Hr. 246 ♦ 41. Jahrgang
2. Seilage öes vorwärts
dienstag, 27. Mai 1924
Der Ruhrkampf vor öem tanötag.
In Besprechung der sozialdemokratischen urtd kommunistischen Anträge zum Kampf der Bergarbeiter an der Ruhr h elt am Montag Genosse husemann ein« treffende Abrechnung mit den Unternehmern. Im Anschluß an die schon im Montag<>bend-„Borwärts" wiedergegebenen Ausführun. gen sagte der Redner: Das Monaisgehalt eines Generaldirektors beträgt(5000 Gotd- mark, eines Betriebsdirektors ZOOO Goldmark, eines Betriebsführers 900 und eines Fahrsteigers 600 Goldmark. Dazu kommen noch die Tantiemen für Förderleistungen und Prämien und dergleichen mehr. Man ist ober übergeschnappi, als die Forderung von 30 Proz. Lohn- «rhöhung herauskam und geantwortet wurde, daß eine Lohnerhöhung bei der jetzigen Lage des Ruhrbergbaus unter keinen Um- ständen in Frage kommen könne, weshalb Verhandlungen darüber zwecklos seien! Schlichtungsoerhandlungen wurden künstlich hinausgezogen, bis schließlich doch die ISprozenige Lohnerhöhung ab 15. April bewilligt werden mußte. Aber bei der 5tündigung des Manteltarifs wurde in Aussicht gestellt, 21 für die Arbeiter wichtig« Positionen zu verschlechtern, vor ollem die Arbeitszeit. Der Schiedsspruch vom 28. April legte in der sxrupt- sache den früheren Zustand wieder fest, für die Kokerei- und Brikett- orbeiter die achtstündige Arbeitsschicht. Der Schiedsspruch wurde von uns abgelehnt. Die Lohnerhöhungen wurden von uns ange- nonimen, aber von den Unternehmern abgelehnt, und es kam dann zu dem Beschluß, nachdem die Mehrarbeitsabkommen abgelaufen waren, nun die tarifliche Arbeitszeit, die nach der Arbeitsord- r.ung maßgebend war. zu verfahren und die Bergarbeiter entsprechend anzuweisen. In den Verhandlungen vom 3. Mai in Hamm unter dem Vorsitz des Reichsarbeitsministers wurden beide Schiedssprüche in zwei wesentlichen Punkten abgeändert und dieser Spruch für ver- bindlich erklärt. Da nach§ 25 der Schlichtungsordnung eine Aende- rung nur zulässig sit, wenn die Parteien zustimmen und eine solche Zustimmung der Arbeiterverbände nicht erfolgte, blieb es bei dem Beschluß vom 30. April, 7 bzw. 8 Stunden zu arbeiten und dann auszufahren. Aber noch bevor dieser Beschluß herauskam, wurde vom Zechenverband die Aussperrung von 460000 Arbelleru beschlosien und wurden die Betrieb« geschlosien. Der Redner begründet nun die Rechtsausfasiung. daß bei der Abfassung der Arbeitsordnung und des Tarifvertrogs kein Mensch daran gedacht hat, daß unterliefe Bestimmungen auch etwaige Ab- kommen über die Ueberarbeit fallen sollten, sondern daß nur die rein« tarifliche Arbeitszeit damit gemeint war. Abg. Husemann verweist dann darauf, daß nach dem Schicdsspruch vom 16. Mai der Lohn, den die Arbeiter im April verdient haben, der Restlohn nun ausgezahlt wird vom 22. Mai bis zum 2. Juni. Am Freitag und Sonnabend der vorigen � Woche sind Beträge von 20 bis 25 M. ausgezahlt worden. Diese» Beirög?, die in die Hunderttausende hineingchen, stehen' den Unternehmern für einen ganzen Monat ohne Verzin-' sung als Betriebsmittel zur Verstigung! Auch auf diesem Gebiet will man die früheren Zustände wieder einführen und kein Entgegenkommen zeigen. Di« Unternehmer machen nicht einmal den Versuch, sich in die Seele des Bergarbeiters hineinzuversetzen. Sie sagen: wir diktieren und die Arbeiter haben einfach zu gehorchen! Das stellt iogar die..Rhein.-West f. Ztg." fest. Bei den Beratungen über Kohlcnpreis« und andere Fragen im Reichskohlenrat im vergangenen Jahre hat der Generaldirestor Dr. Pietschek vom Mitteldeusichen Braunkohlenbergbau die bezeichnenden Worte fallen lassen:„Was kann der Bergbau dafür, daß die Bergarb'eiter hungern müssen; die W irisch oft will lebe nl" Ja, ist denn die Bergarbeiterschaft nicht ein sehr wichtiger Teil unseres Wirsichaftslebens, und kann unser Wirtschaftsleben in Gang gelösten werden, wenn es nicht ge- liunt, die Arbeitsfreude und Arbeitslust der Bergarbei- ler zu heben und zu erholten? Mein« Damen und Herren, durch all« diese Vorgänge, die sich da abgespielt haben, ist der Wille der Bergarbeiter entstanden, nach- dem sie einmal ausgesperrt worden sind, nur in die Betrieb« zurück- zukehren, wenn ihren Wünschen einigermaßen entsprochen worden ist. Der Bergmann sagt vielfach: Jetzt oder nie; mir lassen uns die 7-Stundcnschicht untertoge, wir lassen un« die 8-Stunden- Arbeitszeit übertage nicht«in für allemal rauben, wir find bereit, wenn es die Wirtschaft erfordert, mehr zu arbeiten, aber wir wollo? diese\ ZNehrarven als solche bewertet und auch bezochlt bekommen. Auch der Staatsbergbau hat dieselben Mittel wie vom Zechenverband angewandt.(Hört! hört! bei den Soz.) Wenn der Minister anders beraten gewesen wäre und man nach Mitteln und Wegen gesucht hätte, dann hätte sich ein Weg finden lassen, um zu einer anderen Lösung zu kommen für den Staatsbergbau, für die Hibcrnia und auch für den oberfchlesifchen Staatsbergbau, die es nicht notwendig mochte, die Arbeiter wochenlang auf die Straße zu werfen. Kaufmännisch betrachtet war das auch nicht klug. (Sehr gut! im Zentr.) Der Schaden für die Werk« ist so groß, daß es längere Zeit dauern wird, bis das wieder herausgearbeitet worden ist und die Arbeitsfreudigkeit der Arbeiter hat einen ungeheuren Stoß bekommen, und es wird lang« dauern, bis die Leistung vom März und April wieder erreicht wird. Für die in Not ge- raiene Bevölkerung müssen, nach unserem Antrag, Staatsmittel zur Verfügung gestellt weiden, und es mühte für den Staatsbergbau eine Sonderregelung getroffen werden. Wir verlangen, daß auf die Reichsregierung eingewirkt wird, damit sie stärker als bisher Druck ausübt. Im Reichsarbeitsministerium ist seit ungefähr Jahresfrist eine völlige Umstellung eingetreten. (Sehr richtig! bei den Soz.) Man setzt sich dort für ein« dauernd- Verlänaeruna der Arbeitszeit ein. Davon kann ,m Bergbau kerne Rede(«in, weil sonst die Gefahr des völligen Zu ammen- bruchs unserer Wirlsckast klar vor Augen ntt es ist höchste Zeit, denn e? sind Kräfte am Werke, diesen W,rtschaftskampf in«inen politischen Kampf umzukehren(Zurufe b d. Komm.). «efen Wirtschaftskampf für die politiftpen Zwecke Ihrer Partei (zu den Komm, auszunutzen, und Sie haben 1« m den letzten Tagen und Wochen das Menschenmöglichste hierin geleistet. Nur einige Beispiele dafür: Da wird davon geredet, daß die Leute mit de" Spitzhacke auf die Unternehmer und auf die ArbeitMmeinfchaftler einhcuen sollten.„Schlagt sie nieder, diese Verräter! Beseitigt sie. wo Ihr sie findet! Nehmt der Polizei die Revolver ob. und wenn Ihr keine Wafsen lzabt, dann nehmt Hacken- stiele und Spitzhacken usw Ja man schreckt nicht davor zurück, die ausgesperrten Arbeit«: geradezu in die Bojor'ette und die Gewehre der B e s a tz u n g s tr u p p e n hineinzuagitieren. lLachsn bei den Komm.) Wenn Sie lachen, dann zeigen Sie nur �ihre Ver l« g« n h« j t. In der Konferenz am 18. d. M. m Bochum hoben Sie, Herr Sobottka, selbst eine solche Forderung erhoben. «Abg. Sobottka: Schwindel') Nein, ich kann nicht so gut schwindeln wie Sie!«Unruhe bei den Komm) Im„Ruhrecho" vom letzten Freitag wird z. V. berichtet, die Sozialdemokraten hätten in einer Versammlung abtrelen müsscu, die vom Verbände der Bergarbeiter nach dem Schützenhof einberufen worden war, und kommunistische
Redner hätten an ihre Stelle treten müssen. An der ganzen Meldung ist kein wahres Wort. In dem„Ruhrecho" vorn Sonnabend wird das Gegenteil berichtet, ohne daß man den vorigen Bericht widerruft oder ihn richtigzustellen versucht!(Hört, hört!) Durch die Politik der Unternehmer wie der Kommunisten kann unserem Wirischastskeben und unserem deutschen Volke nicht gedient werden. Ich bitte Sie daher, unseren Antrag anzunehmen. Vor allen Dingen bitte ich die Staatsregierung und besonders den Handels- minister, feinen ganzen Einfluß auszuüben, damit es endlich zu einer erträglichen Regelung im Bergbau kommt und die Bergarbeiter, die im Ruhrgebiet arbeiten wollen. nicht an der Ausübung ihrer Arbeit gehindert werden, damit sie aber unter Bedingungen arbeiten, unter denen ihnen es auch wirklich möglich ist, ihrem schwierigen Beruf nachzugehen.(Lebhafter Beifall bei den Sog.) Abg. Sieger(Z.) führt aus, daß bei etwas gutem Willen der Unternehmer der Kampf hätte vermieden werden können. Allein, die Grubenherren wollten grundsätzlich den Siebenstundentag untertage durch den Achtstundentag ersetzen. Sie wollen diktieren. Auf diese Weise kämen sie jedoch sicherlich nicht zu ihrem Ziel. handelsminisier Sierin-g schildert setne Bemühungen um eine rasche Beilegung des großen Kampfes. Ich habe bisher, erklärt der Minister, zweimal Gelegen- he!t gehabt, bei der Beratung des Bergetats auch zu der Frage der achrstüTidigen Arbeitszeit Stellung zu nehmen, und ich vertrete nach wie vor die Auffassung, daß die in den Novembertagen 1918 fest- gesetzte Arbeitszeit geltendes Recht in Deutschland sein muß.(Zu- rufe d. Komm.) Daß der Achtstundentag für die Bergarbeiter untertage ein« sieben stündige Arbeitszeit bedeutet, sollten Sie auch wissen. Die Angriffe gegen das Handelsministerium gehen in mehr- facher Hinsicht von falschen Voraussetzungen aus. Die Ursache des Konflikts liegt in den Uiicum-Berlrägen. Wenn 27 Proz. der Ruhrförderung unentgeltlich an die Besahungs- mächte obgetveien werden müssen, wenn dazu noch zirka 12 Proz. Zechenselbstverbrvuch kommen, so sind von der Gesamtfördcrung nur etwas mehr als 61 Proz. gegen Entgelt verkäuflich. Bei den preu- ßsichen Staatsgruben ist aus geologischen und anderen Gründen das Verhältnis noch etwas ungünstiger. Aus dem Erlös von 61 bis 65 Proz. der Förderung muß also die Befriedigung der gesamten Selbstkosten gesucht werden. Das wäre nur möglich, wenn der Ruhrbergbau und die Staatszechen den Kohlenpreis beliebig fest- setzen könnten. Der Preis wird aber durch die A b sa tz m o g l i ch- k e i t diktiert. Der Absatzradius der Ruhrkoh!« ist gegenüber der Zeit vor der Ruhrbefetzung aufs äußerste eingeschränkt, der Preis der Ruhrkohle liegt wesentlich über der Preishöh« aller anderen deutschen Bergrevier« und über dem Weltmarktpreis. Die Folge ist, daß sich die Förde nnöglichkeit des Ruhrbergbaus überhaupt nicht auswirken kann, weil die durch den Mieum-Vertrag bedingte Preis- höhe den Absatz aufs stärkst« obdrosselt. Unparteiische Bergbau- leut« schätzen den durch das Micum-Abkommen bedingten Aus- fall auf mähr als 50 000 Tonnen täglich. Das bedeutet«inen Ausfall von mehr als 15 Millionen Tonnen im Jahr. Der Minister gibt nun in anschaulicher Weise ein Bild der besonde- ren Lage des preußischen Staatsbergbaus; die. erforderlichen Zuschüsse sind so erheblich, daß der Finanzminister schon mehr- fach Einspruch erhoben bat. Unter der Voraussetzung, daß das Reich spätestens in zwei bis drei Monaten die Bezahlungen der Neparotionslieferungeii an de Staats-bergwerke wieder aufnimmt, der zurzeit ungünstig« Kohlenabfatz sich allmählich bessert und die westfälischen Kohlenpreise, die augenblicklich über den englischen stehen, wesentlich ermäßigt werden, werde die staatliche Bergwerks- direktion Recklinghausen vom November 1923 bis Ende 1924 einen Zuschuß von voraussichtlich 27,5 Millionen Mark und, ein- schließlich der weiteren, vom 1. Juni ab fällig werdenden Zinsen — jetzt müssen wir 2 2 Proz. Zinsen jährlich zahlen— einen Gesamtzuschuß von mehr als 30 Millionen Mark erfordern. Der Minister betont, daß die Kündigung des Manteltarifs durch den Zechenverband, bevor das Arbeitszeitabkommen gekündigt war, zweifellos taktisch unklug und sachlich nicht gerechtfertigt war.
Die Behauptung der Arbeiter, daß durch die Kündigung des Mantel- tarjfs erst die Kündigung des Arbeitszeitabkommens provoziert wor- den fei. ist in den bisherigen Verhandlungen nicht plausibel genug begründet worden. Beide Parteien hatten seit der Erzwingung der Micumverträge schwer zu leiden. Um so notwendiger war es, daß die Arbeitgeber trotz aller Zwangslage die Gefühle, die Leiden und Stimmungen der Bergarbeitermasie bei ihrem taktischen- Vorgehen berücksichtigten. Das ist nicht immer geschehen, und so entstand!n den Bergarbeitermassen eine gefährlich« Hochspannung. Am 3. Mai lag ein verbindlich erklärter Schiedsspruch des Reichs- arbeitsministers in der Mebrarbeitsstage und in der Lohnfrage vor. Der preußische Handelsminister hat-die amtliche Aufgabe, Schlich- tungswesen. Arbeiterrecht imd Torifwesen im preußischen Staat zu betreuen. Ich frage, ob ich tn dieser Eigenschaft mich am 5. Mai über die vom Reichsarbeitsminister am 3. Mai ausgesprochene Der- bindlichkeitserklärung hinwegsetzen konnte. Ich behaupte nein. Ich hätte damit der Autorität des Schlichtungswesens einen tödstichen Stoß versetzt.(Zurufe bei den Komm.) Ick? betone; Der Kollektiv- Arbeitsvertrag, dessen rechtlsth« Fundamentierung nicht zuletzt im heute geltenden Schlichtungswesen ruht, ist doch zweifellos eine wert- volle Errungenschaft für die Arbeiter, wertvoller als für den Unter- nehmer. Am 5. Mai bestanden für die Leitung des Staatsberg- bau es zwei verbindlich erklärte Schiedssprüche, die für mich bindend fein mußien. Als am 6. Mai die Betriebsräte meinen Kommissar anriefen und anfragten, ob sie nicht sieben Stunden verfahren könnten, wurde ihnen die Frage vorgelegt, zu welchem Lohnsatz, ob'die siebente. Stunde gegen Siekenstundenlohn oder gegen den bisherigen Acht- stundenlohn, zuzüglich der 15 Proz. aus oem verbindlich erklärten Schiedsspruch, arbeiten wollten. Der Betriebsrat verlangte das letztere.(Hört, hört!) Das war bei unseren Zubußen eine glatie Unmöglichkeit. — Wenn es endlich zu einer Aussprache zwischen den Parteien und der Reichsregierung kam mit anschließenden Schlichtungzverha».dlur!gcn, so darf ich konstatieren, daß meine Kom-- missar« das Ihrige dazu beigetragen Und den entscheidenden Anstoß gegeben haben. Leider hat auch der am 15. Mai gefällte Schieds- fpruch den Konslikt nicht beendet. Die preußische Staatsregierung niiinscht aufs dringendste im Interesse der beteiligten Arbeiter und der deutschen Wirtschast, daß der Streit unverzüglich beigelegt wird. Di« preußische Staatsregierung hat ihre Dienste zur Permittlung nicht o e r sa g t und ernerit bei der Reichsregierung nachdrücklichst Borstellungen erhoben, um nochmals Verhandlungen herbeizuführm. Die am Montag begonnenen Verhandlungen im Reichsarbeits- Ministerium sind in erster Linie auf die Jntiative des preußischen Handelsministeriums zurückzuführen.(Beifall.) Abg. Mariin(Dnat.) spricht sich dafür aus, daß es in dem Ringen on der Ruhr weder Sieger noch Besiegte gäbe. Abg. Dr. Pinkerneil(D. Vp.), der so gut wie allein den Stand. punkt der Grubenherren zu verteidigen suchte, betonte, das Rechts- gutachten der fünf Professoren, zu denen auch Sinzheim «? gehör«, spreche zugunsten der Aussassung der Unternehmer. Abg. Sobottka(Komm.) erklärte, es handle sich nicht so sehr um die 8-, als um die 8>-stündige Schicht unter Tage,.die erzwungen werden solle» Abg. Limberh(Soz.) f.s„- kritisierte nochmals die kurzsichtige Haltung des Untenrehmerdrms und zitierte zu diesem Zweck auch die„Frankfurter Ztg.", die darauf hinweist,.daß seil Slbbruck des Ruhrkampfes die Grubenherren es an jeglichem Versuch zu einer Velständigung hätten fcljlctn lassen. Wir wissen, betont« Limbertz, wie von Tag zu Tag. von Stunde zu Stunde der Groll in der Bergarbeiterschaft sich anhäufte. Die ältesten Bergleute erklären heute, lieber Gras fressen zu wollen, als nochmals ohne Sicherstellung ihrer Rechte in die Grube zu gehen.(Beifall links.) Nach weitsrsn Ausführungen, die neues nicht ergaben, schloß die Aussprache. Der sozialdemokratische Antraq wurde dem Haupt- ausschuß überwiesen, der Antrag der Kommunisten, der die sofortige Amtsenthebung des preußischen Handelsministers und des Reichs- arbeitsministers forderte, wurde abgelehnt. Das 5) aus vertagte sich auf Dienstag 11 Uhr.
Ich ha«' einen Kameraöen...
Die Aussagen im Thormann-Grandel-Prozeh Bereits der erste Tag des Thormann-Grandel-Prozesses eröffnete einen Einblick in den Sumpf der sogenannten vaterländischen Vereinigungen, der für die gesamte Bewegung v e r n i ch t e n d ist. Die Thormann und Grandel geben sich als Anhänger der Alldeutschen C l a ß s ch e r R i ch- t u n g, aber sie haben zu gleicher Zeit intime Fühlung mit den Nationalsozialisten um Graefe, Wusse, Hitler und Ludendorff. Sie behaupten unpolitisch zu sein, aber ihre gesamte Tätigkeit ist im höchsten Grade politisch. Sie be- haupten, das Spitzeltum bei den Nationalsozialisten bekämpft zu haben, aber sie selbst haben nach ihren eigenen Aussagen in der verwerflichsten Weise gespitzelt. Da ist dieser T h o r m a n n, ein Kaufmann mit sehr be- wegter Vergangenheit, von dem sein Mitangeklagter Grandel behauptet, er habe ihn in Berlin um eine Stellung an- geschnorrt und er habe ihn im Verdacht, daß er Geld von ihm herauspressen wollte. Thormann gibt sich als Ehrenmann vom Scheitel bis zur Sohle.„Vaterländische" Motive sind es, die ihn geleitet haben, der Wunsch, den nationalsozialistischen Parteisekretär o. Tettenborn als Spitzel zu entlarven und als solchen Graefe und Ludendorff zu denunzieren, führte ihn. wie er sagt, nach Berlin . Um sein Ziel zu erreichen, bespitzelt er Tettenborn, um sein Ziel zu erreichen, reicht er nach seiner Behauptung dem bespitzelten Spitzel die Hand zu einem Mordanschlag auf den Chef der Heeresleitung General v. Se e ck t. Dieser ehrenwerte Vertreter der alldeutschen Gattung Mensch ist so selbstlos, daß er dem Spitzel Tettenborn, der angeblich als Sekretär der Nationalsozialistischen Freiheits- partei Hungergehälter bezog, an die 2l)(1 Dollar für die Aus- führung des sauberen Mordplanes opferte. Aber war Thor- mann nicht ein verkrachter Kaufmann, der Grandel um einen Unterschlupf gebeten hatte? Woher stammen also die 200 D o l l a r? Die Frage ist vorläufig unbeantwortet ge- blieben. Sie aufzuklären wird eine der wichtigsten Aufgaben des Prozesses sein. „Ich wollte die Tettenborn und Köppke fangen", sagt Thor- mann. Aber die Tettenborn und Köppke waren gerissener als er, sie haben ihn gefangen. Spitzel»st and gegen Spitzel und die Frage war nur, wer den andern über-
.— Spitzel gegen Spitzel. — Alles um Geld. spitzelte, von diesen vaterländischen Gestalten, die mit Claß, Kahr, Graefe, Hitler, Wulle und Ludcndorff in Verbindung standen. Ich halt' einen Kameraden... Grandel heißt einer dieser Kameraden. Er stand zu H i t l e r, K a h r und Claß in engen Beziehungen. Aber er war beileibe kein Politiker. Wie sein Komplice Thormann ist er rein„vaterländisch" eingestellt.„Freiheit, Heimat, Vater- land" heißt sein Wahlspruch. Aber seltsam, dieser so gänzlich unpolitische Dr. ehem. Grandel ist einer der Hauptgeldgeber der Nationalsozalisten, er saß als Beirat im W i r t s ch a f t s- rat des Ge>ieral st aatskom missars Kahr, be- arbeitete die Währuugsfrage und drängte zur„I n i t i a- t i v e". Er war ein intimer Freund des Justizrats Claß und bemühte sich eine Brücke zwischen den Nationalsozia- listen und den Alldeutschen zu schlagen. Wahrhaftig eine gänzlich unpolitische Betätigung! Und— seltsam— ausgerechnet in den Tagen, an denen der Mordplan gegen Geeckt zur Ausführung gebracht werden soll, taucht der ehren- werte Herr Grandel in Berlin auf und trifft hier„zufällig" den Mitangeklagten Thormann.„Ich kannte ihn nur flüchtig", sagt der Herr Dr. eimm.„Ich wünschte keine Bierbaukbekannt- schasten." Aber seltsam. Dieser flüchtige Bekannte Thormonn zieht dann den Grandel ins Vertrauen, er bittet ihn,' sich Tettenborn einmal genauer anzusehen. Und Dr. Grandel? Er lehnt diese sonderbare Zumutung des flüchtigen Bekannten nicht etwa ab. er lädt im Gegenteil die Thormann. Tettenborn und Stoppte zu einem solennen Schmaus ein. Da saßen nun die vier„Vaterländischen" und sprachen— über d e n M o r d p l a n g e g e n S e e ck t. Aber nicht etwa, so be- haupten sie nachträglich, um den Chef der Hzeeresleitung über den Haufen zu schießen, sondern um sich gegenseitig der E h r e und der Freiheit zu berauben. Ich hatt' einen Käme- raden... Bei seiner Vernehmuna vor dem Schwurgericht des Land- gerichts I führte Thormann weiter aus: Tettenborn teilte mir bei unserer ersten Unterredung im Lokal der Volkischen Fmheits- Partei mit, daß er jämmerlich bezahlt werde und sich mit seiner Familie n o ch n> ch t e, i, m a l s a: t e s I«>' könne. Als v. Testen- forn einen Augenblick abberufen wurde, legte ich ihm ein�n Zwanzig-Dollar-Schein aus den Tisch. Ich bat ihn