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Nr. 240 41.Jahrgang Ausgabe A nr. 123

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Der ,, Borwärts" mit der Sonntags Beilage Bolt und 8eit" mit Gied. Iung und Kleingarten", sowie der Unterhaltungsbeilage ,, Heimwelt" und Frauenbeilage Frauenstimme" erscheint wochentäglich zweimal, Sonntags und Montags einmal.

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Zentralorgan der Vereinigten Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands

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Freitag, den 23. Mai 1924

Die Initiative der Volkspartei.

Neue Verhandlungen mit den. Dentschnationalen.

Deutsche Zeitung":

Heute wieder Verhandlungen! Wie wir schon im größten| mit Besprechungen mit den Völkischen. Darüber berichtet die Teil der Abendausgabe meldeten, hat die Deutsche Bolkspartei die Initiative ergriffen und die Einladung ergehen lassen. Das außenpolitische Programm der Mittelparteien wird eine Rolle spielen, aber auch die Personenfrage.

Die neuen Verhandlungen könnten ein Zeichen von Stärke und Selbstbewußtsein der Mittelparteien sein sie scheinen es aber nicht zu werden! Sie könnten dazu dienen, nunmehr die Deutschnationalen flar vor die Frage zu stellen, ob sie die Gutachten annehmen wollen oder nicht, um aus der Antwort, aber auch aus der Verweigerung der Antwort, die Kon­fequenzen zu ziehen. Dazu gehört aber eigene flare und ein­deutige politische Linie, und es scheint nicht, als ob sie zwischen und Mittelparteien und in den Mittelparteien selbst vor­

handen sei.

Die Deutsche Volkspartei hat die Einladungen zu den Verhandlungen ergehen lassen. Ueber die Vorgeschichte diefer Einladung zeigen die Berichte eine bemerkensmerte Differenz. Die" Boffische Zeitung" behauptet, Dr. Scholz habe diese Einladung ohne Beschluß der Mittels parteien, also auf eigene Faust ergehen lassen. Aus der bisherigen Haltung der Deutschen Volkspartei zeigt sich, wie sehr sie zu den Deutschnationalen drängt. Ihre Stellung zu den Gutachten ist bisher noch feineswegs eindeutig flar. Diese Initiative ist darum durchaus nicht das starte Gegen­friel, das die Breffe der Mittelparteien als Antwort auf die Fechterkünfte der Deutschnationalen ankündigte.

Von dem gemeinsamen außenpolitischen Brogramm der Mittelparteien ist nun sehr viel geredet worden. Seine Veröffentlichung wird abermals in Aussicht gestellt, zugleich mit der Versicherung, daß die heu­tigen Verhandlungen sich auf dieser Grundlage abspielen werden. Die Presse der Mittelparteien hat für dieses Pro gramm im voraus Eindeutigkeit und Klarheit der Annahme der Gutachten nachdrücklich in Anspruch genommen. So sehr, daß es merkwürdig berührt, daß dies Programm immer noch zurückgehalten wird. Es rechtfertigt hoffentlich das Lob, das ihm im voraus gespendet wurde und verkehrt die klare An­nahme der Gutachten nicht durch Bedingungen oder gar durch ,, unverzichtbare Vorbehalte" in das Gegenteil.

Die Deutschnationalen haben die sehr kurze Pause zwischen dem ersten und dem zweiten Akt der Verhandlungen ausgefüllt

Bürgermeisterwahl in Berlin .

Der Bürgerblock- Kandidat gewählt, der Sozialdemokrat unterlegen.

Die Berliner Stadtverordnetenversammlung wählte gestern mit 105 Stimmen den deutschvolksparteilichen Bezirksbürger­meister Scho13( Charlottenburg ) zum zweiten Bürgermeister von Berlin als Nachfolger des verstorbenen Genoffen Ritter. Der sozialdemokratische kandidat Stadtrat Dr. Heimerich- Nürnberg erhielt 92 Stimmen.

Die Demokraten und die Völkisch- Deutsch­nationalen stimmten gemeinsam für den Bürgerblock kandidaten, während die Kommunisten sich tapfer der Stimme enthielten. So zeigt sich das Bild, daß derselbe Bürgerblock, dessen Zustandekommen im Reich noch einige Schwierigkeiten bereitet, in der Reichshauptstadt dank der Gefälligkeit kom­munal- freisinniger Demokraten von seiner Fünfftimmenmehr heit, die er insgesamt aufzuweisen hat, rücksichtslosen Gebrauch macht, wenn es gilt, sozialdemokratischen Einfluß zu beseitigen. Er baut den Stadtschulrat ab, weil dieser Sozialdemokrat ist, er flammert sich auch an seine Fünfftimmenmehrheit, um der stärksten Fraktion das Mandat des zweiten Bürgermeisters zu entreißen. Wobei die revolutionären" Kommunisten den Stoch und Merten getreulich Gefolgschaft leisten.

Dasselbe Bürgertum, das so rücksichtslos feine winzige Mehrheit aus Antisemiten und Demokraten ausnutzt, fandte Reichswehr nach Sachsen und Thüringen , weil dort die sozia: listische Mehrheit das Unrecht gutzumachen suchte, das seit Jahrzehnten an der sozialistischen Arbeiterschaft begangen wurde! Berlin gibt dem Reiche ein feuchtendes Beispiel. Und die Berliner Kommunaldemokratie marschiert im Bunde mit den Wulle- und Westarp- Mannen tapfer voran!

Besatzung und Wirtschaftsfrieden. Aeußerungen des Ministers Hoefle.

Der Reichsminister für die besetzten Gebiete Hoefle erflärte in einer Unterredung über die neuesten französischen Maßnahmen in Düsseldorf u. a.:

Die sogenannten franzöfifchen Strafmaßnahmen" in Düsseldorf find erfolgt, weil die Stadtverwaltung in Düsseldorf ein fach nicht das Geld hat, die von den Franzosen geforderte

Wir können demgegenüber feststellen, daß in den Verhandlungen zwischen den rechten Parteien teine Meinungsverschieden heiten aufgetaucht sind, übrigens auch nicht auftauchen konnten, da die Besprechungen lediglich freundschaftlich- informa torischen Charakter trugen. paym

=

Die Deutschnationalen, die von der Volkspartei als st a at s bejahende Partei" reklamiert werden, führen nach der einen Seite Berhandlungen über ihre Beteiligung an einer verfaffungsmäßigen Regierung, auf der anderen Seite gleichzeitig freundschaftlich- infor­matorische Besprechungen ohne jede Meinungs­verschiedenheit mit einer auf die Zerstörung des Staates und der Verfassung hinarbeitenden, offenkundig put schistischen Partei. Was würden die Deutschnationalen, aber was würden auch die Mittelparteien sagen, wenn die Sozialdemokratische Partei zur selben Zeit, in der sie Besprechungen über eine Regierungsbeteiligung führt, freundschaftliche Verhandlungen mit den Kommunisten ab­halten wollte zu freundschaftlich- informato= rischen Zwecken?

Die Frankfurter Zeitung " beflagt sich in ihrem Abend­blatt von gestern sehr bitter über die mangelnde Initia tive und die mangelnde Festigkeit der Mittel­parteien:

All das ist im Grunde recht kläglich, aber noch mehr als das, es ist gefährlich Denn ohne daß die Regierung und die Mitte die Führung, die sie sich nehmen ließen, wieder an sich reißen, wird man aus diesem traurigen Wirrwarr nicht herauskommen. Es ist wohl Zeit, daß men all das Lebendige, das vorhanden sein mag, in Afton setzt, sonst könnte man von rechts her noch einige Ueberraschungen erleben.

Heute muß sich erweisen, ob die Mittelparteien die Folge­rungen aus dem Ernst der Lage ziehen, ob sie imstande sind, die geforderte Festigkeit zu zeigen oder ob sie sich unter der Führung der Volkspartei unter die Führung der Deutschnatio­nalen beugen.

*

Die sozialdemokratische Reichstagsfrat. tion tritt am Montag, 26. Mai, vormittags 10 Uhr, im Reichstag zu ihrer ersten Fraktionssihung zusammen.

große Artilleriekaserne für ein Artillerieregiment mit zehn Batterien zu bauen.

Vor allem muß festgestellt werden, daß den französischen For­derungen jede rechtliche Grundlage fehlt. Düsseldorf ges hört zu dem sogenannten Sanktionsgebiet, zu dem Gebiete, das am 8. März 1921 von französischen und belgischen Truppen besetzt worden ist. um die Annahme des sogenannten Londoner Ultimatums zu erzwingen. Obwohl sich die deutsche Regierung unter dem 3wange der Verhältnisse den 3ahlungsbedingungen dieses Ultimatums fügte, ist die Besetzung damals nicht aufgehoben

worden.

Wenn jetzt gerade auf dem Kafernenbau in Düsseldorf bestanden wird, so berührt das besonders eigenartig, weil wir so viel von der Unsichtbarmachung der Besagung in den widerrechtlich befeßten Gebieten hören und lesen. Tatsächlich ist bis jetzt die fran­ zösische Besatzung im Santtionsgebiet und im Ruhrgebiet noch sehr deutlich sichtbar. Ich darf darauf hinweisen, daß die im französischen Haushalts des Jahres 1924 vorgesehene Besagungsstärte für dieses Gebiet immer noch 52 715 Stöpfe beträgt, gegenüber 55 120 Köpfen im Jahre 1923. Man gewinnt fast den Eindruck, als ob die Militär­behörden ihre Maßnahmen absichtlich auf ein noch lange dauerndes Verbleiben in den rechtsrheinischen Gebieten einstellen. Denn nicht nur in Düsseldorf wurde die Neuerrichtung einer größeren Kaserne verlangt, sondern auch in zahlreichen anderen Städten des neubesetzten Gebiets find in neuerer Zeit umfangreiche Neubauten für die Be­fagung gefordert worden. Auch diese Forderungen würden viele Goldmiffionen verschlingen. Die deutsche Regierung ist ohne schwerste Gefährdung ihrer Währung nicht in der Lage, diese Forderungen, die jeder rechtlichen Grundlage entbehren, zu erfüllen, fie hat sie daher abgelehnt. Man darf in diesen Zusammenhange auch nicht vergessen, was für das alt befeßte Gebiet an Kasernenbauten und militärischen Anlagen alles gefordert wird. Die Gesamtkosten der hier zurzeit im Bau begriffenen angeforderten Bauten telaufen sich auf mehr ais 62 Millionen Goldmart. Sind das die Schlußfolgerungen, die die Militärbefehlshaber aus dem Dawes Gutachten ziehen wollen? Glauben fie mit derartigen Eingriffen in die Wirtschafts- und Lebensverhältnisse den 3 veden zu dienen, die dieses Gutachten verfolgt?

Heeresverminderung in der Tschechoslowakei . Die Regierung hat ein neues Wehrgesetz eingebracht, das die Heeresstärke von 150 000 auf 120 000 Mann und ab 1930 jährlich um weitere 4000 Mann herabsetzt.

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Zwei Helden.

Ludendorff und Ehrhardt.

In den Massen der Menschen steckt das Bedürfnis, sich Helden zu schaffen und sie zu verehren. Auch der stärkste Radikalismus schüßt dagegen nicht, wie die an die Pharaonenzeit erinnernden Moskauer Feierlichkeiten beim Tode Lenins zeigen. Die Anbetung großer oder doch für groß gehaltener Männer hat den einen sympathischen Zug, daß ihre legte Grundlage die Bescheidenheit der Menge ist. Man ist sich des eigenen kleinen Formates bewußt und erhofft eine Vermehrung der eigenen Kraft von dem inbrünstigen Auf­blicken zu einem Manne, von dem man glaubt, daß er alle den Charakter ihrer Helden stellen, sind mitunter sehr niedrig. anderen überragt. Die Anforderungen, die die Gläubigen an Auch Rinaldo Rinaldini, der bayerische Hiest und der ober­fchlesische Bilddieb Sobczyk, dem es gleichgültig war, ob ihm ein Hirsch oder ein Forsthüter vor den Gewehrlauf kam, haben Scharen treu ergebener Verehrer gehabt. Aber in einem Punkte waren bisher diejenigen, die den Drang nach Er­hebung von Menschen zu Göttern oder Gözen hatten, uner­bittlich: eine Handlung, die nur durch Niedrigkeit der Gesin­nung zu erklären war, verziehen sie ihrem Idol nicht. Ent­stellte es sich selbst durch Züge von Gemeinheit, so rissen sie es aus ihrem Herzen.

Unsere deutschvölkischen und deutschnationalen Heldenverehrer sind nachfichtiger. Legten fie an ihre Heroen das bisher übliche Maß von Anforderungen an, so würden sie in ihren Reihen wahrscheinlich feine finden. So tommt es, daß die einen in Ludendorff , die anderen in Ehr­hardt die politische Idealgestalt erblicken, deren Wirken sie als Kraftwelle betrachten und von deren Betätigung sie das Heil erwarten. Ludendorff als Bannerträger! Der Mann, der, wie die freikonservative" Post" am 18. Oftober 1918 schrieb, da s deutsche Volt dem Unglück und der Schande kleidung sich in das Ausland geflüchtet hat, der in jeder seiner überliefert, der im November 1918 in unwürdiger Ber­Aeußerungen in gleichem Maße Mangel an Wahrheitsliebe wie vollkommene Urteilslosigkeit erkennen läßt, der es neuer­dings erst gewagt hat, die Absonderungstendenzen in Hanno­ ver auf die Teilnahme der Sozialdemokratie an der preußi­schen Regierung zurückzuführen, obwohl er genau weiß, daß das Berbleiben Hannovers in Breußen und im Reiche nur einmal ernstlich in Frage gestellt war, und zwar zur Zeit des Rapp- Butsches! Man muß den völkischen Kindern pieles nach­sehen, deshalb sei ihnen verziehen, daß sie sich über die intel­lektuellen und manche moralischen Defekte ihres Abgotts hin­wegsehen. Aber eines ist nicht zu begreifen: daß sein infamer Streich gegen den General Hoffmann sie nicht zur Breisgabe ihres Führers und Helden veranlaßt hat. General Hoffmann , ein hochbefähigter Offizier, war in schwe­ren Kriegsjahren der vertrauteste Mitarbeiter Ludendorffs. Er hat einen hervorragenden Anteil an den Plänen, die zum Siege von Tannenberg geführt haben. Diese Tatsachen haben Ludendorff nicht davon abhalten können, am 28. Juli 1921 an einen antisemitischen Sourna­listen mit jüdischem Namen, Herrn Sontag, den bekannten Brief zu richten, den wir, da er nicht vergessen wer­den darf, noch einmal abdrucken wollen. Die Ludendorffsche Stilübung lautet wie folgt:

General Hoffmann hat sich ein Interview mit einem Sozial­demokraten geleistet. Er ist frankhaft ehrgeizig, steht ganz unter dem Einfluß seiner jüdischen Frau, geborene Stern, hat bei einem Ecftgelage im Januar einen Schlaganfall gehabt und scheint noch mehr in die Hände von Frau Cornelie Irene gekommen zu fein. Vielleicht ist er noch trank. Seine Frau hatte im Frühjahr 1918 einen ppütischen Salon, in dem Erzberger und Solf- beides Reichsverderber verkehrten. Hindenburg verbot auf meine Bitte den Salon. Dieser Frau schreibt er Briefe von einer Bedeutung, daß sie aufgehoben werden! Während es verboten war, wichtige Mitteilungen zu machen. So kann man sich nicht wundern, wenn unsere Maßnahmen bekannt wurden. Wie er über mich spricht, ist nicht sehr schön; aber meinethalben, erlogen sind meine Kriegserinnerungen nicht, sondern durch und durch wahr. Was hätte die Linte angefangen, wenn sie mir Fehler hätte nach­weisen können. Auch der Untersuchungsausschuß hat dies nicht ge= macht.

Ich bitte also scharf Stellung zu nehmen. Troß seiner Kriegs­verdienste wirft jezi 5 als Schädling, der in echt jüdischer Weise vaterländische Werke zerstört.

Ich bitte, aus sich heraus zu schreiben, nicht meine Anregung zu erwähnen.

Untreue, Tücke, Feigheit vereinigen sich in diesem Schrei­ben zu einem widerlichen Bilde. Gegen General Hoffmann muß troß seiner Kriegsverdienste in der Oeffentlichkeit fáarf Stellung genommen werden, weil er sich über Ludendorff nicht sehr schön" ausgesprochen hat. Die Tatsache, daß er eine jüdische Frau hat, soll einer urteilslosen Menge zu dem 3wed mitgeteilt werden, den Kriegskameraden in ihren Augen herabzusehen. Ein Schlaganfall des vielleicht noch Kranken" foll auf alkoholische Ausschweifungen zurückgeführt werden. Aber es darf niemand wissen, von wem diese