den ernstesten Situationen war, der Verteidiger der Verfassung| bleiben. Eine konstitutionelle Frage von solcher Wichtigkeit für die Zukunft der Republit, wie es die durch die gegenwärtige krise aufgeworfene ist, fann nicht im halbdunkel durch Entscheidungen einzelner Personen oder Beschlüffe geregelt werden. Ich appelliere vertrauensvoll an die Vernunft beider Häuser des Parlaments, an ihre Vorsicht, an ihre Liebe zu Frankreich und zur Republik . Aus Pflichtbewußtsein habe ich gern die Verantwortlichkeit übernommen. Für das Parlament ist nun die Stunde da, die feinige zu übernehmen.
Marsal vor der Kammer.
Paris , 10. Juni. ( Eigener Drahtbericht.) Am Dienstag nach mittag stellte sich die Regierung Marsal der Kammer mit einer furzen Erklärung vor. Sie betonte einleitend, daß das Kabinett konstituiert sei zu dem Zweck, dem Parlament die Möglichkeit zu geben, zu der Debatte tonftitutioneller Natur Stellung zu nehmen, die seit einigen Tagen im Parlament geführt werde. Das neue Ministerium habe unter diesen Umständen auf die Aufstellung eines eigenen Regierungsprogramms verzichtet. Seine Mission habe ein bestimmtes und engbegrenztes Ziel. Entweder das Barlament spreche sich dahin aus, daß die fonftitutionellen Regeln unantastbar und dem Streit der Parteien entrückt sein müssen. In diesem Falle bedeute das Botum den Führern der neuen Mehrheit, daß sie die Pflicht hätten, die Berantwortung für die fünftigen Geschicke Frankreichs , die ihnen bereits angeboten worden sei, aus den Händen des Präsidenten der Republik entgegenzunehmen. Im andern Falle, d. h., wenn das Parlament die in der Botschaft des Präsidenten formulierten Prinzipien nicht billige, werde das neue Ministerium dem Präsidenten von dem Scheitern feiner Mission Mitteilung machen, und dieser werde daraus die Konsequenzen ziehen.
Noch bevor Marsal die Botschaft des Elysee verlesen hatte, wurde von dem Kartell der Linken folgender gemeinsamer Antrag eingebracht:
„ Die Hammer, entfchloffen, in keinerlei Beziehungen zu einem Ministerium zu treten, dessen Zusammenfehung eine Negation der Rechte des Parlaments ist, lehnt die verfassungswidrige Debatte, die man ihr aufzwingen will, ab und beschließt, jede Diskussion zu vertagen bis zu dem Zeitpunkt, da fich ihr ein in Uebereinstimmung mit dem souveränen Willen des Landes konftituiertes Ministerium präfen
tieren wird."
Paris , 10. Juni. ( WTB.) Kammer. Die Tagesordnung Herriot wird mit 329 gegen 214 Stimmen angenommen.
Paris , 10. Juni. ( Eigener Drahtbericht.) Die Taftit der Linken hat das parlamentarische Manöver, mit deffen Hilfe Millerand seine Position retten zu können geglaubt hatte, durchkreuzt. Bom Elysee aus war bereits seit Tagen alles versucht worden, den Fall Millerand , der von Anfang an ausschließlich eine Personen. frage war, zu einer Berfassungstrife aufzubauschen. Ganz in diesem Sinne ist auch die Botschaft des Präsidenten an die beiden Kammern gehalten. Man hatte dadurch gehofft, einige schwankende Elemente auf dem rechten Flügel der Mehrheit sowohl in der Kammer wie im Senat zum Abfall zu bringen, und dieses Manöver sollte unterstützt werden durch zwei Interpellationen, die im Senat Herr Chiron, in der Rammer. Herr Reibel, beide Mitglieder des ersten Kabinetts Poincaré , eingebracht hatten. In der Kammer hatte die Linke durch Eingabe des an anderer Stelle bereits mitgeteilten Antrags die Diskussion über diese Interpellationen verhindert, da nach der Geschäftsordnung zu nächst über diesen Antrag abgestimmt werden muß. Herr Reibel hat sich zwar die ihm offengelassene Möglichkeit, zu dem Antrag der Linken zu sprechen, zunuze gemacht, aber die ganze Debatte hat damit einen völlig anderen Charakter erhalten. Nach ihm nahm nochmals der neue Ministerpräsident Marsal das Wort. Ihm folgten noch die Kommunisten durch den Abg. Jean.
3n namentlicher Abstimmung wurde darauf der Bertagungsantrag der Linken mit großer Mehrheit angenommen. Damit ist die Ministerkrise eröffnet. François Marsal wird sofort nach Schluß der Sigung der Kammer Herrn Millerand eine
Bir grüßen in Richard Strauß , dem 60jährigen, den deut schen Musiker, der wie fein anderer internationale Geltung hat, den Repräsentanten jener großen schöpferischen Linie, die mit Berlioz und Liszt begann und in ihm feine Krönung fand, den größten modernen Meister des Orchesters und feiner Farben, zu gleich den Musiker, der den Geist seiner Zeit mit seinem Wert, in seinem Wert am instinkt- sichersten widerspiegelte. Man jubelt ihm zu, wenn er in einer Loge der römischen Oper gesehen wird, man feiert ihn in Paris , dem er ein Ballett schenkte, man preist den Dirigenten feines eigenen sinfonischen Werkes in London . Wir haben alle Ursache, diese Repräsentationskraft Strauß' zu unterstreichen; viele schöpferischen Werte von solchem Format haben wir nicht. Und die Zeit wird reif, wo die große Berföhnung mit einem einzelnen Sohn des Volkes zu einer allgemeinen Berföhnung wird.
Nimmt man diese schöpferische Potenz als gegeben und als wahr hin, so bleibt über das Wert von Richard Strauß heute faum mehr, faum anderes zu sagen, als was vor etwa 20 Jahren von ihm hätte gesagt werden können. Denn Strauß gehört zu den Mufifern, die sich nicht entwickelt haben, die mit einem einzigen Wurf ihre Meisterschaft bekundeten und diese Tat dann unzählige Male variiert haben. Zugegeben: die Technik wuchs, das Kolorit wurde berauschend, ein raffinierter Kunstverstand entdeckte immer mehr Nüancen eines haftenden, bunten, klingenden Lebens, mit souveräner Meisterschaft schrieb er Partitur auf Partitur, und jede hatte ihren Reiz. Aber Zarathustra" und" Don Juan" nehmen, alle Spielerischen, alle musikantischen, eruptiven, freischwingenden Elemente späterer Zeit vorweg. Domestica" und" Alpenfinfonie", die legten sinfonischen Dichtungen, gleiten auf langer Strede in eine Aeußerlichkeit des splendiden Klanges hinein, die nur noch ideales Kunsthandwerk ist. Wie er innerhalb eines einzelnen Werkes die Beethovensche Form mißachtete, die in großem Sinne zu einer Ent wicklung von Gedanken verpflichtete, so blieb er auch starr an fein Programm gebunden, ohne das Gentbeil in die Tiefe des mensch lichen Daseins zu werfen. Bergleicht man Strauß mit den Sinfonifern unserer Zeit, Bruckner und Mahler, auch Brahms , so fällt diefer Mangel an Tiefgang auf. Die Oberfläche wurde unter feinen Künstlerhänden so schillernd, bunt, so reißerisch schön gemalt, daß für Logik des Baues, für Bekenntnisse menschlicher Gesinnung, für Durchfättigung mit Erotik und Seelenmaterial nicht Raum blieb. Ein prunkvolles äußeres Gewand wurde um eine liebesarme menschliche Figur gehängt. Eine neue Klasse der Befihenden, der Geldadel wollte nichts anderes, kannte nichts anderes. Die Technik eines Jahrhunderts hatte ihren Gott gefunden. Und nicht nur die Technik, auch der Geist, auch der Nerv unserer Zeit. Beide find Feinde der Lyrif und des Gefanges, Gegner des religiösen Selbstbewußtseins.„ Salome " und" Electra" so heißen die Frauen, deren nervöse Reize den Opernmann Strauß am stärk. iten fesselten, Auch im Märchen von der Frau ohne Schatten"
-
Demission überreichen, und aller Wahrscheinlichkeit nach wird dieser mit der Begründung, daß das Votum der Kammer in erster Linie gegen ihn selbst gerichtet sei, diese Demission ablehnen und selbst zurücktreten. Diesem Ministerium François Marsal wird damit die Aufgabe zufallen, den Kongreß in Versailles , der in den nächsten Tagen, aller Voraussicht nach am Freitag, den Nachfolger Millerands zu wählen haben wird, vorzubereiten. François Marsal dürfte dann dem neugewählten Präfibenten die Demission seines Rabinetts überreichen.
Der Senat hat nach der Berlesung der Botschaft des Elysee und der Regierungserflärung mit 154 gegen 144 Stimmen die Bertagung der von dem ehemaligen Landwirtschaftsminister Chéron eingebrachten Interpellation beschlossen. Dieser Beschluß bedeutet, daß der Senat das Botum der Kammer abwarten und es auf feinen Fall zu einem Gegensatz zwischen sich und der Kammer tommen laffen will.
Der weitere Verlauf der Sihung.
Paris , 10. Juni. ( WTB.) Nach Berlesung der Bot haft des Präsidenten in der Kammer erklärte Rammerpräsident Painlevé:
denten der Republik , deren Wortlaut im Protokoll aufgeführt ist Ich nehme Kenntnis von dem Inhalt der Botschaft des Präfiund deren Tert in den Archiven verwahrt werden wird.
Hierauf verliest Ministerpräsident Marsal die Regierungserflärung, die von der Rechten und von den Mittelparteien mit Beifall, von den Linksparteien mit eisigem Schweigen aufgenommen wurde. Nach Berlesung der vorliegenden Interpellationen fragte der Kammerpräsident den Ministerpräsidenten, wann deren Diskussion stattfinden soll. Der Ministerpräsident erklärte, er nehme Painlevé die Resolution des Kartells der Linken. die sofortige Diskussion an. Hierauf verlas Kammerpräsident
#
| graphen, der die siebenjährige Amtszeit des Präsidenten vorschreibt. In diesem Augenblick wird durch den Linftsblock die Abstimmung des Senats verkündet. Sämtliche Mitglieder nehmen diese mitteilung mit dem Ruf auf: Es lebe der Senat! Kammerpräsident Painlevé fann nur mit Mühe dem Redner wieder Gehör verschaffen. fal das Wort. Nach dem Abg. Reibel ergreift Ministerpräsident François Mar
die Bertrauensfrage über den Vertagungsantrag der LinNach Beendigung seiner Rede stellt Ministerpräsident Marsal fen. Eine ganze Anzahl von Abgeordneten gibt Erklärungen über ihre Abstimmung ab. Der Bertagungsantrag Herriot wird angenommen.
riot das Wort ergreift. Von der Linken schreit man Shluß der Aus der Mitte des Hauses verlangt man, daß der Abg. Her Debatte! Der Kammerpräsident erflärt, die Debatte fönne nicht geschlossen werden. bevor die Rednerliste erschöpft fei. Hierauf er greift der kommunistische Abg. Renaud Je an das Wort. Er erklärt, was man dem Präsidenten der Republik zum Borwurf mache, feien die Handlungen, die er in der legten Zeit begangen habe. Sie feien die logische Folge seiner politischen Entwicklung. Die Arbeiterklasse sei oft von denjenigen betrogen worden, die sie am meisten geliebt haben. Der Retner geht alsdann des Näheren auf die politische Entwicklung Millerands ein und zitiert zahlreiche Stels len aus den Reden, die er zu einer Zeit, als er noch Sozialist war, gehalten hat. Als er von der Hinrichtung Millerands spricht, der gerufen. Nach seiner Ansicht handele es sich heute um einen Kampf man heute beiwohne, wird er vom Kammerpräsidenten zur Ordnung zwischen zwei Diktaturen, der Diktatur der Kapitalisten und der Diktatur der Arbeiter.
Nachdem der kommunistische Abg. Renaud Jean seine R beendet hat, ergreift nochmals Kolonialminister Fabry das Wert um für den Präsidenten der Republik einzutreten. Es sei abscheulich, so erklärte er, daß dieser große Franzose von dem kommunistischen Abgeordneten beleidigt worden sei. Es sei nötig, daß ein Protest hiergegen erhoben werde.
Hierauf erklärt Kammerpräsident Painlevé, daß das Haus über die von dem Kartell der Linken eingebrachte Tagesordnung Tagesordnung erhalten habe mit folgendem Wortlaut: Die Kammer, abzustimmen habe, daß er aber von dem Abg. Reibel noch eine die entschloffen ist, die Abstimmung der Artikel 2 und 6 der Verfassung vom 25. Februar 1875 zu respektieren, die eine der grundlegenden Garantien der Republik bilden, geht zur Tagesordnung über. Hierauf geben Bertreter der Mittelparteien und der rechtsNamen der elsaß - lothringischen Abgeordneten gleichfalls eine Er stehenden Parteien Erklärungen ab. Der Abg. Walter gibt im erhebt. Ministerpräsident Marsal stellt hierauf die Bertrauens flärung ab, in der er gegen die Verlegung der Berfassung Protest frage, indem er feststellt, daß feiner der Unterzeichner der Tagesordnung, über die abgestimmt werde, das Wort in der Debatte er griffen habe. Hierauf wird in die Abstimmung eingetreten, die bas bereits gemeldete Ergebnis hat.
Der Abg. Reibel besteigt die Tribüne und führt aus: Die Jahre gewählt? Wir haben die Absicht, von der Kammer die An Frage, die gestellt ist, ist die folgende: Ist der Präsident auf sieben nahme einer Tagesordnung zu verlangen, in der erklärt wird, daß sie bereit sei, die Bestimmungen des Grundgesetzes zu achten. Herriot und seine Freunde haben die Uebernahme der Regierung einzig und allein abgelehnt, um eine politische Krife und die De führen. In einem Rommuniqué des Elysees ist festgestellt worden, mission des Präsidenten der Republit herbeizu daß Millerand und Herriot über das Programm volltom. men eins waren. Herriot selbst hat diese Miteilung bestätigt. Er erklärte nur, die Unterredung mit dem Präsidenten der Republik habe sich weniger auf ein Programm als auf gewisse Fragen von nationaler Bedeutung bezogen, bei denen es keinen Widerspruch gibt; Millerand aber habe dem Führer des Kartells der Linken volle Freiheit gegeben, das Programm des Kartells durchzuführen. Herriot habe es aber abgelehnt, ein Kabinett zu bilden, weil, wie er sagt, die Mitglieder seiner Partei ihm nicht men. Durch diese Haltung haben die Männer des Linksblocks Erich gestatten, das Mandat aus den Händen Millerands entgegenzunehregung im Lande hervorgerufen.
Rebezeit auf 5 Minuten beschränkt wird.' Stammer. Ein Abgeordneter der Linken fordert nun, daß die präsident Painlevé erklärt, das sei unzulässig, da der Abg. Reibel sich über den Antrag auf. Bertagung aussprechen müsse.
Der Abg. Reibel fährt fort und erklärt, im Laufe der Debatte hätten die Radikalen und Sozialisten den Präsidenten der Republik in die Debatte gezogen. Die Radikalen hätten sich von den Sozialisten und Kommunisten treiben lassen, weil sie Millerand nicht verzeihen konnten, daß er zum Siege Bolens gegen die roten Truppen ber Sowjets beigetragen habe, und daß er ein Anhänger der Ruhrbefeßung gewesen sei. den Revolutionären auf das antikonstitutionelle Gebiet gefolgt lei; Er wundere sich, daß eine große Partei, wie die radikale Bartel, jetzt den Revolutionären auf das antitonftitutionelle Gebiet gefolgt fet; fie fei der Gefangene derer, die diesen Kampf ein geleitet hätten. Diese Lage erinnere an die Zeit, in ber Radikale und Sozialisten nur durch den antiflerikalen Kampf ge. eint gewesen feien.( Der fommunistische Abg. Ca chin ruft: Faffen Sie sich furz! Man muß es doch verstehen, zu verschwinden.) Der Abg. Reibel erwidert: Man muß auch zu bleiben verstehen, wenn man das Recht auf seiner Seite hat. Der Abgeordnete ergeht sich alsdann in Auslegungen der Berfassung, insbesondere des Para
gleißen hysterische, verkrampfte, unfreie Menschheitszüge auf. An Brunt, Feuer, Leidenschaft, an Buntheit und charakteristischem Aus. druck sind diese Partituren nicht zu überbieten, in ihrer Konstruf tion geradezu Borbilder. In den Kern seelischen Erlebens, gefunden erotischen Empfindens, großen Liebesbaseins drang Strauß nicht vor. Auch hierin ging er mit der Zeit, nicht gegen fie; noch weniger beuchtete er ihrem Schritt voraus. In der" Ariadne " wird endlich Ihre Buffopartien sind das Musilechteste, Beste, mas Strauß ge die langersehnte Einfachheit melodisch gestreichelt und oft erreicht. schrieben." Galome" und„ Ariadne ", Anfang und Ziel: in beide Arten von" Musikdrama lassen sich alle anderen Werke solistisch und mit allen Stilungleichheiten einreihen.„ Salome" die langsam verblassende Musik der hysterischen Reizsamkeit, die zugrunde gehen wird, je näher wir der gar nicht reizsamen Musik Bachs und Mozarts die Rückkehr zur reinen, in Einfalt
-
Strauß überragt nicht nur im Handwerklichen, sondern auch an nicht nötig, in den modernsten Schrei zu verfallen. Im Gegenteil: Einfühlung und Einfallsreichtum alle Nebenbuhler. So hatte er es er suchte den Weg von der Lautheit und nervösen Erregtheit zur Stille, vom Mufitdrama zum Singspiel, von der Kompliziertheit zur Klarheit und Reinheit des Gefühls. Wäre er 20 Jahre jünger, so fönnte noch ein Aufstieg von programmatischer Nachzeichnung den Stimmungen zu echtem, großem Gefühl erwartet werben. Aber Entwidlungsfeime der Kunst und der Lebensschein lagen nicht in ihm, und Flügel des Gesanges hoben ihn nicht in andere Gefilde. So blieb er starr in sich selber. Bei der großen Zahl seiner Werte beweist das nur, welcher Reichtum musikantischen Ausdrudsvermögens ihm auf den Weg gegeben war, beweift zu gleicher Zeit, daß Richard Strauß ein zeitgebundenes Genie ist. Ein Genie immerhin. Wir ziehen vor solchen Meistern den Hut.
Als der Komponist der„ Salome " zur Zeit der Einstudierung seiner„ Josephslegende " furz vor Ausbruch des Weltfrieges in Paris meilte, erflärte er einem Mitarbeiter des Journal" gegenüber in Nichtigstellung der phantastischen Berichte der Pariser Blätter, die ihm als einen zügellofen Stürmer und Dränger geschildert hatten, mit der ihm eigenen ironischen Note:„ Ich schreibe an einem Arbeits: tisch, der genau so aussieht wie alle anderen Tische, entweder im Hausrod oder auch im englischen Chevictanzug. Ich bin niemals fieberhaft erregt und trage mein haar furz geschoren. Meine Liebe gilt dem Sommer, dem Land und den Bergen. Ich bin ein under befferlicher Bergfletterer, und die Inspiration überfällt mich oft, menn ich hoch auf des Berges Spike stehe. Den Sommer verbringe ich in Garmisch . Ich habe da viel Grün und viel Ruhe. Die Linden duften mir ins Haus hinein. Im Winter arbeite ich fühl und ohne Hast, ja, sogar ohne jede Erregung. Man muß ja auch Herr über sich selbst sein, wenn man das ewig bewegte Schachbrett, so da Instrumentierung heißt, in Ordnung halten will. Der Kopf, der Triston" komponierte, mußte eistalt wie Marmor fein. Ich arbeite langfam. Von der ersten schöpferischen Idee bis zur endgültigen Jaffung vergeht immer viel Zeit. Ich meine, daß die Erfindung, wenn sie wirklich etwas Neues, Fesselndes bringen soll, Zeit braucht,
Offizielle Ankündigung des Rücktritts.
Marsal mit feinem Minifterium in das Elyfee. Das Elysee Paris , 10. Juni. ( Eca.) Am Ende der Kammerfihung begab niqué, in dem ausgeführt wird, daß der Ministerpräsident in veröffentlicht um 8% Uhr heute abend ein offizielles& ommuBegleitung der Minister fich in das Elysee begeben habe, um dem Präsidenten Millerand über den Gang der Ereignisse in dem Parlament Bericht zu erstatten. Millerand, so heißt es weiter, dantie Marjal und seinen Mitarbeitern für die Hilfe, die sie ihm bet ber Verteidigung der Verfassung geleistet hätten. Als Marjal ihm mitteilte, daß er und feine Kollegen im Anschluß an die Abstimmung der Kammer ihre Demission einzureichen gedächten, antwortete millerand, daß er aus dem Bericht über die Haltung des Parlaments die Schlußfolgerung ziehen wird und zurüdtreten werde. Er bat infolgedessen das Kabinett Marjal, noch im Amte u 3 verbleiben, um seine Demissionsboifhaft morgen vor dem Parlament zur Berlejung zu bringen. Die Demiffionsbotschaft wird morgen zu Beginn der Parlamentsfihung zur Verlejung gelangen.
Berbot preußischen Minister des Innern ist der Deutsche Tag in Siegen, des Deutschen Tages in Siegen. Von dem der am 14. und 15. d. M. stattfinden sollte, verboten worden.
Die größte Kunst bei der Erfindung ist die Kunst des Abwartens. Nach meiner Ueberzeugung muß jedes Wert in einer anderen Sprache geschrieben werden und sein eigens für den 3wed gemachtes Kleid tragen. Man soll in der Kunst nicht vorgefaßte ästhetische Ansichten haben. In der Malerei wie in der Gfulptur liebe id die fühnen Neuerer nicht minder als die reinsten. Klassiter."
Der Reichspräsident an Richard Strauß . Der Reichspräsident hat an Richard Strauß zu feinem 60. Geburtstag folgendes Tele gramm gerichtet:" Dem Künstler, der wie fein zweiter unter den Lebenden deutsche Musik in der Welt zur Geltung brachte, übersende ich meinen Glückwunsch zum 60. Geburtstag. Unser Bolt iſt ſtolz auf feinen Sohn, der die Kunst des Altmeisters Liszt in seinem alle lebensstarken Ausstrahlungen seiner Zeit im fühnsten und wir fungsvollsten Licht des Theaters zu sammeln verstand. Als Meister gepriesen von den Fachwelt, bejubelt von den Hörern, ein weithin
fichtbarer Beweis deutschen Musikgenies, so mögen Sie viele Jahre jung und start im Schaffen bleiben! Reichspräsident Ebert."
Auslandsreifen von Schülern unerwünscht". Aus einer Mitteilung des Ministers für Wissenschaft, Kunst und Volksbilding an die Brovinzialschulkollegien gibt der Amtliche Preußische Prodienſt folgendes bekannt: Auf Grund zahlreicher Berichte der ausländi fchen Vertretungen Deutschlands , mehrfacher Anregungen des Auswärtigen Amts und im Zusammenhang mit den von der Reichsregierung erlassenen Bestimmungen über Auslandsreisen müssen zur. zeit Auslandsreifen von Schülern, soweit folche von der Schule oder einzelnen Lehrern geplant fein follten, als unerwünscht bezeich net werden. Es set, so heißt es weiter, weder zu billigen, daß be fonders zahlungskräftige Schülergruppen in größerer Zahl im Auslande auftreten, noch auch, daß Schüler im Auslande die Wohltätigfeit der deutschen Kreise oder gar der Bevölkerung in Anspruch nehmen. Beides sei im Auslande mißbilligt worden. Unter dieser Mißbilligung drohe auch in deutschfreundlichen Auslandsfreifen bie Bereitwilligkeit zu leiden, gesundheitlich leidende Kinder bei fich aufzunehmen. Zum Echluß seiner Ausführungen weist der Minister auf die völlig ausreichenden Bildungsmöglichkeiten hin, die Wande rungen und Reisen in Deutschland den Schülern bieten, so daß der Berzicht auf Auslandsreisen keine Beeinträchtigung der Jugendbil bung bedeute.
deutscher Schüler sich nicht genug tun fonnte, scheint man jetzt in bas Nachdem man früher in der Förderung von Auslandsreisen entgegengesezte Extrem zu verfallen. Daß Wanderungen und Fahrten durch, Deutschland ber bildungsbedürftigen Jugend mannigfache Anregung und Belehrung bieten fönnen, ist nicht zu bestreiten. Zur Ergänzung und Abrundung der Bildung und zur Erweiterung des Gesichtskreises würde aber gerade die Kenntnis des Auslandes viel beitragen. Daß deutsche Schüler im Auslande hier und da Mißbilligung erregt haben, ist bei der vielfach nationalistisch- chauvinisti' chen Erziehungsiendenz namentlich unforer höheren Schulen leider fehr glaublich. Aber neben völkisch aufgeputschten Lümmeln gibt es doch auch zahlreiche anständige Clemente in der deutschen Schul. jugend, und man sollte diese die Verfehlungen jener nicht entgelten laffen,