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Nr. 265 41. Jahrgang
7. Heilage öes Vorwärts
Sonnabend, 7. Inn  ! 1924
pfingstwanöerungen.
Durch die prignitz. Die Pfingstwanderung durch die Prignitz   beginnen wir in W i t t- sto ck, das wir vom Stettiner Fernbahnhof über Kremmen   und Neuruppin   erreichen. Die Stadl liegt an der Einmündung der Glinde   in die Dosse. auf der Spitze der Hochfläche, die sich von Norden her in den Winkel schiebt den beide Flüsse bilden. Wittstock  blickt aus ein hohes Alter mrück, wird es doch bereüs in einer Urkunde von 946 genannt. Die Stadt war lange Zeit der Wohnsitz der Bischöfe von Havelberg  . Bon der in der ersten Hälft« des 13. Jahrhunderts erbauten Burg ist nur noch der Amtsturm, das Wahrzeichen von Wit'Üock". erbaut» geblieben. Manchen schönen Rest mittelalterlicber Baulichkeiten birgt Wittstock   noch in seinen Mauern.   Bon Wittstock   wandern wir in fast westlicher Richtung durch äußerst hügeliges Gelände auf der Chaussee nach T e ch o w. Etwa eine Swnde von Wittstock   entfernt kreuzen wir dieLand­wehr", eins der wenigen erhaltenen Außenwerke städtischer Befesti- gunnen des Mitte'alters. Bei Teckow sieat das Stift Heiligen- grabe, als KlosterZum Heiligen Grabe  " gegen End? des 13. Jabrbunderts gegründet und nach der Reformation in ein adliges Fräuleinstift umgewandelt. Die ehemaligen Klostergebäude mit ihren Bogen und Gewölben, mit ihren Denierungen außen und innen teuren von der B iitezeit mittelalt�Ikicher Baukunst in der Heimat. In dem in der Nähe gelegenen Etisenbain ist die Königs- eicbe mit 814 Meter Umfang bemerkenswert. Bon Heiligenqrgb« wandern wir über Wilmersdorf  , einem Rimddorf nach A l t- k r ü s s ow. Dieses Dorf war um 1-400«in vielbesuchter Wallfahrts­ort: hier befand sich ein wund�tätwes S'. Ann-nbilb. llebei- B e v e- rinqen kommen wir nach P r i tz w a l k, eine an der Dömmnitz gelegene Stadt, die seit 1236 Stadtrechte besitzt Das Stad  'bild ist jedoch völlig neuzeitlich, denn 1821 brannte Pritz'valk fast vollständig nieder. Bon der asten Bcfestiauizq sind ebenfalls nur noch gering« Reste erhalten geblieben.(Entfernung von Wittstock   etwa 24 Kilo­meter.) Mit der Eisenbahn fahren wir bis G r o ß- P a n k o w. Don hier wandern wir in der N6he der Danke(nicht m verwechle/n mit dem Berliner   Fstiß gleickv-n Namens!) über Wolfshagen   nach Seddin. Wir können auch von Dritzwalk zu Fuß hierher aelanaen. wodurch die Wanderung um 7 Kilometer verlängert whd. Auf der Feldmark des Dorfes liegt das Königsarab von Seddin, das größte Hünengrab Deustchlands. Etwa 30 000 Kubikmeter Erde   und ©'«ine enthält der Hiiael, der sich 11 Meter hoch aus der Ebene er- hebt und etwa 300 Schritt Umfang mißt Ein mächtiger Herrscher muß es gewe'en sein, dessen Reste man in diesem Grast beia-setzt bat. Das Grab ist aeöffnet worden, die Grabfunde liegen im Mär- tischen Museum in Berlin  . Bemerkenswert ist das Grab von Seddin auch dadurch, daß in ihm das älteste Eilengerät in der Mark Brandenburg gefunden wurde.'Das Grab gehört der jüngeren Bronzezeit an, es wurde etwa um 1000 v. Ehr. errichtet. Bei Seddin mündet die Pan>V in die S t e p e n i tz. Dom Königsarab wandern wir nach Groß linde, einem Runddorf am Schlatbach. und weiter am Fuß d�s 83 Meter hoben Weinbergs vorüber sprach- Im» Aussicht auf die Drignitz) nach Derleberg. Die Stadt liegt auf einer Insel der Stepenitz: sie ist um die Wende des 13. Jahr- Hunderts anaelent worden. Sicber bestand hier, an der Handels- straße von Havelberq zur Ostsee  (Wismar  . Rostock   und Lübeck  ), schon vordem eine wendilche Siedlung. Die einstig« Ringmauer ist bis auf w-nige Reste verschwunden. Am Mark� stoben noch einig« schöne Fa ch w e r k h ä ii i e r, die die mehrfachen schweren Feuersbrünste der vergangenen Jahrhunderte überdauert haben. Gegenüber dem Rotbaus steht der Roland, ein Denkmal aus dem Jabre 15i6. Derleberg war ebemals bcsond-rs berühmt durch die Glanzwichse, die dort hergestellt wurde(Entfernung von Groß-Pankow   etwa 20 Kilometer.) Bon Perleberg führt eine Bahn nach Wittenberge  an die Berlin-Hamburger Eisenbahn. S'eht uns noch ein dritter Wandertag zur Nerfüouna. so wandern wir von Per'eberq südlich in der Näh« der Steneuitzniederuna nach Bollbrück am Jeetzbach und weiter durch die Stadtforst nach W i l s n a ck. einem kleinen Stadt- chen an der Kortbane. Der Ort wurde als Dorf im 12. Jahrhundert gegründet. Am End» des 13. Jahrhunderts erhielt Wi'snack großen Rubm durch dasWunderblut". Auf einigen Hostien sollten sich B'utstropfen gebildet haben; wahrscheinlich war es ober«in roter Spaltpilz, der sich darauf angesiedelt hatte. Aus ganz Deutschland  und den umliegenden Ländern wallfahrten große Menschenscharen zum Wunderblut von. Wilsnack. Am 28. Mai 1352 verbrannte ein
evangelischer Prediger die Hostien; erst da hörten die Wallfahrten auf. Der Name Wilsnack   erinnert an den Bolksstamm der Wilzen, der um 800 diese Landschaft bewohnte.-(Wegläng« von Perleberg  etwa 17 Kilometer.) Bon Wilsnack führt uns die Hamburger Bahn nach Berlin   zurück Suckow. Buckow   und seine Umgebung, die märkische Schweiz, gehört zu den Gebieten, die jeder Wandersreund immer wieder gern aufsucht.Bei bloßer Nennung des Namens steigen freundliche Landschaftsbilder auf: Berg und See, Tannenabhänge und Laub- Holzschluchten, Quellen, die über Kiesel plät'chern. und Birken, die, vom Winde halb entwurzelt, ihre langen Zweige bis in den Waldbach niedertauchen." So sagt schon Fontane, der Altmeister der mär-
Stift Heiligengrabe  , Klosterhof. tischen Wanderei. Um dieses schöne Gebiet aufzusuchen, fahren wir mit den Fernzügen der Ostbahn bis Dahmsdorf- Münche- berg(Sonntagskarte). Hier besteigen wir die Kleinbahn, die uns zum Städtchen Buckow   bringt. Schon während der Kleinbahn- fahrt sehen wir, daß das Gelände außerordentlich hügelig ist. Berge und Mulden wechseln ständig miteinander ab; aus den Mulden blitzen mitunter Seen auf, die das Landschaftsbckd freundlich beleben Dieses Gepräge der Landschaft verrät uns, daß wir uns in einem eiszeit- lichen Endmoränengebiet befinden. Wir wandern vom Bahnhof Buckow   nicht in die Stadt, sondern links ab durch die Mühlenstraße, und auf dem Weg nach Hasenholz zur Buckower Ziegelei. Links liegt der Abendrotse«, rechts der Weiße See Bon der Ziegelei wenden wir uns nach rechts zum Westuser des Scharmützelsces. Meist dicht am See führt der Weg nach Nord. Links fallt die Hochfläche ziemlich steil aus beträchtlicher Höhe zum Ufer ab. Bon zahlreichen Schluchten, sogenannten Kehlen, wird sie durchschnitten. Diese Schluchten sind von den Regen- und Schneeschmelzwassern aus- gewaschen worden; sie liegen meist trocken, nur nach ausgiebigen Regenfällen und zur Zeit der Schneeschmelze führen sie Wasser. Wir steigen auf die Bollersdorfer Höhe am Nordende des Scharmützelsees. Bon hier oben�haben wir einen schönen Ausblick über diesen langgestreckten Rinnens««. Bon der Höhe geht es zur Buckower Chaussee hinab. Bor dem Sophienfließ, das die Grenze zwischen den Regierungsbezirken Potsdam   und Frankfurt   a d. O. bildet, wenden wir uns links ab. Der Poeten st«ig führt am Waldrand in der Nähe des Fließes hin. Auf der einfachsten aller Brücken mehrere Findlingsblöck« quer durch den Bach schreiten wir zum anderen Ufer hinüber und dann weiter ibergan. Durch schönen Mischwald geht es, der besonders reich an Akazien ist, zum Dachsberg. Bon dem schirmartigen Pilz schauen wir auf die tief unten liegende grünliche Wasserfläche des von Sogen umwcbe-
nen kleinen Tornowsees. Am Teufelsstein, einem gewaltigen ge- borstenen Findlingsblock vorüber wandern wir zur Silberkehle, einer tief ausgewaschenen Schlucht. Tief unten am Grunde zieht«in Bächlein leise plätschernd zu Tal. Ihren Namen hat die Silberkehle von dem Glimmersand, der an den Wänden zutage tritt, und dessen winzige Glimmerschüppchen wie Silberblöttchen glitzern und funkeln. Der Glimmersand ist tertiären Ursprungs; er gehört also dem erd- geschichtlichen Zeitabschnitt an, der der Eiszeit unmittelbar voran- ging. Wir kommen am großen Tornowsee vorüber zur Pritz- Hagener Mühle, einer Wassermühle, die von der Stobber oder Stobberow getrieben wird(vgl. Abbildung). In südlicher Richtung wandern wir' weiter bis über den Abflußgraben des großen Tornowsees. Hier biegen wir links ab zu den Wiesen, die die Stobber durchfließt Dieses Fließ entwässert das Rote Luch, zene natürliche Grenze des Barnim vom Land Lebus  , nach Norden zur Oder und Ostsee  , während vom Roten Luch nach Süden die Läcknitz abfließt, die ihre Wasser zur Spree und damit zur Nordsee   führt. Am Rande von Wiese und Wald wandern wir zum Schweizerhaus; hier sind wir wieder auf der S'raße nach Buckow  . Kald haben wir das freundliche Städtchen erreicht, an dessen Häusern die Rosen emporklettern. Freienwalde ist eine Dame, Buckow   ist eine ländliche Schönheit", so kennzeichnet Fontane   diese beiden Städte der Mär- kisckien Schweiz  . Während Freienwalde   ein feineres Gewand angetan hat, ericheint Buckow   im einfachen, schlichten Kleid. In früherer Zeit blühte in Buckow   der Hopfenbau: dem Buckower Hopfen ver- dankt das Bernauer Bier seinen Ruhm. Dies« Herrlichkeit ist jetzt aus. aber mehrere Imkereien gibt es. Auch Buckow   blickt wie die meisten märkischen Städtchen auf ein hohes Alter zurück; bereits in einer Urkunde von 1249 wird es erwähnt, jedoch hat hier vordem schon eine wendisch« Siedlung bestanden. Wir gehen zum Klein- bahnhof, dem Ausgangspunkt der Wanderung, und lassen uns vom Zügle nach Dahmsdorf-Müncheberg bringen. Rüstige Wanderer werden dagegen diesen etwa 6 Kilometer langen durch schönes Ge- lände führenden Weg zu Fuß zurücklegen. Wegläng« bis Buckow  (Klein bahnhof) etwa 22 Kilometer. Zum Wolziger See. Diese Wanderung, die uns in das Land Storkow   führt, beginnen wir in K ö n i g s w u st e r h a u s e n, das wir mit den Vorortzügen vom Görlitzer Bahnhof oder von der Stadtbahn(in Niederschöne- wzide umsteigen) erreichen. Vom Bahnhof wenden wir uns sogleich östlich zum Tiergarten, einem schönen Gehölz am Krimnicksee. Gleich hinter der Spukbrücke, an der Chausscegabelung, wandern wir rechts ab nach Senzig, einem hübsch am Krimnicksee gelege- nen Dorf. Im Mittelalter gehörte Senzig zumSchenkenländchen", das ursprünglich ein Teil der Lausitz war und unter böhmischer Oberhoheit stand; erst 1462 kam es an Brandenburg  . Um die Feld- mark von Senzig war es nicht gut bestellt;ihr bestes ist, daß sie fischen und Schafe halten dürfen", heißt es in einer Urkunde von 1703. Im 19. Jahrhundert wuchs die Bevölkerungszahl ganz be- trächtlich an; Ziegeleien und Kieswerke, die angelegt wurden, waren die Ursache; auch Schiffeissamil-en ließen sich nieder. Etwa von der Mitte des Orts führt halbrechts der Weg über Felder und durch die Senziger Heide   nach Gussow. Auch dieses Dorf gehört« zum Schenkenländchen. Unter den Wirren des dreißigjährigen Krieges hatte es schwer zu leiden; nur vier Hüfner waren von seinen Be- wohnern übrig geblieben. Gussow liegt am Abfluß der Dahme   aus dem Dolgen- oder Trüben See. Wir wandern nun auf dem West- und Südufer des Sees bis zu seinem Ostende  , an der Einmündung der Dahme  , Hier lassen wir uns mit der Fähre nach Dolgen- b r o d t übersetzen. Wir kommen in der Nähe des Langen Sees und des kleinen Kuchensees, auf dessen jenseitigem Ufer das Dorf Blossin   lieg', zum großen Wolziger See. Am Nördufer lMt Wolzig. Von hier überschauen wir die gewaltige Wasserfläche des fast kreisrunden Sees, der in seiner größten Zlusdehnung etwa 314 Kilometer mißt. Er gehört zu den Storkower Gewässern, die aus dem Scharmützels«« kommen und durch den großen S'orkower oder Dolgensee, Wolzig  «? See und Langen Se« zur Dahme   ab- fließen. Von Wolzig   wandern wir östlich nach Kummersdorf. Kurz vor dem Dorf überschreiten wir den Strrkower Kanal, der den Storkower See mit dem Wolziger See verbindet. Eine kurze Wanderung gen Nordost bringt uns zum Bahnhof, von dem wir die Heimfahrt über Königswusterhausen  (umsteigen) antreten.(Weg- länge etwa 24 Kilometer.) Tegel   öirkenweröer. Die Umgebung von Teael zeigt uns eins der schönsten Wald- gebiete, die wir in der nächsten Nähe der Reichshaupsstadt haben. Herrscht unter den Waldbäumen auch die K'efer vor, so geben doch zahlreiche eingesprengte Laubbäume, wie Birken und vor allem
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Die Venus von Syrakus  . Don Clara Rahka.
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Das Segelschiff, mit Flanken so rauh und narbig wie ein alter Elefant, wurde von mehreren starken Fischerbooten in den Hafen von Palermo   gezogen. Die langgedehnten Rufe der arbeitenden Männer hallten in den klaren, stillen Morgen hinein. Das kranke Ungetüm lag schräg und mißmutig da. Die schweren blauen Wogen schaukelten es auf und ab. Fast hatte der Segler sein Leben lassen müssen. Böse Tage, böse Nächte, schwarz, brüllend, mit weißem, gierigem Auszischen das sollte ein anderer bestehen, nicht so ein aller Elefant. Auf seinem Rücken, dort wo man den herrlichen Rund- blick hatte, saß ein junger, brauner Bursche, barhäuptig, in einem zerrissenen Hemd, die Hosen mit emem bunten Fetzen um die Lenden gebunden.Goveu, cl'oro conca d'oro!" (goldene Muschel) schrie er von Zeit zu Zeit. Es war ein Ruf, der mitten aus seinem Herzen drang. Mit einer Bewegung von unhemmbarer Glückseligkeit schwenkte er seinen Arm.,...... Da lag sie die goldene Muschel, und m ihre schimmernde. längliche Oeffn'ung oebettet die herrliche Stadt, im Angesicht der silberglänzenden Vorgebirge Monte Pellegrino und Monte Eatalsano überragt von den zarten Umrissen jener begnadeten Höhen, die aus Orangen- und Limonenhainen emporwachsen. aus Gärten, erfüllt vom Duft unzähliger Blumen, zärtlich überschattet von Palmen und Oleanderbüschen, von Feigen-, Pfeffer- und Erdbeerbäumen. Und hach hinau? in: leuchtenden Gestein die starken. grünen Agaven und Ommtien. mit gelben und roten Blüten. die. kleinen Flammen gleich, zur kahlen, in allen Farben schimmernden Höhe emporzüngeln.,., In dieser goldenen Muschel, die am blauen, spielenden Meere ruht, die alten Paläste und Kirchen, die bunten, engen Gassen, die Runen vieler Völker. Karthager, Römer, Goten, Biizontiner. Sarazenen, die Hoheullaufen. Spanier und die Vourbonei! alles ging durch sie hindurch, bis Garibaldi   seine Fahne in diesem lacheüdeu Gold. Grün und Blau entsaltste. 0Couca d'oro 1" ruft der junge Renzo,conca. d'oro,"
und die Liebe zu dieser Schönheit ringsumher sprengt ihm fast die Brust. In Neapel   war er gewesen für seinen Meister, den alten Francesco Gagini, der sich rühmt, ein Nachfahr jenes großen Gagini zu sein, des Bildhauers. Und wenn er vor seinem Block steht, der Alte, mit den halbblinden Augen zwinkernd, dann gehen seine Hände liebevoll über den Marmor dahin, immer noch auf das Wunder kzoffend, das ihn neben jenen Großen stellen soll. Und kommt dieses Wunder nicht nun, so stirbt ein heiterer Mann, mit sich selbst und aller Welt zufrieden, doch am meisten mit jenem jungen Renzo, von dem er sagt, daß ein Funke in ihm lebt der Funke eben jener Funke! Näher kann er das nicht erklären, und mit diesem einen Worte hat er auch genug gesagt. Renzo hatte eine Knabenstatuette nach Neapel   gebracht und eine über und über mit kunstvollen Arabesken verzierte Marmorvase. Wie ein Volksauflauf war es gewesen als er abfuhr, und nun er wiederkam, abgerissen von der wilden Fahrt, tiefglück- selig, da stand keine Menschenseele am Hafen, die er mit seinem Jubel hätte überschütten können. Der Alle, die Gesellen, Fiametta, der ganze Hof, die Gasse, sie alle hatten wohl schon für seine arme Seele in San Domenico gebetet. Er aber schritt wte ein Sieger durch die Porta Felice  , die schwere Geldkatze unter den bunten Fetzen. Durch Gassen und Gäßchen trabte er, die eben be- gannen, den Schlaf aus den Augen zu reiben. Im Hofe des alten Palazzo Vigliena aber Renzos Ziel fing der Tag fast mit dem ersten Hahnenschrei an. Da waren die Familien Gagini, Falconi, Bruscoli, Eampo- fiori und viele andere, lebhaftes, betriebsames Volk. Zumal die Gebrüder Falconi konnten niemals Ruhe halten. Kaum, daß sie erwachten, flog ihnen schon«in Lachen und Trällern vom Munde, und ehe sie sich zur Ruhe lechen, sangen sie, so laut Gott   es ihnen gegeben hatte, eines jener Lieder, die tagaus, tagein über den Straßen schwingen. Der ganze Palazzo, von oben bis unten in kleine Woh- nungen ausgeteilt, lernte die Pälermoer Lieblingslieder von den Brüdern Falconi. Eben wollte Renzo in den Torbogen eintreten, da kamen ibm   Falconis Eselgeipanne entgegen, dickst nebeneinander, wie um die Wette losfahrend. Als die Lenker jedoch Renzo gewahrten, hielten sie sofort lnn« und sprangen von ihren hochräderigen Karren.
Ha da ist er! Wir haben ihn! Wir bringen ihn!" riefen sie und nahmen ihn triumphierend in die Mitte. Auf den Galerien des großen Vinnenhofes erschien eine Unmenge schwor, zhaariger, unfrisierter Köpfe. Jung.« Mäd- chen im kurzen Unterrock, ein buntes Tuch rasch um die Schultern geschlungen, lehnten über den Geländern, eine viel- stinimige, entzückte Begrüßung fiel wie Blumenregen auf den obgerissen aussehenden Burschen. Hatte man Renzo mitsamt der Geldkatze und dem Segelschiff doch fast aufgegeben. Eine umfangreiche Frau kam mit ausgebreiteten Armen auf ihn zugelaufen. Das war seine Wirtin, Frau Bruscoli, die Mutter der hübschen Fiametta, die ihr Gesicht hinter einem Büschel blauer Federn verbarg, da die Tränen ihr über die runden Backen rollten. Renzo war der erste Mann, der ihr süß im Blute lag. Kaum hatte sich der junge Seefahrer von der stürmischen Begrüßung der Mutter Bruscoli befreit, da schob sich der alte Gagini heran. Er machte ein Kreuzzeichen auf Renzos Stirne, der stolz vor ihm stand; er konnte vor Rührung kaum sprechen. Doch Renzo riß den bunten Fetzen von seinen Lenden und klatschte auf den prallen Ledergurt. 5kein Stück ist mir verloren gegangen, und wenn wir noch so toll hin und her kollerten und Wasser schluckten, daß es den Atem verschlug, das da habe ich mitgebracht!" Immer breiter und fester wurde der Ring um den jungen Renzo, jeder wollte ihn leibhaftig sehen und wenn irgend möglich auch den Inhalt der Geldkatze. Zum Zerplatzen ge- füllt, mit blanken Goldstücken gefüllt, so stellte man sich diesen Ledergurt vor, denn Gagini, gewiß, Gagini, das war der Mann! Der Große unter ihnen, der Stolz! Ehre und Gold, wem es gebührt! Wie in einer Prozession führte man den alten und den jungen Bildhauer in den weiten und dunklen Raum Gaginis, der zu ebener Erde lag. Viele sahen zu, als der Alte nun feierlich zählte, und keiner mißgönnte ihm den goldenen Fischzug. War es auch viel weniger, als man sich gedacht hatte: Gold war es dennoch. Renzo aber lief die vielen Stufen hinauf zur Wohnung der Bruscoli. Fiametta saß in de- letzten Kommer h-stt; den Kops ge­neigt und nähte mit ihren schmutzigen tieinen Fingern an einem lustigen Federbüschel.(Fortsetzung folgt.)