der Entschlossenheit und StSrke gelten konnte, wird setzt leicht als ein Ausweg in Verlegenheit gedeutet werden. Den Mittelparteien ist es gelungen, die Deutschnationalen gründlich zu kompromittieren. Die stehen setzt vor der Oeffent- lichkeit als die Partei da, die bereit ist, für ein paar gute Plätze an der„Futterkrippe" ihre Grundsätze pfundweise zu verkaufen. Die Mittelparteien haben leider nur eines übersehen: nämlich wie sehr sie sich durch ihren zur Schau getragenen Willen, mit den Deutschnationalen eine Negierung zu bilden, innen- und außenpolitisch selber kompromittiert haben. * Eigentlicher Träger dieser die Mittelparteien kompro- mittierenden Bestrebungen war d i e B o l k s p a'r t e i. Um so erstaunlicher ist es, daß sich gerade die volksparteiliche„Zeit" für berufen hält, der Sozialdemokratie gute Lehren zu geben, daß sie die Grenze nach links, zu den Kommunisten, nicht verwischen möge. Diese Grenze wird die Sozialdemo- kratie aufrechterhalten nicht der Volkspartei, aber der Arbeiter- bewegung zuliebe, die ihre volle Aktionsfähigkeit gegen das Großkapital und seine politischen Vertreter erst wiederfinden wird, wenn sie von der kommunistischen Erkrankung gänzlich kuriert ist. Die„Zeit" aber möchten wir fragen, wo denn die Grenze nach rechts bleibt, wenn der heiße Wunsch der Volkspartei nach dem Bürgerblock in Erfüllung gehen sollte? Sie weiß ebensogut wie wir, daß die Grenze zwischen Deutsch - national und Völkisch vollkommen flüssig ist. Glaubt die „Zeit", daß eine Regierung mit den Deutschnationalen dieselbe Entschlosienheit gegen r e ch t s putschistische Bestrebungen auf- bringen würde, die sie von der Sozialdemokratie gegenüber links putschistischen Bestrebungen fordert? Glaubt sie das nicht, dann wird sie begreifen, daß wir Belehrungen gerade von volksparteilicher Seite dankend ablehnen müsien. * Während um die Kabinettsbildung langatmig verhandelt wird, ballt sich im Inland die Wirtschaftskrise zu- fammen, die als Folge der Inflation vorausgesehen und de- fürchtet wurde. Steuerlos ist das Kapital in die Geldent- »vertung hineingeraten, hat es ihre wirksame Bekämpfung Jahre hindurch behindert: es hat aber seinerseits nichts getan, um in dem Wirbel der Wertumwälzung einen festen Boden zu finden. So entstand der Taumel des Sachbesitzes. Während der Mittelstand enteignet wurde, während man der Arbeiter- schaft den größten Teil des Lohnes vorenthielt, türmten sich die großen Produktionsunternehmungen in Schwerindustrie und Verarbeitung zu gewaltigen Trusts. Das Heer der Schieber und Parasiten wurde hochgezüchtet. Der Warenmarkt, eingeengt durch die Schwächung des Konsums, wurde zum Tummelplatz für Tausende und aber Tausende von Existenzen, die es leicht hatten, drauflos zu produzieren oder auch nur Waren, Aktien oder Geld zu handeln. Viele, die zur Gilde des internationalen reichen Mobs gehören, sind abgewandert. Andere, und unter ihnen viele unschuldige Opfer des Gewinn- und Verdiensttaumls, sind heimattreu geblieben. Alle wollen „verdienen", glauben nicht, daß man nur verdienen kann, wo Kaufkraft vorhanden ist, und daß von einer Arbeiterschaft nichts zu holen ist, die jahrelang ausgeplündert wurde und noch jetzt unter stärkstem Lohndruck steht. Noch hält sich mühsam das Gebäude. Eine Firma nach der anderen begibt sich unter Geschäftsaufsicht, sucht so mit Hilfe einer veralteten Kriegsverordnung sich dem un- .vermeidlichen Schicksal der Pleite zu entziehen. Aber die Be- xeinigung läßt sich nicht aufhalten, wenn man auch noch so KehrÄis überholte Mittel der Unternehmersozialpolitik zu einer Zeit anwendet, wo man den Arbeitern an der Ruhr und im übrigen Reiche jedes soziale Recht zu verweigern fucht. Die kapitalistische Wirtschaft befindet sich im Zustand der Ver- t r a g s l o s i g ke i t, die jeder Krise vorausgeht. Der De- taillist fetzt zu wenig ab, er kann den Fabrikanten nicht be- zahlen, alle schreien nach Kredit, rufen heute schon nach Wieder- Herstellung geordneter Verhältnisse, indem sie die Einschrän-
kuna der Geschästsaufsicht fordern. Denn niemand weiß mehr, ob fein Kunde, fein Bankier denn noch„sicher" ist, oder ob dessen teuer erstandenen Sachwerte, Aktien und Waren nicht längst wertlos geworden sind und damit auch seine Zahlungs- kraft geschwunden ist. Die Krise schwärt, derArbeitsmarktstockt, furcht- bare Arbeitslosigkeit und Elend stehen der Arbeiterschaft bevor. Der Kapitalismus, der jeden Versuch gemeinsamer Arbeit mit dem Volksganzen zur Abstellung der Inflation durchkreuzt hat, weigert sich, den Preisabbau von der Produktion her durchzuführen. Jetzt muß er vom Markte herkommen, wo die Läger überfüllt find und wo der Schrei nach barem Geld bald zu einer schweren Erschütterung führen muß. Ist keine Hilfe?— Auf vielen Gebieten nicht mehr. Wenn sogar Trustmagnaten, die einst an Staat und Volk sich be- reichert haben, jetzt um die Hilfe der Volksgemeinschaft betteln, dann ist vieles faul im Staate Deutschland , und das Faule muß ausgemerzt werden, damit der Lebensfähige sein Lebens- recht wahren kann. Viele Glieder der deutschen Produktion aber sind innerlich gesund, so gesund, wie ein Betrieb innerhalb der kapitalistischen Wirtschaft nur sein kann. Auch sie leiden unter Absatzmangel, oft lediglich deshalb, weil ihnen der Kredit zur Finanzierung ihrer Produktion fehlt. Dieser kann aber in großem Umfange nur von außen kommen, wenn man nicht erneut mit der Notenpresse spielt. Deutschland bedarf also auf das dringendste der Wieder- Herstellung seines Kredites. Dazu muß die Reparations- frage ihrer Lösung nähergebracht werden, soweit das uns möglich ist. DieAnnahmedesSachver ständigen- gutachtensund feine schleunig st eDurchfüh- rung ist also das Gebot wirtschaftlichen Le» benswillens. Und es hieße ihn untergraben, wollte man sich Zeit lassen, bis noch weitere gesunde Teile der Produktion vom Verfall bedroht sind. Es ist keine Zeit zu verlieren!
Luüenüorffs Kriegsüotumente. Er wußte alles, nur nichts vom„Dolchstoß". An anderer Stelle des Blattes finden die Leser ein« Ab- Handlung des Genossen Ku t t n e r über den„Todesritt" der Flotte von 1918 und seinen Zusammenhang mit der Dolchstoß- lüge. Wird dort im einzelnen nachgewiesen, daß die See- kriegsleitung vor einer gröblichen Täuschung der Oeffentlich- keit nicht zurückschreckte, um ihren Plan der Durchkreuzung der Waffenstillstandsverhandlungen selbst unter zweckloser Opse- rung von ungezählten Menschenleben durchzuführen, so macht fast gleichzeitig der Reichsarchivrat Prof. Dr. Veit Valentin im„Verl . Börfen-Courier" auf neue Dokumente auf- merksam, die vom Auswärtigen Amt herausgegeben werden. Es handelt sich um eine Neuauflage des Weißbuchs über die Vorgeschichte des Waffen st ill st andes, das durch zwei Gruppen von Dokumenten erweitert ist. Die eine Gruppe behandelt Berichte von Vertrauensleuten im Aus- lande. Die zweite noch viel wichtigere Gruppe betrifft die Beurteilung der militärischen Lage durch die Oberste Heeresleitung. Darüber sagt Prof. Valentin: Aus dem frühesten dieser Dokumente geht z. 2. hervor, daß die Oberst« Heeresleitung unmittelbar vor der Katastrophe des 8. August weitere Großangriffe umfassender Art nicht erwartete, sich also zu diesem wichtigen Zeitpunkte absolut über die Lage täuschte. Zu der sogenannten Dolch st oßfrag« bringt das Weiß. buch entscheidendes Material. Di« Oberste Heeresleitung selbst hat io keinem der vorliegenden Dokumente auf politische Agitationen oder Einwirkungen der Heimat als Grund der militärischen Nieder- läge hingewiesen. Sie sieht den Hauptgrund vielmehr in dem steigenden Mangel an Offizieren bei der Infanterie. Da, wo zuverlässig« Führer vorhanden waren, hielt die Truppe stand; da, wo sie fehlten, brach der Widerstand zusammen. Die Oberste 5z«eresleitung entschloß sich deshalb, damals alle irgend.
wie brauchbaren Offizier« aus der Heimak«nb der Etappe für die Front heranzuholen. Die Frag« liegt nahe, warum das nicht schon früher geschehen ist. Der Lagebericht vom 15. September z. B. bezeichnet ferner als Ziel des Kampfes nicht die Behauptung von Gelände, sondern die Durchführung des Grundsatzes,„den Angreifer sich zermürben zu lassen, selbst aber die Kampfkraft unserer Heere zu erhalten". Man sieht, wie damals der Gedanke an den militärischen Sieg völlig ausgegeben war: die psycho- logisch« Voraussetzung für die folgenreiche Beantragung der Bitte um Waffenstillstand und der Frieden durch die Oberste Heeresleitung bei der Reichsregierung vom Ende des Monats war damit gegeben. Die Offiziere in maßgebenden Stellen sahen da- mals schon die Lage als außerordentlich ernst an. die Oberste Heeres» leitung sah sich deshalb genötigt, zu einer ruhigen Beurtei» lung der Lag« zu ermahnen. Auch häuften sich die Meldun. gen, daß das Vertrauen zwischen Führung und Truppe, zwischen Offizier und Mann nicht mehr überall das alt« sei. Als Grund dafür werden lediglich militärische Mo- mente angesehen: wohl wird einmal von„Unzufriedenheit" in der Heimat gesprochen: aber eine politische Agitation von der Heimat her wird nicht erwähnt, sie wurde also als unwesentlich angesehen. Dem Offizier- und Unteroffizierkorps wird vielmehr aus- drücklich vorgeworfen, daß sein« verminderte Leistung und seine mangelnde inner« Geschlossenheit der Grund s«i für das fest- gestellte Nachlassen der Disziplin und das Sinken der Kampfkraft mancher Truppenteile. Die ganze Dolchstoß-Geschichte wurde erst nachträglich erfunden, als die Allgewaltigen des Krieges sahen, was sie angerichtet hatten. Feldherren, die entscheidend geschlagen sind, pflegen anderwärts vors Kriegsgericht gestellt zu werden. um zu prüfen, ob sie überall ihre Schuldigkeit getan oder Wesentliches versäumt haben. Ludendorff aber fabuliert von den„Weisen von Zion " und vom„Dolchstoß der Heimat" in einer Tonart, als ob er ein Dorfschulmeister von Anno dazu- mal wäre. Er, der im entscheidenden Augenblick die Nerven verlor und dann nach Schweden ausrückte, darf es heute wagen, im Reichstag der Republik einherzustolzieren, als ob nichts gewesen wäve. Hochverräter und Weltkriegsverlierer, wartet er auf Walhall in den Hallen des Reichstags!
Der Skanöal öer Lanüesverratsprozesse. Zum Gutachten des Reichswehrministeriums. Das GutachtendesReichswehrministeriums, das— wie wir gestern abend mitteilten— als Stütze für das Landesverratsverfahren gegen Dr. Z e i g n e r wie für ähn- liche Verfahren dient, ist eine Bedrohungderrepubli- konischen Verfassung, ein Schutz für verfassungs- und staatsfeindliche rechtsradikale Organisatoren. Es gibt bewaffnete rechtsradikale Organi» s a t i o n e n in Deutschland , die die Reichsregierung stürzen und die Verfassung außer Kraft setzen wollen. Das ist g e- richtsnotorisch— der Münchener Hochverratsprozeß hat diese Tatsache bestätigt. Gegen dies Treiben hat Dr. Zeigner in seiner Landtagsrede, die unter Anklage gestellt werden soll, angekämpft, nachdem er vorher versucht hat, ohne Inanspruchnahme der Oeffentlichkeit die Reichsregierung zu energischem Einschreiten zu veranlassen. Soll die öffentliche Diskussion und Kritik unzulässig und strafbar sein, wo es sich um eine Grundfrage unseres Staats- und Derfassungslebens handell? Das Gutachten des Reichswehrministeriums will schlechthin jede öffentliche Diskussion über die rechtsradikalen hochverräterischen Bestrebungen unterbinden. Sieht man nicht die Größe des politischen Skandals? Ein Ministerpräsident beantwortet im Landtage eine Interpellation, und man macht ihm deswegen den Prozeß. Kann man den Gedanken des Parlamentarismus schlimmer diskreditieren? Der Abgeordnete steht mit allem, was er zur Begründung der Interpellation vorbringt, unter dem Schutze der Immunität. Aber die verantwortliche Regierungsstelle, von der der Land- tag Auskunft heischt, soll nach dem Staatsanwalt schielen.
Rede an Ken öeutschen Zöel. Von Alfred Eduard. Meine Herren Aristokraten! Sie haben sich vor einigen Tagen der historisch denkenden Mit- weit, die Ihnen im November 1918 so viel unverdiente Nachsicht ent. gegengebracht hat, neuerdings in eine sehr unangenehme Erinnerung gerufen. Sie haben am 1ö. Mai in Breslau einen„Deutschen A d e l s t a g" gefeiert, statt in der milden Dämmerung zu verbleiben, die Ihnen«ine allzu gütige Weltgeschichte zugedacht hat. Ja, Sie haben sogar eine beleidigende Resolution abgefaßt,'die der historischen Wahrheit ebenso wie der deutschen Republik und dem deusschen Volke ins Gesicht schlägt. Ich hob« von Ihnen, meine Herren Aristo- kraten, niemals Ehrfurcht vor der geschichtlichen Wahrheit, der Republik und dem Volk erwartet. Aber wenigstens Stillschweigen. Es scheint aber, daß eine erledigte Herrenkaft« ebensowenig schweigen kann, wie unsere— leider!— besiegten Generale. Sie sollen«ine Aptwort zu hören bekommen, nicht, damit Sie sie etwa beherzigen, sondern damit Sie sehen, daß Sie nicht stumme Gegner haben. In Ihrer Entschließung behaupten sie:„Unverändert drücken die Ketten des Derfailler Vertrages, die, wenn wir nicht selbst sie sprengen, noch Kind und Kindeskinder fesseln werden." Ich sehe von dem schlechten Deutsch dieses Satzes ab— ich kann Ihnen kein besseres zumuten— und beschränk« mich auf die Erörterung de, Inhalts. Was stellen Sie sich unter der„Sprengung der Ketten" vor? Hätten Sie gesagt, daß„unsere Kind und Kindeskinder" die „Ketten sprengen" werden, so hätte ich Ihnen zwar nicht zugestimmt, aber angenommen, daß Sie Ihre Behauptung wohl überlegt haben. Da Sie aber behaupten, w i r müßten die Ketten sprengen, so nehm« sch an, daß Sie unserer Generation einen Rachekrikg zumuten. Glauben Sie wirklich, daß wir es können? Wie sollen wir ohne Eprenzmittel sprengen? Ich nehme an. daß Sie die gute Absicht haben, im kommenden Kriege nicht mehr, wie iin letzten, enthoben zu werden oder auf gesicherte Posten zu kommen. Aber glauben Sie, daß uns selbst Ihr« Mitwirkung viel helfen würde? Ich klage Sie also an. eine leere Phrase wiederholt zu haben, ohne Ueber- legung und nur von ihrem schönen Klang verführt. Aber das wäre in Ihren angeborenen und anerzogenen Eigenschaften begründet. Dagegen sind Sie, soviel ich we'ß. zur Höflichkeit erzogen, die Sie selbst Ihrem Stande schuldig zu sein glauben. Wie kommt es also, daß Sie sich einer groben Beleidigung schuldig machen, indem Sie sagen:„Tiaß der Staat allen Stürmen doch noch standhielt--- zeugt von dem unbeugsamen Willen unseres Volkes--- den Faden deutscher Geschichte und deutscher Weltgeltung da wieder an- zuknüpfen, wo verbrecherische Hände ihn im November 1918 plötzlich olsschnitten." Nur Ihnen blieb es vorbehalten, eine so freche Beleidigung und emt ja plumpe Persälschung der vergangenen und
der gegenwärtigen Taffachen in«wem Atem in die Welt zu setzen. Wo sehen Sie den unbeugsamen Willen unseres Volkes, wieder bei Wilhelm II. anzuknüpfen, und der Weltgeltung, die wir damals hatten? Wann hat Ihnen das deutsche Volk mitgeteilt, daß ee wieder als„Barbaren ", Hohenzollern -Unterwnen gelten will? Lassen Sie mich Ihnen mitteilen, daß der Faden niemals wieder dort an- geknüpft wird, wo er einmal abgeschnitten wurde. Das geht bei allen möglichen Fäden, nur nicht bei dem historischen. Und selbst, wenn wir wieder durch einen Ihrer Umsturzversuche einen Kaiser bekämen, er wäre nicht mehr derselbe wie 1918. Wären Sie historisch gebildet, Sie wüßten es. Sie wüßten, daß der ftanzöstsche Re- staurvtionsversuch auch mißlingen mußte, weil die Zeit nicht ge- hemmt werden kann, auch wenn sie aufgehalten wird. Und hätten Sie politische Einsicht, so müßten Sie bemerken, daß selbst diejenige», auf die Sie am meisten rechnen können, die dumpfen Kleinbürger und die wirren Völkischen sich keinen Kaiser mit Tyrannengelüsten gefallen lassen würden. Sie müßten sehen, daß sich sogar die Völki- schen National-Sozia listen nennen und wissen, daß sogar ein so verfälschter Sozialismus weder Ihnen, noch Ihrem Kaiser be- Hagen könnte. Hätten Sie doch besser Geschichte gelernt! Dann würden Sie wissen, daß selbst ein„Verbrecher", der den„Faden der Geschichte abschneidet", den Willen der Geschichte vollstreckt, wenn er nur ihrem Sinn gerecht wird. Und ihr Sinn fft der Forffchritt von der Tyrannei zur Freicheit. Wie aber sollten S i e es verstehen, die Sie selbst der historischen Vergangenhenit angehören! Es ist nicht wahr, daß ein„großer Teil des deuffchen Volkes" nach Ihrer Führung verlangt. Wohl oerlangt das ganze Volk nach „Männern, die nicht das ihre suchen, sondern das Allgemeinwohl über das Eigenwahl stellen". Aber wenn Sie behaupten:„Das war des Adels Art und soll es ferner fein"— so stimmt der erst« Teil dieser Behauptung bestimmt nicht. Wann hat Ihre Kaste das All- gemeinwohl über das Eigenwohl gestellt? Höchstens das Wohl des Adels, niemals das des Volkes! Immer und in allen Ländern haben Sie den Bürger und den Bauern unterdrückt. Haben Sie etwa frei- willig die Leibeigenschaft aufgehoben? Haben Sie auf den Zehent verzichtet? Sie haben für Könige, die Ihr« Gönner und Ihre Ab- herngigen waren, Kriege geführt. Es ist das Mindeste, was Sie geben mußten, so ziemlich das Einzige, was Sie zu geben imstande waren. Das war„des Adels Art ". Sie find schon überholt und ersetzt. Nicht von Würdigeren, aber von Moderneren. Wir kämpfen nicht mehr gegen Sie, sondern gegen den Großbürger, der Sie abgelöst hat und der gefährlicher ist. Raffte, der Raubritter, gründet eine neu« Aristokratie: Sie haben Ihr Da» sein nur den Raubrittern zu verdanken. Der Industriebaron ist Ihr Nachfolger. Sie gehören der Vergangenheit an! Bleiben Sie, wo Sie die Geschichte hingestellt hat. Und benehmen Sie sich gesittet in Ihrem Winkel. Sonst gleichen Sie jenen alten Rittern In romon- tischen Burgkellern, die dank einein Mechanismus rasseln können, wenn man dem Führer eiy Trinkgeld gibt,
Das merkwürölgfte verbrechen öer Welt. Die Erinnerung an«in Verbrechen, da, die mnerikamfchen Blätter das„merkwürdigste der Welt" nennen, wird wachgerufen durch die Meldung, daß das 7. Begnadigungsgesuch von Karl Warr. der ein« Zuchthausstrafe von 20 Jahren im San Ouenttn-Ge- fängnis absitzt, von dem kalifornischen Obergericht abgelehnt wurde. Karl Warr, der vor 11 Jahren versuchte, ganz Los Angeles mit Dynamit in die Luft zu sprengen, hat ein Verbrechen begangen, das in der Geschichte der Kriminalistik einzigartig dasteht. Am Morgen eines Ianuartages im Jahre 1913 erschien Warr auf dem Polizei- Präsidium von Los Angeles . Er trug eine braune Maske über dem Gesicht und eine große blau« Brille und hatte eine mächig« rot« Kiste vor die Brust geschnallt, die vorn eine Glasplatte hatte. Man glaubte zunächst, daß es sich um einen Clown handele, der irgend- einen besonderen Trick ausführen wolle. Warr fetzt« sich auf«inen Stuhl und erklärte dann ruhig, wenn irgendwer auch nur die ge. ringste Bewegung machen würde, so werde er die ganze Stadt in die Luft sprengen. Er zeigte mit der rechten Hand auf die Glas- scheide der Kiste und lenkte die Aufmerksamkeit der Polizeibeamten auf 75 Dynamifftangen, die sich in der Kiste befanden und mit dem Zünder einer elktrischen Batterie in Verbindung standen. Seine linke Hand hatte er durch ein Loch in die Kiste gesteckt. Alle Finger an dieser Hand fehlten infolge eines Unfalls und waren durch Hol.z. finger ersetzt, die er selbst verfertigt hatte. Warr teilte den Poll- zfften mit, daß feine linke Hand auf einer Feder ruhe, und solange diese Feder heruntergedrückt würde, könne nichts passieren. Aber wenn er feine Hand fortnähme, dann wäre der elektrische Kontakt hergestellt und das Dynamit werde explodieren, wodurch er selbst und alle um ihn in weitem Umkreis in die Ewigkeit befördert würden. Man fragte den merkwürdigen Gast, was er wolle. Er er- widerte, er befehle, daß man den Präsidenten einer bestimmten Eisenbahngesellfchaft vor ihn bringe, damit er bei ihm eine besser« Behandlung seiner Arbeiter durchsetze. Die Polizei- beamten gingen auf sein Verlangen ein. Man gewann Zeit, indem man nach dem Präsidenten schickte. Unterdessen sorgte man dafür, daß die vielen Hundert Insassen des in dem Haufe befindlichen Poli- zeigesängnisses herausgeführt wurden und alle Lebewesen dos Polizeipräsidium verließen mit Ausnahme der in dem Zimmer An- wesenden. Das Erscheinen der Gefangenen auf den Straßen machte ungeheures Aussehen: die wildesten Gerüchte durchschwirrten die Stadt, und bald hatte sich eine Menge von Zehntansenden onge. sammelt. Man hielt das Ganze für einen Scherz.� Berichterstatter dranaen ein, um den merkwürdigen Witzbold zu interviewen, und ein Pbotograph wollte ihn im Bild« festhalten Unterdessen hotte man Warr 154 Stunde lang unter allen möglichen Borwänden be- ichäftigt. Dann gingen drei Detektive plötzlich zum Angriff auf ihn über. Zwei von ihnen hielten Warrs linke Hand wie in einem Schraubstock, während der dritte ihn durch einen Schlag mit seinem Polizeiknüppel betäubte. Zu gleicher Zeit wurde der Gloskasten ent- zweigeschlaqen. und die Dynamifftangen fielen auf den Boden, während die Zündung gefahrlos aufsprühte. Man mutz d>e Grausamkeit und Ungerechtigkest kennen, mit der im„freiesten Lande der Welt" die Arbeiterbewegung verfolgt wurde und wird, um solche sozialen Attentate zu begrrtfen. 25«? fft sicher