eine Arie aus„Fanchon" zerfließt, wamit eine verstimmt« Harfe, «in paar nicht gestimmte Violinen, eine lungenfüchtig« Flöte und «in spasmatischer Fagott sich und die Zuhörer quälen". Bielleicht war die Musik doch nicht so schlecht, wie der in diesem Punkt sehr empfindliche E. T. A. Hofsmann sie schildert. Damals, im Anfang des 19. Jahrhunderts, wurde in den Sommermonaten allsonntäglich in einem der„Zelte" auch ein großes„Frühkonzert veranstaltet, das regelmäßig ciußcro-rdentlichen Zulauf hatte. Ein Zeitgenosse erzählt, wie dort Männer und Frauen aller Bevölkerungsschichten zusammen- kamen. Reben einer Dame, die ihre Tasse Schokolobe mit Grazie schlürft, steht«in derber Handwerker, der fein Brot und eine Flasche hervorzieht und dem„Bruder Breslauer" zutrinkt. Auch eine Mit- teilung ans 1841 berichtet über große Beliebtheit der Frühkonzerte. In jenem Jahr lockte das schöne Pfingstwetter so viele Besucher hinaus nach den„Zelten" und den südlich des Tiergartens- liegenden Gärten(Hofsäger, Albrechtshof usw.), daß der Tiergarten schon früh um 5 Uhr von Spaziergängern wimmelte und alle Konzertgärten dicht besetzt wurden. Die„fieUe' in stürmischer Zeit. Ein ganz anderes Treiben herrschte vor den„Zelten" im Jahre 1848. Schon 1842 hatte Berkin eine„Zclten"-Kundgebung unge- wöhnlicher Art erlebt Damals ehrte die Berliner Studenten- s ch a f t die an der Unioersiiöt lehrenden Gebrüder Grimm mit einem Fackelzug, und sie brachte dabei auch dem von der Regierung oerfolgten und zufällig bei den beiden Grimms weilenden Hoffmann v. Fallersleben ein Lebehoch. Nach der Fackelauslöschung, bei der sie auch die„Göttinger Sieben" hochleben ließen, zogen die Studenten nach den„Zelten", nicht zu der üblichen Kneiperei, sondern zu einer politischen Besprechung. Die Studentenschaft stand damals nicht rechts, sondern links. In den„Zelten" war es auch, wo im öahre 1S4S am 6. Mär; die erste politische Versammlung stattfand. Eine Gruppe von Studenten und Künstlern beschloß in dieser Ber- sammlung, dem König eine Adresse(natürlich eine oppositionelle) zu überreichen, und eine dann am 7. März gleichfalls in den„Zelten" abgehaltene allgemeine Versammlung stimmte zu. Von da an wie- derholten sich die„Z«lten"Bersammlungen. Die nächsten folgten schon cm 9. März und am 13. März, und nach dem 18. März wurden sie für längere Zeit zur Regel. Sie fanden meist im Freien auf dem „Zirkel" statt, an derselben Stelle, an der die geputzte Hofgesellschaft des 18. Jahrhunderts sich so oft die Langeweile vertrieben hatte.
Die ohne Zestfreuöe. Was dem einen eine Nachtigall, ist auch beim lieblichsten der Feste dem anderen eine Eule. Millionen stellen schon wochenlang vorher tiefgründige Betrachtungen über das Wetter an, erörtern Kleiderfragett, schmieden Reiseplän«, die in den meisten Fällen noch kein« zwei Meilen ins Land hinausführen, weil das Geld für die wenigsten ausreicht, um die Natur dort zu bewundern, wo sie noch viel schöner ist als in unserer märkischen Streusandbüchse. Damit sie sich freuen können, all« diese Millionen, müssen einige Hunderttausende sich noch schwerer als am Werktage in den Dienst t«.- Arbeit und des festfeiernden Massenpublikums stellen. Nein, es sind feine Banalitäten. Denke daran jeder, der sich forttragen läßt vom festlichen Massenstrom. Man schimpft nach alter Gewöhn- heit, wenn im Stadtbahn - und Vorortzuge das leere Dienstabteil verschlossen ist und in den übrigen Abteilen die wie Heringe oer. packten Menschen sich fast die Kleider vom Leibe reißen oder wenn Ausflügler wie die Mauern auf den Bahnsteigen stehen und die Züge nicht mit der ersehnten Schnelligkeit oder bereits überfüllt einlaufen, aber man kann doch zufrieden sein, daß im allgemeinen alles klappt. Solche Riesenapparate mit sicherem Blick zu leiten, ist keine Kleinigkeit. Irgend«in unvorhergesehenes Ereignis, besspiels- weise ein langes Gewitter, kann viel« Dispositionen über den Haufen werfen. Die Menschenmassen flüchten aus den Wäldern, strömen vorzeitig bei den Haltestellen der verschiedenartigsten Verkehrs- instih.it« zusammen. Das sind die gefürchteten Augenblicke, die den Verkehrsmann vor feine schwierigsten Aufgaben stellen. Von den obersten leitenden Köpfen bis zu den untersten ausführenden Händen soll alles funktionieren. Das Publikum darf, damit es nicht nervös wird, Schwierigkeiten gar nicht merken, und jeder Beamte soll, auch wenn ihm„sein Fest" zum Halse heraushängt, tausend gleiche Fragen mit gleicher Ruhe und Höflichkeit beantworten, soll kleine Toll- heiten, die ungemütlichen Leuten auf die Nerven fallen, nicht sehen und die Gabe haben, größere Streitigkeiten mit mehr gutem Zu- reden als mit preußischer Grobheit zu schlichten. So ergeht es in ungezählten Exemplaren auch dem Restaurateur und Cafötier, dem Kellner und selbst der Toilettenfrau, dem Musi- kanten, Bootsführer, Polizeier und vielen anderen, die der Feiertag
Die Venus von Syrakus . Von Clara Rahka. „Da wäre ich wieder, Fiametta, und etwas Hübsches habe ich dir mitgebracht." Er zog eine Korallenkette aus der Tasche. Mit einein gurrenden Laut griff sie danach. Dann verloren sich die Augen ineinander. „Kleine Fiametta," sagte Renzo leise und sehr stolz:«r wußte, nach dieser Reise stand er in der Reihe der Männer. Doch während er sie ansah, und während er half, die Kette um ihren Hals zu legen, ging ihm etwas anderes durch den Kopf, ein Racken, Schultern, ein ganzer wundervoller Körper: die Venus von Syrakus , dem Meere entsteigend. Er hatte in Neapel eine Nachbildung dieser herrlichen kopflosen„Aphrodite Anadyomene"(die aus der Meeresflut aufsteigende Liebesgöttin) gesehen, und nun gab es keinen Frauenhals, keinen Frauennacken mehr, den er nicht prüfend betrachtete, kein Antlitz, in dem eV nickst den Ausdruck, die Linien eines Hauptes suchte, das würdig wäre, von jenem schönen Körper getragen zu werden. Dieses Suchen hatte ihn wie ein Fieber ergriffen. Vor fünfzehn Jahren, zu Beginn des neunzehnten Jahr- Hunderts, hatte man die griechische Statue im Giardino di Bonavia in Syrakus gefunden, und bis zum heutigen Tage war es keinem Künstler gelungen, ein Frauenantlitz.zu ge- stalten, das der Liebe jener entsprach, die diesen Schatz hüteten. Hohe Herren und Gelehrte hatten die Künstler zu immer neuen Entwürfen angespornt, doch alle Bemühungen waren vergebens: die Venus, deren Nachbildung Renzo in Neapel geseben hatte, stand in ihrer einsamen, rätselvollen Schönheit in Syrakus , und zu ihren Füßen ruhten unsichtbar, eine stumme, tiefe Huldigung, die vielen Versuche der besten Bildhauer. Fiainettas zarter Mädchenhals, ihr junges, sinnenfrohes Gesicht, das hatte nichts mit jener Fernen zu tun, die einer Vision gleich in ihm lebte. Er legte seine Hände� auf Fiamettas Schultern, feine Augen wurden klar und fest. „Du bist ganz anders," sagte er, sich befreiend. „Anders?" Ihr Gesicht verfinsterte sich._„Wie sollt« ich wohl anders fein? Ich bin genau so, wie ich war, als du abreistest," sie griff nach der Kette.
der Masse Mensch mitten in die arbeitsreichsten Berufspflichten hin- einstellt. Der Beamte folgt dem Gewohnheitspfiff nach der Dienst- einstellung, die übrigen sind Feiertagsoerdiener und blasen Trübsal, sobald der Regengott ihnen einen Strich durch die Rechnung macht. Denkt daran und nehmt Rücksicht auf alles, was euch selbst die Festes- freude ermöglicht! Und noch ein« andere Kategorie von Festlosen gibt es. Das sind die Bedauernswertesten. Sie haben nicht das be- rühmte Sonntagshuhn im Topfe, können bestenfalls irgendwo auf Schusters Rappen frische Luft schnappen, sehen griesgrämig auf soviel Festesfreude ringsum. Di«„ausgleichende Gerechtigkeit" sorgt ja dafür, daß niemals alle Räder stillstehen und die Bäume uns allen in den Himmel wachsen._ Ehrenobermeisters Schanötaten. Der zweite große Rahardk-Prozeß. In der zweiten Hälfte des Juni wird der zweite Teil der Straf- oerfahren, die gegen den früheren Präsidenten der Handelskammer, Ehrenobermeister Karl Rahard t, schweben, zur Verhandlung kommen. Mit Karl Rahardt wird wiederum sein Sohn, der Kauf- mann Erich Rahardt, und der Sekretär der Handelskammer, Ernst H o f f m a n n, mitangeklagt. Außerdem haben sich mehrere Kaufleute zu verantworten. Bekanntlich war Rahardt Dater und Sohn und Ernst Hoffmann bereits im Dezember 1922 wegen Betruges und zahlreicher anderer Delikte zu ziemlich langen Gefängnisstrafen verurteilt worden. In dem vorliegenden Falle handelt es sich um die Verschiebung der Danziger Werft. Di« An klag« lautet auf Untreue, Betrug zum Nachteil des Reiches, Beihilfe dazu, Dieb stahl, Preiswucher und Kettenhandel. Als seinerzeit die Danziger Werft aufgelöst werden mußte, wurde die Verwertung der Materialien an Gesellschaften gegeben und es sollte in der Hauptsache das Handwert berücksichtigt werden. Die Anklage behauptet nun, daß Karl Rahardt mit den übrigen Angeklagten sich zu Konzernen zusammengetan und Gefellschaften gebildet haben, die mit den Mitteln der Berliner Handwerkskammer die Ausbeutung der Werft in die Hand nahmen und für ihre Prioatzwecke die Gelder ver- wendeten. Daneben wird nun behauptet, daß weit mehr Material auf der Werft verladen worden ist, als den Prioatgefellschastm zu- stand. Das Materiol soll dann zu Wucherpreisen weiterverkauft worden sein. Karl Rahardt befindet sich seit langem in Haft. In- zwischen ist einer der Mitangeklagten nach Spanien geflüchtet, in- folgedessen sind di« übrigen Mitangeklagten ebenfalls in Haft gefetzt worden. Für die Verhandlung vor dem Schöffengericht sind etwa sechs Wochen in Aussicht genommen worden, den Vorsitz wird Land- gerichtsdirektor Schultz« führen. Die Anklage vertritt, wie im ersten Rahardt-Prozeß, Assessor Dr. Kußmann. Die Verteidigung der sämtlichen sechs Angeklagten haben die Rechtsanwälte Rätter und Dr. Willy Thiele übernommen.
Ter kleine Borkhause« tot aufgefundeu. Den Bemühungen de« ReilbSwasserfchutzeS und der Berliner Kriminalpolizei ist es gestern gelungen, das vermißte Kind des Generalkonsuls Dr. Borkhausen aus der Dahme herauszufischen. Ein sremdeS Verschulden kommt nicht in Frage. — Beim Spielen fiel am Freitag der gjährige Schüler Fritz K a n i s ch aus der Huttenstraße in den Verbindungskanal, wurde jedoch von dem Schiffer Erwin Otto gerettet.
Das Rundfunkprogramm. Sonntag, den 8. Juni(1. Piingstfeiertag). An beiden Pfingstfeiertagen FrDhkonzert von 8— 9.30 Uhr. 4 Uhr: Märchen, gelesen von Fräulein Ilse Kamnitzer. 4.30 bis S 45 Uhr: Berliner Funkbapelle(Unterhaltungsmusik). 6 Uhr: Szenen aus„Martha", Oper von Flotow . Martha : Maiy Wurm- Meisenberg, von der Berliner Staatsoper; Nanev: Else Jörn, von der Großen Volksoper, Berlin ; Lyonel: Hans Batteux , von der Berliner Staatsoper; Plumkett: Eduard Kandl , vom Opernhaus, Cbarlottenburg; ein Kammeroichester. Dirigent: Otto ürack, kr. Kapellmeister an der Berliner Staatsoper. Montag, den 9. Juni(2. Pfingstfeiertag). 4 Uhr: Vortrag des Herrn Erdmann Graeser :„Berliner Pfingsten". 7.30—7 Uhr: Sonderkonzert der verstärkten Berliner Funkkapello. Gesangseinlagen: Margarete Schlenzka- Kramm, Willi Weiß. Dienstag, den 10. Juni. 5.30— 7 Uhr: Berliner Punkkapelle(Unterhaltungsmusik). 7.30 Uhr: Vortrag des Herrn Schontok:„Im Salon der schönen Frau". 9—11 Uhr: Orohesterabend. Dirigent: Otto Urack. fr. Kapellmeister an der Berliner Staatsoper. Mitwirkende: Mitglieder des Berliner Philharmonischen Orchesters.
Er nahm ihre Hand und streichelte sie, dabei lachte er herzlich auf.„Ja, freilich bist du das! Ich hatte nur eine Idee iin Kopf, eine Vorstellung von einer Frau." „Was, was hattest du?" sie zerrte ihre Hand fort, die dunklen Augen wurden drohend,„eine andere Frau, sagst du? Gott , Herrgott!" Ganz unerwartet brach sie in Tränen aus. „Nein, ich mag nichts mit einem Künstler zu tun haben, ich mag es nicht!" Sie drehte sich der Wand zu, legte den Kopf in den rund gebogenen Arm und schluchzte. Renzo schwieg und betrachtete sie wohlgefällig. „Nein— nein." stieß das Mädchen zwischen heftigem Aufschluchzen hervor,„ich will es nicht! Kaum kommst du heim— die Seele hat man sich aus dem Leib gebangt— und du sprichst von einer anderen!" Renzo küßte ihren Nacken, dann schlang er fest die Arme um sie.„Dumme, süße Fiametta, es ist ja eine Frau aus Stein, eine Statue, etwas Lebloses— und du, du—!" Das Mädchen schnellte wie ein Fisch hin und her, dann warf sie beide Arme um seinen Hals.„Ich habe dich so unbändig lieb, mein Ren.zo," sagte sie schnell, zitternd. Es war das erstemal, daß einer von ihnen solche Worte sprach. Trennung, Angst, Erregung, Eifersucht hatten sie Fiametta entrissen. Auch Ren,zo erbebte und hielt das Mädchen dicht an sich gepreßt. Sein ganzes Leben war ja ein großes Abenteuer.— Aus Taormina war er gekommen, vor noch nicht einem Jahre, aus der hochgelegenen Felsenstadt, in der seine Mutter und seine Schwestern Spitzen arbeiteten und Geflügel verkauf- tcn, wo der Vater, mit schweren Lasten auf seinem Esel, in die entlegensten Gebirgsdörfer wanderte, immer hin und her, grau und braun vom Wetter, wie sein Esel und seine Säcke— und er, er saß hier in der herrlichen, glänzenden und leb- hatten Stadt, war bei dem großen Meister und konnte das einzige tun, wonach ihm der Sinn stand— konnte die Hände ausstrecken nach was er wollte: man liebte ihn, vertraute ihm. olles gelang ihm— und hier, hier hatte er gar ein Mädchen im Arm, ein schönes, warmes, zärtliches Ding. � War er nun ihr Verlobter, oder was wurde aus diesem glühenden Schluß feiner großen Reise? Sein Herz schlug nicht ganz im Takt mit dem der kleinen Fiametta; es mochte kein Ziel fühlen, es stand im Anfang. Zur Mittagszeit versammelte sich eine ganze Schar der Einwohner des alten, nur zur Hälfte bewohnbaren Palazzos im Binnenhof.
#JogpItofcn#. Frechheit siegt noch immer. Ein« Bande von Faßdieben trieb seit längerer Zeit un- gewöhnlich dreist ihr Unwesen. Drei Mann fuhren mit einem Ein- spänner auf Fabrik- und Lagerhöfe und luden ungestört leer« und volle Petroleum-, Benzin-, Benzol- und andere Fässer auf, die sie gerade fanden. Man ließ sie ruhig gewähren, weil man sie immer für Arbeiter des Betriebes hielt. Gegen ein Trink- geld half mitunter auch der Pförtner beim Aufladen. Endlich wur- den die Schwindler und Diebe in einem Betriebe im Norden der Stadt entlarvt. Sie hatten mit einer Fuhre bereits wieder den Hof verlassen, wurden aber verfolgt undeingeholt. Einer wurde festgenommen, die beiden anderen entkamen. Der Verhastete, ein 24 Jahre alter Felix Stürmer, der sich wohnungslos in Berlin umhertrieb, war der Nachfolger des ursprünglichen„Unter- nehmers", eines gewissen Nern, der am 26. April seine Ge°> liebte in der Andreasstraße erschoß und auf der Flucht von einem Beamten der Schutzpolizei ebenfalls er- schössen wurde. Mit dem Tode des Nern fiel die Kolonne zu- nächst auseinander. Stürmer aber fand bald neue Helfer und nahm den„Betrieb" wieder auf. Mit den neuen Männern aber„klappte" es noch nicht so wie früher, und so fand das neue Unternehmen plötzlich ein Ende. Im ganzen waren bisher gegen 60 Fuhren gelungen. Die Abnehmer find noch nicht ermittelt. Seine ent- kommenen Spießgesellen will Stürmer nicht kennen.
Mit der Beilpicke erschlagen. In Hannover wurde am vergangenen Dienstag nach- mittag die 66 Jahre alte Ehefrau Klara Adolf geb. Jfer- mann mit einer Militärbeilpicke erschlagen. Der Mörder ist etwa 20 Jahre alt und 1,68 Meter groß. Er hat ein rundes rötliches gesundes, bartloses Gesicht, und trug einen bräunlichen oder grauen Jackeitanzug und wahrscheinlich einen weichen weißen Hemdkragen. seine graue Ballonmütze ließ er am Tatort zurück, war« icheinlidi nahm er dafür einen weißen Strohhut mit. Außerdem raubte er 100— 160 Goldmark und einige Kleinigkeiten. Der Verdacht fällt auf einen Mann, der in der Nacht zum Mitt- woch aut dem Bahnhof Hannover eine Fahrkarte nach WünSdorf lösen wollte, aber keine mehr erhielt. Er hatte frische Kratz- wunden am Halse und am rechten Auge eine glänzende aber wenig auffallende Brandnarbe, durch die der Augenwinkel etwa? zusammengezogen ist. Mitteilungen über das Auftauchen de» Mörders, der jetzt in Berlin gesucht wird, an Kriminalkommissar Werneburg im Zimmer 80 des Polizeipräsidiums.
Schützt die Republik . Die groß angelegte Rede des Genossen Löbe am Donnerstag, den 5. Juni, im Reichstag hatte unter stürmischem Beifall der ge» samten republikanischen Linken darauf hingewiesen, daß wir in wenigen Wochen ein« große republikanische Organisation haben werden. an deren Wall die„Stahlhelme" zerspringen und. die„Wehr- wölfe" sich die Köpfe einrennen werden. Und unter nicht enden- wollendem Beifall schloß Genosse Löbe sein« Rede mit den Worten: „Hier aber verteidigen wir die Schanze, in der wir kämpfen, die deutsche Republik." Diese groß« repubk- kanische Organisation� die im Werden begriffen, ist das Reichs- bann er Schwarz-Rot-Gold, Bund republikani, scher Kriegsteilnehmer tGefchäftsstelle Berlin C.> Kaiser- Wilhelm-Str. 46 III). Die Taffache, daß täglich 60neueOrts- gruppen des Reichsbanners sich bilden, sagt wohl genug. In der anhaltischen Stadt Bernburg beherrscht das Reichsbanner mit 12000 Mitgliedern di« ganze Stadt und das Land weit umher und kein Hakenkreuz ler wagt y es dort, sich blicken zu lassen. In Berlin könnte das Reichsbanner Hunderttausende von Mitgliedern haben. Deshalb ist es notwendig. daß alle Republikaner die nächsten großen Veranstaltungen beachten. Am Freitag, den 13. Juni, abends 754 Uhr, findet in der großen Stadthalle des Stadthauses, Klosterstraß«,«ine republikanische Kimd- gebunq statt in der Polizeioberst Schützinger zu dem Thema: „Schützt die Republik !" sprechen wird. Weiter wird am 24. Juni anschließend an die Kundgebungen der Parteien das Reichs- banner am Grab« des ermordeten Reichsministers R a t h« n a u «ine Erinnerungsfeier mit Kranzniederlegung begehen. Hier. zu werden Karten ausgegeben. Die Teilnahm- an der Kundgebung in der Stadthall« steht allen Republikanern frei.
kohlenpreise. Di« Preisprüfungsstell« Berlin teilt mit: Vom 10. Juni ab betragen die Preise je Zentner für Briketts 1,45 M. ob Lager, 1,55 M. frei Haus; bei Lieferung über 30 Ztr. 1,50 M. Di« entsprechenden Preise für Kots stellen sich auf 2,09 bis 2.24 und 2,19 M.
Gagini hatte einen Tisch herausgeschafft, auf dem alle Leckerbissen der nächsten offenen Küche und einige Flaschen Vino del Bosco standen. Man aß und trank und schwatzte in heiterster Ungebundenheit. Es war wie ein kleines Or- chester von Rattern, Schnalzen und Schmatzen. Man saß. hockte auf der Tischkante und schlenderte herum. Jeder griff nach dem. was ihm behagte. In der Mitte des Tisches stand eine große Schüssel heißer Frittüre, soeben aus dem siedenden Fett geschöpft: kleine Fische, Artischocken und Fenchelschnitzel. saftig, braun, knusperig; daneben ein Korb mit Orangen gefüllt. Den hatten die Brüder Falconi hergebracht. Sie fuhren jeden Morgen zu den Gärten vor den Toren und versorgten eine ganze Reihe von Garköchen, die in Palermo . überall, an Straßen und Gassen, für die Bevölkerung zu jeder Stunde ein Mahl bereiten, mit allem, was diese üppigen Gärten hergeben. Am Nachmittag unternahmen sie Fuhren für den Oelhändler Campofiori. der mit einer vierzehnköpfigen Familie vorn an der Straße wohnte, gleich neben dem Tor- bogen. Ein anderer, sehr gern gesehener Gast war Frau Bruscoli, die Wäscherin. Ihre Leinen mit den flatternden Kleidungs- stücken des gesamten Palazzos, ja der ganzen Via Bandieya, waren jahraus, jahrein über den großen Hof gespannt, in dem sich das Leben der vielen Betriebsamen abspielte. Doch dieses Leben, ganz nach außen hin gewendet, faß, lief, sang, weinte, arbeitete auch auf den vier übereinander liegenden Galerien des Binnenhofes, und es blickte überall aus den Fenstern hinaus. Hier zog man sich nicht zurück, ging nicht aneinander vorbei: man lebte herzhaft unter der hellen Sonne und sprach Not, Liebe. Feindschaft, Zukunft und Berg.angenheit in des Nachbars Gesicht hinein. Und jetzt feierte man. Man feierte, so oft man konnte, mit einer wahren Inbrunst. Alles war der Stunde hin- gegeben. „Und nun sage uns, wie Neapel aussah!" rief der jünger« Falconi, während er den Mund weit öffnete, um eine Hand- voll Makkaroni hineingleiten zu lassen. „Neapel ?" Renzo sah sich lebhaft im Kreise um.„Neapel ist ein Juwel, ein Schmuck, eine Krone, kunstvoll hinaufgetrie- ben— hellschimmernd. mit bunten Adern durchzogen— von Bastionen geschützt. Dunkelgelb und rot sind sie, herrisch! Rührt nicht an die Krone!" Alle sahen ihn an, sie berauschten sich am Wort. (Fortsetzung folgt.)