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der Kinderheime und Krippen find geschlossen. Die verschiedenen Krankheitserscheinungen, Blutfeere, Rachitis, eingefunkene Augen, Abmagerung find so allgemein, daß man schon das Augenmaß ver­liert und beim Vergleich mit Kindern anderer Länder über das blühende Aussehen der letzteren verwundert ist. Die Kinderkrant. heiten sind in den Familien der Arbeiter, der fleinen Beamten und besonders der Arbeitslofen am häufigsten. Die Untersuchungen an Schulkindern ergaben ähnliche Aufschlüsse. Die durch Hunger ge schwächten Kinder fönnen infolge von Kopfschmerzen, Schwindel und Ohnmachtsanfällen nicht lernen. 20 Proz. der sechsjährigen Kinder müssen vom Schulbesuch befreit werden. Die gebräuchlichste Er. nährung eines Schulkindes besteht hauptsächlich aus Kartoffeln, Brot mit Margarine, Rüben, Mehlsuppe, einmal in der Woche Fleisch Milch fehlt. Hautfrankheiten find infolge von Mangel an Seife, Bädern, überfüllten Wohn- und Schlafräumen sehr häufig. Die un erträglichen Wohnungsverhältnisse werden von Professor Emerson ausführlich geschildert. Drei Kinder in einem Bett und fünf bis sechs Personen in einem Schlafzimmer sind gewöhnliche Erscheinungen. Er stellt feft, daß die größte Steigerung der Tuberkulose auf Rinder unter zehn Jahren entfällt.

In den Jahren 1920/21 war bereits eine Erholung von den Kriegswirkungen in bezug auf Geburtsraten, Sterblichkeit und Krant heiten eingetreten. Seit der zweiten Hälfte 1922 haben sich jedoch die Zustände wieder geradezu fatastrophal verschlechtert. Das deutsche Bolt, insbesondere aber die deutschen Kinder, so schließt Profeffor Emerson seinen Bericht, find Opfer der Geldentwertung und der Ar­beitslosigkeit geworden.( Da diese aber Folgen des Krieges find, also: Opfer des Krieges. D. Red.)

Bürgermeister- Einführung.

Die Berliner Stadtverordnetenversammlung hat ungewöhnlich rasch das Vergnügen gehabt, den neugewählten Bürger­meister Schol begrüßen zu können. Schon in ihrer gestrigen Sigung, noch feine vierzehn Tage nach Bollzug der Bürgermeister wahl, wurde er in sein Amt eingeführt. Die Kommunisten hörten die Begrüßungsreden des Oberbürgermeisters Böß und des Stadtverordnetenvorsteherstellvertreters Meyer ohne die lärmen. den Unterbrechungen an, die sie sonst für solche und ähnliche Gelegen. heiten bereit halten. Sie sind offenbar mit dem Ergebnis der Bürgermeisterwahl, das so nur möglich wurde, weil die Kommunisten dem Sozialdemokraten Dr. Heimerich die Unterstützung versagten, sehr zufrieden. In der Abstimmung über den Antrag In der Abstimmung über den Antrag der Deutsch nationalen, der mit Rücksicht auf das Ergebnis der Reichstagswahl sofortige Neuwahl der Stadtver ordneten für Berlin fordert, standen die Kommunisten an der Seite der Deutschnationalen und der Deutschen Boltspartei. Der Antrag konnte nur deshalb zu Fall gebracht werden, weil die Demokraten und das Zentrum eine fichtig genug waren, mit den Sozialdemokraten gegen ihn zu ftimmen. Die Rücksicht auf das Ergebnis der Reichstagswahl", bei der die Deutsche Boltspartei starke Berlufte erlitten hat, und be­sonders in Berlin unter die kleinen Parteien geraten ist, hat die Kommunisten nicht gehindert, den Bürgermeisterposten ausgerechnet einem Bertreter der Deutschen Volfspartei zuzuschanzen.Ueber die wichtigsten Stücke der geftrigen Tagesordnung, den Magi: stratsabbau und den Fall Baulsen, wurde in der geheimen Gigung verhandelt.

Sparsamkeitsvorschläge des Abbauausschusses begründen wollte, er hob sich auf der gesamten Linfen ein ungeheurer Tumult., Bon allen Seiten wird Hallensleben durch stürmische Zurufe an feine bekannte Unterschriftenaffäre erinnert. Da er sich nicht verständlich Im machen fann, unterbricht der machen fann, unterbricht der Borsteher die Sitzung. fommt es Aeltestenausschuß zu einem scharfen Zusammenstoß zwischen den Sozialdemokraten und von

Eynern, der mit der üblichen Arroganz aufzutreten beliebte. Als die Sizung neu eröffnet wird, dringt Hallensleben wieder nicht durchy, er verzichtet aufs Wort und der Vorsteher schließt um 9 Uhr die Sigung. Der Abbruch der Sigung wird von den Volksparteilern mit stürmischem Protest aufgenommen. Eine Be­ratung und Erledigung des Personalabbaues kann danach erst in der nächsten Sigung nach Pfingsten vor sich gehen. Nach dem gestrigen Anfang wird man sich auf allerhand Sturmszenen gefaßt machen fönnen.

Der Bock als Gärtner.

Gestohlene Billionenscheine der Reichsbahn.

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Eine dunkle Unterschlagungsaffäre beschäftigte gestern in aus gedehnter Beweisaufnahme die Berufungsstraftammer des Land­ gerichts I . Wegen Amtsunterschlagung war der Aufsichtsbeamte Willy Wiemeyer vom Schöffengericht mitte zu einem Jahr Ge fängnis verurteilt worden. Der Angeklagte war in der Bernich tungsstelle für Reidsbahn Notgeldscheine in der Wilhelmstraße beschäftigt gewesen und wurde beschuldigt, zehn Bafete von 20- Billionen- Scheinen im Gesamtbetrage von 20 000 Gold: mart unterschlagen zu haben.

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Auf deutschen Hochschulen.

In einer überfüllten Akademikerversammlung sprach fürzlich das frühere Mitglied der thüringischen Regierung, der fommuni­stische Profeffor& orid, dem der Jenaer Universitätsfenat die Fortführung feiner Lehrtätigkeit untersagt hat. Er führte etwa folgendes aus:

Das beliebte Wort von der Freiheit der Wissenschaft bedeutet unter den heutigen Berhältnissen das dirette Gegenteil dieser Behauptung, nämlich die bewußte. Parteinahme für Klassen­intereffen und den unverhüllten Mißbrauch der akademischen Lehr­freiheit für politische Demonftrationen. So lieft z. B. Herr Prof. Plate in Jena , der durch sein Verhalten gegen Haedel be­rühmt" geworden ist, über die Abstammungslehre und ihre poli­tischen Mußfolgerungen", das Ganze ist ein antisemitisch- reattionärer Ausfall, aber niemand stößt sich daran. Denn Herr Plate ist gut deutschnational. Als die frühere thüringische Regierung ein Diszi­plinarverfahren gegen Plate einleitete und mehrere Studenten pflichtgemäß ihre Zeugenaussagen gegen Blate machten, verhängte der Studentenausschuß in Jena den Bontott gegen sie als schmach­volle Spione", ohne daß der Senat dagegen einschritt. Dafür haben aber auch über 200 Jenaer Studenten als Gäste am deut­ schen Tage in Halle teilgenommen.

Der Redner schilderte dann weiter das empörende Berhalten des Jenaer Universitätssenats in seiner Angelegenheit. Obwohl er gemäß dafür Urlaub erbeten und erhalten hatte, erklärte nach feinerzeit bei seinem Eintritt in die thüringische Regierung ordnungs­einem Ausscheiden aus der Regierung plötzlich der Senat ,,, er habe durch Annahme des Ministerpostens freiwillig auf sein Lehramt ver­zichtet!" Der derzeitige Reftor Hendel schrieb an den Kultus minister Leutheuser ,, er fönne nicht für Ruhe und Ordnung an der Universität garantieren, wenn Korsch seine Vorlesungen wieder auf­nehme und müffe deshalb gegen eine solche Wiederaufnahme pro­teftieren Man denunzierte Korsch bei der Reichswehr , die auch sofort eine mehrstündige Hausfuchung zur Nachtzeit vornahm, wobei seine Frau mit vorgehaltenem Gewehr Ein bedroht wurde, außerdem verschwanden wertvolle Bücher! Protokoll wurde natürlich nicht aufgenommen. Eine Anklage wegen Hochverrat mußte selbst der Staatsanwalt ablehnen, weil das Be­meismaterial nicht ausreichte. Trotzdem beschloß ein hochachtbarer Senat Professor Korsch die venia legendi zu entziehen. Das Bor­gehen dieser Bertreter der freien Wissenschaft" hat auch in weiten Kreisen des Bürgertums Empörung ausgelöst. Eine Interpellation im Thüringer Landtage wird zu diesem Beschlusse, der nur ein vor­läufiaer sein dürfte, noch Stellung nehmen.

Die ganze Angelegenheit zeigt wieder einmal deutlich, wie es im heutigen Deutschland auf den Hochschulen aussieht. Herr Roethe, die Posaune des Nationalismus" und seine Klischees dominieren auf den Universitäten die demokratischen oder gar sozialistischen Lehrer aber werden verfolgt und in jeder Weife beeinträchtigt. Hier liegt der Krebsschaden am System hinweg mit ihm!

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Gräfin " und Freifrau".

Die Reichseisenbahn hatte im vorigen Sommer 20- Billionen Scheine auf rofarotem Papier ausgegeben, die aber, nachdem nur ein geringer Teil in den Berkehr gebracht worden war, wieder ein­gezegen wurden und in die Vernichtungsstelle famen. Durch eine anonyme Anzeige erhielt die Polizei Kenntnis davon, daß der Ueber machungsbeamte Wiemeŋer im Befig eines größeren Bostens dieses aus dem Berkehr gezogenen Notgelbes gewesen sei. Der Haupt­belastungszeuge war der wegen Geistesschwäche entmündigte Groß­fchlächtermeister Wilhelm Start, deffen Vormund Wiemeŋer war. Nach der Behauptung des Zeugen hatte Wiemeyer ihn eines Tages in feiner Wohnung aufgesucht und, da er nicht zu Hause war, durch feine Ehefrau hinterlassen, daß er ihn noch an demselben Abend dringend sprechen müßte. Als Start den Angeklagten spät abends aus einem Café herausholen ließ, habe Wiemeyer ihm die zehn Batete zu je 2000 Billionen mit der Weifung übergeben, die Noten in den Verkehr zu bringen, er sollte dafür 5000 Mart für sich behalten. Als der Zeuge seiner Frau und den Schwiegereltern die wertvollen Bündel zeigte, erschien diesen die Sache anrüchig, und sie hatten ihn veranlaßt, die verdächtigen Scheine dem Bormund wieder zurüdzubringen. Der Zeuge behauptete, er habe gehändigt. Die Ehefrau des Start gab an, daß fie nachher die Wiemeyer auf der Toilette des Cafés die Batete wieder aus­Kleidung urb die Brieftasche ihres Mannes revidiert und nichts ge­finden habe, Der Angeklagte bezeichnet diese Angaben als einen Am Montag begann in Moabit eine Auffehen erregende Ber­Ra che att, ber fich mehr gegen feinen Stiefbruder Ganswindt handlung vor dem Schöffengericht Berlin- Mitte unter Borsiz von gerichtet habe. Er habe tamals fein Mündel dringend sprechen Landgerichtsdirektor Heinze gegen den Rechtskonsulenten Ewald v. äußler und den Kaufmann Paul Danziger. müssen wegen einer Feststellung über dessen Bermögensabgabe. Bei Ganswindt wurden jedoch am Tage darauf auf dem Biehhof grö= Bere Mengen der rosa Scheine gefehen. Ganswindt mußte auch zugeben, daß er derartige Scheine auf dem Biehhof in Zahlung erhalten habe. Das Schöffengericht haite Ganswindt, der übrigens auch wegen Geistesschwäche entmündigt ist, wegen Hehlerei zu 1000 Mart Geldstrafe verurteilt. Da es gegen Geldstrafenurteile des Schöffengerichts jetzt befanntlich feine Berufung mehr gibt, so ist meisaufnahme fani bas Gericht nicht zu ber Ueberzeugung, daß der Angeflagte sich der Amisunterschlagung schuldig gemacht habe, da. gegen gewann das Gericht die Anficht, daß der Angeflagte sich auf nicht aufgeklärte Weife die Bündel angeeignet, habe. Das Gericht hielt ihn infolgebeffen des Diebstahls für schuldig und verurteilte Wiemeŋer zu vier Monaten Gefängnis, welche Strafe durch die erlittene Unterfuchungshaft für verbüßt erachtet wurde.

In der geftrigen außerordentlichen Sigung, die der Borsteher ftellvertreter tener präfidierte, erfolgte zunächst die Eindiekes llrteil inzwischen rechtsträftig geworden. Auf Grund der Be führung des neuen Bürgermeisters Schol. Ober­bürgermeister Böß begrüßte den neuen Rollegen. Der amtierende Borsteherstellvertreter mener richtete gleichfalls freundliche Worte der Bewillkommnung an den Bürgermeister, der darauf dantend erwiderte und eifrige, energische und von gesundem Optimismus ge tragene Amtsführung gelobte.

Von unseren Genoffen war folgender Dringlichteits antrag eingereicht:

Den Magistrat zu ersuchen, mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln bei den in Betracht kommenden Stellen dafür einzutreten, daß die großen ungerechtigteiten der legten Be­foldungsregelung, die finngemäß auch für die Gemein­den gilt, beseitigt werden. Die einseitig jetzt getroffenen Fest­legungen bedeuten für die überwiegende Anzahl der in den Be­foldungsgruppen Beschäftigten feine Sicherung der Lebensmöglich­feiten und find überdies geeignet, die schon durch die Abbaumaß­nahmen gefchaffene Existenzgefährdung noch zu steigern.

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Gegen die fofortige Beratung wird bei den Dnat. und der DBB. Widerspruch laut, was auf der Linten Entrüftungsfunb. gebungen hervorruft. Die Beratung kann nunmehr erst in der nächsten Sigung erfolgen. Die Sommerferien der Versammlung murden festgesetzt auf die Zeit vom 7. Juli bis 30. Auguft. Die Bläne für den weiteren Ausbau des Krantenhauses Moabit wurden genehmigt. Die Vorlagen betreffend Er. höhung der Löhne der städtischen Arbeiter und Arbeiterinnen ab 30. März 1924, Bezirtstarifvertrag für die Berliner städtischen Arbeiter, 4. Tarifvertrag für die nichtständigen An. gestellten und 2. Tarifvertrag für die Arbeitnehmer in den städtischen Anstalten gingen in einen Ausschuß, nachdem Bäth( Dnat.) das Mitwirkungsrecht der Bersammlung vor Abschluß der Berträge

reklamiert hatte.

In namentlicher Abstimmung lehnte die Versammlung den Antrag der Dnat, mit Rücksicht auf das Wahlergebnis vom 4. Mai alsbald Erneuerungswahlen für die Berliner Stadtverordnetenversammlung zu veranlassen, mit 92 gegen 74 Stimmen ab; 14 Mitglieder hatten sich der Stimme enthalten Damit hatte auch ber analoge Antrag der Kommu­nisten seine Erledigung gefunden. Abgelehnt wurde auch, und zwar durch Auszählung. der von unseren Genossen unterstützte Antrag der Kommunisten, der gegen die Verlängerung der Arbeitszeit in den städtischen Krantenhäusern gerichtet war, mit 94 gegen 84 Stimmen.

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Von der ablehnenden Antwort des Magiftrats betreffend die Entlohnung der bei den Notstandsarbeiten in Velten beschäftigten Berliner Erwerbslosen nahm die Versammlung Kenntnis, ebenso von dem Schriftwechsel zwischen dem Magistrat und dem Ober­präsidenten betr. die Erhöhung der Staatsmittel für die Kriminal­polizei. Die Erhöhung wird nicht für erfoderlich gehalten.

Um 8 Uhr war die öffentliche Sigung beendet. Es folgte eine geheime Sigung zur zweiten Beratung: 1. des An­trages der DBP. betr. 2 bbau von Magistratsmit gliedern, und 2. der Borlage wegen Wiederbefezung von drei Stellen im Magistratsfollegium.

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In der geheimen Beratung der Abbaubeschlüffe bes Stadtverordnetenausschusses erstattete Stadtverordneter Mer ten den Bericht des Ausschusses und empfahl den Abbau des Mas gistrats nach den bereits bekannten Beschlüssen. In der Formulierung der bürgerlichen Mehrheitsparteien fommt deutlich zum Ausdrud, daß der Oberstadtschulrat nicht als Stelle, sondern als Person ab. gebaut werden soll. Die in Betracht kommenden Mitglieder des Magistrats haben in einem längeren Schreiben gegen diese Borschläge des Ausschusses protestiert. Für die Kommunisten wandte sich Dörr, für die Sozialdemokraten Loewy gegen diese Beschlüsse. Nament lich Loewy wies mit aller Schärfe auf die Ungefeßlichkeit und Rechts widrigkeit dieser Beschlüsse hin, die entgegen dem flaren Wortlaut der Bestimmungen über die Personalabbauverordnung Magistrats­mitglieder wegen ihrer politischen Stellungnahme abbauen wollen. Als für die Volkspartei der Stadtverordnete Hallensleben die

Aus dem Betriebe einer Heiratsfabrit".

Die Berhandlung, die das Gericht noch mehrere Tage beschäf­tigen wird, gewährt einen Einblid in den Schwindelbetrieb dieser beiden Angeklagten, die geschäftsmäßig Adelsehen ein­gegangen find. Sie fpetulierten mit Erfolg auf die hahnebüchene Dummheit gemisser Frauen, sich durch aristokratische Namen ein so genanntes gesellschaftliches Ansehen" zu verschaffen. Mit ge­fälften Bapieren wurden die heiratsluftigen Damen zu Gräfinnen" und Freifrauen" befördert. Der adligen Rangstufe entsprechend mußten sie hohe Geldbeträge an ihre zu fünftigen Chemänner zahlen. Es war bann zur Bedingung gemacht, daß fofort nach der Eheschließung die Scheidungsflage eingereicht werden sollte. Der Angeklagte Danziger, der bereits verheiratet war und sich nun auch wegen Bigamie zu verantworten hat, trat u. a. als Graf v. Einsiedel und Graf v. Waldenburg auf. Im ganzen handelte es sich um 13 Fälle des Betruges und der schweren Urkundenfälschung. Die Täuschung der Standesämter wurde den Angeklagten dadurch erleichtert, daß fie mit Hilfe von gefälschten Urlaubsscheinen Kriegstrauungen vornehmen ließen. Der Angeklagte v. Häußler hat auch den Namen feines toten Bruders Wilhelm zu den Eheschließungen benußt. In einem Fall hat er den Söhnen einer Frau Landsberger, die von einem Herrn v. B. adop­tiert worden waren, die Genehmigung zur Führung des Adels­prädikates verschafft".

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Die Dreizehnjährigen. Geschichten aus dem Weberhaus. Jahrzehntelang hat der biedere Webermeister R. in Nowawes an seinem Webſtehl gefeffen und sein Leben schlecht und recht ge­fristet. Eines Tages aber lugten neugierige fleine Mädels der Blide auf seinen bunten Wolltram. Sie nedten den Alten, bettelten Gemeindeschule durch fein Fenster und warfen begehrliche Ein Heiratsschwindler, der auch nach Berlin seine Nege um bunte Fäden, und ehe sich der Webermeister verfah, faßen ein, ausspannte, ist in Breslau festgenommen worden. Ein Kaufmann bann zwei und schließlich mehrere Mädels bei ihm im armseligen 5. Co it a aus Breslau gab bekannt, daß er für heiratslustige Herren Beberhaus zwischen all der bunten Wolle und schmeichelten und Todten. Und es tam bann leider, wie es manchmal so tommt, und stets Damen mit großem Bermögen an der Hand habe. So sollte dann fam der gestrenge Staatsanwalt und dann die hohe Strafe. eine 30 000 Dollar und eine andere gar 600 000 Dollar befizen. Gegen die Höhe der Strafe aber wehrte sich der Alte und Auch eine mit 5000 englischen Pfund bot er an. Seine Tätigkeit be­legte Berufung vor der Potsdamer Straffammer ein. Der Vorschränkte sich aber darauf, daß er von jedem Bewerber 30 bis hende, Landgerichtsdirektor Dr. Helwig, ist ein Spezialist für 40 Mart Vermittlungsgebühr einstedte. Kinderauslagen. Wieviel Unglüd fönnte verhütet werden, wenn Heiratskandidatinnen existierten nur in seiner Phantasie. Wie die Rinderaussagen immer so behandelt würden wie hier. Er baute Kriminalpolizei festgestellt hat, sind ihm mehrere Berliner den jungen Zeuginnen eine Brücke für ihre Aussagen. Zur Polizei- ins Garn gegangen. Aus anderen Städten haben sich bereits Hun­fürsorgedame ließ er fie sprechen; die war die Dolmetscherin zwischen derte von Betrogenen gemeldet, auch in Berlin hat der Schwindler Kinderaussagen und Richter. Und was blieb für den Angeklagten licher noch mehr Opfer gefunden als bisher befannt ist. Die weiteren daraufhin übrig? Die geringste zuläffige Strafe von Beschädigten werden ersucht. sich bei Kriminalfommissar Wächter, fechs Monaten Gefängnis bei fünfjähriger Be. 3immer 392a, im Polizeipräsidium zu melden. mährungsfrist. Denn die Aussagen der Kleinen waren für den Angeklagten strafmilbernb. Nicht die Zeuginnen waren die Ber führten, sondern der alte Webermeister war von den Dreizehn- und Bierzehnjährigen verführt worden.

Der Generaldirektor unter Betrugsverdacht. Wegen Betruges wurde gestern auf Veranlassung eines Ge­ichädigten der Generaldirektor der Rheinischen Industriewerke A.-G., Siegfried Sas, festgenommen, der in Wirklichkeit ein von der Staatsanwaltschaft gesuchter Stapowter ist. Er soll zahlreiche Personen dadurch geschädigt haben, daß er die ihnen als Sicherheit verpfändeten Waren, meist Bigarren, mehrere Male ver­pfändet hat. Diefe Lagerscheine waren faft immer auf andere Firmen ausgestellt, wie Hermann Zoch, Schubert u. Co. usw. Gefchädigte werben erfudit, fich bei der Kriminalinspektion C 7 in der Georgenkirchstr. 30a zu melden

Das Rundfunkprogramm.

Mittwoch, den 4. Juni.

Tageseinteilung Vormittags 10 Uhr: Nachrichtendienst. Be­kanntgabe der Kleinhandelspreise der wichtigsten Lebensmittel in der Zentralmarkthalle. Nachm. 12.15 Uhr: Vorbörse. Nachm. 12.55 Uhr: Uebermittelung des Zeitzeichens. Nachm. 105 Uhr: Nachrichtendienst. Nachm. 2.15 Uhr: Börsenbericht. 4 Uhr: Märchen, gelesen von Frau Ida Orloff ( Jugendvortrag). 4.30-6 Uhr: Berliner Funkkapelle( Unterhaltungsmusik). 7.45 Uhr: Vortrag im Berliner Bezirksverein Deutscher Ingenieure: Tech­nisch- Wissenschaftliches zur Torffrage"( Der Vortrag wird auf den Sender übernommen). 8.30 Uhr: Deutscher Volksliederabend. 1. a) Wer hat dich. du schöner Wald( Volksweise), b) Aus der Jugendzeit, von Radecke( Das Kornettquartett der Berliner Staatsoper). 2. Aus Des Knaben Wunderhorn "( Hannah Zweig, Rezitation). 3. a) Schwäbisches Tanzlied( 18. Jahrh), b) Der Rosengarten( 17. Jahrh., aus Franken), c) Der schwere Traum 17. Jahrb.), d) Ach, wie ist's möglich dann( komp. von Kücken) ( Charlotte Lindemann, von der Berliner Staatsoper). 4. Aus Von rosen ein krentzelein( Hannah Zweig, Rezitation). 5. a) O Täler weit, o Höhen, b) Nach der Heimat möcht' ich wieder, c) Alt­ niederländisches Dankgebet , Volksweisen( Das Kornettquartett der Berliner Staatsoper).

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Rauchen auf Jugendwanderungen.

Die reichen

Ein Führer einer Jugendwanderung hatte in den für seine Wandergruppe reservierten Eisenbahnabteilen geraucht, obwohl diese mit Nichtraucher" bezeichnet waren. Der Zugführer tilligte das Rauchen ausdrücklich mit dem Hinweis darauf, daß für geschlossene Gesellschaften" das Rauchverbot belanglos sei. Auf Grund der Be­fchwerde eines anderen Wanderführers hat nunmehr die zuständige Reichsbahndirektion die nach§ 18 der EBD. felbstverständliche Ent­scheidung gefällt, daß in ben mit Nichtraucher" be zeichneten Wagen das Rauchen unter allen um= ständen verboten ist.( Es war daher unzulässig, daß der 3ugführer sich seiner Verpflichtung entzog, dem Rauchverbote Geltung zu verschaffen.") Vom erzieherischen Standpunkt aus bedauerlich ist an diefem Fall weniger die Untenntnis über die bestehenden Ord­nungstestimmungen, als vielmehr der Umstand, daß es überhaupt erft des Eingreifens der Behörde bedarf, um Rinder vor der durch das Rauchen ihrer Erzieher bewirtten Gefundh itsschädigung zu schüßen. Mögen Erwachsene, wenn sie unter sich sind, sich an­räuchern", soviel fie wollen, in Gegenwart von Kindern zumal

in geschlossenen Räumen sollte diefe Unfitte unter allen Umständen unterbleiben. Ebenso wie in unseren Jugendherbergen, fo follte auch in allen anderen von Jugend ichen benutzten Räumen aljo z. B. in Bahnabteilen bas Rauchen grundsäglich unterbleiben. Das ist eine rein gesundheitliche Mindest= forderung.

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Die Strafanträge im Plößenseer Bestechungsprozek.

In dem umfangreichen Strafprozeß gegen fe de Gefäng nisaufieber der Strafanstalt Blößensee und 32 Gefangene wegen Durchftechereien, der seit etwa 2 Wochen das große Schöffen gericht Wedding unter Vorfiz von Landgericht direktor Friedmann befchäftigt, wurde gestern die Beweisaufnahme geichloffen. Staats­anwaltschaftsrat Meineke beantraate. die angeflaaten Gefängmate amten im vollen Umfange der Geblerei und Bestechung schuldig au erklären und sie zu Gefängnisstrafen von 8-80­naten zu verurteilen. Auch die angeklagten Gefargenen bielt er der Durchstechereien für überführt und beantragte Strafen von einem Jahr bis zu 2 Monaten Gefängnis. Die Urteils­verkündung wurde bis Freitag ausgefest.