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Nr. 255 41. Jahrgang

Trotki als Ankläger.

3. Beilage des Vorwärts

hierarchie jenen Apparat bildet, der die Meinungen und Entschlüsse der Partei erzeugt. Auf diese Schicht, die sich jeder eigenen Meinung enthält, folgt eine breite Schicht der Mitgliedermasse der Partei, die jede Entscheidung nur in Form einer Aufforderung oder eines Be fehls zu Gesicht bekommt. In dieser grundlegenden Schicht der Partei herrscht eine außerordentliche Unzufriedenheit, die zum Teil vollkommen berechtigt, zum Teil durch zufällige Ursachen hervorgerufen ist. Diese Unzufriedenheit wird nicht durch offenen Meinungsaustausch in Parteiversammlungen oder durch Einwirkung der Mitgliedermassen auf die Organisationsleitungen der Partei be­feitigt, sie häuft sich vielmehr insgeheim an und bildet innere Geschwüre in der Partei.

Bergarbeiterhilfe!

Die Bonzenwirtschaft in Sowjetrußland. Als vor etwa einem halben Jahr die Parteidiskussion bei den russischen Kommunisten einsetzte, wandte sich Trofi an das Zentralkomitee mit einem Memorandum, dessen Tert bisher der Deffentlichkeit vorenthalten wurde. Wir sind nun in den Besitz dieses Memorandums und einiger anderer Materialien, im besonderen der Antwort des Zentralkomitees an Trotti gelangt. Von besonderer Bedeutung ist das Memo­randum Trogkis. Obwohl es vor einem halben Jahr verfaßt ist, hat es nicht im geringsten seine Aktualität eingebüßt. In diesem Dokument spricht Trokki offen und ungeschminkt seine Meinung über die russischen Zustände aus. Hier stellt er nicht, wie in feinen Zeitungsartikeln oder Interviews mit ausländi­schen Journalisten eine Reihe diplomatisch frisierter Säge zu­fammen, sondern er fonstatiert flipp und flar, daß in der Lei­tung des Wirtschaftlebens ein völliges Chaos herrscht, daß zwischen der Bauernschaft und der Arbeiterklasse ein Ab­grund klafft, daß in der Kommunistischen Partei eine tödliche, stickige Luft herrscht, daß die allgemeine Unzufrie denheit außerordentlich heftige Krisen heraufzubeschwören droht usw. Wurden diese Feststellungen bisher von sozial­demokratischer Seite gemacht, so erhob die kommunistische Presse in allen Ländern ein Geschrei über die sozialverräte­rischen" menschewistischen Verleumdungen. Jeht jedoch wer­den alle diese Dinge allerdings nur in einem vertrau lichen Memorandum von einem der verantwort lichsten Leiter der Sowjetpolitik unumwunden zugegeben. In­sofern gewinnt das Memorandum Troykis, aus dem wir nach stehend die wichtigsten Abschnitte wiedergeben, eine histo- rungen von Not in den Familien zu. rische Bedeutung.

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I. Die Lage in der russischen Kommunistischen Partei. ,, Die außerordentliche Verschlechterung der inneren Zustände in der Partei geht auf zwei Ursachen zurück: a) auf das in seinem Kerne falsche und ungesunde Regime in der Partei, und b) auf die In­zufriedenheit der Arbeiter und Bauern wegen ihrer schweren wirt­schaftlichen Lage, die nicht nur infolge der objektipen Schwierigkeiten, fondern auch infolge der offensichtlichen grundlegengen Fehler der Wirtschaftspolitik entstanden ist.

Das ungeheuerliche Mißverhältnis der Preise. bei der Schwere der Grundsteuer, die insbesondere durch ihre Unvereinbarkeit mit den vorhandenen wirtschaftlichen Beziehungen drückend empfunden wird, hat erneut die äußerste Unzufriedenheit der Bauern hervorgerufen. Diese Bolitik hat direkt und indirekt auf die Stimmung der Arbeiter gewirkt. Schließlich hat die veränderte Stimmung der Arbeiter jetzt auch die Partei in Mit leidenschaft gezogen. Es sind oppofitionelle Gruppen aufgetaucht, die an Stärke zunehmen. Ihre Unzufriedenheit hat sich verstärkt. So hat sich die engere Berbindung" mit der Bauernschaft in ihr Gegenteil verwandelt. Wer das früher nicht vorausgesehen hat oder bis zuletzt dagegen die Augen verschloß, hat jetzt eine gute praktische Lehre empfangen.

Bei den Ernennungen und Absehungen wurden die Mitglieder der Partei bisher hauptsächlich unter dem Gesichtspunkt eingeschäßt, in welchem Maße sie jenes Regime in der Partei, das inoffiziell, aber dafür um so wirksamer vom Organisationsbureau und Sekretariat des Zentralkomitees durchgeführt wurde, fördern oder verhindern würden. In den letzten anderthalb Jahren entstand eine besondere Sekretärpsychologie, deren Grundzug in der Ueberzeugung besteht, daß der Gefretär in der Lage sei, alle und jede Frage ohne Kenntnis der Dinge zu entscheiden. Wir sehen auf Schritt und Tritt, wie Genossen, die feinerlei organisatorische oder administrative Fähigkeiten aufwiesen, solange fie an der Spitze einer Sowjetbehörde

standen, in dem Augenblick, wo sie auf den Posten eines Sefretärs gelangen, in diftatorischer Weise über wirtschaftliche und andere Fragen entscheiden. Durch die Anwendung dieser Sekretärmethoden hat die Bureaukratisierung des Parteiapparates ein ungeheuerliches Ausmaß erreicht. Wenn wir in den schlimmsten Stunden des Bürgerkrieges in den Parteiorganisationen und selbst in der Presse über die Heranziehung von Fachleuten, über die Diszi plin und sonstige Fragen stritten, so findet jetzt selbst über Fragen, die die ganze Partei lebhaft interessieren, fein offener Meinungs­austausch statt. Es hat sich eine ziemlich starte Schicht von Partei­funktionären herausgebildet, die als Bestandteil des Staats- oder Parteiapparates völlig jede eigene Parteimeinung preisgegeben haben, mindestens soweit diese offen zum Aus­drud gelangt, gleichsam als seien fie der Ansicht, daß die Sekretär­

Die Bergarbeiter des Ruhrgebiets, die während der Besetzung große soziale Not durchgemacht haben, stehen seit Wochen in einem Kampf um Cohn und Arbeitszeit.

Für die Unterstützung des Wirtschaftskampfes haben die Ge­werkschaften allgemeine Sammlungen eingeleitet. Kein Arbeiter, der im unbesetzten Deutschland zurzeit Lohn und Brot für sich und feine Familie hat, entzieht sich dieser Pflicht der freiwilligen Bei­tragsleistung.

Jedoch über diese Leistungen hinaus gilt es kulturgüter zu wahren, gilt es häuslichkeit, Familienleben, Gesundheit der Frauen und Kinder zu erhalten.

Dem Hauptausschuß für Arbeiterwohlfahrt gehen durch seine erprobten Vertrauensleute erschütternde Schilde­3ft durch den Schiedsspruch des Arbeitsministers diesem Wirt­schaftskampf nun auch vielleicht ein absehbares Ziel gesetzt, fo bleiben doch noch für längere Zeit die furchtbaren sozialen

Nöte der verarmten Familien bestehen. Mit leeren Händen stehen unsere Helfer und Helferinnen dieser graufigen Not gegenüber.

Der Hauptausschuß für Arbeiterwohlfahrt ruft deshalb den klaffengenossen und Freunden der ausgesperrten Bergarbeiter, die schon so vieles ertragen haben, zu:

Helft! Helft auch mit kleinen Beiträgen! Die Summen werden den Orts- und Bezirksausschüssen für Arbeiterwohlfahrt zur Verfügung gestellt, die sie in Form von Gutscheinen auf Lebensmittel auf den Konsumgeschäften ausgeben. Auf Gutscheine zu 1 Mt. werden ausgegeben:% Pfd. Fett, 1 pfd. Mehl, 1 Pfd. Erbsen, 3 Pfd. Brot. Jeder, der 1 Mt. für einen Gutschein gibt, hilft einer Bergarbeiterfamilie über einen Hungertag hinweg. Arbeiter! Genossen! Hier hilft uns niemand! Alle anderen Organisationen versagen! Hier können wir nur selber helfen! Geldsendungen werden erbeten an Frau Marie Juchacz , Konto: Fr. Bartels- M. Juchacz, bei der Diskonto- Gesellschaft, Berlin

SW. 68, Lindenstr. 3.

Ich muß so schließt Trogli diesen Abschnitt- fonstatieren, daß meine Bemühungen während der letzten anderthalb Jahre feine Ergebnisse gezeitigt haben. Das kann dahin führen, daß die Partei durch Krisen von außerordentlicher Schärfe über­rascht wird. In diesem Falle wäre die Partei berechtigt, jeden, der diese Gefahr sah, fie aber nicht offen beim Namen nannte, dessen zu beschuldigen, daß er die Form über den Inhalt stellte."

II. Die Wirschaftslage und die kommunistische Politik.

" Das wichtigste Moment der gegenwärtigen Lage liegt darin, daß das ungeheuerliche Mißverhältnis der Preise für Industrie- und Landwirtschaftsprodukte gleichbedeutend ist mit der Liquidation der neuen Wirtschaftspolitik, denn dem Bauern, der die Grundlage der neuen Wirtschaftspolitik bildet, ist es gleichgültig, aus welchen Gründen er feine Ware faufen fann; sei es, daß der Handel durch Defrete verboten ist oder daß zwei Schachteln Streichhölzer ebenso­viel kosten wie ein Bud Getreide.

Es ist vollkommen klar, daß eine mechanische herab sehung der Preise durch die staatlichen Organe in den meisten Fällen nur die Vermittler bereichern und kaum auf den ländlichen Markt einwirten wird. Schon die Schaffung einer Kommission für Herabsetzung der Preise ist ein schlagender Beweis dafür, wie etne

Sonntag, 1. Juni 1924

Politik, die die Bedeutung einer Planwirtschaft ignoriert, unter dem Einfluß der unvermeidlich einsehenden Folgen gezwungen ist, in militärisch- tommunistischer Weise die Preise zu tommandieren. Eines ergänzt das andere, indem es die Wirtschaft untergräbt und nicht fördert.

Ein furchtbares Symptom war der Versuch des Zentralfomitees, den Staatsetat auf dem Verkauf des Branntweins auf­zurichten. Nur ein entschiedener Protest innerhalb des Zentral­komitees und außerhalb seiner Reihen hemmte diesen Versuch, der der Partei einen fürchterlichen Schlag versetzt hätte. Indessen ist der Gedanke der weiteren Legalisierung des Branntweinverkaufs auch heute nicht aufgegeben. Die Entfernung eines Ge nossen, der die freie Erörterung diefes verderblichen Planes forderte, aus der Redaktion des Zentralorgans, wird für immer eines der unwürdigsten Momente in der Geschichte der Partei bleiben."

Die Schlußfolgerungen, zu denen Troßfi gelangt, sind folgende: Die wichtigsten Wirtschaftsfragen werden im Zentralfomitee ohne vorherige Vorbereitung, ohne planmäßigen Zusammenhang in aller Eile entschieden. Es gibt keine Leitung der Wirtschaft, das Chaos tommt von oben!"

III. Das Verhältnis zu Lenin .

Trozki schildert in seinem Memorandum das Verhältnis des kommunistischen Zentralfomitees zu Lenin während seiner Krankheit. gemeiner Diefes Verhältnis, das aus einem Gemisch von Heuchelei und offenem Betrug besteht, ist außerordentlich charakteristisch für alle jene kommunistischen Führer, die jetzt nach dem Tode Lenins jedes seiner Worte heilig sprechen und Karl Radek als Menschemisten" bezeichnet haben, weil er sich erlaubt hat, in aller Ehrerbietigkeit von der historischen Entwicklung" der An­schauungen Lenins zu sprechen.

Während seiner Krankheit schrieb Lenin einen Artikel über die Mängel der russischen Staatsinspektion, dieses ungeheuren bureaukratischen Apparates, der zu feiner positiven Arbeit fähig ist. Lenin schlug in seinem Artikel vor, diesen Apparat umzugestalten, aber Bucharin als Chefredakteur der Prawda" weigerte sich, den Artikel Lenins zu veröffentlichen. Trogti berief darauf eine Sigung des Bureaus des Zentralkomitees ein und die Mehrheit be­schloß gleichfalls, den Artikel Lenins nicht zu veröffentlichen. Da aber der frante Lenin verlangte, daß man ihm den gedruckten Ar­titel vorlegte, beantragte einer der fommunistischen Führer", cine Sondernummer der Prawda" mit dem Artikel Lenins in einem Exemplar zu drucken, um Lenin zu beruhigen und gleichzeitig feinen Artikel vor der Partei zu verheimlichen. Der Urheber dieses genialen Antrages wurde kurz danach- zum Chef der Staatsinspektion ernannt!

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IV. Trotskis Stellung in der Partei.

Aus den Briefen Trogtis und den Antworten des Zentral­fomitees geht ferner hervor, welche Stellung Trogli in der Kommu nistischen Partei einnimmt. Obwohl er bei den kommunistischen Massen eine ungeheure Autorität besigt, wird er in der Parteileitung vollkommen an die Wand gedrückt und ständig bekämpft. In dieser Beziehung ist die Erklärung eines der Mitglieder des Zentral­tomitees, Kuibysche w, außerordentlich charakteristisch, der gegen über Trozki in der Gizung des Kriegsrates offen erklärte: Wir erachten es als notwendig, gegen Sie anzufämpum fen, wir können Sie aber nicht als Feind erklären, und deshalb sind wir genötigt, zu diesen Methoden zu greifen."

Es ist bekannt, mit welchen Mitteln die fommunistische Parteileitung operierte, um Trogkis Einfluß zu vernichten. man konnte zwar ihm gegenüber nicht die Mittel der Re­pression anwenden, mit deren Hilfe die kommunistische Oppo­Zentralfomitee, daß Trokki monatelang von jeder praktischen Einflußnahme auf die Politik ausgeschaltet wurde. Nach seiner Rückkehr aus dem Kaukasus schien es, als sei der Friede zwischen ihm und der Parteileitung wieder hergestellt. Doch die heftigen Zusammenstöße auf dem jetzt tagenden kommu nistischen Parteifongreß in Moskau zeigen, daß diese An nahme irrig war. Es zeigt sich vielmehr, daß das Zentral­femitee, nach der gewaltsamen Vernichtung der Opposition und dem zeitweiligen Rückzug Troykis, der ihn in den Augen seiner Anhänger fompromittierte, die Gelegenheit benutzt hat, um auf dem sorgfältig gefiebten Kongreß mit Troßfiend­gültig abzurechnen. Der Kampf in der russischen Kom­munistischen Partei ist damit in ein neues Stadium ge­treten, das manche Ueberraschungen verspricht.

fition mundtot gemacht wurde, aber immerhin erreichte das

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