifterium des Innern bereits die Niederlage des Kartells der Linken" verkünden. Was den Sieg der Sozialistischen Partei betrifft, so dachte niemand daran außer uns; denn man nahm allgemein an, daß unter dem verschrobenen und verbrecherischen französi­ schen Wahlverfahren und der kommunistischen Gegenlifte unsere Aussichten auf ein Minimum beschränkt würden. Jetzt muß man sich vor der vollendeten Tatsache beugen: der Natio= nale Block ist geschlagen, die Linksparteien haben den Sieg davongetragen.

In dem Lager der Sieger ist die Partei, die am meisten hervorragt, unbestritten die unsere. Zahlenmäßig zählte sie 50 Gewählte in der früheren Kammer. Von jetzt ab über­schreitet sie die 100. Aber ihr Sieg ist noch vollständiger und ausgedehnter in Anbetracht dessen, daß sie es war, die die Schlappe des Nationalen Blocks vorbereitet und bewerkstelligt hat. Der Nationale Block ist geschlagen worden wegen seiner verheerenden Finanzpolitit, die den Armen belastete und die Spekulanten und Großkapitalisten begünstigte, ferner wegen feines reattionären Gebarens, da er durch die reine Rechte beherrscht war und schließlich wegen seiner äußeren Politit, die ihre getrennten Auffassungen vertrat und Bege ging, wobei die wirklichen Interessen Frankreichs und ebenso die Europas verkannt wurden. Dabei muß man beachten: Die Sozialistische Partei allein hat seit dem 16. November 1919 den hartnädigsten Rampf gegen diese ganze Politit geführt. Sie hat sich nicht begnügt mit einer formellen Opposition oder mit unnüher oder negativer Kritik. Für jede Frage, für jedes Problem hat sie ihre eigenen Lösun­gen vorgebracht, die bis ins einzelne durchgearbeitet und durchführbar waren, ohne auch nur im geringsten zu irgend einem Zeitpunkt auf ihre idealen Auffassungen zu verzichten. Sie hat diese hartnädige und schwierige Schlacht mit nur 50 Gewählten geschlagen, als eine durch die Spaltung ge­schwächte Partei, die ihres Zentralorgans durch die Kommu­nisten beraubt war. In der Kammer standen wir anfänglich ebenfalls isoliert. Die Zurückhaltung der Radikalen Partei war zunächst vollständig. Erst als wir in gewiffen Punkten gewannen, als wir dem Nationalen Blod Stellung auf Stel­lung entriffen, erwachte die radikale Opposition, schwankend und schüchtern. Insbesondere waren wir allein, um den Kampf gegen das Ruhrabenteuer zu führen. An diese Dinge muß man erinnern, um die Bedeutung des Wahl­ausfalls vom 11. Mai zu verstehen.

Der Nationale Block ist also geschlagen, er verliert mehr als 100 Gige. Die radikale Linke wird regieren fönnen. Was wird jezt geschehen? Hier kommen wir in das Gebiet der Vermutungen, und der vorsichtige Mann darf fich nur sehr zurückhaltend vorwagen. Aber was als möglich und erwünscht erscheint, ist die doppelte Krise im Ministerium und in der Präsidentschaft, die bevorsteht und notwendig ist. Poincaré und Millerand gehen als Berurteilte aus der Abstimmung hervor; ihr Abtreten ist wahrscheinlich. Auf alle Fälle verlangen wir es nach­drücklich. Aber wer wird die Regierung übernehmen? Briand mit Vertretern der Linkert und der Rechten ge­mischt? Herriot mit einem mehr nach links ausschlagenden Rud? Niemand tann es noch wissen. Das wird von den Radikalen selbst abhängen, den ewig Zögernden, die von furzsichtigen Steuerleuten geführt werden, die unaufhörlich freuz und quer fahren, wenn gehandelt und gerade aufs Ziel losgegangen werden muß. Ich erinnere u. a. auch daran, daß im November 1919 die offiziellen Statistiken als gewählte Radikale, die als Parteianhänger eingeschrieben waren, 130 oder 140 Abgeordnete angaben. Nach der Wahl waren es mur noch 85! Diesmal wird es vielleicht umgekehrt sein. Aber war­ten wir das ab und fällen wir nicht verfrüht Urteile über eine Situation, die noch etwas dunkel ist. Für den Augenblick bleibt eine Tatsache gewiß und erfreulich: der Nationale Block liegt am Boden und der Sozialismus hat sich kräftig erhoben und Gonimmt nimmt seinen Vormarsch wieder auf.

zichten, gelten als endgültig gewählt auf der sozialdemo­fratischen Reichsliste: Dr. Hilferding, Dr. Hertz, Georg Schmidt, Alwin Särger Steinkopf ,, Stampfer, Dr. Adolf Braun . Bemerkenswert ist, daß folgende Splitterparteien für die Reichs. fifte ausfielen, weil sie feine Wahlkreismandate erhalten haben: Unabhängige Sozialdemokraten, Bund der Geufen, Chriftlichsoziale Partei, Deutsche Arbeitnehmerpartei, Freiwirtschaftsbund, Häußers Bund, Nationale Freiheitspartei, Nationale Minderheiten, Mieter partei, Republikanische Partei Deutschlands und Sozialistischer Bund. Das sind im ganzen 11 Parteien, die unnütz die Stimmen der Reichstagswähler beansprucht haben. Auf sie entfielen im ganzen 824 169 Stimmen. Wären diese Stimmen der Sozialdemokratischen Partei zugute gekommen und man darf annehmen, daß der übergroße Teil der Splitterwähler sozialdemokratisch gewählt hatte, wenn die Bruchparteien darauf verzichtet hätten, selbständig aufzutreten, so hätte die So. zialdemokratische Partei gut ein Dugend Man. bate mehr erhalten. Die Splitterparteien haben also nichts erreicht, als die Linte im Parlament erheblich zu schwächen. Das ift teine Politit, sondern grober Unfug.

Fraktionssihungen.

-

Die Zentrumsfrattion des Reichstages tritt am tom menben Montag nachmittag 3 Uhr zu ihrer Ronstituierung zu sammen. Daran wird sich eine Aussprache über die politie Lage schließen, die fich poraussichtlich auch über den Dienstag

erftreden wird.

Die Reichstagsfrattion der Deutschvölkischen Frei. heitspartei ist gestern zu einer Sigung zusammengetreten, um fich mit ber Reichsingseröffnung zu beschäftigen,

Und die Kommunisten? Sie haben sich so übel als möglich benommen. Ueberall führten fie gegen die Sozia­liftische Partei einen abscheulichen Verleumdungs­feldzug. Aber außer im Gebiet von Paris ist ihr Miß­erfolg vollkommen gewesen. Ihre Vertretung in der neuen Rammer wird 27 Mandate betragen. Wenn man weiß, daß fie in Paris und deffen Umgebung allein 18 Gewählte haben, befommt man eine Vorstellung von ihrer Schwäche in dem übrigen Frankreich . Ach, dieses Paris ! Ein entartetes Milieu, wo der Geist der Unzufriedenheit herrscht und wo die Demagogie mitunter üble Verwünstungen anrichten kann. Paris war einft boulangistisch, dann nationalistisch, während der Zeit der Affäre Dreyfus, dann Nationaler Block im Jahre 1919, Der Rommunismus mußte ihm auch das Rennzeichen