1 bin überzeugt, daß nach einigen Jahren viele turiert sein perden, die noch bei den lehten Wahlen den Rechtsparteien achgelaufen find, daß fie begreifen werden, daß weniger Sozialisten im Reichstag noch nicht ein Mehr an Aufwertung bedeutet.( Sehr gut!)
Dabei gleich einige Worte zur Frage des Wahlrechts. Es ist absolut notwendig, daß wir wieder zu fleineren Wahlkreisen kommen. ( Sehr richtig!) Gewiß haben die großen Wahlkreise auch ihre Vorteile. Bei den langen Listen ist der Wahlkampf unpersönlicher, mit weniger Gehässigkeit geführt worden. Aber es erscheint doch notwendig, mehr den persönlichen Zusammenhang zwischen den kan didaten und der Wählerschaft herzustellen, weil dann auch mehr Arbeit geleistet wird zur Erfassung der Schichten, die heute noch für uns zu holen find. Reinesfalls aber werden wir zum System der Einzelwahl zurückkehren, sondern halten fest an dem System der Berhältniswahl und auch an dem Wahlrecht der Zwanzigjährigen. Das Frauenwahlrecht wird ja heute von feiner Seite mehr angefochten. Wir haben auch teine Ursache, etwa das englische oder gar das französische Wahlrecht zu erstreben. Das Tektere iſt zurzeit eines der verrücktesten; es hat unsere Partei zu einer Berbindung mit anderen Barteien gezwungen, um dadurch einen politischen Erfolg zu erzielen. Allerdings haben unsere französischen Genossen dadurch, daß sie sich mit den bürgerlichen Links. republikanern auf eine gemeinsame Liste vereinigt haben, den Beweis geliefert, daß sie Politik zu treiben verstehen.( Sehr gut!) Ich wünschte, daß die deutsche Sozialdemokratie in ähnlichen Situationen denselben Sinn für Bolifit zeigen wird, wie unsere franzöfifchen Bruderorganisationen,
die durch diese Politit die Entspannung der internationalen Situation erreicht haben. Bebauerlich ist nur, daß die Entspannung so spät eingetreten ist. Unsere Rechtsbewegung in Deutschland ist ja besonders deshalb so start geworden, weil Poincaré und feine Mannen unseren Rechtsleuten fortwährend Wasser auf ihre Mühlen geliefert haben. Die Sozialdemokratie verfügt jetzt über 100 Mandate gegenüber 171 im vorigen Reichstag. Es hat Leute gegeben, die fich dem Irrglauben hingaben, als ob man mit 171 Mandaten alles machen fonnte. Ich hoffe, daß sie wenigstens begreifen werden, daß mit 100 Mandaten weniger gemacht werden tann als mit 171.( Heiterkeit.) Wir haben feit der Revolution
der Partei, die in Rußland solidarisch ist mit der Sowjetregierung,| Gerade das System Severing der Zusammenfassung der und der es auf die Verwendung von Geldern in fremden Ländern demokratischen Mittelparteien zu gemeinsamer Arbeit mit der Sos nicht im geringsten antommt.
Die Tatsache, daß eine Partei linfs neben uns auf alles lauert, was bei uns geschieht, muß unsere Agitatoren verpflichten, bei jeder Aeußerung größte Vorsicht zu üben.
Wir sind in diese Zustände gekommen, seit in Halle die Spaltung Wir sind in diese Zustände gekommen, seit in Halle die Spaltung der Unabhängigen und Kommunisten erfolgte. Dieser Spaltungsparteitag war die schwerste Niederlage, die die Sozialdemokratie nach der Revolution erlebt hat. Die Bourgeoisie weiß natürlich ebenso, daß unser Klassenhat. Die Bourgeoisie weiß natürlich ebenso, daß unser Klassen kampf dadurch stark beeinträchtigt wird. Deshalb ist es Aufgabe der Partei und auch der Gewerkschaften, die Massenträfte in jedem einzelnen Falle festzustellen, ehe es zu politischen oder gewerkschaftlichen Operationen fommt. Es ist oft ouf die glänzenden Demonftrationen Operationen fommt. Es ist oft ouf die glänzenden Demonstrationen mach der Ermordung Rathenaus hingewiesen worden. Aber es wird niemand leugnen, daß es uns 1923 nicht mehr möglich gemesen wäre, solche Demonstrationen auf die Beine zu bringen, weil Pfaffe ihrer legten Reserven beraubt und so ihre inzwischen die Inflationsperiode die Arbeiter. Kräfte start beeinträchtigt hat. Durch die Markstabilisierung haben wir die Hände wieder frei bekommen und an Macht gewonnen, wenn wir uns auch nicht darüber täuschen dürfen, daß wir zurzeit eine revolutionäre Ronjunttur noch nicht haben,
fondern eine ruhige Entwidlung in Deutschland und in Mittel europa wünschen müssen, schon im Intereffe der Erhaltung der
im Parlament niemals die Mehrheit gehabt, haben die Situation nur in der allerersten Zeit der Boltsbeauftragten beherrscht. Damals aber hemmten uns die Ernährungsarbeiten. Bei den ungeheuer vielen, Parteien in Deutschland ist es sorgen, die Schwierigkeiten der Zurückführung des Heeres und vor allem die schon am zweiten Tage nach der Revolution einfegenden Auseinandersehungen mit Spartatus. In der Nationalversammlung haben wir nicht die Mehrheit gehabt und waren damals auch nicht der Auffassung, daß wir eine Minderheitsregierung bilden sollten. Intereffant ist, daß wir jetzt erfahren haben, daß damals Adam Stegerwald in der Zentrumsfraktion dafür eingetreten ist, man möge der Sozial demokratie die Minderheitsregierung überlassen. Mir scheint, er war ein besserer Marxist als andere, wenn er erkannte, daß dadurch, daß man einer sozialistischen Minderheit äußeren Einfluß gibt, die wirtschaftlichen Verhältnisse nicht andere werden. Es ist damals dem Einfluß Erzbergers zuzuschreiben gewesen, daß Steger wald unterlag und das demokratische Prinzip siegte. 1920 30gen wir als getrennte Partei in den Reichstag ein, und die Sozialdemo▪ tratische Partei lehnte es ab, nach der damals erfahrenen Schwächung in die Regierung einzutreten.
Die Auffaffung, daß wir immer in der Regierung sein müßten, ist eigentlich niemals in der Sozialdemokratischen Partei verfreten gewesen. Einige Worte zu den Vorwürfen wegen der Ministerportefeuilles. Ich selbst habe es feit 1920 sechsmal abgelehnt, in die Regierung einzutreten, weil ich meine Anwesenheit in der Fraktion für wich tiger hielt. Im übrigen fann ich sagen, daß es nicht zu den angenehmsten Beschäftigungen gehört, Parteigenoffen zu finden, die in eine Koalitionsregierung eintreten wollen. Ich habe von einer Sehnsucht nach Minister portefeuilles noch nichts gemerkt. Vielleicht fönnten Radbruch und Sollmann aus ihren persönlichen Erfahrungen, soweit die Reichsregierung in Betracht kommt, darüber auch etwas zu sagen. Selbst die Genoffin Sender nicht mir zu.( Heiterkeit.) Wir waren eigentlich nur dann in der Regierung vertreten, wenn nichts anderes übrig bire b, und die Gründe, die uns dazu zwangen, waren fast immer außenpolitische. Nach dem Londoner Ultimatum gingen wir in die Regierung Wirth, um die Be. fegung des Ruhrgebiets zu verhindern. Man hat gefagt, daß der Eintritt in eine Koalitionsregierung foguiagen die Flucht vor dem Klassenta mpf wäre. Ich bin gespannt, ob ein Theoretiker versuchen wird, dafür den Beweis zu liefern. Der Sturz der Cuno Regierung wäre meiner persönlichen Auffassung nach damals beffer einige Tage später erfolgt, denn die Agitation unserer Gegner ift dadurch erleichtert worden, daß die Durchführung der Steuergesetze non einer ganz anderen Regierung übernommen werden mußte. Doch gebe ich zu, daß bei dem Sturm, der sich im Lande bemerkbar machte, Cuno schwer zu halten war.
Aber ich frage, was jollte eigentlich nach der Regierung Cuno tommen?
Die Aufgabe der Cuno- Regierung war doch die Liquidation der Ruhrbesehung, und die fonnte nur erfolgen durch eine Regierung, die fich auf links stürzte. Wir mußten auch damals in den fauren Apfel beißen, um schlimmeres zu verhüten. In der letzten Zeit haben wir uns darauf beschränkt, eine Regierung der bürgerlichen Mitte zu unterstügen. Ich glaube, daß niemand hier sein wird, der meint, daß wir um die Unterstützung der Regierung Marr herumgefommen wären. Das ganze sozialistische Ausland verlangte von uns, daß wir soviel Bernunft aufbringen, um eine Gesundung Europas herbeizuführen. Die Meinungsverschiedenheiten in der Fraktion waren dann auch darüber viel greinger. Gewiß, wir haben der Regierung Marr tein ausdrückliches Vertrauensvotum ausgesprochen. Aber ich lege auf all diese Formulierungen, Vertrauen oder Billigung usw., leinen besonderen Wert; denn wenn wir einer Regierung das Leben ermöglichen, so geben wir ihr eben den Zuschuß von Vertrauen, den sie braucht, um leben zu können. Wir sollten uns endlich von der Furcht vor diesen Worten emanzipieren. Mit unserem Eintreten zugunsten der Regierung der Mitte haben wir nur getan, was im Interesse der Arbeiterklasse notwendig war. Ohne die Annahme des Sachverständigengutachtens würden die Lage unserer Währung gezählt fein, und was das für jeden Arbeiter bedeutet, ist Ihnen flar. Das ist unsere Auffaffung von parlamentarischer Unterstühung des Klaffentampfes.
Ich persönlich glaube nicht, daß die Bäume der Monarchisten in den Ich persönlich glaube nicht, daß die Bäume der Monarchisten in den Simmel wachfen werden. Gewiß ist das eine innerdeutsche Frage, aber nach den Erfahrungen des Weltkrieges würde das ganze Europa und auch Amerifa einfach nicht dulden, daß die Hohenzollern wieder auf den Thron fommen. Sie haben ja nicht einmal das verstorbene Karlchen in Budapest wieder auf den Thron zurückkommen lassen. Verhüten müssen wir vor allem, daß bei uns die Republik nicht zu einer Attrappe wird. Ich fürchte am meisten, daß eines Tages Junter und Kapitalisten an der Republik Gefallen finden, wenn wir nicht verhindern, daß unsere Republik immer mehr zu einer 3idzad republit wird. Wir können die deutsche Republit nicht allein mit Demonstrationen erhalten, sondern müssen es den Republikanern ermöglichen, in der Republik zu fehr schwer, eine sogenannte stetige Politif zu treiben. Wir trauren in dieser Beziehung von den Gegnern lernen, die bei den letzten Verhandlungen mit den Mittelparteien verlangt haben, daß in den fünf größten Ländern im Reich eine der Reichsregierung homogene Regierung gebildet werden müßte.( Hört, hört!) Wir haben leider zu der Zeit, als wir in der Regierung waren, ähnliche Forderungen nicht gestellt, fon. bern die Entwicklung den einzelnen Ländern über. lassen. Ich bin der Lehte, der den sächsischen und thürin= gischen Genossen einen Vorwurf daraus machen würde, daß sie zein verfassungsmäßig gesehen versucht haben, eine Regierung mit rein verfassungsmäßig gefehen versucht haben, eine Regierung mit den Kommunisten zu bilden. Aber politisch gesehen war das das Unflügste, was paffieren tonnte, und nicht gulegt hat die bayerische Reaktion aus solchen Experimenten Rugen gezogen; auch das Bürgertum ift dadurch in besonderer Weise zusammengeschweißt worden. Schon Marg hat uns auseinandergefeßt, daß das Bürgertum feine einheit liche reaktionäre Masse ist, und das gilt heute noch viel mehr. Zum Fall Zeigner hat Wels schon gesprochen. Ueber den friminellen Fall nur ein Wort. Wenn Zeigner deutschnational gewesen wäre, wäre er vielleicht beffer davon gefommen.( Sehr wahr!) Poli tisch muß zugegeben werden, daß die Aera 3eigner eine Schädigung der Republit bedeutet hat, daß 3eigner alles zu einem politischen Führer fehlte. Burufe.) Ihr habt doch selbst nachher gesehen, wie absolut haltlos er sich gezeigt hat. Was Bayern anlangt, so haben wir gefordert, daß das Notwendige geschieht, und als das Notwendige nicht geschah, sind wir aus der Reichsregierung ausgeschieden. Eine schärfere Opposition fann man doch nicht ausüben. Wir haben damals auch unsere Ratschläge gegeben, wie man militärisch und politisch vorgehen könnte, aber fämtliche bürgerliche Parteien waren bazu nicht bereit. In einem Buntt hat die Reichsregierung recht behalten: es ist ihr durch ihre Tattit gelungen, zu verhindern, daß der bayerische Brand auf Norddeutschland übergriff. Wir wissen ja aus dem Küstriner Prozeß und anderen, wie damals die Fäden von München nach Norddeutschland gespannt gewefen find. Die Regierung hielt es für richtig, den bayerischen Herd ausbrennen zu lassen. Die Tätigkeit, die Ludendorff dort entfaltet hat, hat ja dann eine Wendung herbeigeführt, wie wir uns überhaupt freuen dürfen, wenn Ludendorff seine Hand im Spiele hat; denn dann geht es immer schief.( Heiterkeit.) Interessant war, daß die Bayerische Boltspartei, die den schärfsten Kampf gegen uns geführt hat, sich bis zulegt noch für die Erfüllungspolitik erklären mußte, die gerade von München aus am meisten angefeindet wurde.
.
Biele Angriffe find gegen die Fraktion gerichtet worden, daß wir die Cuno Regierung der Nichterfüllung unter stützt hätten. Ich will nicht die Frage aufwerfen, ob der Einmarsch in das Ruhrgebiet auch erfolgt wäre, menn damais die Regierung Wirth nicht gestürzt worden wäre. Ich glaube, daß die Herren von Block national auch dann ihren Weg in das Ruhrgebiet gefunden hätten. Aber das entlastet die nicht, die den Franzoen den Vorwand geliefert haben.
Die Hauptleidtragenden bei der Ruhrbejehung waren jedenfalls die Arbeiter,
und wir sind völlig im Einklang mit dem gewesen, was uns von den organisierten Genossen des neubesetzten Gebietes vorgetragen worden ist. Die Art, wie der passive Widerstand im Ruhrgebiet ausgeübt worden ist, hat zweifellos für Deutschland moralische Er oberungen im Ausland mit sich gebracht.( Sehr richtig!) Wir fonnten ja auch den rechtswidrigen Einmarsch nicht einfach hinnehmen; denn schließlich besteht doch das deutsche Bolt nicht aus lauter Hunden, die kuschen, wenn irgendein Unrecht verübt wird. Gerade die Arbeiter= fchaft. die aus Klassenfämpfern besteht, würde eine solche Haltung sehr wenig verstehen.( Sehr richtig!) Daß diese Arbeiterschaft dafür nicht belohnt worden ist, wissen wir ja. Auch politisch hat unsere haltung während jener Zeit uns Nuken gebracht. Bei den hoch gehenden nationalistischen Wogen damals hat sie dazu geführt, daß er passive Widerstand nicht in einen aktiven Widerstand ausartele. ( Sehr wahr!) Vielleicht wäre es möglich gewesen, en Ruhrkampf früher zu liquidieren, wenn die Gozialdemokratie früher zur großen Roalition bereit gewesen wäre.
Wir haben uns in jener Zeit immer wieder Mühe gegeben, mit ben sozialistischen Genossen vom Ausland eine gemeinsame Blattform für die Lösung der Reparationsfrage zu finden, und das ist uns gelungen. Zur Zeit der ersten StresemannRegierung ist uns dann vorgeworfen worden, daß wir nicht schnell genug die Sanierung durchgeführt hätten. Aber die Vorwürfe, die hamals Hilferding gemacht wurden, sind zu Unrecht erhoben, beim eine Sanierung der deutschen Währung war nicht möglich, so lange die immenſen Zahlungen für das Ruhrgebiet weitergingen. Ich will auf den Streit um die fleine und große Koalition nicht näher eingehen. Die fleine ist nach den Ergebnissen der Wahl erledigt; die große aud), weil mit einer Stimme Mehrheit nicht regiert
Das Wort Klaffentampf fehrt in einer ganzen Reihe Don Resolutionen in diesem Parteitag wieder. Das hat mich sehr betrübt, weil dieser Vorwurf immer wieder erhoben wird. Als Bebel mit Bollmar für das Agrarprogramm eintrat, murde ihm schon derselbe Vorwurf nemacht.( hört, hört!) Man sollte doch endlich einmal mit neuen Vorwürfen fommen, nicht immer die alten Ladenhüter hervorholen.( Heiterfeit.) bgesehen von den skandinavischen Ländern weiß vielleicht feine Arbeiterschaft so gut, worauf es beim Klaffenkampf ankommt, wie die deutsche Arbeiter tlaffe. Das war der Erfolg unserer Agitation in den letzten sechs Jahrzehnten, und wenn dieser Erfolg sich jetzt nicht mehr ganz auswirkt, so deshalb, weil wir infolge der Kriegszeit so viele Jugendliche bekommen haben, die noch nicht aufgeklärt werden konnten. Dazu kommt, daß sich Zustände entwickelt haben, wie sie weder Marr noch Engels voraussehen konnten, und die auf die Fühträge kommen, die sich gegen jede Koalition, im Reich wie in den rung des Klassentampfes einwirkten: wir haben eine Spaltung der Arbeiterklasse, wie man sie in den 90er Jahren für unmöglich ge= halten hätte, haben Rückfälle in die Zeit, wo Bakunin mit Marr, Most mit August Bebel gekämpft hat, Rückfälle in die Zeit des Synbitalismus und Anarchismus, RückWille in allen Ländern, meil diefe Bewegung untertigt with pox I
werden kann. Aber mich wundert doch, wenn immer wieder An
cinzelnen Ländern, wenden.
Wenn es eines Tages der Reaffion, in Deutschland gelingen follte, den Rechtsturs auch in Preußen durchzuführen, dann werden Sie erit sehen, was die Regierung der großen Soalition für Preußen und für das ganze Reich bedeutet.( Sehr wahr!)
zialdemokratie ist das System, unter dem überhaupt die Durch führung der Demokratie in Deutschland nur gewährleistet werden. fann.( Sehr richtig!) Nicht aber die Theorie des Alles oder Nichts, die für Theologen viel besser paßt als für Politiker.( Sehr wahr!) Ich habe in Thüringen seinerzeit gefagt: Ihr werdet die Koalition machen oder ihr werdet alle Positionen räumen, die ihr feit der Revolution gehabt hat. Leider ist es so gekommen: wir haben dort den Trümmerhaufen und brauchen nicht danach zu gieren daß es in Preußen zu ähnlichen Zuständen fommt.( Eehr richtig!) Wenn die große Koalition ihre Politik nicht durchführen fonnte, so hauptsächlich deshalb, weil damals eine schnelle Sa nierung der Finanzen notwendig war und weil die bürger lichen Parteien der Auffassung waren, daß dies nur nach ihrem Rezept geschehen könnte. Wir haben uns dagegen gewandt daß die Sanierung durch Lohnabbau und Verlängerung der Arbeitszeit erfolge. Also der Grund, warum man uns damals herausgedrängt hat, ist ein Rompliment für die Politik, die wir in jener schwierigen Zeit betrieben haben.
Die Sanierung fonnte viel beffer vorgenommen werden in früherer Zeit. Darauf haben wir immer hingewiesen. Der Börs liger Parteitagsbeschluß ist gefaßt worden in der Hoff nung, daß in den bürgerlichen Kreisen die Einsicht so groß sein werde, daß die Sanierung erfolgen fönnte. Die Bürgerlichen erflärten uns aber immer, fie fönne nicht durchgeführt werden, ehe nicht endgültig feststeht, was wir an Reparations zahlungen zu leisten haben. Diese Auffassung ist falsch ge= wesen. Auch das Sachverständigengutachten läßt diese Frage noch offen. Die Sanierung wäre viel leichter gewesen damals, als Birth die internationalen Sachverständigen nach Berlin berufen hatte, als das Internationale Komitee in Berlin tagte. Das erste Ermächtigungsgesetz wurde bewilligt, als wir in der Regierung Stresemann waren.
Bei der Krifit des Ermächtigungsgefezes follte man nie vergeffen, daß die Rentenmart ein Kind dieses Ermächtigungsgefeßes ift. Wenn die Verhandlungen über die Rentenmark auf dem normalen Wege der Gesetzgebung, über Reichstagsund Reichsratsausschüffe, hätte erfolgen müffen, so wäre fie wahrscheinlich zu spät gekommen.
Das Ermächtigungsgefeß fiel, als wir aus der Regierung Strese mann austraten. Die Regierung Marg verlangte von neuem ein Ermächtigungsgefeg. Um dieses zweite Ermächtigungsgesez sind heftige Rämpfe entbrannt. Ich bin der Ueberzeugung, daß in der Demokratie einer Regierung weitgehende Vollmachten zugestanden werden können, wenn man selbst in der Regierung sight und sie von innen heraus fontrollieren fann. Ich war der Auffaffung, daß wir nicht schlecht abgeschnitten hätten, wenn es damals zur Auflösung und zur Reichstagswahl gekommen wäre. Da ich zur Minderheit damals gehört habe, fühle ich mich um so mehr verpflichtet, die Gründe für die Zustimmung darzulegen. Es war nicht die Furcht vor der Auflösung. Zwei Gründe waren vielmehr ausschlaggebend für die Mehrheit der Fraktion: die Erwägung, daß prattisch gar nichts gebessert wird, wenn wir das Gefeß ablehnen. Bis zur neuen Regierungsbildung hätte die Regierung auf Grund des Art. 48 doch alles durchgeführt, was sonst auf dem Wege des Ermächtigungsgefeges geschehen wäre. Und auf Grund des Art. 48 wäre noch manche Verordnung mehr herausgekommen als durch das Ermächtigungsgesetz. Inzwischen stellten wir auch den Antrag auf Ausführungsbestimmungen zuni Art. 48; denn.cs müffen gefeßlich die Grenzen abgesteckt werden, innerhalb deren auf Grund des Art. 48 regiret werden kann. Im November v. I. fagte sich die Mehrheit der Fraktion, daß die neugeschaffene Rentenmart eben erst ins Leben getreten ist, das durch innerpolitische Störungen und durch Auflösung des Reichstags leicht beeinträchtigt werden könnte, so daß eine neue Periode der Inflation heraufbeschworen würde. Selbst, wer der Auffassung ist, daß die Mehrheit nicht richtig gehandelt hat, muß zugeben, daß sie geleitet war von Gründen, die in der Linie der Interessen der Arbeiter gelegen haben. Unsere Währung hat sich gehalten, entgegen allem Pessimismus.
In vielen Wahlkreisen find unsere Abgeordneten in Bausch und Bogen abgefägt worden, die fich für das Ermächtigungsgesetz eingefeht haben. Es ist höchste Zeit, daß mit jolchen Anfrägen innerhalb der Partei aufgeräumt wird. Denn sonst erzielen wir nur Heuchler und Gesinnungslumpen( lebh. Sehr richtig!); was wir aber in diefer parlamentarisch bewegten Zeit brauchen, find Charaktere( lebh. Beifall und Händeklatschen), Charattere werden aber durch folches Verfahren nicht grohgezogen.
Bir Sozialdemokraten sind der Ueberzeugung, daß alles getan merden muß, um den Achtstunbentag zu verteidigen. Die Ausnahmen sollen beschränkt werden auf tarifliche und gesetzliche Maßnahmen. Als wir Sozialdemokraten die Regierung Stresemann verlassen hatten, hat der Arbeitsminister Brauns am 17. Dezember 1923 die Demobilmachungsverordnung über die Arbeitszeit aufgehoben. Unser Antrag zugunsten des Achtstundentages ist in der Folge von sämtlichen bürgerlichen Parteien niedergestimmt worden. Als Partei haben wir feinen Zweifel darüber gelassen, daß der Rampf um den Achtstundentag nicht beendet ist. Die Gewerkschaften, mit denen wir darüber beraten haben, und die das gleiche Intereffe haben, bald wieder zum vollen Achtstundentag zu tommen, sind zurzeit in der Beratung über die Art der Bors bereitung und Durchführung des Boltsentscheids über diese Frage. Die Führung soll bei den Gewertschaften liegen. Für die sozialdemokratische Presse bleibt es oberste Pflicht, diesen Kampf zu unterstützen, und die Fraktion wird die nötige Unters stützung bei den parlamentarisch erforderlichen Schritten zu leiſtert haben. Nicht die Fraktion in ihrer Minderheit, sondern das ge= schlossene Vorgehen der bürgerlichen Gegner trägt die Schuld, wenn wir nicht alles durchgesezt haben. Bei der Masse der deutschen Arbeiterklasse findet man dafür bei der Darlegung der Gründe auch das nötige Verständnis. Unter dem parlamentarischen System haben wir es zwar oft schwerer, Fragen der aktuellen Politik erklärlich zu machen als früher, wo wir nicht mitzuarbeiten hatten. Der Frattion ist auch vorgeworfen worden, daß die Sozialdemokratie nicht das Nötige getan habe zur
Beseitigung des Belagerungszustandes. Demokratie und Belagerungszustand schließen sich an fich nicht aus. Der Erlaß des Belagerungszustandes ist allerdings in der Praxis von heute ein zweischmeidiges Schwert, da es sich in erster Linie gegen die Arbeiterklasse auswirkt. Aber wir mußten uns über die Folgen der Ablehnung eines Antrages, den Belagerungszustand aufzuheben, flar sein. Selbst die Kommunisten haben sich bereit gefunden für die Ueberweisung ihres entsprechenden Antrages an den Rechtsausschuß. Denn eine Ablehnung des Antrages hätte lediglich den Belagerungszustand gestärkt. Wir aber wollten nicht feine verstärkte Legalität. Die Politit der letzten Jahre ist nicht schuld an der sogenannten Niederlage der Partei. Niemand, felbst unter den Optimisten, hat uns mehr als 120 Abgeordnete zu gesprochen. Denn feit Halle waren viele Arbeiter zu den Kommunisten übergegangen. Solche parlamentarischen Schlappen haben wir auch früher erlitten, ich erinnere nur an 1907. Geit 18 Jahren like ich im Parteivorstand und habe noch mit den Alten der Partei zusammengearbeitet. Damals hatten wir andere Möglichkeiten, jede Frage vorzubereiten; damals hatten wir in einem halben Jahre nicht so viele folgenschwere Ent scheidungen vorzubereiten, wie jekt mitunter in einer Woche. Die Führer und die Massen mögen sich an den Alten ein Vorbild nehmen: nicht tleinmütig werden und nicht glauben, daß wir die historische Mission verlieren. Wenn mir uns an ein beffer zu unterrichtendes Bolt menden, dann werden wir auch Verständnis finden. Benn wir uns nicht selbst aufgeben, sondern uns die Treue halten, werden wir neue Sicge vorbereiten fönnen.( Lebh. langanhaltender Beifall.)
Um 1 Uhr 15 Min, wird die Sigung auf 3 Uhr nachmittags
pertagt
9