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Nr. 77.

Erscheint täglich außer Montags. Preis pränumerando: Viertel­jährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 Mt., wöchentlich 28 Pfg. fret tn's Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg. Sonntags- Nummer mit tllustr. Sonntags- Beilage Neue Welt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 3,30Mt. proQuartal. Unter Kreuz­ band : Deutschland u. Desterreich­Ungarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3Mt. pr.Monat. Eingetr. d.r Post- Zeitungs- Preisliste für 1895 unter Nr. 7198.

Vorwärts

12. Jahrg.

Infertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Betttzelle oder beren Raum 40 Pfg., für Vereins: und Bersammlungs- Anzeigen 20 Pfg. Inserate für die nächste Nummer müffen bis 4 Uhr Nachmittags in ber Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochens tagen bis 7 Uhr Abends, an Sonn­und Festtagen bis 9 Uhr Vor­mittags geöffnet.

Fernsprecher: Amt 1, Nr. 1508. Telegramm- Adresse:

ozialdemokrat Berlin !

Berliner Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Abonnements- Einladung.

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Sonntag, den 31. März 1895.

Die deutsch - französischen Milizanträge.

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II.

Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

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Don

Folge ist, daß die Rauhheiten des Militärdienstes den unerläßlichen Körper- Anstrengungen reden wir nicht- den Franzosen im Durchschnitt viel unangenehmer sind als Zu Beginn eines neuen Quartals richten wir an alle den Deutschen , und daß, um es präziser auszudrücken, die Freunde und Parteigenossen die dringliche Bitte, für die Zahl der Rekruten, die in der Kaserne einen hart drückenden Erweiterung unseres Abonnententreises mit aller Energie thätig zu sein. Gegen die Partei, In der französischen Kammer fand der Milizantrag Kontrast mit ihren Lebensgewohnheiten finden, in Franks deren Zentralorgan der Vorwärts" ist, haben die vereinen besser vorbereiteten Boden als im deutschen Reichstag. reich weit größer ist als in Deutschland . Von unserer einigten Parteien der Reaktion, denen der Der Militarismus hat den Franzosen niemals zugesagt. ganzen ländlichen Bevölkerung und einem nicht kleinen Boden unter den Füßen wankt, jezt alle ihre Kräfte auf- Die steife Strammheit und der blinde Gehorsam sind ihrem Theil der städtischen können wir sagen, daß die Kaserne für geboten; durch ein neues Knebelgeset soll die zahl- lebhaften Naturell zuwider, und bei aller Strenge der fie eher eine höhere Lebenshaltung bietet. In Frank­das französische Militär Strafgesetz ist, zum reich ist es anders. Und rechnet man zu diesem allen noch reichste Partei in Deutschland mundtodt gemacht, und für Disziplin unsere Feinde und des Volkes Feinde die Ruhe des Zweck der Zurückdrängung dieses Naturells, im Frieden viel das lebhafte Temperament und bewegliche Wesen der Fran­Kirchhofes hergestellt werden, damit sie ungestört härter als das deutsche ist es niemals gelungen, den zosen, so ergiebt sich die ganz selbstverständliche Thatsache, ihre gemeinschädliche und gemeingefährliche Arbeit französischen Soldaten den maschinenmäßigen Drill deutscher daß der Militärdienst den Franzosen noch viel verhaßter ist verrichten können. Die Kämpfe, in denen wir stehen, Soldaten zu geben. Seit dem Kriege von 1870/71 hat als den Deutschen , und daß nur die Rücksicht auf die Ver­sind von entscheidender Bedeutung; und die Verhand Frankreich bekanntlich die deutsche Militärorganisation, mit theidigung des Vaterlandes den Widerwillen bisher zurück­Iungen des Reichstages über die sogenannte Um geringen durch die Verhältnisse bedingten Abänderungen, an- gedrängt hat. Nach dem Gesagten wird man unserer Behauptung fturz vorlage, die jetzt in der Kommission sich ab- genommen. Wie schwer diese Organisation auf dem Volke spielen, bald aber aber im Plenum stattfinden werden, laftet, das wissen wir zur Genüge. Und auf den Fran- nicht mehr widersprechen, daß die Frage der Umformung find von ganz besonderer Wichtigkeit.- Je größer aber die zosen lastet sie noch weit schwerer. Frankreich will ein des Militärwesens in Frankreich brennend geworden ist. Verbreitung des Zentralorgans, desto größer sein Einfluß Heer haben, daß dem deutschen mindestens gleich ist. Nun Dies trat bei der Debatte des Militäretats zu Anfang dieses und seine Wirksamkeit, und desto größer die Macht hat aber Frankreich mit einer Bevölkerung von nicht ganz Monats flar hervor. Während der Kriegsminister und der der Partei. 40 Millionen Einwohnern gut 10 Millionen weniger als Berichterstatter der Budgetkommission die bestehende Heeres­Hieraus allein Organisation vertheidigten, forderte Cavaignac , ein Führer Deutschland mit seinen 51 Millionen. erhellt schon, daß auf den Einwohnern Frankreichs eine um der bürgerlich- republikanischen Majorität, die Verkürzung mindestens ein Fünftel höhere Durchschnittslaft ruht als auf der Dienstzeit und die Einstellung größerer Maffen, weil in denen Deutschlands . Die finanzielle Mehrbelastung dem Rahmen der jetzigen Organisation das weniger be tann von den Franzosen , da ihr Land ein reicheres ist, ver- völkerte Frankreich mit Deutschland nicht Schritt halten hältnißmäßig leicht getragen werden. Desto härter drückt fönne. Und diese Annäherung an das Miliz. aber die persönliche Mehrbelastung. Um gleichen Schritt sy st e m befürwortete Cavaignac unter dem Beifall der mit dem 50 Millionenland halten zu können, muß im Majorität. 40 Millionenland die Zahl der zum Militärdienst Das genügte natürlich nicht den Sozialisten, deren gezogenen verhältnißmäßig um ein Fünftel größer erster Fraktionsredner: Paschal Grousset , ein ehe­fein als in Deutschland , und find solche Schonungen maliges Mitglied der Kommune, war. Paschal Grousset der gebildeteren Klassen, wie sie bei uns zum Bei ist in der Milizdebatte des deutschen Reichstags als ein spiel in Gestalt des Einjährig Freiwilligen - Dienstes vor chauvinistischer Gegner der Entwaffnung und als ein kommen, nicht durchzuführen. Freund der stehenden Heere hingestellt worden, und zwar eines, seinerzeit vom Genug, der Militärdienst ist für die einzelnen Individuen auf grund Vorwärts" in Frankreich eine beträchtlich schwerere Last als in Deutsch - Uebersetzung mitgetheilten Zeitungsartikels. In diesem land, und obendrein eine Last, an die sie nicht, gleich den Artikel hatte er erklärt, daß der Militarismus eine Deutschen , wenigstens den Preußen, seit Generationen gewöhnt furchtbare Geißel sei, daß aber Frankreich nicht ent­sind. Und diese Last wird was ein sehr wesentliches waffnen könne, weil es sonst dem monarchischen Europa Moment ist von den Franzosen härter empfunden, auf Gnade und Ungnade überliefert sei. Das ist eine An­weil sie, da Frankreich eine ältere Kultur hat als Deutschland , schauung, die in der Geschichte Frankreichs zu Ende auch mehr Kulturbedürfnisse haben als die Mehrzahl der des vorigen Jahrhunderts ihre volle Begründung Deutschen . Von unseren Truppen wurde dies während hat, und die man gerechterweise nicht als Chauviniss des letzten Krieges sehr deutlich bemerkt; und kein Mensch, mus bezeichnen kann. In der Kammerfitzung des der offenen Auges durch Frankreich reist, kann sich dieser 7. März führte Grousset jenen Gedanken des weiteren aus. Beobachtung entziehen. Die natürliche und nothwendige Er forderte, ohne direkt für das Milizsystem im schweizeri­

Die Redaktion des Vorwärts" wird bemüht sein, ihre Pflicht zu thun, und das Zentralorgan der Partei würdig zu machen!

,, Vorwärts"

Mit dem 1. April eröffnen wir ein neues Abonne­ment auf den mit der illuftrirten Sonntags- Beilage

Die Neue Welt".

Für Berlin nehmen sämmtliche Beitungsspediteure, so wie unsere Expedition, Beuthstr. 3, Bestellungen ent­gegen zum monatlichen Preise von

1 Mark 10 Pfennige frei ins Haus. Für außerhalb nehmen sämmtliche Postanstalten Abonne­ments zum Preise von 3,30 M. für das Quartal entgegen.( Eingetragen in die Post- Zeitungsliste für 1895 unter Nummer 7128.)

In unserem Feuilleton beginnt nach Schluß der eben begonnenen kurzen Erzählung: Zu Tode gehetzt", der Abdruck der geschichtlichen Erzählung:

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Berliner Märztage"

von Michel Deutsch,

auf welches Werk wir unsere Leser besonders aufmerksam Redaktion und Expedition des Vorwärts".

machen.

Feuilleton.

[ Nachdruck verboten.]

Zu Tode geheht!

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Eine Erzählung nach dem Leben von Franz Held Schwark wollte an der Leiter herunter, dem Verhaßten nach. Aber seine Frau legte zwei Finger an die Lippen und machte ihm ein Zeichen, oben zu bleiben.

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Ja, aber wie können Sie denn wissen, daß er grade den Knauth nimmt?" warf der etwas beschränkte Ro­bolsti ein.j

,, Ach was!" knurrte Kendelmann, dann vergaß er sich vor Wuth und schrie ganz laut:

Der baut ja nicht! Ich werde bauen!" Frau Schwarz in ihrem Versteck nickte sich selbst zu. Das hatte sie erwartet. So hatte sie es sich längst zurecht­gelegt: Kendelmann hat den Brand gestiftet, um uns in Geldverlegenheit zu bringen und den Hof dann wieder an sich selbst zu reißen."

der

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in

geretteten Stücke treiben lassen das ist sicher nicht die Hälfte von seinem Bestand." Robolski nickte befriedigt. befriedigt. Die Frau im Versteck feufzte tief auf und mußte sich am Hollunderstamm fest, halten.

Der Gendarm von Hohenthal kam großspurig heran­geschritten, sein schwarzledernes, dickes Notizbuch in der Hand. Er war beschäftigt, den Sachverhalt aufzunehmen, und zog zu diesem Zweck bei den Dreien Erkundigungen ein.

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Das hab' ich schon vor zwei Jahren gewußt," sagte Rendelmann trocken, daß es hier brennen würde. Der Kerl, der Schwarz, der kann sich ja nicht anders aus der Patsche helfen." " Vor zwei Jahren?" sagte der Gendarm, indem er den Sprecher scharf firirte. Aber da waren Sie ja noch Besitzer hier, Herr Kendelmann?" Ach so? Warten Sie- ja richtig! Ich habe mich ( Kendelmann that, als hätte er nachgerechnet; er suchte aber vergeblich seine starke Betroffenheit zu verbergen.) Bor einem Jahr, wollt' ich sagen natürlich!"

blos verzählt."

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Vor den niederen Thüren der kleinen aus Fachwerk Ganz leise schlich sie hinter Rendelmann her. Und, erbauten Häuser( das Dorf bestand außer dem Schwart' vom Hollunderbaum verborgen, belauerte sie ihn, wie schen und dem großen Killmeier'schen Hof fast nur aus den er sich auf der nahen Dorfstraße zu zwei Männern gefellte. ärmlichen, strohgedeckten Hütten der sehr jämmerlich gestellten Die hatten ihn dort offenbar erwartet, denn sie gingen ihm Infimänner und Käthner) standen die Bewohner, durch die hastig entgegen. Feuersgefahr aus dem Schlaf aufgeschreckt. Sie besorgten Der eine war der Kleinbesitzer Robolski, ein ver- für ihre eigenen, im höchsten Grade feuergefährlichen Ba­wachsenes, rothhaariges Männchen mit einem sommer- raden. Die Unterbrechung ihres Schlafes war ihnen sommer- racken. sproffigen, verkniffenen Biegenbocks- Gesicht. Diesem hatte durchaus nicht unangenehm. Im Gegentheil ob­von waren und Schwarz vor einigen Monaten auf dringlichste Bitten gleich sie überarbeitet aus hin zehn Mark geliehen. Trot vielfacher Mahnungen schließlichen Kartoffelfost entkräftet zum Umsinken, war hatte das aber das Geld, er er binnen vier der unruhige Schlaf in den engen Kisten, wo mehrere Per­zehn Tagen zurückhaben sollte, bis jetzt nicht zurück- sonen ohne Unterschied des Geschlechts in scheußlich stinkender bekommen können. Und der Schuldner war infolge der an Luft durcheinanderlagen, Myriaden von Ungeziefer preis- Frau Schwarz bebte vor Zorn, als sie nun ihrem die Mahnungen geknüpften Wortwechsel des Gläubigers gegeben, war die Frist, welche von der Natur zur Wieder- Mann, nachdem das Feuer gegen 9 Uhr morgens gelöscht Todfeind geworden. erneuerung des arbeitsermatteten Körpers bestimmt wurde, war, haarklein erzählte, was sie erlauscht und beobachtet doch ihre schlimmste Marter. Sie freuten sich, den Gestant hatte. ihrer Schlafftälle gegen die frische Luft vertauscht zu haben, und grinsten vor Bergnügen, daß der große Befizer uebenan, sich doch auch einmal die Finger verbrannt.

In dem andern erkannte Frau Schwarz einen Bau­Unternehmer aus dem Städtchen Allenfeld .

Wartet der schon auf Bestellungen?" schoß es ihr durch den Kopf. Rendelmann grüßte die beiden hastig. Sie traten in den Schatten einer Mauer, dem Standort der Frau nur um so näher.

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Nun?" frug der Bauunternehmer gespannt.

" Am Schuppen ist nichts mehr zu retten", gab Rendel mann halblaut zurück; und grimmige Freude machte dabei feine plumpen Züge noch wulstiger. Auch der Stall ist hin. Das giebt Arbeit für Sie, Herr Knauth!"( So hieß der Bauunternehmer.)

Eine Kuh, die sich aus dem Schwarz'schen Stall los geriffen hatte, tobte in wilden Frrsprüngen kreuz und quer über die kothige Dorfgasse. Es ward ein großes Halloh. Einige Bauernknechte fingen sie mit großer Mühe wieder ein und banden die Stößige vorläufig an einen Zaun fest. Nun? Und das Vieh?" fragte Robolski.

Es ist ihm sicher viel verbrannt," lautete die Antwort Kendelmanns. Was ich hinter dem Stall sah dorthin hat er die

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Und er hat es auch schon vor drei Jahren gewußt der Hallunke und vor se ch 3!"

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Das hat er von langer Hand her angezettelt gehabt, das mit dem Brand," fuhr sie schwermüthig fort," Du fannst Dir ja wohl denken, warum." der " Ja, so wird es wohl sein. So ist es sicher Satramentsferl!" schrie Schwarz, hätt' ich ihn doch ges troffen mit dem Balken!"

Tags darauf fuhr er nach Hohenthal und denunzirte beim Amtsvorsteher den Kendelmann wegen Brandstiftung. Bis zum Termin hatte es noch gute Weile. Denn Herr Zwiebel beeilte fich nicht übermäßig, die Denunziation an den Staatsanwalt des Bezirks- Landgerichts Allenfeld ge­langen zu lassen.