Und die Meuterei? Nach Herrn von Levetzow soll bei den meuternden Matrosen die Parole ausgegeben worden sein: s) Regierung will Frieden, Offiziere wollen ihn nicht. Jede Rei- zung des Gegners durch Vorstoß der Flotte hindert Frieden, deshalb wollen Offiziere offensiv vorgehen. d) Offiziere wollen Flotte hinausbringen und nutzlos ver- Nichten lassen oder gar selbst vernichten. Wer diese Parole formuliert hat, sagt Herr von Levetzow nicht. Aber seine Darstellung ergibt, daß sie jedenfalls den Nagel auf den Kopf traf. Und damit schließt sich der Beweis, daß der Ausbruch der Revolution auf der Hochseeflotte un- mittelbar und direkt herbeigeführt worden ist, durch den be- absichtigten„Todesritt", durch den frivolen Plan, 80 000 Menschenleben im letzten Augenblick des Krieges sinnlos auf- zuopfern. Damit bricht die Dolch st oßlegende in sich zusammen, denn ohne diese verbrecherische Idee wäre die Meuterei der Hochseeflotte, auf die diese Legende sich aufbaut, gar nicht erfolgt. Damit soll nicht behauptet werden, daß dann etwa die Revolution ausgeblieben wäre, denn sie war eine notwendige und fast automatische Folgererscheinung des militärischen Zusammenbruchs, ein historisches Elementar- ereignis. Aber bewiesen ist, daß alle Einzelheiten dieses Ausbruchs, die man jetzt zu dem Netz einer kunswoll angeleg- ten westreichenden Berschwörung verknüpfen will, in Wahr- heit absolute Zufälligkeiten sind. Eine bewußt auf die Revolution hinarbeitende Gruppe hätte diese Empörung auf der Flotte nicht arrangieren können: denn Voraussetzung dieser Meuterei war die wahnsinnige Absicht des„Todes- ritts", die nicht von irgendwelchen Revolutionären, sondern gerade von ihrer Gegenseite ausging und in ihrer phan- tastischen Wahnwitzigkeit von keinem„Dolchstößer" voraus- gesehen oder in seine Pläne einkalkuliert werden konnte. Solange die Flottenleitung die Absicht des„Todesritts" bestritt, konnte über die Dolchstoßlegende wenigstens noch diskutiert werden. Nach dem Eingeständnis des Konteradmi- rals von Levetzow ist die Dolchstoßlegende undiskutabel gs- worden und Herrn Coßmann gebührt das unfreiwillige Ver- dienst, durch Herausgabe des Dolchstoßheftes die Dolchstoß- legende ein für allemal wissenschaftlich erledigt zu haben._' Die Zukunft öer Reichsbahn. Ei« Erfolg deutscher Unternehmer. Vom Hauptbetriebsrat im Reichsverkehrsministe- rium wird uns geschrieben: In der Diskussion über das Gutachten der Sachverstän- digen spiest das Sonde rgutachten über die Eisenbahnen eine besondere Rolle. Der Bericht über die Eisen- bahnen ist auch darum von besonderem Interesse, weil von den beiden Verfassern, Sir W. M. Acworth und G. Le- verve, der erstere von der Entente gebeten war, gelegent- lich der Sanierung'Oesterreichs auch Vorschläge zur Reorgani- sation der österreichischen Bundesbahnen zu machen. Es lohnt sich darum, seinen Bericht über diese Au»- gäbe, der im Buchhandel erschienen ist, mit dem Bericht über die deutschen Bahnen zu vergleichen. Wenn auch zugegeben werden muß, daß die deutsche Reichsbahn nicht in allen Punk- tep eine mit den österreichischen Bundesbahnen vergleichbare Größe darstellt, haben doch beide Unternehmungen nach An- sicht der Sachverständigen sehr viele Punkte, die sich decken, Kim Beispiel: 1. Eigentum und Betriebsführung liegt in Staatshand und 2. das Personal hat zum bedeuten- den Teil den Beamten charakter, 3. die Defizite erst- standen durch die Unmöglichkest, die Tarife dem senkenden Geldwert anzupassen und 4. die vollständig ungenü- gende Bezahlung der Leistungen der Eisenbahnen für andere Reichsbetriebe und Ressorts, Post, Heeresverwaltung usw., 3. sie bilden internationale Fracht st raßen: 6. beide besolden das Personal unter der Grenze des Notwendigen und haben 7. zuviel Personal. 8. bei einer entsprechenden Umorganisation kann aus beiden Zuschußbetrieben ein Erfolgs betrieb gemacht werden. Als die Nachricht auftauchte, daß der Sachverständige für Oesterreich die deutschen Verhältnisse prüfen solle, hat wohl jeder, dem das Wohl und Wehe der deutschen Reichsbahn am Herzen liegt, sich die Broschüre Acworth verschafft und sich vor allen Dingen für den Teil interessiert, der die künftige Betriebsform der Bundesbahnen behandelt. In den Schluß- folgerungen empfiehlt dann dieser Bericht über Oester- reich die Beibehaltung des Staatsbetriebs, wenn er auch chie Beseitigung der dem Unternehmen schädigPl- den polittschen Einflüsse fordert. In dem Gutachten über die deutschen Eisenbahnen heißt es aber: „Es ist deshalb unumgänglich notwendig,«ine radikal« 21« n d e r u n g in der bisher befolgten Eisenbahnpolitik vorzunehmen. Aber wir glauben nicht, daß irgendeine deutsche löerwaltung die notwendige Kraft besitzen wird, um erfolgreich gegen die traditionelle Geisteseinstellung anzukämpfen, wenn nicht dauernd der Druck einer im Interesse der Alliierten eingesetzten und aufrecht- erhaltenen Sachverständigenkontrolle dahintersteht, um die Leitung in bezug auf die Tarife wie die Ausgaben zu über- wachen." Auch an anderen Stellen wird den leitenden Be- amten der Reichsbahn Unfähigkeit vorge- warfen, das Unternehmen wirtschaftlich auszubauen. Es wird selbst vor dem Vorwurf, sie litten an Größen- w a h n, nicht zurückgeschreckt. In Oesterreich wird die Beibehaltung des Staatsbetriebes
empfohlen und in Deutschland die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft. Woher kommt nun dieser Umschwung in der Stimmung der Sachverständigen? Er läßt sich nur aus einem Grunde erklären, nämlich aus der Art, wie die Kom- Mission arbeitete. In O e st e r r e i ch hat der Sachverständige in wochen- langen Beobachtungen die Sachlage an Ort und Stelle geprüft. In Deutschland standen für die viel schwierigeren Verhältnisse nur einige Tage zur Ver- fügung. Die Sachverständigen haben deshalb unbewußt die Stimmungen in das Gutachten hineinverpflanzt, welche sie aus der Literatur gewonnen haben, von der sie— wie der Hinweis auf gelegentliche Tagesarbeiten beweist— aus- gezeichnete Kenner sind. Sie haben also auch die verschiedenen Aeußerungen der angeblich deutschen Fachleute und das„Sachverständigengut- achten des Reichsoerbandes der deutschen Industrie" gekannt. In allen diesen Gutachten wird immer die Ueberführung des Staatsbetriebes in eine Aktiengesellschaft gefor- dert und mst beleidigenden Aeußerungen gegen die Betriebs- führung nicht gespart, wie z. B. Hemmung der deutschen Pro- duktion, Erdrosselung des deutschen Handels usw.
Ein großer öetrug der Wähler wird im Reichstage durch den Bürgerblock vorbereitet. — Den Rechtsradikalen soll die diktatorische Macht über Deutschland in die Kände gespielt werden. Durch öie politischen Meuchelmöröer soll Deutschland abermals an den Abgrund seiner Wirt- schaftlichen Lage geführt werden.— Diese Gewissen- losigkeit muß mit der größten Energie bekämpft werden. S r e i w i l l i g« B e i i r ä g e zur energischen Führung dieser Kämpfe in Berlin sende deshalb jeder, der es kann, schnell u. reichlich auf Post- scheck konto25erlm, 7ir. 46243, an Aler Pagets, Berlin EW. 6S, Lindenstr. 3.
Alle diese„Gutachter" kommen zu der Schlußsolgerung, daß die deutsche Beamtenschaft derartig einsei« tig. verknöchert und schwerfällig sei, daß ihnen die Fähigkeit, einen Betrieb wie die Reichsbahn zu leiten, abgehe. Man braucht sich also absolut nicht zu wundern, wenn Ausländer sich die Meinung zu eigen machen, die von führenden Leuten des Inlandes geäußert wird. Bisher war noch der Grundsatz geltend, daß der deutsche Beamte— was Leistungsfähigkeit und Verantwortungsgefühl betrifft— dem österreichischen in keiner Weise nachsteht. Die Angriffe der deutschen Privatwirtschaftler haben es aber geschafft, daß der Deutsche im Gegensatz zum Oesterreicher für die Führung eines derarttgen Betriebes wie die Eisenbahn für unfähig erklärt wird. Selbstverständlich haben die Sachverständigen, die ja zu dem Zweck nach Deutschland kamen, um die Reichsbahn als einen Aktivposten im Reparationsprobl�m zu prüfen, von ihrem Standpunkt aus die Angelegenheit betrachtet, und sie kommen zu der Schlußfolgerung, daß die Tarifpolitik der Reichsbahn bisher eine Waffe in den Händen des deutschen Handels und der deutschen Industrie gegenüber der Auslands- konkurrenz war und sie fordern darum eine r ü ck s i ch t s- lose Erhöhung der Tarife. Jetzt natürlich steht der Reichsverband der deutschen Industrie und die„Sachverstän- digen" da, wie der berühmte Lohgerber! Das Gutachten ist wiederum ein Beweis dafür, daß die deutschen Kapitalskreise in ihrer maßlosen Gier nach Profit dem Auslande die Waffen geliefert haben, mit denen sie selbst bekämpft werden und die deutsche Nation um ihr wertvollstes Gut gebracht wird. Trotzalledem haben diese Kreise nach wie vor den Mut. sich in der Oesfent» lichtest als die einzigen Nationalen hinzustellen!
?n eigener Sache.
In unserer Nr. 243 vom 27. Mai 1923 haben wir auf Grund von Informationen, die wir für verläßlich halten mußten, einen Artikel veröffentlicht und später entgegen einem Dementi ausrecht- erhalten, in dem das Reichsbankdirektorium ein« Ehrenkrän- k u n g sah,«eil daraus der von uns nicht beabsichtigte Vorwurf des Eigennutzes entnommen wurde. Das Reichsbankdirektorium hat daraufhin gegen die verantwortlichen Redakteure«inen Strafantrag gestellt. Inzwischen haben wir uns davon überzeugt, daß die In- formationen in den entscheidenden Punkten unrichtig waren. Wir erklärten uns daher bereit, die in dem Artikel aufgestellten Behaup- tungen zurückzunehmen. Dies geschieht durch die Veröffentlichung folgender Erklärung. In dem im„Vorwärts" Nr. 243 vom 27. Mai 1923 unter der Ueberfchrist„Reichsbank und Devisenpolitik" veröffentlichten Artikel sowie einer weiteren Notiz in Nr. 247 vom 39. Mai 1923 ist be- hauptet worden, daß die Reichsbonkleitung in einer Zeit, zu der das ganze Volk einer grenzenlosen Verelendung ausgesetzt werde, er- wäge, auf welche Weise den Dtrettoren Goldpensionen sicher gestellt werden sollen. Die Redaktion des„Vorwärts" gibt hierdurch die Erklärung ab, daß die aufgestellten Behauptungen auf einer irreführenden Jnfor- matton beruhten, und daß es niemals in ihrer Absicht ge- legen hat, gegen die persönliche Ehrenhaftigkeit der Mit- glieder des Reichsbankdirektoriums einen Vorwurfzuerheben. Dies gilt insbesondere auch bezüglich des inzwischen verstorbenen Präsidenten Dr. Havenstein, wie dies bereits in miferem Arstkel in Nr. 497 des„Vorwärts" vom 1. September 1923 betont worden ist.
Soweit— entgegen der Absicht der Redaktion — aus dem Artikel ein Vorwurf des erwähnten Inhalts entnommen werden kann, wird dieser Borwurf mit dem Ausdruck des Bedauerns hiermit zurückgenommen. Die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des aus Anlaß des eingangs erwähnten Artikels gegen unsere Redakteure einge- leiteten Strafverfahrens haben wir übernommen. Die sachliche Kritik der Währungspolitik der Reichsbank in der ftaglichen Zeit bleibt von dieser Erklärung unberührt. Berlin , den 24. Mai 1924. Redaktion des„Vorwärt s".
Kohlenbergbau unü Kohlenveroebeitung. Wir haben vor einigen Tagen an dieser Stelle eine Selbst- kostenberechnung für reine Kohlenzechen wiedergegeben, die von Arbeiterseite aufgestellt worden ist. Der Erfolg dieser lller- öffenrlichung ist einigermaßen überraschend. Während der über- wiegend« Teil der bürgerlichen Presse nämlich die Angaben der Zechenbesitzer über ihre Selbstkosten in der Regel sogar ohne jeden Vorbehalt nachdruckt, ging man im allgemeinen über die von uns wiedergegeb.ene Selbstkostenberechnung hinweg, ohne sie überhaupt zu erwähnen. Nur wenige Organ« machen davon eine Ausnahm«. Die von uns wiedergegebene Selbstkostenberechnung Hot ergeben, daß für den größten Teil der Zechen schon beim reinen Zechen- betrieb ein Verlust nicht in Betracht kommt. Diese Fest- stellung ist entscheidend für die Beurteilung der Forde- rungen der kämpfenden Bergarbeiter. Es kommt aber noch ein zweites hinzu: Die Rentabilität des Kohlenberg. baues stützt sich schon seit langem nicht mehr ausschließlich oder auch nur vorwiegend auf den reinen Zechenbetrieb, sie wird vielmehr her- beigeführt durch eine weitgehende Verarbeitung von Kohle, die teils in Kokereien erfolgt und dann wertvoll« Nebenprodukte (Teer, Ammoniak usw.) liefert, sowie durch den Anschluß des größten Teiles der Ruhrzechen an Eisenhütten, Walzwerke und stm- stige verarbeitende Betriebe. Das Bankhaus Schwarz, Goldschmidt u. Co. veröffentlicht soeben die Beteiligungsziffern der ZZereinigung für die Verteilung und den Verkauf von Ruhr- kohl« A.-G., dem Rechtsnachfolger des Kohlensyndikats, und zwar nach Konzernen geordnet. Wir geben die wichtigsten Zahlen im nachstehenden wieder: Bekeiligungszisiern der Vereinigung für die Verkeilung und den verkauf von Ruhrtohle A. G.(fr. Rhein. -Westf. Kohleusyudikat) Vach dem Stande vom I. April 1924 in 1999 Tonnen Rhein-Elbe Union....... 14639 2685 5560 Preußischer Fiskus(einschl. Hibernia) 12 9S8 3673 539 Harpener Bergbau A. G...... 9110 2 733 45 Gule-Hoffnungs-Hütle...... 7 567 1 573 1 835 Lothringen ...... J..» 6169 1978 34 Hoefch-Trier 6 137 1 184 940 StinneS 5975 954 434 Pbönix........... 4 939 1 221 2 675 Rheinstabl.......... 4 770 1101 1590 Essener Steinkohlenbergwerk,»» 4 589 567 � Krupp............ 4 046 1 658 3 500
,»», •.»» »»»«
»»»»» «»»».«
3 914 3 650 3 349 2 449 2 327 2238 2 000 1367 1200 1200
' *.»...H.
1126— 1 088 313 1000 800 900— 900— 740 150 700— 700— 515 84 300— 290 30 250— 200 80 160—
1 243 521 35 2 723 1 046 1 792 410— 300— 485 1 100 902 200 800 400 100 1 000 290
300
335 900 800
Mannesmann-Röhrenwerke. Thyssen........ Klöckner-Werke A. E Ewald.... Deurfche Erdöl-A.G Gebrüder Stumm Emscher-Lippe..... Mansfeld A. G.»«»»»««• Rombacher Hüttenwerke».»c»-« Westfalen.......»», Adler..... Mont-Cenis.., Hermann I— Hl. Diergardt........*".» Niederrheinische Bergwerks-A.G.»'. Westfäl. Bergbau-A.-G....»« Magdeburger BergwerkS -A.G.. WUhelmine Mevissen....»» Buderussche Eisenwerke».» Heinrich...... Jlseder Hütte.... Blankenburg Farbenkonzern»» Ver. Trappe Die Tabelle ergibt zunächst, daß weitaus der überwiegende Teil der zu Gesellschaften vereinten großen Zechenbetriebe überhaupt schwerindustriellen Konzernen angehört(Rheinelbe, Gule-Hoffnungs- Hütte, Hoesch. Lothringen . Stinnes. Phönix usw.). Einzeln« von ihnen, wie Rheinelb«. Krupp, Phönix, Rombacher Hütten, nehmen sogar einen erheblichen Teil der eigenen Kohlenproduktion für den Selb st verbrauch in Anspruch, also insbesondere für ihre Ver- arbeitungsbetriebe. Es charakterisiert die Entwicklung der letzten Jahr«, daß ein großer Teil der schwerindustriellen Werke ihre Kohlenbasi» durch Ankauf von Zechen erweitert hat. So verfügten die Mannes- mann-Röhrenwerk« 1914 über 7, heut« dagegen über 20 Schacht- anlagen: sie hatten im alten Syndikat eine Absatzbeteiligung von 885 000 Tonnen Kohle und 305 200 Tonnen Koks, heute dagegen «ine solche von 3 914 100 Tonnen Kohle und 1 243 000 Tonnen Koks. R h e i n sta h l verfügten 1914 über 6, heute über 18 Schachtanlagen: ihre Beteiligung betrug 1914 noch 515 000 Tonnen Kohle und 100 000 Tonnen Koks, jetzt beläuft sie sich auf 4 770 300 Tonnen Kohle und 1 401 250 Tonnen Koks, also fast genau zehnmal soviel. Wollte man den Bergarbeitern gerecht werden, so müßt« endlich eine öffentliche Untersuchung der Selbstkosten im Kohlenbergbau erfolgen, die nicht von Arbeits- und Wirtschafts- bedingungen ausgeht, unter denen der Kohlenbergbau vor zwanzig Jahren stand, sondern die den veränderten Existenzbedingungen des heutigen Kohlenbergbaues angepaßt sind. Man wird dann wahrscheinlich zu auffallenden Ergebnissen kommen.
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