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solange sie nicht mit chilse einer hinter ihr stehenden Volks- mehrdeit allein regieren kann, oder aber sie muß das Mag von Einfluß, das ihr von den Wählern jeweils zugewiesen wird, dazu verwenden, um ietzt schon nach Möglichkeit Besse- rungen für das arbeitende Volk zu erreichen oder Schädigungen von ihm abzuwenden. Bei Licht besehen, ist jedoch die erste Möglichkeit eine Unmöglichkeit. Denn eine Partei, die politische Abstinenz übt und fünf eine gerade Zahl sein läßt, solange sie nicht die Mehrheit hat, würde niemals die Mehrheit erhal- t e n. Und erhielte sie sie auch, so würde sie zu gleicher Zeit staatsrechtliche Verhältnisse vorfinden, bei denen ihr auch der Besitz der Mehrheit nichts nützt. Und so bleibt von den zwei Möglichkeiten, die es schein- bar gibt, in Wirklichkeit eben nur eine. Die Partei muß in der deinokratisä>en Republik positive Politik treiben. Das heißt nicht, daß sie nicht in Opposition gehen kann. Sondern es heißt nur, daß sie sich genau überlegen muß, was für das arbeitende Volk und für die Republik   daraus wird, wenn sie in Opposition geht. Man stelle sich einmal vor, die 100 Sozialdemokraten hät­ten, weil sie nun einmal geborene Oppositionsleuts sind, mit den 142 Rechtsleuten und den 62 Kommunisten zusammen der Regierung Marx das Mißtrauen ausgesprochen und das Kabinett dadurch zu Fall gebracht? Für ein solches Verhalten hätten sich aus der Theorie und aus der Geschichte des Kabinetts Marx ein Dutzend ausgezeichneter Gründe angeben lassen. Und doch wäre das ein Schildbürgerstreich von Weltdimen- sionen gewesen! Als die Partei der Demokratie, des Weltfrie- d ens, des internationalen A r b e i t e r s ch u tze s. des Sozialismus ist* die Sozialdemokratie die Partei der großen fortschrittlichen Menschheitsideen. Für diese Ideen deklamieren, ist leichter als für sie arbeiten. Der Parteitag hat an die Arbeit gedacht! Unsere Partei überragt aber die anderen auch das muß einmal offen ausgesprochen werden nicht nur an Reichtum der Ideen, sondern auch an Reichtum der Persönlichkei­ten. Wir pflegen ja in diesem Punkt sehr bescheiden zu sein, weil wir uns vor nichts mehr fürchten als vor Personenkult. Immerhin darf einmal gesagt werden, daß die deutsche sozial- demokratische Arbeiterbewegung durch ihr Prinzip der Aus- lese und der Schulung mehr v o l i t i s ch e Köpfe hervor- gebracht hat, als alle anderen Parteien zusammengenommen. Gewiß wollen wir uns vor Selbstbeweibräucherung hüten, aber auch vor der leidigen Selbstv e r k l e in e ru n g s sucht! Nimmt man dazu, daß die Sozialdemokratie trotz aller Größe des Schicksals immer noch die größte, bestorganisierte Massenpartei Deutschlands   ist, so wird man wissen, was man von den Flausen gegnerischer Neidhammel zu halten hat. Ihnen wird auch unser Parteitag nicht gefallen, aber ihnen zu Gefallen ist er ja auch nicht abgehalten worden. Der Parteitag hat gezeigt, daß wir im Grunde einiger sind, als wir es selbst wahr haben wollten. Aus seinem Ver­laus werden Millionen des arbeitenden Volkes die Zuversicht schöpfen, daß in dieser Welt der Zerrissenheit und Zersplit- terung noch etwas Festes, Ganzes, nach hohen Zielen Streben- des geblieben ist: die Partei! Die Partei der deut- s ch e n Arbeiter, die von heute ab wieder, wie in alter Zeit, die Sozialdemokratische Partei Deutschlands   heißt und der die Zukrinft gehört, trotz alledem!
Das Echo öes Parteitags. Noch vor dem Abschluß des Parteitages hat die Presse der Parteien begonnen, die Folgerungen zu ziehen. Die r e a k- t i o n ä r e Presse sieht die Stärke und Kampfbereitschaft der Sozialdemokratie, die der Parteitag zum Aufdruck brachte, mit Ingrimm. G r a f W e st a r p in derKreuzzeitung  " blickt mit Sorge aufReichsbanner Schwarz-Rot-Gold" trotz aller
Bcleusrungsn, daß die reaktionären Verbände keine Furcht vor einer republikanischen Schutztrupps hätten. Er spricht im übri- gen der Sozialdemokratie den Idealismus ab: Wenn ich gleichwohl der Meinung Ausdruck gebe, daß die Säule der sozialdemokratischen Partei, die den Bau der großen Koalition nach wie vor trägt, morsch sei, so stütz« ich diese Ansicht hauptsächlich darauf, daß auf dem jetzigen Parteitag ein geradezu entsetzlicher Mangel an politisch tragenden oder auch nur agitatorisch wirksamen Ideen zutage getreten ist. Der Achtstundentag und die materialistischen Interessen der arbeitenden Klasse sind das einzige, wovon man sich vielleicht noch einen Eindruck auf die Massen versprechen mag." Die politische tragende Idee sieht er in der v ö l k i s ch e n Bewegung. Herr v. G r a e f e der Träger des deutschen   Idea- lismus. Es berührt merkwürdig, daß der Vorwurf des mangelnden Idealismus auch in derV o s s i s ch e n Zeitung" von Herrn R. Ln.- erhoben wird. Idealismus ist nicht Sensation, ist nicht das Prangen mit großen Worten nach den Gebräuchen der modernen expressionistischen Politik. Idealismus ist nicht der hysterische Aufschrei und nicht die verstiegene Mystik, die leider ein Teil der jungen Generalion mit Idealismus ver- wechselt, und die�sie mit schwachem Mute und verwirrtem Kopf suchen ohne zum wahren Idealismus sich durchzuringen zur selbstlosen Arbeit und Hingabe an ein großes Ziel. Nicht der Lärm und die Sensation macht den Idealismus ist der von Herrn R. L n. vermißte Idealismus etwa bei Ullstein zu finden? Davon abgesehen, unterstreicht dieV o s s i s ch e Ztg." gemeinsam mit demBerliner Tageblatt" die große Bedeutung des Parteitages und feiner Beschlüsse für den Schutz der Republik  . DieV o s s i s ch e Zeitung" schreibt: Republikanische Realpolitik: das ist dos Ziel, das die leitenden Männer mit aller Entschiedenheit oerfolgen. Das überzeugte und tatkräftige Eintreten d«r S o z ia ld e m o k r a- ten für die Republik   ist heute für den Bestand des Deutschen Reiches und seiner Verfassung um so werwoller, alz   bei den bürger- lichen Parteien, die sich zur Republik   bekennen, leider nicht immer dieselbe Tatkraft und dieselbe Bekennwisfreudigkeit vorhanden sind." Und dasV e r l i n e r T a g e b l a t t": Es ist das Ergebnis dieser Verhandlung und der gestrigen Abstimmung, daß das Schlagwort von dereinheitlichen reaktiv- nären Masse", gegen die dasProletariat" seinen Kampf zu fiihren habe, aus der praktischen Politik der Sozialdemokratie endgültig beseitigt ist. Dies« Entscheidung hat nicht nur parteipolitische Be- geutung. Sie ist zugleich ein Erfolg des republikanU s che n G e da n k e n s und«in« Niederlage der Re- a k t i o n." DieZ e i t", das Organ der Volkspartei, spricht von einem bedenklichen Auseinanderklaffen der Partei, die nur die äußere Einheit beHaupts. Das ist ein Punkt, über den dieZeit" nun gerade nicht reden sollte. Denn schließlich ist das Ergebnis der innerpolitischen Entwicklung seit einem Jahre: die Festigung der wiedergeeinten Sozialdemokratie hier, der fortschreitende Zerfall der Deutschen Volkspartei   dort.
Justiz unö rechtsraüikaler Terror. WaS in der prenstischen Staatsanwaltschaft möglich ist. DieVossische Zeitung' veröffentlicht einen Vor- gang, der ein Gegenstück zum Freispruch im Thormann-Gran- dell-Prozeß ist. Der Reichsführer der deutschvölkischen Stu- dentenbewegung, Hans Lutz, hatte an den Chefredakteur derVossischen Zeitung" einen Brief gerichtet, der folgender- maßen lautste: Ich habe in der Presse einenOffenen Brief cm Herrn Bern» Harb" veröffentlicht. Ich teile Ihnen hierzu noch mit, daß ich Sie ein und für alle Male vor solchen Gemeinheiten unserem Ehrenoorsttzen- den Exzellenz Ludendorff   gegenüber warne, anderenfalls ich Ihnen den Glauben nehmen muß, daß sich die deutschvölkische Studenten-
bSwegung in Zukunft mit dieser Form der Zurechtweisung de- gnügen muß." Dieser Brief wurde der P o l i z e i übergeben, die ein E r mittelungsverfahren wegen Nötigung und Bedrohung einleitete und die Akten an die Staats- a n w g l t f ch a f t abgab. Der General st aatsanwalt beim Landgericht I entschied sich nach etwa sechs Wochen folgendermaßen: Der Beschuldigte bestreitet, Sie mit einem Verbrechen oder Bergehen, insbesondere mit irgendwelchen Gewalt- tätigtet ten bedroht zu haben, und gibt an, er habe nur für den Fall weiterer Angriffe auf Ludendorff   gegen Sie und Ihre Politik in ausführlicheren Zeitung sartiteln Stellung nehmen wollen. Dieser Einlassung steht die unklare und allgemeine Fassung des beanstandeten Briefes nicht entgegen Ein Bergehen der ver- suchten Nötigung läßt sich daher dem Beschuldigten nicht mit hin- reichender Sicherheit nachweisen." Der Chefredakteur derVossischen Zeitung" erhob Be- schwerde mit folgender Begründung: Daß der Beschuldigte bestreitet, mich mit einem Ver- brechen oder Vergehen, insbesondere mit irgendwelchen Gewalttätig- keilen bedroht zu haben, ist selbstverständlich. Er ist eben zu feige, um die Folgen seiner Handlungen zu trogen. Dogegen befremdet es mich auf das höchste, daß die Staatsanwaltschaft die Ausflüchte des Beschuldigten als gerechtfertigt betrachtet. Die Fassung des von mir beanstandeten Briefes ist durchaus nicht im allgemeinen unklar, sondern im Gegenteil höchst spezialisiert und klar. Es kann gar keine Rede davon fern, dost der Beschuldigte beabsichtigt hat, weiteren Artikeln gegen mich vorzugehen. Denn er verweist mich ja auf einen bereit? veröffentlichten Artikel und erklärt, daß sich di« deutschvölkische Studentenbewegung in Zukunftmit dieser Form der Zurechtweisung nicht begnügen wird". Der General st aatsanwalt bei dem Kammer- gericht hat der Beschwerde nicht stattgegeben. In seinem Be- scheid heißt es: Die von dem Beschuldigten gewählt« Wendung läßt nicht den zwingenden Schluß zu, daß er Sie mit einem Vergehen oder Der- brechen bedrohen wollte, oder daß er damit gerechnet hat, daß Sie die Aeußerung als eine solche Bedrohung auffassen würden." Das Verhalten der Staatsanwaltschaft stellt eine u n- erhörte Verweigerung von Rechtsschutz gegen offenbare Bedrohung dar. Kein Wunder, wenn völkische Buben sich durch ein solches Verhalten der Justiz ermutigt fühlen zu Gewalttätigkeiten. Es ist nötig, daß geprüft wird, ob das Verhalten der Staatsanwaltschaften pflichtgemäß war. Will die Staatsanwaltschaft warten, bis der Chefredakteur der Vossischen Zeitung" das Opfer eines Ueberfalls völkischer Mordbuben geworden ist?__ Neuer Kurs im Nheinlanü. Wiesbaden  , 14. Juni.  (WTB.) Wie das Kreisbkatt in Höchst mitteilt, sind in den letzten Tagen im hiesigen Bezirk 15 Aus­weisungen zurückgenommen worden. Ferner ist einer Anzahl ausgewiesener Familien ein befristeter Aufenthall im be- setzten Gebiet gestattet worden. Koblenz  , 14. Juni.  (WTB.) Anläßlich der Eröffnung der Mittelrheinischm Industrieausstellung ist einer Reih« von Industriellen, Ue von der Besatzungsbehörde ausgewiesen worden waren, die Rückkehr in die Heimat gestattet worden. Fern« wurde die Ausweisung des Oberpräsidenten der Rheinprovinz   Dr. Fuchs und des Koblenzer Regierungspräsidenten aufgehoben. Anmerkung des WTB.: An Berliner   zuständiger Stelle liegt eine Bestätigung der letzteren Meldung noch nicht vor.
Der Generalssohn als AntimiNtarist. In C r i st i a n i a wurde der Student Theodor Broch gemeinsam mit 41 jugendlichen Arbeitern wegen antimilitaristischer Propaganda o e r h a f t« t. Theodor Broch ist der Sohn eines höheren Offiziers im norwegischen Generalstab. Wie sollt der Apsel weit vom Stamm«
Gesegneter Tag. Dana hat ein Tag dich gesegnet: wesenlos mußt du flehn. so am Abend wann es geregnet schöne Frauen über gewölbic Brücken geh». Blumen sind und Gerüche. Aber du weißt es nicht. Bergesseue Sprüche lebeu in deinem Gesicht. Deine Augen zünden ein Leuchten. alle Gestirne heben zu schwanken an. Du aber legst mit feuchten Wimpem einen Kuß in die Hand dem Bettelmann. ___________ Alfred Brust  . Die beiden Raupen. Von Ernst Preczang  . Es Ovaren«mmal zwei Raupen, Kinder aus der Familie der Spinner, Porthesia mit Namen oder auch Goldaster, wenn sie das höher« Lebensfiadium des Schmetterlings erreicht haben. Zwei Raupen jener jeltsamen Art, die an der Sonnensucht leidet. Wenn der Frühling sie aus ihrem winterlichen Schlupfwinkel gelockt hat, zieht das große Licht sie an wie ein Magnet das Eisenspänchen. Was hinter ihnen ist. wissen sie nicht. Sie sehen nur die Sonne vor sich, über sich, und klettern langsam höher und höher an den Zweigen, bis in die äußerste Spitze, wo sie lichthmigrig oerharren, bis leib- sicher Hunger sie reizt, sich an den ersten weichen Blättern, die der Lenz trieb, zu sättigen. Und dann erst, wenn sie eine Mahlzeit zu sich genommen haben, können sie sich wenden vorher geht ihr Weg nicht anders als aufwärts... Bon dieser Art also waren die beiden Raupen. In dem welken, zulammengerollten Blatt einer Buche hatten sie gemeinsam über- wintert, bis der erste warme Sonnenstrahl des Frühlings ihr Versteck traf und seine leuchtenden Spiele an Stamm und Aesten trieb. Da gähnten sie kräftig, reckten sich und krabbelten aus ihrer engen Be- Häufung hervor. Wohin?" fragt« die erste. ..Zur Sonne," erwiderte die zweite. Es wird eine beichwerlicke Reise werden." Mas schadet es. Ist das Ziel nicht hoch und schön?" Wie kann der Weg unangenehm sein?" Wenn wir es nm errelchen.......... Gewiß erreichen wir«s. Oder hast du>etzt ichon mudc Fuße?" Das nicht. Aber es führen so viele Wege nach oben. Nach ollen Seiten recken sich die Aeste. Welchen wählen wir?" Den längsten. Den, der am höchsten hmaufreicht. Denn dort sind wir der Sonne am nächsten, und kein Schatten verdunkelt ihr
Licht. Wir werden ihre Strahlen trinken vom Morgen bis zum Abend." Ich ziehe einen kürzere» Weg vor. Auch er führt hinauf in die Helle. Und ich sehe nicht ein, warum ich mich unnötig anstrengen soll!" Und da die beiden Raupen sich nicht einigen konnten, trennten sie sich und wählten verschiedene Wage. Die eine strebte mit allen Kräften dem Wipfel zu: die zweite begab sich auf einen Nebenast, der schon die ersten kleinen Blatt- knospen trieb. Bereits am folgenden Tage Hatto sie die Spitze er- reicht, sonnt« sich hier behaglich im warmen Licht und entdeckte, als sie Hunger verspürie, neben sich zwei wundervoll zarte, grüne Blätt. chen, an denen sie nun zu nagen begann. Wie mühselig aber war der Weg der anderen Raube! Wie unendlich lang! Ganze Tage wanderte sie, die Augen nach oben ge- richtet. Nur in der Nacht ruhte sie und verharrte still auf ihrem Wege. Endlich, eines Morgens, als sie erwachte, breitete sich gol- denes Feuer dicht über sie: der Wipfel glüht« im ersten Lichte des Tages. Hier zweigten sich die letzten Aestchen der Krone ab und lange überlegte sie, welchen von diesen Zweigen sie besteigen solle. Ueberall sproßten die grünscrstigen Blattknospen hervor und nur einer war da. der ragte kahl und steil in di« Höhe. Die Sonn« traf ihn mit ihrer ganzen Gewalt und hüllte ihn in ein goldenes Gewand von Lichter, einsamer Herrlichkeit. Zitternd, von Sonnenschnsucht ganz durchbebt, sah es die Raupe und wählte ihn als letztes Stück dos Weges. Bald war sie an die äußerste Spitze gelangt, und trunken von der Prallst ringsum, klammerte sie sich an den letzten dürren Ausläufer des Zweiges und oerharrte dort m Sonnenjeligkeit, bis der Abend die Sonn« oerschluckte und die Dämmerung sich über die Wipfel breitete. Und nun. da es dunkel zu werden begann, erstand ein bisher ungekannies Gefühl in ihr: der Leib fordert« Nahrung. Ihr Blick wanderte /suchend umher: kein Blättchen, keine Knospe grünte in ihrer Nähe. Nichts, das ihren Hunger hätte stillen können. An den anderen Zweigen keimten lockend zahlreiche Blätter, aber sie konnte nicht dahin gelangen. Denn der Gedanke, sich abzuwenden vom hohen Licht, kam ihr nicht. Und so blieb sie, vor Hunger zusammen» gekrampft, an der Spitze ihres Zweiges sitzen und sah die Sonne auf- und untergehen... Ihre Gefährtin hatte inzwischen längst die k»:iden ersten Blätt- chen verzehrt, sich unigewendet und begann nun, einen Zweig nach dem anderen abzugrasen. Sie vergaß darüber di« Sonne und alles Licht, richtete ihren Blick nur noch auf die saftigsten Blätter und ward wählerisch in der Speise. Denn mit>Äxm Tag entdeckte sie neue, reiche Weidegründe. Sie wurde fett und fetter, und als ihr das Buchenlaub nicht mehr zusagte, weil sie einmal etwas anderes fressen wollte, entschloß sie sich, diesen Baum zu verlassen und nach abwechselungsreicheren Mahlzeiten Umschau zu halten. An einem Abend gelangte sie mit ihrem dicken Leibe an den Fuß der Buche und war gerade dabei, sich ein behagliches Schlaf- plötzchen zu suchen, als ein Sturm in den Wipfeln zu rauschen begann. Gewaltig heulte und knackte es im Wald«. Zweige brachen und Aeste zersplitterten. Ein trockenes Holz klapperte durch die Buche und hätte fast die Raupe erschlagen: denn es fiel dicht neben ,hr zu Boden. Und als sie es genauer betrachtete, bemerkte sie ein
gelbbraunes Klümpchen mit weißen und roten Längsstreifen, das fast mit der Spitze des Holzes verbunden schien. Da erkannte sie ihre Gefährtin, schüttelte strafend den Kopf und sagte:Wie mager du bist! Und es ist doch, weiß Gott  , genug zu fresjcn da. Aber das kommt von deiner törichten Berstiegenhett, die sich nur mit dem Lichte nähren möchte! Sieh mich mal an! Ich bin beizeiten umgekehrt. Man muß der Helle den Rücken zuwenden. wenn man gut leben will. Mache es ebenso!" Aber die andere tot«s nicht. Sie antwortete nicht«mmol. Denn sie war längst verhungert. Und erst der Sturm hatte ihre Leiche vom Lichte losgerissen.
Menschen, üie nicht fortschreiten. Ich liege auf der Wiese, die Sonne brennt. Eine junge Frau hat ihr« Wäsche ausgebreitet, zwei kleine Kinderchen hüpfen umher. Es ist sehr schwer, zwei Kinder heute groß zu ziehen..." Gewiß," antwortet sie,doch eine Frau schickt sich schon drein" Sie fahrt gesprächig fort:Das kernt man schon als Mädchen. Ich habe mich immer mit Wenigem begnügen müssen, während meine Brüder Geld von zu Hause bekamen. Aber das ist bei Herren auch etwas andres, ein Mann hat doch mehr Ansprüche..." Ich muß lächeln. Das stört sie nicht, sie bleibt bei ihrer Auf- fassung. Auch dann noch, als ich ihr die verkehrte Anschauung klar- zumachen suche. * Ich schreite durch die Anlagen. Am Vormittag. Auf einer Bank sitzt eine Krankenschwester. Ihr milchweißes Angesicht fällt mir auf. Zwei Kinder hütet sie für ihre Herrschaft, sie sitzen ruhig neben ihr, fast traurig, als seien sie noch ärmer als die ärmsten Kinder. Kein Frohsinn lacht mir auf den drei Gesichtern, obwohl die Vögel in den Zweigen zwitschern und di« Blumen zu ihren Füßen freudig nicken. Es regt sich nichts in ihnen, sie sitzen still-> Da fühle ich sehr deutlich die Herrschaft auf den drei Gewalten lasten, die Herrschaft auch aus diesen Kindern. * Mein Nachbar ist Hausmann. Er wird immer begehrt und immer beansprucht, vom Morgen bis zum Abend cst er aus den Beinen.. Er klagt gern über die viele Mühe, die er hat, über die Pfen- nig«. die er bekommt, über die paar Minuten, die ihm zum Aus­ruhen bleiben. Ich sage:Meister und dann lesen Sie auch noch ein Blatt, das die Ausbeutung dieser Gesellschaft billigt? Nu ja" antwortet er mir..... Ich sage:Meister   diese Zeitung gehört m keine Arbeiter- familie." Er antwortet!./Die Zeitung bringt uns mehr Papier..." Ich sage:Meister   das ist auch alles. Mehr Licht, mehr Raum, mehr Brot, mehr Zeit, mehr Erholung, mehr Recht, mehr Verdienst das bringt Euch unsre Zeitung." Er antwortet:Nu ja wir brauchen aber das Papier...' Johannes Berthold.