Nr. 274+41. Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts
Die Meister von Keller und Faß.
Gegenwärtig steht das Brauereigemerbe im Rampfe mit dem Unternehmertum, um bessere Lohnbedingungen zu erzielen. Nicht nur der Brauer, der eigentliche Hersteller des Bieres, hat das schärffte Kampfmittel, den Streit, ergriffen, sondern das gesamte Brauerei personal. Die Fälle, wo früher die in den Brauereien Beschäftigten zum Streit übergingen, find zu zählen. Damit wird auf das deutlichste bewiesen, daß diese Arbeitnehmergruppe immer bemüht war, mit dem Unternehmer reibungslos zu arbeiten. Im folgenden soll die Tätigkeit des Brauers, herunter bis zum Mitfahrer des Kundenwagens, geschildert werden.
Die Tätigkeit des Brauers.
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Freitag, 13. Juni 1924
Beim
erste Abkühlung statt. Aber noch ist der Brauprozeß nicht beendet.| 80 Kunden zu bedienen und verläßt ebenfalls wie der Faßbierfahrer Riesige Rühlapparate, auf 4-5 Grad gefühlt, leiten nun die Würze um 48 Uhr den Hof im Durchschnitt mit 80 Kästen Bier. Trotzdem in Gärbottiche, die aus Zement, Aluminium und Holz bestehen. die Fahrer bereits um 6 Uhr früh ihren Dienst antreten, bekomHier wird Bierhefe zugefeht, worauf das Ganze einen achttägigen men sie die halbe Stunde von 26 bis 6 Uhr nicht bezahlt. Auch das Gärprozeß durchmacht. Dann ist das Bier fertig und wird in Aufladen des Bieres besorgen nur die Fahrer. Die Mitfahrer Lagerfässer und Stahltanks die letzteren faffen etwa bis 1000 haben lediglich für das Puzen und Anschirren der Pferde zu sorgen. Hektoliter geleitet, wo es bis zum Bedarf bei 2 Grad Wärme Hat der Fahrer bei der Abfertigung der Kundschaft schon Ueber= lagert. Schließlich wird das Bier durch Filteranlagen gebracht und stunden machen müssen, so kann er, wenn er abends auf dem Hof dann erst auf Gebrauchsfäffern abgezogen. Kühlmaschinen sorgen der Brauerei anlangt, nicht gleich seine Wohnung aufsuchen. Jetzt für ständig gleiche Temperatur. Soweit die Beschreibung des Brau - wird erst abgerechnet, und wieder verstreicht einige Zeit. prozesses. Infolge der immerwährenden Wasserplanschereien in den Flaschenbierfahrer haftet, wie schon erwähnt, der Mitfahrer ebenfalls Kellereien ist es nicht verwunderlich, daß sich beim Brauer Rheuma- für die Ladung, da der Kutscher und Mitfahrer zugleich tassieren, tismus als Begleiterscheinung seines schweren Berufes einstellt. Die um überhaupt den großen Kundenkreis bewältigen zu können. Der Schon in den frühen Morgenstunden beginnt hier die Arbeit, Arbeit, die im„ fühlen Keller" geleistet wird, ist natürlich ungefund. Weißbierfahrer erscheint in der Saisonzeit, also im Sommer, früh Schon in den frühen Morgenstunden beginnt hier die Arbeit, Kein Sonnenstrahl verirrt sich hier unten... Aber auch die foziale um 4 Uhr auf dem Hof, um seine Ladung( 60 bis 100" Halbe") in die täglich acht Stunden dauert. Hinterher muß aber eine vertraglich festgelegte Ueberstunde abgearbeitet werden. Der Dienstage des Brauers läßt viel zu wünschen übrig. Im Winter droht Empfang zu nehmen. Er hat die Pflicht, seiner Kundschaft die beginnt mit der Zubereitung des Malzes. Die Gerste, das Urprodukt ihm oft das Schicksal der Arbetislosigkeit, wird doch in falter Jahres- 3ober, die zur Aufnahme des Weißbieres dienen, zu fäubern und zeit die Belegschaft gewöhnlich bis auf 60 Prozent verringert.. die frische Füllung vorzunehmen. Eine Nebenbeschäftigung", die des Bieres, geht durch die Reinigungsmaschinen, um dann den Der Böttcher ist dem Brauer gewissermaßen der nächste. Seine der Bierfahrer nicht zu verrichten braucht. Die größeren Braue Weichprozeß- d. h. die Gerste wird 70 Stunden geweicht durchzumachen. Das gereinigte und geweichte Produkt gelangt dann auf Aufgabe ist es, die Reparaturen an Lagerfäffern und Transport- reien haben auch ihre eigenen Werkstätten, so daß wir hier fast alle die Malztennen, um dort zu feimen. Nach mehrmaliger Bearbeitung gefäßen vorzunehmen. Alle Jahre einmal werden die riesigen Lager Handwerke vertreten finden. wird das Ganze auf die Malzdarren gebracht. Bei einer Temperatur fäffer gepicht, d. h. gereinigt. Die Innenwände der Fässer find von 60-80 Grad Wärme geht der Darrprozeß vor sich. Dann folgt mit einer Bechglafur überzogen, deren Erneuerung in jedem Jahr die Entfeimung der Gerste, die darauf den Weg zur Schrotmühle vorgenommen werden soll. Koksöfen erwärmen die Innenwände antritt. Der eigentliche Brauprozek beginnt nach dem Schroten. und bringen das alte Bech zum Schmelzen. Auf maschinellem Wege Das Schrot wird mit Wasser vermischt, zu einem Brei verarbeitet und auch mit der Hand wird dann die neue Glasur vorgenommen. und in einen Kupferfeffel unter 40-60 Grad Wärme gebracht und Ist das Pechen schon an und für sich keine angenehme Arbeit, so hier gefocht. Läuterbottiche nehmen die Masse auf, um sie abzu- Hike, die verhindert, daß der Qualm gut abziehen kann, drückt die wird sie im Sommer als geradezu doppelt schwer empfunden. Die läutern, d. h. die Flüssigkeit abzuziehen. Der im Bottich verbleibende Rauchschwaden in der Effe wieder hinunter, so daß im eigentlichen Rest Treber genannt dient bekanntlich als Viehfutter und wird von den Viehbefizern gern genommen. Der abgezogenen Flüssigkeit, die man jeht Würze nennt, wird Hopfen zugefeßt, und zwar soviel, bis der nötige Geschmacksgehalt vorhanden ist. Dann kommt die Mischung auf Kühlschiffe( Behälter), wo sich die letzten verbliebenen Bestandteile absetzen. Gleichzeitig findet hierbei die
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Le.
,, Brauerstreik?
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Quatsch!"
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Bon Clara Rahka.
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,, Sehr lange tenne ich fie. Eine Römerin, jung, schön ich habe nie eine schönere Frau gesehen. Und nun hat sie den alten Mann heiraten müssen, den Principe di San Cataldo . Er ist hier begütert, hat mehr als einen Landsiz. Ach, eine schöne Frau!"
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Aber du bist doch Sizilianerin, Bianca?"
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" Freilich bin ich das. Wäre meine Principessa niemals nach Sizilien gekommen, so wäre sie wohl nicht reich, nein, das wäre sie nicht doch sie hätte den anderen geheiratet den Einen, den Einzigen du verstehst mich schon!" Die beiden schlenderten einen Hang hinauf, über den sich ein Sturzbach von Blüten ergoß.
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" Du mußt wissen, fie war so jung, als sie hierher fam, und aus Rom fam fie, wo sie wie eingesperrt gelebt hatte." Das Mädchen sprach sehr lebhaft, ihre Worte mit eindrucksvollen Gebärden ihrer schlanken braunen Hände begleitend.
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,, Und hier lebte sie mit ihrer Mutter auf dem Gute von Berwandten, fast ein Jahr lang. Ich sah sie jeden Tag und ich durfte sie bedienen. Da war nun ihr Better nie, nie mals werde ich sagen, wie er hieß, der fam oft herangeritten. Gott , das war eine Zeit!" Bianca blieb stehen und ftredte ihre Hände aus.„ Das möchte ich noch einmal erleben!"
,, Liegt das Gut hier in der Nähe, und ist sie wieder Dort?" fragte Renzo, der ihr gern zuhörte, ohne sich weiter für die Erzählung zu intereffiren.
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" Das alles werde ich niemals fagen!" versicherte das Mädchen nochmals heftig. Man hat den Better, deffen Familie in den unruhigen Zeiten fast alles verloren hatte, verdrängt, von ihr abgeschnitten hat man ihn. Und dann kam dieser alte Principe di San Cataldo daher in einem hellblau ausgeschlagenen Wagen so oft wie es ihm gerade behagte. Große Güter hat er. Gott mag wissen, wie er sie bekommen hat, dieser Pfaffenknecht; hat er doch seinen eigentlichen Wohnsiz in Rom . Ein großartiger Palazzo soll es sein. Aber du mußt wissen, was er sonst noch hat! Eine hängende Nase, Triefaugen und oben auf dem kahlen Kopfe eine riesige Talgdrüse! Das kann ich ruhig erzählen, denn das sieht ein jeder,"
Arbeitsraum immer ein dichter Qualm herrscht.
3m Weißbierbrauereigewerbe beginnt die Arbeitszeit im Sommer schon um 4 Uhr früh. Aus eisernen Bottichen, die 100 bis 200 Heftoliter faffen, gelangt das Bier in die Gebrauchsfässer. Jeden Morgen wird etwa 2 bis 3 Stunden gefüllt. In dieser Zeit leistet der Füller eine äußerst angestrengte Arbeit. Im Winter macht sich hier die Arbeitslosigkeit oft bitter bemerkbar. Es gibt Betriebe, die in der talten Jahreszeit 26 Wochen nur halbe Wochen, also etwa 3 Tage, arbeiten, laffen.
Das Fahrpersonal.
Hier ist zuerst der Faßbierfahrer zu nennen. Schon um 6 Uhr früh begibt sich der Kutscher auf den Hof, um nachzurechnen, wieviel er laden muß, um seine Rundschaft befriedigen zu fönnen. Er gibt dem Kellermeister feinen Bedarf an und beginnt um 6 Uhr zu laden. Um 48 Uhr muß der Wagen, der etwa 30 bis 35 hektoliter ge= laden hat, den Hof verlassen haben. Ist der Fahrer früher fertig, so benugt er die Zeit, um schnell sein Frühstück einzunehmen. Oft tommt er nicht dazu. Um doch etwas Zeit zu erübrigen, tun fich immer vier Fahrer, wohlgemerkt nur Fahrer, zusammen, um durch ein Handinhandarbeiten mit dem Laden schneller fertig zu werden. Bier Mann laden in anderthalb Stunden etwa 120 bis 150 Heftoliter. Jeder Fahrer hat im Durchschnitt 40, und wenn er Privatleute zu bedienen hat, 70 bis 80 Runden täglich abzufertigen. Erwähnt muß hierbei werden, daß der Fahrer für seine ganze Cadung haftet. Bezahlt ein Kunde nicht das Faßpfand, was übrigens fehr oft vorkommen soll, so ist der Fahrer gezwungen, das Risiko des Auslegens auf sich zu nehmen. Die Brauereien verlangen am Abend die Abrechnung für die Ware, die am Morgen geladen wurde. Kann der Fahrer nicht alles abrechnen, weil, wie erwähnt, die Kunden in einigen Fällen das Faßpfand nicht bezahlten, so wird die fehlende Summe auf fein Konto als Rest" gebucht und eventuell am Wochenende vom Lohn abgezogen. Die Arbeit des Bierfahrers ist im Grunde genommen eine Hezarbeit. Neun Stunden soll die Arbeitszeit betragen, und oft, ja fast immer, werden es zehn, elf und noch mehr Stunden. Das Untragbare aber bei dieser Arbeit ist. daß mehr als neun Stunden nicht bezahlt werden, nur die um den Schornstein fahren", also in nächster Nähe der Brauerei über Kundschaft verfügen, haben ab und zu mal das Glück, pünktlich fertig zu werden. Der Mitfahrer beim Faßbierwagen haftet im Gegensatz zu dem Mitfahrer beim Flaschenbierwagen, nicht für die Labung. Hier ist einzig und allein der Fahrer der Ber. antwortlich e. Der Flaschenbierfahrer hat täglich etwa 70 bis
,, und deine Contessa Livia hat ihn dennoch genommen?" " Sie mußte doch wohl!" sagte das Mädchen aufgeregt, ,, die ganze Familie schob fie in diese Ehe hinein. Es war Es war immer so, als ob sie Schulter an Schulter ständen, zwei Reihen, und die Comtessa mußte hindurchgehen. Sie tat es stolz genug, das habe ich mitangesehen. Ich glaube, man hat ihr irgend etwas Schlechtes über den Vetter gesagt, denn daß fie es um des Geldes willen getan hätte, allein um des Geldes willen, das kann ich mir nicht denken!" Das Mädchen stieß diese Worte pathetisch hervor.
Renzo betrachtete sie von der Seite, und er fand sie entzückend in ihrer Erregung. Er büdte sich und brach ein paar besonders schöne goldgelbe Blüten für fie ab, die sie dankend in ihr Brusttuch hineinsteckte.
Leise fuhr sie fort: Und jetzt werde ich sie wiedersehen. Du gehst deinen Weg, ich gehe meinen Weg. Du sprichst nicht davon, nicht wahr?"
Meines ist ja auch eine Geschichte, die leider sehr oft vorkommen soll, Bianca. Nicht bei unsereinem, bei den Reichen."
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Die Löhne der Brauereiarbeiter betrugen bisher 33 M. für Gelernte, 30 M. für das Fahrpersonal und 29 M. für Ungelernte. Für das Fahrpersonal kam dazu ein Fahrgeld von 15 Pf. für das hektoliter ausgefahrenen Bieres für Fahrer, 5 Pf. für Mitfahrer. kommission stellte auf Grund eingehender Beratungen mit der Die Flaschenbierfahrer erhielten pro Kasten 5 resp. 2 Pf. Die LohnKollegenschaft folgende Lohnforderungen auf: die gelernten Arbeiter sollten 45 M., die Fahrer 42,50 M. und die Ungelernten 40 m. erhalten. Das sind die dem Brauereiunternehmertum ungeheuerlich hoch" erscheinenden Löhne. Jeder Einsichtige muß und wird nach dem oben Gesagten die Notwendigkeit der Lohnerhöhungen als unbedingt zugeben.
Nach acht Tagen.
Le.
hübscher Bursche er war. Jedenfalls war es ihm noch niemals vorgekommen, daß ein Mädchen ihm zu verstehen gab, sie hätte einen anderen lieb.
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bis
Das paßte nicht recht in seine Stimmung hinein. Er hätte gerne, unbeschadet seiner Erinnerung an den zärtlichen Abschied von Fiametta, mit dieser Bianca ein verliebtes fleines Spiel gehabt. Nicht lange. Eine Stunde oder zwei der Wagen abfuhr und ihn zum Landhaus des Grafen Ruggiero Lassi brachte. Je nun sie dachte anders darüber! So mochte sie wirklich ihres Weges ziehen, und er ging den seinen. ,, Da hast du mir etwas Hübsches erzählt," sagte er leichthin. Wirst, du mich auch wieder zur Osteria begleiten? Ich glaube, man schirrt schon an."
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„ Ich könnte es tun," fagte sie zögernd, ihn voll ansehend, eigentlich gleichst du ein wenig meinem Marcello," fie lächelte reizend, sehr verführerisch, und deshalb, sicherlich deshalb, erzählte ich dir die Geschichte."
" Möglich," sagte Renzo und schwenkte seinen Hut,„ du sollst dir nun aber feine Ungelegenheiten mehr um meinet" Dente nur, sie hat unserem Pfarrer geschrieben, und der willen machen; ich laufe schnell hinunter." hat es meinen Eltern vorgelesen."
" Was denn?" Renzo lachte.
" Nun," sagte das Mädchen selbstbewußt und erstaunt, daß ich zu ihr fommen soll als Rofe."
Ja sonatürlich. Hatten deine Eltern nichts dagegen einzuwenden?"
Nein, feineswegs. Ich werde sogar mit nach Rom gehen. Doch diesen Sommer und den Winter bleibt der Alte mit ihr in Sizilien . Er hat irgendeinen Doktor, der an ihm herumfuriert, oder Siziliens Luft bekommt ihm besonders gut. Ich weiß das nicht. Es ist mir auch gleich. Ich bin nun bald bei meiner Herrin, der Principessa Livia di San Cataldo !" Troß ihres Abscheus aegen den Alten, wie sie den Brinzen nannte, ließ sie diese Worte kosend im Munde zergehen. ,, Vielleicht ist sie noch stolzer als du, daß sie nun eine Prinzessin ist."
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,, Nun, darauf fann fie auch stolz sein," sagte Bianca- es ist nur du weißt schon der Eine!" Ich weiß nicht, aber du scheinst zu wissen," sagte Renzo
nedend.
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Das Mädchen blieb ganz ernst.
Ich weiß," fie nickte ein paarmal nachdrücklich. Das war ein falter Guß für Renzo. Er war verwöhnt. Nicht nur die fleine Fiametta fagte es thm, mas für ein
Sie blieb stehen, sah ihm nach und winkte mit den gelben Blumen, als Renzo an der Biegung des Weges nochmals zurückschaute.
3.
Bei dem Grafen Ruggiero Lassi fand Renzo viel größere Aufgaben, als er erwartet hatte. Es schmeichelte ihm nicht wenig, daß man sie ihm übertrug.
Vor allem reizte es ihn, daß er zerbrochene, verstümmelte Figuren zu ergänzen hatte; es war wie eine Vorbereitung auf das, was einmal tommen mußte.
Er vertiefte sich in den Ausdruck eines jeden Körpers, in feine Haltung, prüfte diesen Ausdrud mit dem des Gesichtes, und fand eine Mannigfaltigkeit, die ihn entzückte.
Seine größte Liebe aber wandte er der Aufgabe zu, den Sohn des Grafen zu modellieren, der ein feces, faunisches Gesichtchen hatte und den ganzen Tag mit seinen vielen Tieren im Park herumtollte.
Immer, wenn er glaubte, sein Bündel schüren zu können, um dorthin zu wandern, wo das Ziel lag, fam etwas Neues dazwischen, und so fuhren schon die Herbststürme in das Laub der alten Bäume, die um das Herrenhaus standen, als der Graf ihn endlich entließ
Fortsetzung folgt.)