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Menöausgabe Nr. 2HH<> 41. Jahrgang �lasgabe B Nr. 135

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Zentralorgan der Vereinigten Bozlaldemokratlfchen partel Deutfchlands

Schweigen und Stürzen! Sozialiftentaktik gegen Marsal.

tJuds, 10. Juni. (MTB.) Di« sozialistische Kamme?» f r a k t i o n hat gestern nachmittags«ine Sitzung abgehalten, in deren Verlauf der Abg. Paul Boncour für die.Taktik des Schweigens" in der heutigen Kammersitzung eintrat. Das Kar» tcll, so führt« er aus, müsse auf alle Beziehungen zu einem Mi» nisterium verzichten, das unter solchen Umständen zustand« gekommen sei. Dieser Auffassung habe sich anscheinend die Mehrheit der Frak» t:onsmitglj«der angeschlossen, und die Gruppe habe auf alle Fälle ihren politischen Ausschuß zu der interfraktionellen Besprechung de» Kartells der Linken heute vormittag abgeordnet. An dieser inter» fraktionellen Besprechung nahmen teil: die radikalsozialistische Gruppe, die Abordnungen der sozialistischen, der sozialrepublikani» schen und der republikanischen Gruppe der radikalen Linken, sowie die Mitglieder der demokratischen Linken des Senats, die bei der sozialistisch-raditalcn Partei eingeschrieben sind. Das englisch -französisthe Programm. London . 10. Juni. (WTV.) Der diplomatische Bericht. erstatter des»Daily Telegraph " meldet ergänzend zu seinem gestri­gen Bericht über die Punkte des llebereinkommen, zwischen Vertretern der englischen Arbeiterpartei und dem s r a n- zSsischeu Block der Linken, beide Gruppen seien bestrebt. die in Deutschland vorhandenen demokratischen Elemente zu ermuti- gen. Zu diesem Zweck sei eine sofortig« Amnestie für deutsch « poll- tische Gefangene und die Freilassung deutscher Geiseln in den be- sehten Gebieten in Aussicht genommen. Den zunehmenden Requi­

sitionen öffentlicher und privater Gebäude durch die vesahungs- hehärden für militärisch« Zwecke und dem Bau neuer Kasernen und der Anlage von Paradeplätzen werde ein Ende gemacht werden. Man stimme auch darin überein, daß der Dawes-Plan die Beseitigung der Micum-Abkommen bedeuten würde. Die Art, in der der Welt- gerichlshvs im Haag in Zukuust von den Alliierten für Friedens­regel ungea verwandt werden soll, sei ein technisches Problem, das sorgfältige Prüfung erfordere, bevor es endgültig gelost werden könne. London , v. Juni. (WTB.)Daily Telegraph " veröffentlicht den ersten Artikel einer Aussatzreihe tos liberalen Parlamentsmit­glieds Fisher unter dem TitelDie französische Sicherheit und der Friede Europas ". Fisher schreibt, wenn die Deutschen den Dawes- Bericht loyal annähmen, wenn bie Franzosen die vom Bericht ge- forderten Zugeständnisse machten und tatsächlich mitwirkten, um die wirtschaftliche Einheit des Reiches wiederherzustellen, so würde Europa zur Ruhe kommen. Obwohl die Sicherheit Frank- reich» nicht das Gebot der Stunde sei, sei sie wichtiger als die Reparationsfrage. Die diplomatischen Traditionen Frankreichs könnten in zwei Begriff« zusammengefaßt werden, näm- lich Rheingrenze und Teilung Deutschlands . Fisher weist dies an chand der Geschichte eingehend nach und schließt, die von der fran- zösischen Militärwissenschaft leidenschaftlich unterstützt« Forderung einer dauernden Kontrolle der rheinischen Drückenköpfe, die den demokratilchen Grundsätzen, auf denen die Staaten tos neuen Europa aufgebaut sind, entgegenstehe, bilde den Kern des kontinen- talen Problems.

Revolutionäre Kämpfe in Albanien . London . 10. Juni. swTB.)»Mornlug Post" zufolge sind die lehlcn Nachrichten, die über den Aufstand von Albanien ein- getroffen sind, ungünstig für die Regierungstruppen, dl« hart be. drängt würden. Einem hier eingetroffenen Telegramm zufolge Habs die südliche Rallonalarmee nach ein» zweitägigen Schlacht die irregulärcn Regieruugstcuppeu besiegt, ganz Südakbanien stehe, wie es heiße, auf feiten der Aufständischen. pari», 10. Juni. (MTB.) An» Valona wird gemeldet, daß Tirana den Aufständischen in die Hände gefallen und die Regie- rung auf der Flucht sei. * Aus Valona geht uns im Austrage des Außerordent- lichen Rates folgendes, vom Erzbischof Noll unterzeichnetes Telegramm zu: valona, 8. Juni. Di« Kaste der feudalen und reaktionären Beys, die jahrhundertelang der Fremdherrschaft gedient hatte, und nach den Wahlen, die unter dem Druck der Regierung vorgenommen wur- den, die konstituierende albanische Rationaloersammlung beherrschte, versuchte ihre mittelalterlichen Privilegien zu verewigen und dem verarmten und ausgehungerten Volk««in schlimmeres Joch als das der Vergangenheit aufzuerlegen. Diese Kaste hat den Staat in ihrem Interesse ausgebeutet. Sie hat die Öffentlichen Mittel ver- schleudert, um sich an der Herrschaft zu halten, sie hat die Staats- finanzen geplündert, indem sie irregulär« Truppen zu ihrem per- sänlichen Gebrauch unterhielt, und systematisch Unruhen hervor- gerufen, um die Proklamierung des Belagerungszustandes für not- wendig zu erklären. Durch diesen Belagerungszustand oersuchten dies« Feudalen ihre Herrschaft aufrechtzuerhalten. In einer Pro- vinz, wo die Anarchie offen von den gegenwärtigen Regierenden unterstützt wurde, sind kürzlich zwei Amerikaner ermordet worden. Di« liberal« und demokratische Opposition hat vergebens in der kon- stituierenden Nationalversammlung die Ungesetzlichkeiten und die Korruption der gegenwärtigen Regierung gebvand- markt. Als Antwort darauf haben die reaktionären Feudalen den liberalen Abgeordneten A o n i R u st e m in der hautpstadt er- mordet Das albanisch« Volk hat schließlich die Geduld verloren und sich erhoben, in der Ueberzeugung, daß die gegenwärtige Regierung, statt die Schuldigen der drei Morde zu bestrafen, sich dieser Der- brechen bedienen wird, um das Volk zu terrorisieren und es zu zwingen, sich der Diktatur der feudalen Kaste zu unterwerfen. Di« albanisch« Armee jedoch, statt den Befehlen der tyrannischen Regierung zu«horchen, hat mit dem Volte und den liberalen Abge- ordneten gemeinsame Sache gemacht und marschiert jetzt auf die Hauptstadt, um dem Rechte zum Sieg« zu verhelfen, die verletzte nationale Würde wiederherzustellen und die konstitutionellen Frei- hetten zu schützen.,_....._ Die Tage der reaktionären Regierung sind gezählt. Ihr« Söwnerttuppen sind überall geschlagen worden. Das Hauptziel der Bewegung ist die Entwaffnung der irregulären Truppen, die Wiederherstellung der Ordnung und der Achtung vor den Gesetzen, die Sicherung der oerfassung-mäßigen Freiheiten, die Befreiung des Volkes aus jahrhundertelanger Sklaverei und die Bestrafung der Schuldigen an den beganaenen Mordtaten. Di« Bewegung hat einen rein i n n e r p v l i t i s ch en Charakter und beabsichtigt, keineswegs, außenpolitisch irgendeine Kursänderung vorzunehmen. Die albanische Ration ist enffchlossen. die freundschaftlichen Be- Ziehungen mit allen Nachbarstaaten aufrechtzuerhalten. Der Sieg der Liberalen wird einen großen Schritt nach vorwärts bedeuten. in der Richtung der politischen wittschaitlichen und sozialen Emanzi- pation des albanischen Volkes.' Wir sind überzeugt, daß die offent- liche Meinung des demokratischen Nordens unser Werk des Fort- schritts und der Zivilisation moralisch unterstützen wird.

Die in diesem Telegramm gekennzeichnete revolutionäre Erhebung behauptet, mit der Herrschaft der feudalen Beys aufräumen zu wollen. In Wirklichkeit haben die inneren Kämpfe zwischen den verschiedenen herrschenden Familien seit der Gründung des albanischen Staates nicht aufgehört. Die Zukunft wird lehren, ob es sich bei dieser Bewegung wirklich um eine Erhebung des albanischen Volkes HanMt oder um eine Episode mehr in den Kämpfen der Feudalen um die Vor- Herrschaft im Lande. vie Haltung üer Nachbarstaaten. Mailand , 10. Juni. (EP.) Di« sudslawisch« und die griechische Regierung haben die Wachtposten an der albanischen Grenze neuer- dings verstärkt. Griechenland konzentriert seine Kriegsschiff« in Korfu , Südslawien die seinigen in der Bucht von Eattaro. Auf Grund des Freundschaftsoertrages find die Regierungen in Rom und Belgrad w einen Meinungsaustausch über die Ereignisse in Albanien eingetreten. Sie stellten fest, daß das Ziel ihrer Politik gleicherweise darin bestehe, nichts zu unternehmen, was die Eni- Wicklung der Unabhängigkett Albaniens verhindern oder erschweren könnt«. Sie betrachten den Kampf in Albanien als«ine rein innere Angelegenheit.__ Attentat auf einen russischen Cxpreßzug? Die derv. Z." an» hessingsor» gedrahtet wird, ist der Expreßzug Moskau Riga heute nacht in die Lust gesprengt worden. Die Lokomotive wurde weit von den Gleisen geschlendert. Soldaten eilten von einer naheliegenden Garnisonstadt herbei und brachten erste Hilfe. Der llnglücksort ist mit einer kette von Maschinengewehren abgesperrt worden. Es verlautet, daß mehrere hohe polUIfche Persönlichkeiten unter den verunglückten sind. Di« Katastrophe wird ans ein politisches Attentat zurückgeführt. Reilerkolonnen und Militärantomoblle durchstreifen die Gegend nach den Tätern._ Regierungskrise in Litauen . Memel . 9. Juni. (Eigener Drahtbericht.) Im litauischen Sejm wurde das Projekt zweier Eisenbahnlinien mtt 81 gegen 21 Stimmen abgelehnt und ein Gegen- an trag der christlichen Demokraten angenommen, der den sofortigen Bau einer direkten Bahnlinie Memel K o w n o und verschiedener Lvkalbahnlinien verlangt. Di« Mittel sollen«benfalls, wie bei dem abgelehnten Projekt, durch eng- lisch« Anleihen beschafft werden. Ministerpräsident Gal- vanauskas hat darauf den Rücktritt der gesamten Regierung erklärt. §innlanüs Hilfe für Deutschlanö. helstngfor». 10. Juni. (WTB.) Die großzügige Hilfeleistung der Finnländer zugunsten tor notleidenden Bevölkerung in Deutschland ist erneut ersichtlich aus einer P e t i t i o n, die der sozialdemokratische Abgeordnet« K. h. W i i k(der unseren Lesern aus verschiedenen Artikeln imVorwärts" bekannt ist. D. Red.) dem ffnnlöndischen Reichstag« zugehen ließ. In der Petition wird die bedauernswerte Lage der notleidenden deutschen Kinder geschildert und weiterhin aus- geführt, daß, auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland in der nächsten Zeit eine Verbesserung der Lag« mit sich bringen sollte, doch das Elend der letzten Jahre noch lange Zeit hindurch schivere Folgen haben werde und Maßnahmen zur Linderung der Rot notwendig mache. Di« Petition schließt mit dem Vorschlage, der Reichstag möge beschließen, m das Budget des Jahres 1925«irnm Voranschlag von 5 Millionen finnländisch« Mark aufzunehmen, der demDeutschen Ausschuß für die Auslandshilfe" zwecks Linderung der Rot der Kinder in Deutschland übergeben werden solle. 1

Dolchstoß und kein Ende! Von Konrad h a e n i s ch. Von den verschiedensten Seiten wird mir mitgeteilt, daß neuerdiygs auch ich von nationalistischen Versammlungs- rednern als Kronzeuge des berühmten Dolchstoßes genannt werde. Und zwar auf Grund der famosen beiden Dolchstoß- numinern derSüddeutschen Monatshefte", deren sogenannte Beweisführung von Erich Kuttner teils imVorwärts", teils in derGlocke" in ihrer ganzen un- wissenschaftlichen Oberflächlichkeit und Unwahrhaftigkeit schon vor Wochen gründlich abgetan worden ist. Ich habe mir auf jene Mitteilungen hin die beiden Hefte besorgt und zu meiner nicht geringen Verblüffung festgestellt, daß nebendem tschechischen Juden Kautsky , der nach eigener Angabe tschechischer Nationalist geblieben ist"(!I) neben dem USP.-Mann Rausch"(Rausch hat n i e m a l s der USP. an- gehört und steht schon seit geraumer Zeit sehr weit rechts von der Sozialdemokratie!) und neben einer Reihe anderer ebenso sorgfällig identifizierter Zeugen in der Tat auchder sozialdemokratische Abgeordnete und spätere Minister Haenisch" herhallen muß, um den Dolchstoß als geschichtliche Wahrheit zu erhärten. Beweisstück ist eine von mir im Jahre 1919 für dasHandbuch der Politik"(2. Band) geschriebene Abhand- lung über dieUrsachen der deutschen Revolution". Es ist anzunehmen, daß dieses Zitat derSüddeutschen Monatshefte" sehr bald ebenso zum eisernen Bestände der nationalistischen Verleumdung gehören wird wie gewisse an- scheinend immer noch nicht zu Tode gerittenen unglücklichen Aeußerungen von Vater, Ledebour und anderen und wie das seit Moanten immer und überall wieder auftauchende Zitat aus demVorwärts" vom 29. Oktober 1918 ein Zitat, von dem derVorwärts" wiederholt dokumentarisch nachgewiesen hat, daß es mit einer an Fälschung streifenden Unehrlich- reit aus dem Zusammenhange eines längeren Artikels heraus- gerissen und auf diese Weise vollkommen entstellt worden ist. Da man Dolchstoßenten solcher Art nicht früh und nicht kräftig genug den Hals umdrehen kann, so stelle ich hiermit öffentlich fest, daß die Methode, mit der das Dolchstoßzitat aus meinem Aufsatz fabriziert wurde, wom Mich noch bös- artiger ist als die demVorwärts" gegenüber�eliebte Art des Zitiorens. Diese Methode besteht nämlich darin, daß aus dem letzten Absatz meiner ziemlich umfangreichen Arbeit ein

bekenntnis serviert wird. Die unterschlagenen Stellen lauten: Allen diesen hier erörterten Ursachenreihen gegenüber hat nach meinem Empfinden die bewußte Vorbereitung der Revo- lution in der Heimat und die bewußte Zersetzung der F:ld- armeen nur ein« verhältnismäßig geringfügige Rolle gespidt... Niemals hätte sir zu einem so ungcheurcn Erfolg führen können, wie der 9. November ihn krönte, wenn nicht die vorhin besprochenen politischen und psychologischen Entwicklungsreihen ihr einen nur allzu üppigen Nährboden bereitet hätten." Dadurch, daß dieSüddeutschen Monatshefte" diese beiden entscheidenden Sätze einfach unter den Tisch fallen lassen und einen Mittelsatz aus dem Zusammenhang reißen, verkehren sie den Sinn meiner Arbeit genau in sein Gegenteil und leisten sich damit eine Fälschung, wie sie trotz allem Erlebten denn doch nicht alltäglich ist. In Wirtlichkeit ist mein ganzer?lufsatz eine einzige große Abwehr des niederträchtigen Schwin- d e l s vomDolchstoß". In ausführlicher Darlegung bemühe ich mich, die vielfach ineinander verschlungenen militärischen, innerpolitischen, außenpolitischen und psychologischen Ursachen- ketten aufzuzeigen, die teilweise viele Jahrzehnte zurück- reichend den deutschen Zusammenbruch verursacht und schließlich unvermeidlich gemacht haben. Warum zitieren die Süddeutschen Monatshefte" nicht auch Sätze wie etwa diese: Auch die starre und stur« Verweigerung innerer Reformen, insbesondere die Verweigerung des glcheichen Wahlrechts in Preußen, trug das ihre dazu bei, der R e- volution den Weg zu ebnen, indem si« in den Arbeiter­massen den letzten Rest von Glauben on die Reformsreudig- keit und Reformfähigkeit des alten Staates erstickte. Es ist meine feste Ueberzeugung, daß die rechtzeitige Modernisierung unseres Verfassungswesens im Reiche und«in« recht- zeitige und großzügig« WaHlreform in Preußen uns zwar natürlich nicht den Krieg gewonnen, wohl aber die Niederlage und den Frieden weniger entsetzlich gestaltet und zudem an die Stelle der gewallsmen Reooluttan eine organische Evolution hätte treten lassen." Warum geben dieSüddeutschen Monatshefte" nicht wieder, was ich über den Dolchstoß sage, den Wil­ helm II. gegen die Hohenzollerndynastie im besonderen und gegen den monarchistischen Gedanken im allaemeinenn oeführt hat? Etwa diese Sätze: Die Saat, die Wilhelm II. in all diesen Jahrzehnten mit seinen wilden Kampfreden gegen die sozialdemokratische Arbeiterschaft selbst ausgestreut hatte, ging nun auf. Er hatte Wind gesät und erntete Sturm... Die annähernd zwei Dutzend deutschen Dynastien, die mit den Hahenzollern gehen mußten, mögen sich bei Wilhelm II. für ihr Schicksal bedanken." Dem neuesten Dolchstoßschwindel muß, wo er auch auf- taucht, die hier gegebene attenmäßige Darlegung des wirk- lichen Sachverhalts entgegengesetzt werden. Wir wissen zwar, daß die Lügensaat schlimmer wuchert als die Quecken auf dem