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Wachsende Erbitterung im Ruhrkampf.

Gefahr größerer Unruhen.

Bochum , 21. Mai. ( Eigener Drahtbericht.) Die Bergarbeiter sind der Aufforderung der Unternehmer, die Arbeit zu den Bedin­gungen des Berliner Schiedsspruches wieder aufzunehmen, nicht nachgekommen. Eine Wendung in der Haltung der Massen hat sich nur insoweit vollzogen, als sich eine starke Erbitterung bemerkbar macht. Die Gefahr größerer Unruhen ist ge= wachsen und Versuche, die bisher größtenteils ausgeführten Not­standsarbeiten zu verhindern, werden zahlreicher. Auf fast der Hälfte aller Schachtanlagen sind die Notstandsarbeiten entweder gänzlich eingestellt oder sie werden nur noch unzu­reichend verrichtet. Die unmittelbaren Folgen dieser Maß­nahmen, die sich gegen die wiederholten Parolen der Verbände richten, werden sich bemerkbar machen, wenn der Kampf beendet ist und die

Arbeit wieder aufgenommen werden soll. Der Einsatz der Polizei­fräfte zum Schuhe der Zechenanlagen erweist sich gegen die flutenden Menschenmassen als viel zu gering.

Kämpfe zwischen Polizei und Bergarbeitern. Je länger aber der Kampf anhält, um so größer wird die Not werden, um so größer aber auch die Erbitterung, welche die Arbeiterschaft beherrscht. Die angeblichen Berliner Mel­dungen, die besagen, daß man an den zuständigen Stellen in fürzester Frist einen Zusammenbruch der Bewegung erhofft, haben große lieberraschung hervorgerufen. Man scheint, wie hier betont wird, in Berlin nicht zu ahnen, daß sich inzwischen im Ruhrgebiet etwas ganz anderes entwickelt als der Geist der Unterwerfung unter die Miüfür des Zechenkapitals. In der Nacht vom Dienstag zum Mitt­woch fanden z. B. schon auf Zeche Brassert" bei Marl Kämpfe zwischen Polizei und Bergarbeitern statt. Die Zechen tore wurden gesprengt. Die Polizeiverstärkungen sind mit Schüssen empfangen worden. Durch Eingreifen der Besakungstruppen wurde der Kampf beendet. Die belgischen Truppen haben die Zugangs. straßen abgesperrt und die Zeche mit Waffengewalt besetzt. Der unionistische Betriebsrat, auf dessen Veranlassung die Kämpfe fich entwickelten, ist geflohen. Mehrere Arbeiter wurden lebensgefährlich verletzt.

Eingreifen der Besatzungsbehörde.

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Wo es die Interessen der Besatzungsbehörden verlangen, greifen die Franzosen ein. Das geschieht besonders auf jenen Zechen, die zum Gaserwerb benötigt werden. Jetzt meldet sich auch noch die Micum" mit ihren Ansprüchen. Die von Havas angekündigte und bereits zur Ausführung gelangte Beschlagnahme und Abfuhr der Brennstoffe wird den Kohlenmangel der Industrie verschärfen. Weitere Betriebsbeschränkungen und Betriebsstillegungen der Werke sind zu erwarten. Die Gemeinden und auch mehrfach vereinzelte Händlervereinigungen versuchen, die größte Not unter den Ausgesperrten zu lindern, aber schon wird berichtet, daß die Kraft der Kommunalverwaltungen am Ende ist. Bon privater Seite fließen an sich erhebliche Zuwen dungen für die kämpfenden Arbeiter. Die Reedereifirma Gebr. van den Boom in Rotterdam hat sich bereit erklärt, bei einer eventuellen Hilfsaktion für die Familien der Ausgesperrten ihren Eildampfer- Lebensmittel- Güterdienst Rotterdam- Köln für die Be­förderung der Liebesgaben zur Verfügung zu stellen. Aber bei dem stetig wachsenden Unterstützungsbedürfnis ist auch die bereits ge= Teiftete anerkennenswerte Hilfe zu gering, als daß sie zu einer Ent­spannung wesentlich beitragen fönnte.

Der Spruch der Gutachter.

Amtlich wird mitgeteilt: Auf die vom Reichsarbeitsministerium vorgelegte Frage: Welche Arbeitszeit galt am 1. Mai 1924 im vergelegte Frage: Welche Arbeitszeit galt am 1. Mai 1924 im rheinisch- westfälischen Steinkohlenbergbau für die Arbeiter unter Lage? haben die im Reichsarbeitsministerium einberufenen Sach­verständigen das folgende Gutachten beschlossen:

Am 1. Mai 1924 war die Arbeitszeit in folgender Weise ge­regelt: 1. Die Normalarbeitszeit betrug 7 Stunden nach Maßgabe des§ 2 des Manteltarifs. 2. Zugleich befiand die Verpflichtung zur Leistung einer Ueberstunde nach Maßgabe des Tarifabkommens vom 29. November 1923. 3. Bei der Schwierigkeit der rechtlichen Be­

technik sind bereits, und zwar von deutscher Seite schon vor dem Kriege, Werkzeuge aufgetaucht, die aus der Ferne gelenkt werden tönnen. Die französische Regierung hat das durch Radio fontrollierte Flugzeug ausprobiert, das von der Erde aus tadellos gesteuert wird und Bomben an einer gewünschten Stelle abzuwerfen vermag. Die Bereinigten Staaten erbauten das Radic- Schlachtschiff Jowa", dessen Feuerung, Steuerung und Bewegung durch Radio erfolgt, ent­meber von einem Kontrollschiff oder von einem Flugzeug aus. Man hat diese neue Wissectschaft, mit Ratio mechanische Wirkungen auf große Entfernungen hervorzubringen, Telemechanit" getauft. Diese Telemechanik bringt uns nun auch den Radiomenschen, über den auf Grund amerikanischer Angaben in Reclams Uni­verjum näheres mitgeteilt wird. Der Ingenieur H." Gernsbad hat Zeichnungen für eine Maschine entworfen, die dem menschlichen Körper nachgebildet ist und nach seiner Ansicht von jedem Technifer mit den bereits bekannten Hilfsmitteln gebaut werden kann. Dieser Radiomesch kann im Kriege als furchtbare Waffe verwendet werden, aber auch zu Bolizeizwecken dienen, um z. B. eine Menge zu zer Streuen. Die Maschinerie besteht aus einem Gasmotor von 20 bis 60 Bferdefiärken, enthält einen Radicaufnahmeapparat, der nach den Zeichen, die von dem hinterherfahrenden Kontrollwagen gegeben werden, die Maschine die notwendigen Bewegungen ausführen läßt. Auf diese Weise schreitet der Radiomensch auf seinen Beinen oct­wärts, hebt und dreht den Arm usw. An den Armen steden mit Lederriemen befestigte Kugeln, die als Erfaß des Gummiknüppels gelten. Der Apparat führt auch Tränengas mit sich, das ihm eni­strömt, wenn die Menge nicht auf den durch einen Lautsprecher ge­gebenen Befehl hin auseinandergeht. Das ungeheuer, das gegen Sugelfeuer geschützt ist, trägt zur Erhaltung des Gleichgewichts im Oberschenkel einen sehr feinen Apparat, das sogen. Gyroskop, hat statt der Füße tieine Motorraupen, auf denen es sich außerordentlich schnell fortbewegt, ist für Nachtangriffe mit Augenlichtern versehen und steht durch ein Telegraphon mit dem Kontrollwagen in ständiger Verbindung.

Die Schweizer Landesausstellung für drahtlose Telegraphie und Telephonie wurde am Mittwoch, den 21. d. M., in Genf eröffnet In feiner Begrüßungsansprache erklärte Bundesrat Haab u. a., die Radiotelephonie dürfe nicht mehr staatlichen Monopolanstalten refer­viert bleiben, fie müſſe vielmehr ein Gemeingut des Volkes und jedermann zugängig werden. Die alleinige Aufgabe des Bundes­rais jei es, zum Zwecke der Vorbereitung des neuen Verkehrsmittels unter möglichster Schonung der einzelnen, Ordnung in das Radio­wesen zu bringen, wobei ohne Härten verfahren, im Gegenteil unterstügend gewirkt werden solle.

Die Ausstellung hat zwei Abteilungen: eine wissenschaftliche und eine industrielle.

Entlassung

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Profeft gegen die Bismarc- Ausführung. Der Verlag Gustav Kieben heuer schreibt uns:" Seit einigen Tagen wird im Apollo- Theater Die von Emil 2udwig aufgeführt. Wir teilen Ihnen als Berleger und Verfügungsberechtigte ergebenit mit, daß der derzeitige Bühnenleiter Herr Dr. Grzyb das Aufführungsrecht von uns nicht er­worben bat. Ueberdies ist der Zert des Dramas durch Streichungen in einer Weise verunstaltet, daß ein zutreffender Eindruck von dem Schau­spiel unmöglich zu gewinnen ist.

urteilung ist nicht anzunehmen, daß die Weigerung der Arbeitnehmer| Rampf für die Gesamtarbeiterschaft von so großer Bedeutung ist,

zur Leistung der Ueberstunde auf ein schuldhaftes, vertragswidriges Berhalten zurückzuführen ist.

Die Sachverständigen werden zu diesem Gutachten eine Be­gründung ausarbeiten, die der Deffentlichkeit gleichfalls mitgeteilt werden wird.

Die Besprechungen in Brüssel .

Der Vorsitzende des Bergarbeiterverbandes, Husemann, hat fich in Begleitung des Verbandssekretärs Limberg nach Brüssel begeben, um an der Tagung des Exekutivausschusses der Bergarbeiter- Internationale zur Erörterung der Lage im Ruhr­ gebiet teilzunehmen. Husemann wird als Hauptreferent über die Bewegung der Ruhrbergarbeiter berichten.

Erneute amtliche Vermittlung im Ruhrkampf Besprechungen in Essen .

Der Reichs- und Staatskommissar Mehlich hat die Parteien des Ruhrbergbaues auf Freitag, vormittags 10 Uhr, nach Essen zu einer Besprechung der zwischen ihnen strittigen Fragen eingeladen.

Gewerkschaftliche Solidarität.

Düsseldorf , 21. Mai. ( Eigener Drahtbericht.) Die am 21. Mai in Düsseldorf tagende Konferenz der Gauleiter und Gefretäre der Ortsausschüsse von Rheinland- Westfalen und Lippe nahm Stellung zum Kampf der Bergarbeiterschaft.

Die Führung des Kampfes muß nach wie vor in den Händen der Bergarbeiterverbände liegen. Die Kon­ferenz erwartet von der Gesamtarbeiterschaft des Bezirks, daß sie nur den Anweisungen und Parolen der Bergarbeiterverbände Folge leistet und alle anderen Parolen, die von unverantwortlichen Stellen ausgegeben werden, ablehnt. Es liegt nicht im Interesse der Gewerk­fchaften, ihre wirtschaftlichen Kämpfe zur Erreichung einseitig partei politischer Ziele und Bestrebungen mißbrauchen zu lassen. Alle Or ganisationen der Freien Gewerkschaften in allen Orten des Rhein lands, Westfalens und von Lippe werden erneut aufgefordert, mit allergrößter Energie Geldsammlungen nicht nur unter der Arbeiterschaft, sondern auch in den mit der Abeiterschaft sympathi­fierenden Kreisen zu organisieren. Um die Kämpfenden nach ein­heitlichen Richtlinien zu unterstützen, sind die gesammelten Gelder an den Vorstand des ADGB. in Berlin abzuführen. Dort, wo die Möglichkeit besteht, Lebensmittel für die Bergarbeiter zu sammeln, haben die Ortsausschüsse auch solche Sammlungen zu organisieren.

Die Konferenz begnügte sich nicht, den Bergarbeitern ihren Willen zu tatkräftiger, finanzieller Unterstüßung auszusprechen. Gie war sich bewußt, daß die Bergarbeiter in diesem schweren Kampf für ihre gerechten und auch außerhalb der Arbeiterschaft von allen Billigdenkenden anerkannten Forderungen die gesamte Arbeiterschaft Deutschlands auf ihrer Seite wissen müssen. Von Vertretern maß­gebender Organisationen wurde zum Ausdruck gebracht, daß dieser

daß alle erfolgverfprechenden Rampfmittel zur An­wendung gebracht werden müssen. Die Bezirksleitung des Allge­ meinen Deutschen Gewerkschaftsbundes wurde beauftragt, gem ein= sam mit dem Bergarbeiterverband und dem Bundes­vorstand des ADGB . alle dahingehenden Maßnahmen zu be= raten und ihre Durchführung zu organisieren.

Die Lage im fächsischen Bergbau.

Dresden , 21. Mai. ( Eigener Drahtbericht.) Am Dienstag be­

gannen im sächsischen Arbeitsministerium auf Anregung des Reichsarbeitsministeriums. Verhandlungen zur Beilegung der Differenzen im sächsischen Steinkohlenbergbau. Den Borsiz führte als Schlichter Oberregierungsrat Dr. Tiburtius vom Reichsarbeitsministerium. Nach mehrstündigen Verhandlungen reicht. In einzelnen Fragen verhielten sich die Arbeitgeber jedoch immer noch ablehnend, so daß weitere Berhandlungen im Augenblick feine Erfolgmöglichkeiten erwarten ließen. Der Ver-. treter des Reichsarbeitsministeriums regte deshalb an, im Anschluß an die Verhandlungsversuche ein Schlichtungsverfahren durchzuführen. Die Gewerkschaftsvertreter gaben die Erklärung at, Daß ihr gegenwärtiges Mandat zur Durchführung des Schlichtungs­verfahrens nicht ausreichend sei. Eine grundsätzliche Ablehnung des Schlichtungsverfahrens wurde von beiden Seiten nicht ausgesprochen. Boraussichtlich finden am Freitag in Berlin weitere Berhand­lungen statt.

wurde eine Annäherung der Parteien in einigen Bunkten er­

Maslows Verhaftung.

Mit der Verhaftung Maslows verliert die deutsche kom­munistische Partei ihren zurzeit weitaus bedeutendsten Führer. Ihm gegenüber tritt Ruth Fischer , trotzdem sie als Agitatorin be tannter und mehr an die Deffentlichkeit getreten ist, zurück. Bei der eigenartigen Entwicklung, die die Kommunistische Partei in der letzten Zeit genommen hat, wird diese Verhaftung voraussichtlich nicht ohne Einfluß auf die KPD. bleiben. Maslow, der nach Leipzig transportiert wird, ist übrigens unter recht eigenartigen Umständen verhaftet worden. Er verdankt seine Berhaftung einem 3 ufall". Er wurde im Lunapark von Kriminalbeamten für einen Taschendieb gehalten, unter dem Verdacht des Taschen­diebstahls festgenommen und dem Erkennungsdienst vorgeführt. Dort erst stellte man fest, daß es sich um Maslow handelt.

Begnadigung im Kiewer Prozeß.

Moskau , 21. Mai. ( Eigener Bericht.) Das Präsidium des All­ukrainischen Zentral- Erefutiv- Stomitees hat die in dem Kiewer Pro­Todesstrafe ausgesprochen war, ist an ihre Stelle eine zehnjährige zeß verurteilten Universitätsprofessoren 5egnadigt. Soweit die Gefängnisstrafe getreten. Bei den übrigen Angeklagten wurde die Strafe auf die Hälfte herabgesetzt. In der Begründung wird u. a. darauf hingewiesen, daß die Verurteilten Reue an den Tag gelegt haben.

Deutsch - französische Verständigung.

Eine Unterredung mit Herriot.

V. Sch. Paris , 21. Mai. ( Eigener Drahtbericht.) Eduard Herriot, der am Mittwochpormittag zum erstenmal seit der Wahl in Paris eingetroffen war, hatte sofort Besprechungen mit den führenden Persönlichkeiten der befreundeten linken Parteien. Um die Mittagsstunde begab er sich mit Painlevé, wie andererseits gemeldet, auf Einladung Millerands ins Elysée, wo die beiden tommenden Staatsmänner mit den zwei Hauptbesiegten des 11. Mai eine erste offizielle Konferenz hatten. Kurze Zeit darauf empfing mich der voraussichtliche Nachfolger Poincarés zu einer längeren Unterredung. Die herzlichkeit und die Wärme, mit der Hérriot zu mir sprach, vor allem aber der Inhalt seiner Ausführungen, legen beredtes Zeugnis dafür ab, daß er volles Verständnis für die Lage Deutschlands und die Voraussetzungen einer deutsch - französischen Ver­ständigung hat.

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Ich kenne erklärte Herriot- Deutschland von der Borkriegs­zeit her, ich habe dort manche Freundschaft gezählt. Meine Sympa­thien gelten nach wie vor den breiten Massen des deutschen Volles, den Arbeitern, Angestellten und kleinen Leuten, die unter dem Kriege und seinen Folgen genau so wie bei uns gelitten haben und genau so wie unsere Volksgenossen den Frieden wünschen und brauchen. Eine Lösung der Reparationsfrage tann und muß auf der Grundlage des Sachverständigen berichts erzielt werden. Die deutschen Republikaner fönnen die Gewißheit haben, werden. Die deutschen Republikaner können die Gewißheit haben, daß ich der Mann bin, mit dem die Diskussion am leichtesten sein wird. Ich verlange daher von der Gegenseite eines: Den guten Glauben. Ich glaube, daß ich selbst ein Mann des guten Glau­bens bin. Ja, ich weiß, daß ich das bin. Aber gerade deshalb muß ich wissen, daß auf der Gegenseite derselbe gute Glaube vorhanden ist. Den republikanischen Parteien in Deutschland stehe ich in dieser Hinsicht ohne Boreingenommenheit gegenüber, nicht aber den offenen und hinterliftigen Nationalisten. Ich finde es durchaus natürlich, daß man die Interessen seines Landes zu schützen versucht. Ebenso wie ich das tun werde, erwarte ich das gleiche von den deutschen Staatsmännern. Ich hätte keinerlei Vertrauen zu einem deutschen Staatsmann, der nicht die Interessen seines Landes vertreten würde. Es wird sich dabei selbstverständlich manche Meinungsverschiedenheit ergeben. Aber es gibt feine Gegenfäße, und mögen sie noch so tief erscheinen, die nicht überbrüdt werden können. Dazu ghört nur eines: Guter Wille, guter Glaube und Offenheit.

Freilich stehen wir vor einer sehr schwierigen Lage, aber es darf feine Anstrengung gescheut werden, um sie zu meistern. Die glückliche Lösung der deutsch - französischen Frage ist die höchfte, die ethischste Aufgabe, vor die Staatsmänner jemals gestellt wurden.

Dabei wird man auf beiden Seiten sowohl Tatsachen wie auch Empfindungen berücksichtigen müssen. Deutschland wird sich dessen bewußt sein müssen, daß seine wirtschaftliche Lage in mancher Hinsicht viel vorteilhafter ist als die Frankreichs ; es wird fich namentlich seiner schwebenden Schuld restlos entledigen können, während auf unserem Volke eine drückendere äußere und innere Schulb laftet, aber die Geldopfer, die eine Lösung des Reparations­problems deutscherseits bedingen, können unmöglich ein unüberwind­bares Hindernis für ein gutes deutsch - französisches Verhältnis sein. Ich denke dabei stets an unfer altes franzöfifches Sprichwort: Gelb beutelwunden sind nicht tödlich."

Jedenfalls werde ich alles tun, was an mir liegt, damit eine ösung gefunden wird, die von keinem Gefühl der Selbstsucht beein­flußt sei und auch keine solche erzeugt. Ich glaube im übrigen aus voller Ueberzeugung an das segensreiche Wirken des Völkerbundes bei der Lösung aller großen Probleme der Zukunft.

wird man einen jeden Wunsch unterbreiten können, ich werde stets den besten Willen zeigen. Nur um es nochmals zu betonen: ich verlange Offenheit, guten Willen, guten Glauben. Das ist meine einzige Voraussez ung, und ich erwarte das bei der Behandlung sowohl des Reparationsproblems wie aller anderen Fragen, die das deutsch - französische Verhältnis berühren.

Ich kenne nicht Ludendorff und die Herren der Schwer­industrie, ich habe nichts für sie übrig. Was ich will, das ist den Völkern den Frieden zu geben. Es wäre die höchste Ehre meines Lebens, wenn es mir gelänge, dieses Ziel zu erreichen. Ich gehe darauf aus, die künftige Versöhnung zwischen den beiden größten Nationen des europäischen Kontinents anzubahnen. Und es wäre zugleich die höchste Ehre aller derer, die in beiden Ländern an dieser großen Aufgabe mitwirken würden. Diese Aufgabe ist nicht leicht, sie wird künstlich durch die Nationalisten erschwert. Sie sehen, mit welch fanatischem Haß und mit welchen Mitteln ich schon jetzt betämpft werde. Der Borstoß mit ganzer Kraft gegen den Frank in den letzten Tagen ist kein Zufall, aber nicht geringere Sorge macht mir die Entwicklung in Deutschland seit der Reichs­tagswahl. Welche Regierung werde ich morgen drüben vor mir haben? haben? Von ihrer Gestaltung hängt vieles, wenn nicht alles a b. Aber das große Wert muß gelingen, wenn sich die Demokratie beider Länder wirksam gegenseitig unterstützt. Noch mals: Offenheit, guter Wille und guter Glaube. Dann wird das Werf gelingen."

Mit diesen Worten, die von tiefer Ueberzeugung und startem Idealismus getragen waren, schloß der Mann, der wahrscheinlich Frankreichs kommender politischer Führer ist, seine Erklärung.

Painlevés Programm.

Condon, 21. Mai. ( WTB.) Painlevé erklärte in einer Unter­redung mit dem Pariser Berichterstatter des Daily Herald" zum Ergebnis der französischen Wahlen, der Wunsch Frankreichs , an der endgültigen Befriedung Europas teilzunehmen, sei von jetzt an un anfechtbar, aber gerade deshalb sei es wichtig, zu verstehen, daß der gute Wille nicht als Verzichtleistung auf rechtmäßige Repara­tionen ausgelegt werden könne. Wenn der gute Wille der französi= schen Regierung auf einen ebenso guten der deutschen stoße, so werde es nicht lange dauern, bis eine neue Aera der französisch= deutschen Beziehungen beginne. Die Annäherung zwischen Großbritannien und Frankreich werde sich unmittelbar vollziehen. Beide würden zusammenwirken, um dem Bölkerbund größeren Ein­fluß, größere Macht und größeres Prestige zu verleihen.

Hinsichtlich der interalliierten Schulden werde sich Frankreich als loyaler Schuldner zeigen; es könne jedoch keine un­erfüllbaren Verpflichtungen eingehen, und um erfüllen zu können, müsse es wissen, was es von Deutschland zu erwarten habe. Pain­ levé erklärte endlich, er sei für den Eintritt der Sozialisten in die Regierung, als deren dringendste Aufgabe er die Stabilisierung des Frank betrachte.

Politische Konferenzen in Paris .

Paris , 21. Mai. ( WTB.) Der Präsident der Republik mille. r and hat heute vormittag den Vorsitzenden des Senats Doumergue und Finanzminister François Marfal empfangen. Um 12 Uhr hat die angekündigte Besprechung des Präsidenten mit den Abgeordneten Bainlevé und Herriot im Beisein von Ministerpräsident Poin­

varé begonnen.

Einem Mitarbeiter der Information erklärte Herriot bei seiner Ankunft in Paris , er wolle aus den Wahlen vom 11. Mai die Konsequenzen ziehen, also ein Ministerium des Blocks der Linken bilden; seine Haltung werde durch den Parteilongreß endgültig be. Mir stimmt werden.

Wenn ich morgen das Amt übernehmen sollte, dann wird sich eine republikanische deufsche Regierung mit vollem Vertrauen an mich wenden können.