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Heitage öes

sie auch nützt, mit Sympathien gegenüber. Die Deutsch-Ameri- kaner werden also in die Lage kommen, während sie, teils aus Unkenntnis unserer Zustände für die Rechtsparteien in Deutschland schwärmen, in ihrem neuen Heimatlande der am meisten links gerichteten Partei die Stimme zu geben. Der eventuelle Erfolg einer dritten Partei wird von größter Be- deutung für Amerikas innere Politik, die dadurch endlich von einem System loskäme, dessen Schattenseiten die Enthüllungen aus dem großen Petroleumkorruptionsskandal in volle Oeffent- lichkeit gerückt haben. Das Vertrauen zu beiden Parteien, zur demokratischen wie republikanischen, hat gelitten, weite Kreise wenden sich von ihnen ab, und in der öffentlichen Meinung wachsen die Sympathien für Borkämpfer gegen die Korruption. allen voran Robert La F ol l e t te" öcnator von Wis­ consin , den altenehrlichen Bob", der so viele schwere An- griffe alsProdeutscher" wegen seines tapferen Kampfes gegen Amerikas Eintritt in den Krieg über sich ergehen lassen mußte. Die Gruppe progressiver" Senatoren, die, bisher beiden alten Parteien angehörend, den Kern einer künftigen Partei bilden dürfte, weist Männer auf wie B o r a h, der die Ab- schaffung jedes Krieges auf sein Programm gesetzt hat, Owen, Vertreter des Indianerterritoriums Oklahoma , der die tapfere Rede gegen die alleinige deutsche Kriegsschuld im Senat hielt, Shipstead, den begabten, jungen Führer der Farmer Labor Party von Minnesota es sind die Männer, die größere internationale Gesichtspunkte haben, die Hetze gegen Deutschland ablehnten und alles für eine gerechtere Beurtei- lung tateir. Noch nennen sich dieFortschrittlichen" nicht So- zialisten, aber sie rechnen stark auf sozialistische Unterstützung. * Die Sozialistische Partei, verhältnismäßig klein, hat durch kommunistische Zersetzung schwer gelitten! sie ist überdies in ihrer Entwicklung sehr durch die Schnelligkeit, mit der sich noch immer der Aufstieg von einer Klasse in die andere vollzieht, gehemmt, so daß im wesentlichen das Proletariat sich aus den Fremden, aus neuen Einwanderern oller Länder, denen selbst das einigende Band der Sprache fehlt, besteht. Aber ohne Nennung des WortesSozialismus" scbreiten überall Bestrebungen, die ihrem Wesen nach sozialistisch sind, fort, ob sie Nim fürPublic O w n e r s h i p"(Gemein- geschäftsbesitz) oder fürI n d u st r i a l Democracy" ein­treten, ob sie sich alsr o d i c a l s" oder alsliberal s" nicht nach dem Begriff politischer Liberaler, sondern im Sinne Freiheillicher" bezeichnen. Sie sind antikapitalistisch, anti- korruptionistisch. für Volksregierung, Volksbesitz, Volksrecht. Völkerfrieden in weitestem Umfang. Die ersten positiven poli- tischen Erfolgs einer dritten Partei würden alle, die bisher un- befriedigt dem Parteileben gegenüberstehen, dieser zuströmen lasten. Bedenkt man, daß etwa die Hälfte der Wähler Ame- rikas ihre Rechte nicht ausüben, fo erkennt man, wie viele auch zahlenmäßig noch gewonnen werden können. Es hat den Anschein, als ob die verschiedensten Sondergrup�en ebenso wie die Sozialisten bereit sind, sich hinter die Präsidentschafts- kandidatur La Follettes und die dritte Partei zu stellen. Gc- lingt es, einen einigenden Rahmen zu schaffen für groß« Ge- sichtspunkte, so ist Boden für radikale Politik gegeben. Jedes Laitd kann nur d i e Politik treiben, die seiner Eigenart ent- spricht in Amerika handelt es sich zunächst darum, die bis- herige Alleinherrschaft des Großkapitals, seinen unumschränk- ten Einfluß auf Krieg und Frieden. Innen- und Außenpolitik, Presse, Universität und Schule zu brechen. So neigen denn die Sozialisten dazu, realpolitisch das Programm derKon- ferenz für progressive politische Aktion" vorläufig als erstes Ziel anzunehmen, das auch die Farmer Labor Party akzep- tiert hat, und darüber hinaus weiter für sozialistische Entwick- lung und sozialistische Erziehung zu arbeiten. Was hier ge- schießt ist nicht quantitativ, wohl aber qualitativ beachtens- wert. Als Arbeiterschule ist dieRand Schoo!" in New Pork, die unter Leitung von AlgernonLee und der Verwaltung von Berta Mailey steht, mustergültig. Hier pulsiert das beste geistige Leben der amerikanischen Partei, hier wirken ständig führende Köpfe wie Professor Scott Nearing , Harry Laidler, Morris Hillquit , hier hört man Männer und Frauen aus aller Welt.(Ich hörte z. B. in über-

Sonntag, S. �uni 1924

fülltem Saale B e r t r a n d Russell, den hervorragenden englischen sozialistischen Gelehrten), hier trifft man sich zu frohen Festabenden und zur Besprechung gemeinsamer Inter - essen. Kurse jeder Art in vielen Sprachen, wie es die Ratio- nalitätenfrage New Porks erfordert, finden statt, eine vor- treffliche Bibliothek, eine Buchhandlung, die Redaktionsräume der neuen sozialistischen WochenschriftT h e N e w L e a d e r", all dies ist in diesem Volkshaus untergebracht. Ki Der amerikanischen Eigenheit entsprechend fällt auch der Kirche eine wesentliche Aufgabe bei der Erziehung zu fort- schrittlichem Denken zu. Die Kirche als Gemeinde bemüht sich, oen Kreis der ihr Nahestehenden in all seinen Interessen an sich heranzuziehen, als Zentrum religiöser, musikalischer, gei> stiger, fürsorgerischer, geselliger Bestrebungen, je nach ihrer Richtung von konservativ-orthodox bis zu revolutionär-frei- geistig. So ließ diesen Winter der Prediger vonSt. Marcs in the Bowry" allsonntäglich in seiner Kirche altgriechische Tänze in leichtester Gewandung vorführen, zur Freude von Künstlern, zum Aergernis strenger Vorgesetzter, denen er übrigens schließlich nachgeben mußte. Kino und Dortrag haben in der Kirche längst Heimatrecht erworben, Hinsichtlid) der Zulastung von Rednern verschiedenster Anschauung und Bekenntnisse herrscht viel Toleranz. Unter Einhaltung alter Formen sind manche Kirchen Brennpunkte freiheitlichen Kampfes. Eine dieser Kirchen, die Gemeinschaftskirche in Part Avenue, ist besonders bekannt durch ihre Prodiger, John Haynes Holmes und John Hermann Rand all, die unausgesetzt gegen den Eintritt Amerikas in den Krieg und später gegen alle Vorurteile gekämpft haben. Sie bietet z. B. Sonntags Predigten überPsychologie des Rassenvor- Urteils",Moralische "Schlußfolgeningen des Korruptions- skandals in Washington ",Die Revolution der Jugend" und oergleichen. Danach gibt es Debatten über ethische Fragen, etwa:Individuum und Autorität", oderGleichberechtigung der Frau",Ramfay Macdonald, ein Mann höherer Bor- sehung",Soll Amerika Sowjet-Rußland anerkennen?". Theaterabende, Kunstklub, Jugendgruppen, gesellige Der- anstaltungen halten die ganze Woche hindurch das Interesie rege. Als Mitglied ist jeder, ob Christ, Jude oder Dissident, willkommen, der sich zu folgendem bekennt:Gegenseitige Hilfe, Kameradschaft, Förderung von Wahrheit, Gerechtigkeit, Nächstenliebe". Es ist eine Kirche ohne Unterschied der Sekte, Klasse, Nation oder Rasse, nicht nur in der Theorie, sondern in der Praxis. % lieber die Bewegungen gegen den Krieg, die jetzt von manchen Kirchen sich ausbreiten, über den Kampf der Fortschrittskirche gegen Reaktionskirche, über die Stellung von Dienern des Mcnschheitsgedankens gegen Mammonsdiener muß noch ausführlicher berichtet werden. Nur eine kleine Probe durch Kennzeichnung der Stellungnahme des unitari- schsn BlattesUnity" zu der Ehrung, die der Senat des Staates Wisconsin dem sozialistischen Führer Eugen von Debs bereitete. Wisconsin , eines der fortschrittlichsten Glie- der der Union, ist der Staat, dem auch Senator La Follette entstammt. Seine zwischen vier Seen entzückend gelegene Hauptstadt Madison besitzt eine Universität, an der auch Pro» fesioren lehren dürfen, die wegengefährlicher" Tendenzen anderweitig gegangen wurden. Madison besitzt ferner ein Kapitol, das nicht nur vom künstlerischen Standpunkt, sondern auch deshalb bemerkenswert ist, weil dieses öffentliche Ge- bäude, wie mir mit besonderem Stolze versichert wurde, voll- endet werden konnte,ohne daß ein Pfennig für Bestechung oder Schiebung" dabei daneben ging offenbar ein Ereignis von historischer Seltenheit. In diesem Kapitol tagt eine Körperschaft, der Senat dieses Staates, der an Eugen Debs eine Adresse richtete» be- sagend, daß dieser Amerikas größter sozialistischer Führer Der- ehnmg verdient wegen seiner lebenslänglichen, uneigennützi- gen Hingabe an die Interessen der Menschheit, als eine her- vorragende Verkörperung der wahren Lehre Christi, der in

Nr. 247 4 41. Jahrgang

vomAnderen /lmerika". Von Adele Schreiber . Genossin Schreiber, die kürzlich von mehrmonatigem Aufenthalt in Amerika zurückkam, schildert in den folgenden Ausführungen die dort erhaltenen Eindrück«: Langsam nähert sich das Schiff dem Festland. Im dünnen Nebel des Dezemberabends sieht man nichts als Tausende von Lichtern an unsichtbaren Fäden hoch am Himmel aufgehängt, frei in der Luft schwebend es sind die Fenster der im Dunkel nicht erkennbaren Wolkenkratzer. Unwirklich, feenhaft, dieser erste Eindruck der unerbittlich wirklichen Geschäftsstadt New Park, der unsinnig übervölkerten Insel Manhattan , die auf engstem Raum so viel Menschen zusammendrängt, wie ganz Schweden birgt! Wie etwa Berlin zu Dinkelsbühl oder Rochenburg o. d. Tauber verhält sich der Verkehr New Jorks zu dem Berlins ! Licht in allen Farben, in unbegreiflicher Fülle sick) überbietender Reklame, Verkehr in nie erlebter Schnelligkeit, Dichte und Ordnung(weit überwältigender als in London ), Autos, Menschen und Licht nie abebbend die ganze Nacht hin- durch. 1000 Autos in New Bork machen weniger Lärm als fünf in Rom , wo Tuten und Huppen mit zum Vergnügen ge- hört, Hügelauf, hügelab in unerträglichem Spektakel. Groß- artige Beherrschung der Verkehrstechnik macht Unglaubliches möglich man paßt sich schnell an. Der Fußgänger verlernt bald jeden Einzelwillen. weiß, daß er nur mit dem Strom sich bewegen, gefahrlos Straßen kreuzen, nur als Teilchen der Masie ans Ziel gelangen kann. Anpassung ist Voraussetzung jedes Erfolges, jedes Sich- befriediatfühlens drüben beobachten, sich hineinfinden! Laßt europäische Begriffe und Maßstäbe daheim, sie passen in keiner Weise! Alles ist anders, überhaupt kaum vergleichbar. Nur 0 bis 10 Tagereisen entfernt dennoch auch heute noch, d i e N e u e W e l t, die junge Nation, die vor unseren Augen wird, ihre Prägung nock) lange nicht abgeschlossen hat. Eine geist- volle Frau von 50 Jahren feierte ihren Geburtstag.50 Jahre find ja noch gar kein Alter", trösten sie ihre Bewunderer. Stimmt", erwidert die Gefeierte,für eine Kathedrale nicht, aber für eine Frau!" So relativ ist's bei der Nation Jahrhunderte, ein paar Generationen Kindheitszeit erst! Dazu kommt der nie versiegende Strom der Einwanderung, er läßt keine Rast, keine Aufsaugung eintreten. * Man begreift den Kampf um die Beschränkung diesesZuftroms.der sonst, besonders jetzt, getrieben von der Not des zerrütteten Europa , vom Erpansionsdrang über- völkerter Ostreiche Amerika völlig überfremden würde. Man begreift das oft übermäßig stark betonte Nationalgefühl, wäh- rend jahrhundertealte Verknüpfungen mit dem Staminland dorob ausgelöscht werden. Irgendeinen Kitt muß dieses Land haben, um die zahllosen verscyiedenartigen Bestandteile seiner Völkermosaik miteinander zu verschweißen. so treibt denn alles auf Amerikanisierung zu Politik, Presse, Schule! Vom Deutschtum Amerikas sind Teile assimiliert, andere wahren noch chre alte Zugehörigkeit aber soweit noch die zahlreichen deutschen Vereine bestehen und sich betätigen, sind die Zeitereignisse, seit dem Ende des deutschen Kaiserreiches an ihrer Einstellung spurlos vobeigegangen. Nachkommen alter 48er haben die freiheitliche Tradition preisgegeben. Gesell- schaftlich untereinander abgesondert, ohne Beteiligung an den Fortschrittsbewegungen der Vereinigten Staaten , sind die Deutsch-Amerikaner politisch von geringem Einfluß. Man wägt sie nicht nur bei den Wahlen zählt man ihre Stimmen. Bei der nächsten Präsidentenwahl dürften sie nun in einen Zwiespalt kommen, wie denn überhaupt in Amerika so gut wie in anderen Ländern diejenigen Gruppen, die den politisch freiesten und fortschrittlichsten, also nicht nationalistischen Standpunkt einnehmen, vor allem die sind, die bereit sind, Deutschland gerecht zu werden. Wollen demnach die Deutsch- Amerikaner der deutschen Zukunft nützen, so müssen sie für d i ed r I t t e P a r t e i", die im Werden ist, ihre Stimme ab- geben diese dritte Partei aber steht dem Sozialismus, der

die Pille. Von O t t o K o e st e r. Mein Freund L« berecht, d«r Posthilfssekretär, ist, wie schon sein Rome sagt,«in außerordentlich gutartiger Mensch. Betritt man dos kleine schmuck« Siedlungshaus, das er sich draußen im Osten vom Velde feiner Frau, der geborenen Knubbe, gekauft hat, so wird zunächst da» Auge durch den im wunderschön verschnörkelten, ge- brannten und gemallen Buchstaben ausgeführten SpruchGrüß Gott, tritt«in, bring Glück herein" über der Haustür gefesselt. Als- dann oerweilt der Blick auf den wohlgepflegtcn feuerroten Geranien, die rechts und links in sauberen grünen Holztästen vor den Fenstern prangen. Das Ohr aber erfreut sich wdessen am Trillern und Quin- quilleren eines echten Harzer Rollers, dessen Käsig im Flur hängt. Verlangt man noch weitere Beweise für di« außerordentliche Gutartigkeit meines Freundes Lcberecht? Das Gesagte dürfte wohl genügen. Und trotzdem: Leberecht ist Sozialist. Wie er das wurde, wo- her er den Mut aufbringt, inmitten einer Siedlung von lauter Lokalanzeiger".Abonn«nten denVorwärts" zu halten(notabene »achdem die Gehälter der mittleren Beamten inzwischen doch er- heblich aufgebessert wurden): das ist ein Kapitel für sich und ich stehe nicht an. zu erklären: eln für meinen Freund Lebcrecht höchst ehrenvolles Kapitel, auf das ich aber aus Raumrücksichten nicht näher eingehen kann. Tatsache ist. daß Leberecht seit dem November lö18 bis heute unentwegt Sozialist geblieben ist. Nur ein einzig?» Mal wurde er an seiner Uebsrzeuguno einen Augenblick irre. Und daran war ich schuld. Die Sache verhW sich folgendermaßen: Ich schicke voraus, daß Ich leider manchmal einen unbezähm. baren Trieb verspüre, meinen Mitmenschen eins aufzubinden. Ganz besonder, reizt«, mich, friedsame und harmloser Lebensfreude hin- gegebene Naturen aus ihrer Befchaullchteit aufzuschrecken und durch Erzählung haarsträubender und gruseliger Geschichten zu ängstig«». Ich weiß sehr wohl, daß diesem häßlichen Drange letzten Endes nur Neid zugrunde liegt, weil man selber jener schönen geruhsamen Harmanie der Seele von Natur entbehrt oder sie im Verlauf des letzten Jahrzehnts einbüßte, gönnt man sie auch den anderen nicht. 2,°"- man ist ja so schlecht, so schlecht____ 2llfo: eines Tages es war vor etwa vier Jahren lud mich mein Freund Leberecht zu sich zu Tisch ein. Die geborene Knubbe

hatte, obwohl sie mich eigentlich nie recht leiden konnte(denn sie stammt aus einer Justizhauptkasienkonirolleurfamili« und hegt gegen Schriftsteller und dergleichen fahrendes Volk ein grundsätzliches Mihtraum), eines ihrer Hühner geschlachtet und auch sonst mit ihrer Küche Ehr««ingelegt. Leberecht. wie immer, mit vor- gebundener Serviette und vorzüglichem Appetit. Nicht daß er wirtlich geschmatzt hätte. Dazu ist er viel zu wohlerzogen. Aber wenn man ihn etwa so im Film hätte essen sehen, so hätte man hundert gegen eins gewettet: der Mensch da hat bei der Aufnahme ganz tolosial geschmatzt. So wie es beispielsweile auch Leute gibt, von denen man sich sagt' der müßt« von rechts wegen sächsisch reden obwohl er in Wirklichkeit vielleicht ftallupönifch spricht. Kurz und gut: während ich Lederecht so beim Essen beobachtet«, kam mir ein« teuflische Idee. Mit dem harmlosesten Gesicht von der Welt sagte ich plötzlich:Du, Leberecht, weißt Du schon, daß die Pille ersimden ist?" Etwas verdutzt hielt Leberecht im Benagen sein?, Hühner- deines inne:Welche Pille."' Nun, die Nährpllle. Der bekannte Nahrun gsmittelchcmikrr von der Charlottenburger Technischen Hochschule, Geheimrot Zknauer- Hase, hat nach jahrelangen Versuchen ein Verfahren erfunden, durch das man all« für den Aufbau des menschlichen Körper» erforderlichen Nährstoffe aus der Luft gewinnen kann. Die Stoffmenge, die ein Erwachsener alz tägliche Nahrung braucht, vennag Knaurrhas« zu dem Volumen etwa einer Erbse zu komprimieren.' Ein« ungeheur« Revolution der Volkersnährung und der Volkswirtschaft ist damit angebahnt. Die Regierung verhandelt bereit» mit Geheimrot Knauerhase über den Ankauf der Erfindung. Auf dem Tempelhoftr Felde sollen schon in nächster Zest riefige Fabriken zu ihrer Ver- wertung im Voltsinteresse errichtet werden. In spätestens zwei bis drei Jahren wird ganz Deutschland nur noch von den Knauerhase» schen Nohrpill« leben. Großartig, was?" Leberecht sah mich aus seinen guten blau«n Augen düster an: Du meinst, daß diese Ernährungemethode zwangsweise eingeführt werden wird?" Zwang oder nicht die ungeheure Mehrheit der Bevölkerung wird ganz van selbst zu ihr übergehen, wegen ihrer voraussichtlich fabelhaften Billigkeit, wegen ihrer hohen Dckömmlichkeit, wegen ihrer zettersporenden Einfachheit. Bedenke nur einmal, wie viel Zeit die heutige Menschheit mit Essen und Trinken verbringt, die armen Hausfrauen obendrein auch noch mit der Zubereitung der

Speisen und dem Aufwasch, dem größlichen Aufwasch. Die Produk- tion der heut« oiif den Markt kommenden üblichen Lebensmittel wird dann ganz von selbst aufhören." Und du glaubst, daß die Regierung diese Entwicklung fördern wird?" Eine Regierung, in der di« Sozialdemokratt« entscheidend mit- zureden hat, zweifelkos. Die Sozialdemokratie hat doch dos größt« Interesse daran, di« Aolksmassen auf die billigst«, gesundheits» gemäßeste und einfachste Weise zu ernähren." Aber das Essen und Trinken in der heutigen Form bildet doch zugleich einen Genuß: soll man auf den dann ganz verzichten?" Die Derbilliguny der Ernährung und die Zeitersparnis wird es unendlich vielen erst ermöglichen, sich Genüsse zu verschaffen, auf die sie bisher verzichten mußten, Genüsse edlerer, geistig« Art. Und im übrigen: ein Assistent Knouserhäse's toll bereits«in Verfahren erfunden haben, durch das man den Pillen nach Belieben den Ge- fchmack von Hosenbraten. Sauerkohl, Gänseleberpastete usw. ver- leihen kann." Ja, aber dann wird man sich M'togs wohl gar nicht mehr um einen fliuber und nett gedeckten Tisch setzen?" Natürlich nicht, da da» ja dann ganz überflüssig ist." Nee, weißte," fiel jetzt mein Freund Leberecht«in, und ich hatte Ihn nie zuvor einen so scharfen und entschlossenen Ton an- schlagen hören,nee. weißt« mcin Lieber, da mache ich nicht mit. Wenn die Sozialdemokratie wirklich ein« solche Entwicklung der Dinge begünstigen sollte, dann würde ich ihr ganz entschieden den Rücken kehren. Zum Donnerwetter, meinen appetitlich gedeckten Familiemnittagsttsch lasse ich mir denn doch nicht nehmen. Da, wäre das Letzte. Das Schöne darf nicht au- dem Leben ausgetilgt werden, auch nicht um noch so großer volkswirtschaftlicher Dorteile willen." Mit gerunzelter Stirn nahm hierauf Leberecht sein Hühnerb» n aus» neue in Angriff. Mein Blick fiel auf die geborene Knubbe. Ll« pflichtete durch eifriges Kopsnicken ihrem Gemahl bei und sah mich zugleich böse an. Man hüte sich, die geborenen Knubbe» vom Aufwasch erlösen zu wollen. Mein Freund Leberecht Hot wich seitdem nicht wieder zu Tisch eingeladen. Wahrscheinlich hat er inzwischen gemerkt, daß die Pill« eine Erfindung von mir und nicht von Geheimrat Knauerhase g«. wejcn ist,