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Die Aufbesserung der Beamtengehälter.

Nachdem die Spikenorganisationen der Be a mten­verbände am Mittwoch beim Reichsfinanzministerium, beim Post- und Verkehrsministerium wegen Erhöhung der Beamtenbezüge porgesprochen hatten, wird amtlich dieser Be­richt herausgegeben:

Stillegungen im Ruhrgebiet .

Krupp.

Effen, 23. Mai. ( WTB.) Von der Kruppschen Gußstahl. fabrit wird mitgeteilt, daß infolge des Kohlenmangels ein Teil der Feuerbetriebe morgen früh, der andere Teil Sonntag früh sti 11 gelegt werden muß. Wieweit die mechanischen Betriebe weiter Dampf usw. verbrauchen, wird im Laufe des morgigen Tages feſt arbeiten können, die den aus Kohle erzeugten elektrischen Strom, gestellt werden. Ein an sich noch möglicher Ausweg, daß nämlich die Belegschaft der mitten im Bert gelegenen Kruppschen Zeche Sälzer Neuad unbeschadet der endgültigen Regelung im Bergbau die für einen eingeschränkten Betrieb der Gußstahlfabrit erforderliche Kohle gefördert hätte, ist dem Vernehmen nach daran gescheitert, daß die Belegschaft dieser Zeche mit Rücksicht auf die Frage der Arbeitszeit der Uebertagearbeiter und im Hinblick auf die Solidarität obwohl sich auf diese Weise die Möglichkeit geboten hätte, 30 000 mit den anderen Bergarbeitern sich hierzu nicht bereit gefunden hat, Arbeiter der Gußstahlfabrit noch in Arbeit zu erhalten.

Thyssen.

Die mit Wirkung vom 1. Dezember 1923 festgefeßten Gold markbezüge der Reichsbeamten mußten im Interesse der Aufrecht erhaltung der damals gerade unter großen Opfern erkämpften Sta­bilität der Währung und zur Balancierung des Uebergangshaushalts des Reiches derart niedrig gehalten werden, daß die Reichsregierung sie schon damals als nur für eine furze Uebergangszeit tragbar er tlärte. Eine gewisse Aufbesserung erfolgte deshalb schon mit Wir­fung vom 1. April 1924 ab, insbesondere auch mit Rücksicht auf die Steigerung der Mieten. Diese Regelung trug aber den Lebens notwendigkeiten der Beamten noch nicht ausreichend Rechnung, viel mehr blieben ihre Bezüge in den unteren Besoldungsgruppen noch um etwa 25 Broz., in den mittleren und höheren Besoldungsgruppen bis zu mehr als 50 Broz. hinter den Bezügen der Vorkriegszeit zurüd. Hamborn , 23. Mai. ( Eigener Drahtbericht.) Die Thyssen Wenn nun auch nach dem verlorenen Kriege von allen Teilen der hütte in Hamborn gibt durch Anschlag bekannt, daß infolge Kohlen Bevölkerung Opfer gebracht werden müssen, so erfordern es doch mangels ab Freitagmorgen die Weiterarbeit und die Aufrechterhal staatspolitische Notwendigkeiten, daß die mit der Erstung des Betriebes nicht mehr möglich ist. Die Hütte wird wegen füllung der Staatsaufgaben betrauten Beamten vor den größten gelegt. Die noch vorhandenen Rohlenvorräte sollen in der Haupt­Nichtausführung der Notstands- und Uebergangsarbeiten still. wirtschaftlichen Sorgen geschützt werden, insbesondere find fache den Gas- und Wasserwerken des Thystenkonzerns, der Hamborn auch die Opfer, die bisher nicht nur von den Beamten des unteren, und verschiedene andere Städte des Ruhrbezirkes mit Gas versorgt, sondern besonders auch von denen des mittleren und höheren Dienstes zur Verfügung stehen. Auf diese Weise wird es möglich sein, bis nerlangt worden sind, so groß, wie bei kaum einem anderen Teil der Mitte nächster Woche die öffentliche Gasversorgung noch aufrecht Bevölkerung. Diese Verhältnisse sind jetzt nicht mehr tragbar. Viel zu erhalten. Die 3inthütte in Bergeborbed hat wegen Kohlen­mehr drängen sie zu einer grundlegenden Aenderung, wenn der mangels den Betrieb eingestellt. Englische Kohlen waren wirtschaftliche Zusammenbruch dieser Beamtenkreise und damit nicht zu erhalten, da die Transportarbeiter in Duisburg die Aus­ladung verweigerten. schwere Schädigungen für das allgemeine Staatswohl verhindert werden sollen.

Mit Wirkung vom 1. Juni sollen daher die Grundgehälter auf 80 Proz. der Grundgehälter von 1913 umgestellt werden. Unter Hinzurechnung der sozialen Zuschläge( Frauen und Kinder zuschläge) nähern sich dann die Bezüge der verheirateten unteren Beamten mit mehreren Kindern denen von 1913, während die der Beamten in den mittleren und höheren Besoldungsgruppen auch unter Hinzurechnung dieser sozialen Zuschläge noch immer nicht un­erheblich hinter den Borkriegsbezügen zurückbleiben.

Wenn diese Regelung auch noch nicht allen Wünschen der Be. amtenschaft Rechnung tragen mag, so muß doch andererseits beachtet werden, daß sie das äußerste darstellt, was bei der gegenwärtigen Finanzlage des Reichs mit einer ordnungsmäßigen Haushaltswirt fchaft vereinbar ift und wegen der möglichen Rüdwirtung auf die Wirtschaft gerade noch verantwortet werden kann." Der Hauptinhalt dieser Mitteilungen ist unseren Lesern bereits aus der gestrigen Morgenausgabe unferes Blattes be­

fannt.

Die Pariser Reichsbahnkonferenz. Paris , 23. Mati.( Eigener Drahtbericht.) Das Organisations: tomitee für die deutschen Eisenbahnen, das am Freitag die Bera tungen über die Maßnahmen zur Umwandlung der Reichsbahn in eine Gesellschaft fortsetzte, hat beschlossen, vorläufig von der Zuwahl dis im Gutachten der Sachverständigen vorgesehenen fünften neutralen Mitgliedes abzusehen, da man auf eine rasche Einigung zwischen den von der Reparationsfommiffion ernannten und den deutschen Delegierten rechnen zu können glaubt. Das Romitee- wird Anfang Juni feine Beratungen von Paris nach Berlin verlegen. Das Romitee für die hypothefarische Belastung der deutschen In. dustrie wird sich am 2. Juni fonftituieren. Hier wird sich die Zu

wahl eines fünften Mitgliedes aller Boraussicht nach nicht umgehen

laffen.

Das braunschweigische Staatsministerium bat als Tag der Borabstimmung über das Boltsbegehren betreffend die Auflösung des Landtages den 13. Juni bekanntgegeben.

Die Hauptfagung des Preußischen Städtetages wird voraus fichtlich im Laufe des Monats September stattfinden.

gepflegten Schopfes. Sollte Barnowski wieder eine Heimat finden, bann würden sich alle freuen, die nicht vollkommen an die Ber pöbelung des Berliner Theaters glauben.

Borläufer des Kinematographen. Es ist gerade jetzt ein Jahr­hundert her, seit der wissenschaftliche Grund gelegt wurde, auf dem der moderne Kinematograph erwuchs. So führte Will Day in einem Vortrage aus, den er vor der Londoner Gesellschaft der Künste hielt, und in dem er die Vorfahren der Kinematographie bis in die fernste Bergangenheit zurückverfolgte. Er fah, einem Referat in der Technik für Alle" zufolge, die ersten Anfänge der Rinematographie in den orientalischen Schattenspielen, die ja zu den frühesten Urformen des angestellt hat, waren die Chinesen schon vor 7000 Jahren Meister in Der Kunst, Figuren, die aus Büffelhaut geschnitten waren, auf einem weißen Bergament als Schatten erscheinen und die wunderlichsten Be. wegungen ausführen zu laffen. Diese chinesische Schattenkunst, die fich bis auf den heutigen Tag erhalten hat, taucht dann überall im Morgenlande auf, ist in Aegypten und Berfien heimisch und hat die orientalische Bühne in mannigfacher Hinsicht bestimmt.

Den Beginn der modernen Rinematographie datiert Day vom Jahre 1824. In diesem Jahre veröffentlichte ein englicher Gelehrter, Dr. Roget, eine Abhandlung, in der er die bereits von Leonardo beschriebene Camera obscura und die darauf begründete Laterna magica mit dem perspektivischen Prinzip der Panoramendarstellung nerband. Die Mode, große Panoramen zu malen und aufzustellen, fam damals auf und wurde außerordentlich vervollkommnet Im Jahre 1889 gelang es dann dem englischen Erfinder William Friese . Greene, mit dem Prinzip der Bauberlaterne" die Fortschritte der Photographie zu verknüpfen und den ersten Zelluloidfilm herzu­stellen. Das Patent, das er auf diese Erfindung nahm, bildet den Grundstein für die technische Entwicklung des Lichtbildes.( Die deut. schen Erfinder hat der englische Gelehrte offenbar gar nicht berüd­

fichtigt.)

Eine Umwälzung des drahtlosen Verkehrs. Nach englischen Mel. dungen soll Marconi ein neues furzwelliges System erfunden haben, Diese Erfindung mache es möglich, nach jedem Teil der Welt mit teilungen von irgendeiner Station zu einem Rostenpreis zu senden, der nicht mehr den zehnten Teil der Betriebskosten großer Stationen ausmache. Versuche feien auf eine Entfernung von 2500 Meilen gemacht worden. Die Marconigesellschaft erkläre. daß die Ent­fernungen, auf die die Meldungen nach dem neuen Verfahren ge. fchickt werden könnten, völlig unbegrenzt feien. Das System habe jedoch auch Nachteile; einer davon fei, daß es unmöglich sein merde, pon diefen Stationen Mitteilungen allgemein zu verbreiten, da fie höchstens in zwei oder drei Richtungen gesandt werden könnten.

Ein Boltshochschulheim eröffnet Dr. Frik Klatt von Mitte Juni an im Ditfeebab Prerom. mo Hörer der Voltshochschulen neben ihrer Erholung augleich geistige Anregung und Förderung finden fönnen. Alle weitere Auskunft im Bureau der Humboldt- Hochschule, ED. 16, Köpenider Str. 108, II. Ein Heringsfönig. Die Fischsammlung des Biener Naturhistorischen Museums wird demnächst um einen Heringsfönig bereichert werden. In ben lekten 120 Jabren bat man mur 40 folcher Tiere gefannt. Der Heringstönig ist ein Tieffeefisch, der eine Länge von faft fechs Metern bejizt. Er hat die Grundlage der unzähligen, meist belächelten Seeschlangen geschichten gebildet.

Auszahlung des Restlohnes.

Bochum , 23. Mai. ( Mtb.) Auf vielen Zechen des Ruhrgebietes ist gestern der Restlohn ausgezahlt worden. Die Auszah­lungen find überall ohne Zwischenfall verlaufen, auch hat die Zahl der gewaltsamen Unterbindung der Notstandsar beiten auf den Ruhrgruben gestern ganz erheblich abge

nommen.

Wie gewöhnlich..

Zweierlei Maß.

Torgau , 23. Mai. ( Eigener Drahtbericht.) Jm Eilenburger Band­Torgau, 23. Mai. ( Eigener Drahtbericht.) Im Eilenburger Land­friedensbruch Prozeß gegen 22 angeklagte Arbeiter wurden drei Angeklagte zu je 8 Monaten Gefängnis, die übrigen zu Strafen bon 1 bis 7 Monaten verurteilt. Acht Mann wurden freigesprochen. Bon den beteiligten Stahlhelm Leuten ist nicht ein ein­8iger angeklagt. Sie traten im Gegenteil als Hauptbelastungs­

zeugen auf.

Der Hannoversche Provinziallandtag stimmte gutachtlich der Vereinigung der beiden Unterweserstädte Geestemünde und Lebe zu einer neuen Stadtgemeinde Wesermünde zu. In der Debatte wurde mitgeteilt, daß die Stadtverordnetenversammlungen beider Städte auch in der neuen Zusammensetzung diese Vereinigung wünschen.

Kontrolle der britischen Außenpolitik.

London , 23. Mai. ( Eigener Drahtbericht.) Ein großer Teil der Abgeordneten des Unterhauses, darunter Mitglieder der Arbeiter­partei und der Liberalen, haben eine Aktion eingeleitet, um eine De­batte darüber zustande zu bringen, in welchem Umfange und in welcher Form sich in der Zukunft die Kontrolle der Außen­einen Antrag eingebracht, in dem gefordert wird, daß die Regierung politik durch das Parlament vollziehen soll. Sie haben gemeinfan: fünftig fein diplomatisches Abkommen mehr mit irgendeinem aus= wärtigen Staate, das mittel- oder unmittelbar die nationalen Inter­essen berührt, treffen darf, ohne sich die Zustimmung des Parlamenis dazu vorher eingeholt zu haben, und auch zwischen den General­stå ben der Armee, der Flotte und der Luftverteidigung und dene: auswärtiger Staaten feinerlei Vereinbarungen mehr ohn parlamentarische Zustimmung abgeschlossen werden dürfen.

Diese Bindung der Außenpolitik ist vom Abg. C. D. More! ( Arbeiterpartei) im Unterhaus als Antrag eingebracht worden uni trägt insgesamt 207 Unterschriften aus allen drei Parteien. Die Arbeiterpartei hat durch Fraktionsbeschluß die Regierung aufgefordert, die baldige Behandlung des Antrags zu veranlassen

Polens Außenpolitik.

Besorgnis wegen des deutschen Wahlausfalls.

Warschau , 23. Mai. ( Eigener Drahtbericht.) In seinem Exposé erklärte Außenminister Graf 3amoysti, die Verschiebung der innerpolitischen Lage in Frankreich würde das französisch- polnische Bündnis unberührt laffen. Dagegen sei das Ergebnis der Wahlen in Deutschland für Polen besorgniserregend. Bolen wünsche ein gutes Einvernehmen mit Deutschland auf der Grundlage einer definitiven Ronfolidierung der europäischen Ver­hältnisse. Ebenso wünsche es ein friedliches Nebeneinanderleben mit Somjetrußland, fönne aber seine Einmischung in Polens inneren Berhältnisse nicht dulden. Die amerikanische Einwanderungs­bill verschließe die Tore Ameritas auch dem- polnischen Element. Bolen werde gezwungen fein, feinen Export erheblich zu vermehren und neue Abfagmärtte, besonders im fernen Osten zu suchen. Hierbei werde seine neue Tarifpolitit eine erhebliche Rolle spielen.

Warschau , 23. Mai. ( Eca.) In der dreistündigen Rede des Außenministers Graf 3 a moniti heißt es u. a.: Die deutschen Wahlen zeugten davon, daß in Deutschland weiter das Bestreben bestehe, der Ördnung der Dinge, die in den großen Friedensverträgen festgelegt worden feien, wieder entgegenzutreten. Die ganze Welt müsse mit Unruhe die

ungeschwächten Revanchetendenzen Deutschlands perfolgen. Diese Bestrebungen riefen in Deutschland selbst einen Zu­stand großer wirtschaftlicher und politischer Unruhe hervor, und seine Berlängerung liege nicht im Interesse des deutschen Wolfes. Polen marte mit Ungeduld auf den Moment, in dem die ein= mütige Aktion der verbündeten Mächte Deutschland davon überzeugen werde, daß seine Rechnung auf ein Umstoßen aller internationalen Verträge trügerisch gewesen sei. Dann werde auch die Zeit fommen, wo zwischen Deutschland und Polen normale gutnachbarliche Beziehungen herrschen würden.

Die Tragödie eines Kommunisten.

mud and Der Selbstmord Lutowinows.

Anfangs war er ein begeisterter Anhänger der sofortigen Ber­

Der Selbstmord Lutowinows war ein Schlag ins Gesicht seiner

Genossen und Kollegen, denn sie sind schuld an seinem Tode. Und noch ein zweites: Lutowinom steht nicht allein: Hinter ihin stehen viele Tausende kommunistischer Arbeiter. wurden. Sonderbare Reden, alle von demselben Leitmotiv durch­Hören wir die offiziellen Reden, die an seinem Grabe gehalten drungen:

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erfärte Trofi allen Arbeitern, allen Mit­

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Niemand von uns

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Wir müssen gliedern der Partei und insbesondere unserer Jugend sagen, daß niemand dem Beispiel Lutowinows folgen darf. hat das Recht, selbst unter den schwersten Bedingungen, freiwillig seinen Posten zu verlassen.' Der Ausweg Lutowinows erklärte Bucharin ist tein Ausweg für einen Kommunisten!" Wir dürfen erklärte der neue Premierminister Rytom­dem Beispiel Jurij Lutowinows nicht folgen." In allen diesen Reden herrscht dasselbe Motiv, diefelbe Unruhe vor. Die Redner haben recht. obwaltenden Berhältnissen unter den besten Elementen des Kommu­Wenn Selbstmorde, die unter den dürften, so besteht für die Kommunistische Partei und die Diktatur nismus epidemisch zu werden drohen, troß allem nur einzelne treffen eine weit größere Gefahr. Enttäuschte Einzelpersonen gehen frei­willig fort, eine enttäuschte Maffe scheidet aus der attiven Bolitik aus. Während Lutowinow feinem Leben durch einen Revolverschuß ein Ende macht, trennen sich Hunderte fommunistischer Arbeiter geistig und seelisch von der Politik des Kommunismus. Die Mitglieder­Bahlen vermögen niemand darüber hinwegzutäuschen. Wesentlich ist, daß Aktivität und Heroismus sterben und daß mit ihnen das Funda­ment des russischen Kommunismus zusammenbricht.

führenden russischen Sowjetpolitiker, das Borstandsmitglied des nicht gelösten Widersprüche schied er freiwillig aus dem Leben. Ein Moskauer Telegramm meldete fürzlich, daß einer der| fprüche an, die er nicht zu lösen vermochte. Unter dem Drud dieser Zentralerefutivfomitees des Sowjetbundes und des Zentralrates der Gewerkschaften, Jurij Lutowinom, Selbstmord begangen hat. lagen, ihre Utopien und Rückschläge verstehen will, wird durch den tragischen Tod Lutowinows zu neuen Erkenntnissen geführt. Dieser bolfchemistische Arbeiter, der den Weg von der Drehbant in der Fabrit bis zu den höchsten Staatsämtern durchschritten hatte, schoß sich eine Kugel durch den Kopf, als er erfannte, daß der von den Kommunisten geschaffene neue Rapitalismus die ungeheuerlichsten Widersprüche erzeugte und daß die in dem armen, hungernden Ruß­ land herrschende terroristische Diktatur nur einen neuen Zustand der Barbarei ins Leben rief. Lutowinow war ein ehrlicher, aufrichtiger sensibler Mensch, einer von jenen, die nicht nur mit ihrem Gehirn, sondern mit ihrem Herz­blut bei der Sache find. Reine Führernatur, aber ein talentvoller Bertreter der Arbeitermasse, fein Politiker, aber ein getreues Echo Hunderttausender von Proletariern. Wie in einem Mikrokosmos spiegelt sich in ihm die ganze Tragödie der russischen Revolution. wirklichung des Kommunismus. Deshalb nahm er leidenschaftlichen Aber die neue soziale Ordnung" schuf sehr bald unerwartete Situatio­nen. In der herrschenden Kommunistischen Partei sezt eine soziale Differenzierung ein, die Gegensäze zwischen den oberen und unteren Schichten verschärfen sich, jede Selbsttätigkeit der Arbeitermasse wird unterdrückt, die militärischen Methoden werden aus der Armee in die Betriebe hineingetragen. Lutowinow schließt sich der Gruppe der Arbeiteropposition" an, die den Kampf gegen Lenin und das Zentral­fomitee aufnimmt. Er führt einen hartnädigen Kampf innerhalb der fomitee aufnimmt. Er führt einen hartnädigen Kampf innerhalb der Partei und wird deshalb allen möglichen Repressionen ausgesetzt. Als Gewerkschaftsführer ist er besonders energisch auf gewerkschaft. lichem Gebiete tätig. Sein Kampf endet schließlich mit seiner Ber­bannung für ein Jahr nach dem Auslande. Lenin fapituliert vor dem Kapitalismus und führt die Neue Wirtschaftspolitit" ein. Der freie Handel und das einsehende Bacchanal der Spekulation schiebt die neue Bourgeoisie in den Vordergrund. Der Bürger atmet auf, der Bauer verbessert feine Wirtschaftslage, selbst die Arbeiterlöhne beginnen sich ein wenig zu heben. Aber für den sensiblen Lutowinom beginnt hier eine neue Periode des inneren Kampfes und der Selbstquälerei. War nicht der ganze Kommunismus eine trügerische Utopie, wenn er nach Eroberung der politischen Macht das wirtschaftliche System des Rapitalismus fördern muß? Lohnte es fich für die fleinen Anfäge des Sozialismus, die erhalten blieben, einen so hohen Preis zu zahlen, der vor allem von der russischen Arbeiterklasse getragen wurde?

Lutominom quälte sich unter allen diesen Widersprüchen. Seine ganze Charakteranlage trieb ihn zu neuen Kämpfen vorwärts, aber er vermochte nicht mehr zu unterscheiden, welchen Weg er einschlagen sollte. Er war natürlich fein Anhänger der parlamentarischen Demo­tratie. Aber die Diftatur... fie wäre gut gewesen, menn fie wirklich zum Kommunismus führte, aber welchen 3wed hatte sie, wenn unter ihrer Herrschaft mit Wissen und Willen der tommu­nistischen Regierung die Ausbeutung der Arbeiterklasse gefördert wurde! Und er selbst, als Mitglied diefer Regierung, nahm Anteil an dem Aufbau der neuen Ordnung, die von allen fapitalistischen Elementen des nachrevolutionären Rußlands gutgeheißen wurde. Hunderte von Bureaukraten aus den Reihen der ehemaligen Revo­Die selbstzufriedenen Sinowiews, die grundfaglofen Radeks, lutionäre, die gefättigt und verspießert auf ihren Posten ſizen, nehmen diese Entwicklung als etwas Naturnotwendiges hin. Lutowinow jedoch fühlte sich außerstande, so weiter zu regetieren. Er suchte nach einer neuen flaren Idee. Aber trotz jahrelangen Suchens fand er feine Antwort. Es häuften fich vielmehr immer größere Wider.

Diese Perspektive zeichnet sich vor den Augen Trogfis, Bucharins und Rykoms ab. Sie erkennen die furchtbare Bedeutung dieses Bor­ganges und flehen beshalb ihre Gemeinde an:" Folgt dem Beispiel Lutominows nicht, laßt uns nicht im Stich!" Aber sie vermögen ihre eigene Verantwortlichkeit nicht zu erkennen. Denn sie, die Führer, find verpflichtet, jene neuen Wege zu weisen, die Tausende anderer Lutowinows vor physischem oder geistigem Selbstmord, vor neuen Enttäuschungen und vor endgültigen Niederlagen bewahren könnten. Sie, die Führer, müßten den Weg zu den Grundsätzen und zu der Bragis der alten Sozialdemokratie finden, die allein imitande ist, das Bhatos des Kampfes und den Idealismus der Ziele mit einer realistischen Taktik zu vereinigen und die Arbeiterbewegung vor Niedergang und Verfall zu bewahren.

Aber die fommunistischen Führer wollen und können diese einmal das Ausscheiden der Besten aus ihrer Mitte zu beklagen haben.

Schlußfolgerung nicht ziehen. Und deshalb werden sie nicht nur

Nachrufe für Lutowinow.

Mostau, 21. Mai. ( DE.) Der Selbstmord Lutowinows, dem als einem der Mitglieder des Zentraleɣefutipfomitees des Sowjet­bundes ein feierliches Begräbnis unter Teilnahme aller führenden Sowjetpolitiker bereitet wurde, hat in den ihm gewidmeten ehren­vollen Nachrufen doch eine gewisse Kritik erfahren. U. a. deutete Radek in einem Nefrolog an, daß Lutowinow unter der Bureau­tratifierung des Sowjetsystems, der Langsamkeit des Sanierungs­riellen Lage der einzelnen Parteimitglieder mehr als andere gelitten prozesses in Rußland und der andauernden Ungleichheit der mate. habe. Bemerkt wurde auch, daß Trozti am Grabe u. a. sagte, Lutowinows Selbstmord dürfe nicht als Bespiel angesehen werden, fein Mitglied der Partei dürfe seinen Posten verlassen, so schwer thin die Lebensbedingungen auch erscheinen mögen.