1. Beilage zum„Vorwärts" Berliner Volksblatt. Ur. 77. Sonntag, de » 31. März 1893. 12. Jahrg. paefetnaiftt'iifttcn. Achtung, Parteigenossen des S. Berliner Reichstags- Wahlkreises. Diejenigen Genossen, welche den„Vorwärts" von den Parteispediteuren erhalten und am 1. April d. I. ihre Wohnung wechseln, werden ersucht, recht bald ihre neue, genaue Adresse an einen der unten bezeichneten Spediteure, von welchem sie den„Vorwärts" jetzt zugestellt bekommen, gelangen zu lassen. damit i» der Weitervestellung keine Störung eintritt. Die Adressen der Spediteure sind: Für Moabit : Hempel, Lübeckerstr. 16. H. p. „ Wedding und Oranienburger Vorstadt: Stolzenburg, Wiesen- strane 11, p. „ Gesundbrunnen : Gaßmann. Grnnthalerstr. 67. H. p. „ Rosenlhaler Vorstadt: Rosenthal. Swinewunderitr. 79, H. HI. „ SchönhauserBorstadt: Mars, Kastanien-Allee 96 p. Der Vertrauensmann. »* Alle Anfragen und Sendungen, betreffend die Agitation unter den Frauen, sind an Frau v. Hof- stetten. Berlin , Louisenufer 16. pari., zu richten. Wieden Genossen bekannt ist, erfolgte vor kurzem von der Behörde die Aufhehung der Frauen- Agitationskommission. Wir empfehlen deshalb, an die ehemaligen Mitglieder dieser Kommission keine Zusendungen zu machen.� Von der Agitation. In einer Volksversammlung in Neumünster wurde nach ewem Vortrage von Frau Kahler- Wandsbek eine Zahlstelle des Verbandes der Fabrikarbeiter jc. gegründet, welcher sofort 36 Mitglieder beitraten. Ferner wurde beschlossen, am 1. Mai abends eine Versammlung mit einer dem Tage entsprechenden Tagesordnung abzuhalten.— In S c g e- b e r g sprach Genosse Kimme!« Hamburg über die Umsturz- vorläge. Eine Protestresolution fand einstimmig Annahme. ** Aus Württemberg . Die Wahlkreiskonferenz des zehnten württembergischen Reichstags-Wahlkreises, welche in Schorn- d o r s statlfand, war von 12 Mitgliedschaften mit 33 Delegirten beschickt. In anbetracht der bevorstehenden Landesversammlung wurden verschiedene Anträge zu derselben gestellt und durch- berathen, auch wurde die Agitation im Wahlkreis aufs neue ge- regelt.— Die Wahlkreiskonserenz des 11. württemb. Reichstags- Wahlkreises(Ulm , Heidenheim , Geislingen ) war ebenfalls von Delegirten und sonstigen Genossen sehr zahreich besucht und wurde zur bevorstehenden Reichstagsnachwahl als Kandidat der Sozialdemokratie Genosse A. Dietrich, Bürgerausschuß-Mit» glied in Stuttgart , ausgestellt. Mit der Konferenz, welche in Heide »heim tagte, wurde eine öffentliche Volksversammlung verbunden, in welcher Geuosse Dietrich über die Umsturzvorlage referirte. Polizeiliches, Gerichtliche»:c. -- Die auf heute, Sonntag, den 31. März, in Aussicht ge- n ommene Generalversammlung des sächsischen Berg- und Hüttenarbeiter-Verbandes, welche in Hohenstein-Ernstthal stattfinden sollte. ist von der Amlshauptmannschaft Glauchau verboten worden. Diese Be- Hörde theilt die Meinung des Zwickauer Stadtraths und be- trachtet den obigen Verband seit Publizirung des Erlasfes des hiesigen Amtsgerichts, die Entziehung der juristischen Persönlich- keit betreffend, als aufgelöst; es sei ihm nur eine General- Versammlung zu gestatlen mit der einfachen Tagesordnung: Liquidation; da die für Sonntag angesetzte Versammlung aber mehr auf der Tagesordnung gehabt habe,— wie Neuivahlen, Gründung einer neuen Begräbnißkasse:c.— so wurde sie ver- boten. Natürlich wird auch gegen dieses Verbot Rekurs er- griffen._ 05 crncvurdi a Wtrtie!?. An die Gewerkschaften Berlin ?! Wir machen die Gewerk- schaften, die zum 1. Mai, theils noch keine Stellung genommen, theils dem Gewerksckastsbureau noch keine Mittheilung gemacht haben, betreffs ihres Versammlungslokals hierdurch aufmerksam, das Verabsäumte unverzüglich nachzuholen. Gleichzeitig diene den Parteigenossen und Gewerkschaften folgendes zur Kenntnißnahme: Alle Zuschriften, Briese, Geldsendungen, Zeilschristen und Zeitungen sind von jetzt ab nur an folgende Adresse zu richten: „Rudols M illarg�Gewerkschaftsbureau, Grcnadierstr. 10, 1 Tr." Die Post händigt alle anders adressirte Postsendungen Nicht aus. Der Ausschuß der Berliner Gewerkschastskoliimission. Achtung» Schneider! Ten durchreisenden Kollegen zur Nachricht, daß über die Firma Quednau in Kiel wegen Lohndifferenzen die Sperre verhängt ist, und bitten wir die Kollegen, dort nicht in Arbeit zu treten. Die Kollegen, welche bei der Firma Kielleuthner in München beschäftigt sind, trete» in eine Lohnbewegung ein. Es sind bei diesem Kampfe 70—80 Arbeiter betheiligt, lauter Hausarbeiter, und ersuchen wir die Kollegen, den Zuzug von München fernzuhalten, sowie das Geschäft zu meiden. Dieselben stellen die Forderung: Errichtung einer Werkstätte, sowie Er- höhung der Löhne für die Hausarbeiter. Die Agitations- kommission. I. A.: Peter Landes.— Außerdem ist Zuzug von Blankenese und WUhelmshaven fernzuhalten. Achtung, Former! Von der„Grunahütte" Dresden- Striesen wurden vorige Woche 30 Former und Schmelzer ge- sucht. Von feiten der Former wird nun mitgetheilt, daß diese Firma überhaupt keine Former gebrauche, und das Gesuch wohl nur dazu dienen soll, daß Angebot von Formern zu vermehren und damit auch die Löhne der dort Arbeitenden zu drücken. Die Löhne betragen schon gegenwärtig nicht mehr als 12—20 M. wöchentlich. Außerdem hat infolge der 30 Former suchenden Annonce schon ein bedeutender Zuzug nach dort stattgefunden Also Vorsicht! Erkundigen sich alle Former erst genau, ehe sie ans solche Anzeigen hin nach dort reisen und dadurch die Lage der hiesigen Kollegen noch verschlechtern. Znzng ist feruziihakten: Von Tischlern nach Varel in Oldenburg (Tietjens Werkstatt); von Bildhauern und Kehlern nach Lauterberg (Hillegeist); von Drechslern nach Lübben zP. Lindemann); von Sleinnuß- und Hornknopf-Drechslern nach Schmölln in S.-A.; von Bürstenmachern nach Hamburg (Steidt- wann u. Nagel). In Lützelhausen haben in derZ Fabrik von Scheidecker u. de Regel 400 Weder infolge von Lohndisserenzen die Arbeit ein- gestellt. Ter Ausstand in den Pariser Zündholzfabriken ist allgemein. Maueranschläge theilen mit, daß sämniiliche Zünd- holzfabriken im ganzen Lande die Arbeit eingestellt haben. Ein gestern an den Mauern der Fabrik angeschlagenes anarchistisches Manifest wurde von den Arbeitern heruntergerissen. lokales. Die Köllerei treibt topfer ihr Wesen und sucht zu retten. was vor dem leidigen Umsturz noch zu retten ist. Die eine Hälfte des Menschengeschlechts im Reich der Gottesfurcht und frommen Sitte— euphemistisch die stärkere genannt— ist, soweit wirkliche Männer in ihr vertreten sind, unwiderbringlich verloren, an ihr ist keine Rettung mehr. Aber die Frauen, die lassen sich durch die üblichen Polizeimittel, die den Männern gegenüber nicht verfangen wollten, vielleicht noch vor dem sozialdemokratischen Gift bewahren. So denkt die Köllerei und kurirt in ihrer Weise darauf los. Nachdem erst vor kurzem die Frauen-Agilationskommission kraft polizeilicher Gewalt vorläufig aufgelöst worden ist, ging man gestern dem hiesigen Frauen- und Mädchen- Bildungsverein zu Leibe. Die erste Vorsitzende dieser Organisation, und den Bevollmächtigten des Vereins erging es ähn- lich so— Frau M e s ch erhielt gestern. Sonnabend Morgen von einem Polizeibeamten ein Schriftstück folgenden Inhalts eingehändigt: „Es wird Ihnen hiermit eröffnet, daß der Frauen- und Mädchen-Bildungsverein des arbeitenden Volkes für Berlin und Umgegend auf grund des Vereinsgesetzes vom 11 März 1350 vor- läufig geschlossen ist, weil der Verein bezweckt, politische Gegenstände in Versammlungen zu erörtern, politische Vereine aber Frauens- perione»(!) nicht als Milglieder aufnehmen dürfen. Jede fernere Betheiligung an diesem Vereine, mithin auch an feinen Filialen in Berlin und Umgegend, oder an einer Neubildung, welche fach- lich als Fortsetzung des geschlossenen Vereins erscheint, ist nach § 16 des genannten Gesetzes strafbar." Der Mann oder, um im Polizeideutsch zu reden, die Manns- person, die dies Schriftstück der Frau Mesch einhändigte, hatte noch zwei von seinesgleichen mitgebracht. Zu dritt wurde darauf morgens 9 Uhr eine gründliche Haussuchung in der Wohnung der Frau Mesch vorgenommen, welche sich bis in die Puppenstube der Kinder erstreckte. Das Resultat der Haussuchung wurde in einer Bescheinigung folgenden Inhalts der Frau Mesch quittirt: „Auf Anordnung des Unterzeichneten als Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft wurde, weil Gefahr im Verzuge war, heute Vormittag 9 Uhr in den Wohnungsräumen der Frau Mesch eine Durchsuchung vorgenommen, weil dieselbe verdächtig war, gegen den§ 8 des Verein-gesetzes sich vergangen zu haben und weil zu vermulhen war, daß die Durch- fuchung zur Ausfindung von Beweismitteln führen würde. Es wurden vorläufig in Verwahrung genommen IS verschiedene Briesschasten." (Name unleserlich.) Die konfiszirten 15 verschiedenen Briesschasten werden nun nach Ansicht der Betroffenen auch dem findigsten Staatsanwalt kaum Material zum Vorgehen geben können. Sie enthalten ein- fache Anfragen wegen eines Referats jc.; Sachen die seit je in voller Oeffenilichkeit behandelt wurden, und sich keineswegs seit dem zweijährigen Bestehen des Vereins als eine gegen das wunderbare preußische Vereinsgesetz verstoßende Handlung qualifiziren lassen. Aber der Staat, der Staat muß gerettet werden! Und da wird denn aufgelöst und gehaussucht und prozessirt um eines Vereins willen, der das todeswürdige Verbrechen begangen hat, Aufklärung und Gesittung unter ausgebeuteten und dazu oft schamloser Anfechtung preisgegebenen Frauen und Mädchen zu verbreiten. Das sind allerdings Handlungen, welche der heutigen, aus dem letzlen Loch pfeifenden Gesellschaft als verderblich erscheinen müssen, und die auch, ohne daß der Staatsanwalt noch nach besonderem Auflösungsmaterial haussuchen zu laffen brauchte. Umstürzlerisches genug in sich bergen. Nur weiter so mit der Köllerei. Bis jetzt haben sich alle Staalsanwaltspraktiken und Polizei- kllnste der Sache des arbeitenden Volkes nur förderlich erwiesen. lind so wird es auch ferner sein. Auch die Proletarierin wird sich immer eifriger zur tapferen Milstreiterin im Kampfe gegen Ausbeutung und Unterdrückung ausbilden. Und will die Köllerei ihr als unfreiwillige Förderin dienen — uns soll eS recht fein. Komödianten! Auf seine alten Tage fällt es dem Konser - vatismus noch«in. in„Volkscntrüstung" zu machen. Doch was Häuschen nicht lernt, lernt Hans einimermehr. Der ausgediente Unteroffizier hat denn doch zu viel Kasernenschliff an sich, als daß er naturwahr kopiren könnte, wie ehrliche Entrüstung über augethanes Unrecht sich im Volkscharakter wiederspiegelt. Das konser- valive Volk in solchen Versammlungen, wie am Freitag Abend in Berlin deren sechs stattfanden, bilden die Beamten. Leute, diszipli- narisch wohlgeschult und des kleinsten Winkes gewärtig, haben wir in Berlin zu Tausenden— man muß sich demgegenüber wundern, daß der konservative Entrüstungsrummel sich in Sälen abspielte, die durchgängig nur zur Hälfte besetzt waren. Entrüstung vor einem Haufen leerer Stühle hat immer bitteren Beigeschmack.— Wie und was geredet wurde, werden die Leser sich denken können; die Glanzleistungen des Abends bildeten die rhetorischen Produk- tionen der Abgeordneten aus den schönen Gegenden Ostelbiens, wo der Herr Landrath der geborene Vertreter des souveränen Volkes ist; dieser Lanbrath ließ nun am Freitag Abend einen kräftigen Ton los. In der Frankfurterstraße gab es sogar feudale Witze: „Jawoool, meine Herrrn", krähte da irgend ein Herr„von", „Geschichte wiederholt sich bei der Bismarckerrrnng— was sich weigert, kommt mir vor wie Mops, der den Mond anbellt." Echo aus der Versammlung: Gröhlen. Grunzen und ähnliche liebliche Laute aus den heimathlichen Ställen. Wenn einer der Herren Parlamentarier es in elegischen Tönen be- klagte, daß die Residenz leider eine ganz andere als ihre„rechtmäßige" konservative Vertretung habe, beeilte man sich zu versichern, daß„nächstens" dieser Mißstand beseitigt werden solle. Da sieht man, was der Bismarck- rumniel eigentlich für Seifenblasen aussteigen läßt. In allen Versammlungen gab's diverse Telegramme und Resolutionen, deren Stil denen nicht nachsteht, die wir am Donnerstag als ab- schreckendes Beispiel bekannt gaben.„Mit vaterländischem, treu- deutschem Jubel", wie der schöne Ausdruck lautet, wurde das eigenartige konservativ- antisemitische„Volksgericht" geschlossen. Und dann trotteten die Wackeren rudelweife in die Bierlokale und krähten ihre Entrüstung recht praktisch in den braunen Gerstensaft. So endete für diesmal der Kampf um die große heilige Sache mit einem ausgewachsenen Kater. Einen echten Bismarlkradau leisteten sich die Herren Konservativen vom vierten Wahlkreise in ihrer„Protestversamm- lung" am Freitag. Als die schönen Bismarckreden gehalten, die Kaiser- und Kanzlertoaste längst verklungen waren, und der Vor- sitzende v. Bülow sich eben anschickte, die Ergüsse einiger Dichter- linge, namentlich eines Subdirektors des„Nordstern" zu verlesen, erscholl ein schwacher Zwischenruf durch den Saal, der die Wirkung einer Bombe halte. Blitzschnell waren die sonst so ge- mächlich und würdevoll einherschreitende» Ordnungsstützen von ihren Sitzen, es entstand ein gewaltiges Drängen und Puffen, und hinaus flog es, das räudige Schaf. Was lag dieser Erregung zu gründe? War der Unselige beim Kaiserhoch nach bewährten Mustern sitzen geblieben oder hatte er sich gar zu einer wörtlichen Majesiäts- beleidignng hinreißen laffen 1 Man höre! Der Vermessene hatte sich erkühnt, in halblautem Tone zu äußern: Hunger thut weh! Und das nicht etwa in provozirender Weise, denn 9/io der Anwesenden hatten den Ruf nicht einmal vernommen. Ich glaubte, so schreibt ein Berichterstatter, noch immer, trotz ein- gehender Jnformirung, an ein Mißverständniß, wurde jedoch durch die Worte des zweiten Vorsitzenden Reh eines besseren belehrt. Mit lächerlichem Pathos stellte dieser Herr die Ungeheuerlichkeit der Aeußerung eines„Rothen" inmitten einer loyalen Versammlung fest dabei bedauernd, nicht sogleich zur Stelle gewesen zu sein, um die Parole auszugeben: Erst durchprügeln und den Vermessenen dann fest auf den Stuhl niederdrücken, um einem Individuum, welches zu Hause nichts zu essen hat, hier aber Bier zu trinken wagt, Dekores und Mores zu lehren. Zur Ehre einer größeren Anzahl der Anwesenden sei es gesagt, daß sich in ihren Mienen tiefe Beschämung ob des skandalösen Vorganges ausdrückte. Dieser Vorgang sollte übrigens von neuem die Arbeiter darüber belehren, daß es wohl angebracht ist, mit gesittete» Gegnern zu diskutiren, daß man den Pöbel aber hübsch unter sich lassen soll. Wer Pech berührt, besudelt sich. DaS Reichs-VersichernngSamt und die Rentenquetsche. Unsere Leser dürften sich des neulichen Beschwerde-Artikels über die„Rentenquelschen" noch entsinnen. Daß demselben auch von seilen des Ministeriums die gebührende Beachtung zu theil ge- worden ist, beweist das nachfolgende, den Bernssgenossenschaslen zugegangene Schreiben des Reichs- Versicherungsamtes, das wir wortgetreu abdrucken: Reichs-Versicherungsamt. Berlin , den 24. März 1895. Der„Vorwärts", Berliner Volksblatt hat unter dem ll. März 1895 die in der Anlage wiedcrgegebene Miltheilung über angebliche Mißstände in der orthopädischen Anstalt von Dr. Müller, Berlin , Friedrichstr. 23, gebracht. Nachdem der Herr Staatssekretär des Innern vom Reichs- Bersicherungsaml ein Aeußerung darüber verlangt hat. ob Berufsgenossenschasten Beziehungen zu dieser Anstalt unterhalten. und, sosern dies der Fall sein sollte, ob nicht auf«ine Abhilfe der angeblichen Mißstände bedacht genommen werden könne, wird der Vorstand um einen gefälligen Bericht darüber crgebenst ersucht, ob dortseits die genannte orthopädische Anstalt zu Heil- oder Beobachtungszweckcn benutzt wird, und welche Erfahrungen, insbesondere' im Sinne der im„Vorwärts" erschienenen Be- fchwerden, dabei dort gemacht sind. Dem Bericht wird bis zum 1. Mai 1895 ergebenst entgegen- gesehen. Das Reichs-Versicherungsamt. In Vertretung: G a e b e l. An die Vorstände der Berufsgenossenschaften und berufsgenossenschaftlichen Sektionen, deren Bereich Berlin umsaßt. R.-V.-A. l 76 15. Bezüglich der Monatskarte» der Stadt- und Ring- bahn ist in weiten Kreisen des Publikums, wie zahlreiche An- fragen an den Billetschaltern erkennen lassen, hie Annahme ver- breitet, daß die Preise der Karten vom 1. April billiger sein werden. Dies ist, wie erklärt wird, nicht der Fall. Die Stadt- Ringbahn-Monalskarten werden nach wie vor für Entfernungen bis zur einschließlich fünften Station in 2. Kl. 4,50 M., in 3. Kl. 3 M., und für die ganze Stadt- und Ringbahn in 2 Kl. 7 und in 3. Kl. 4.50 M. kosten. Zum Nmzngstermin. Die zum I. April aufgekündigten Wohnungen sind zu räumen: I. bei kleinen, d. h. aus höchstens 2 Wohnzimmern und Zubehör bestehenden Wohnungen, am ersten Quartalstage; 2. bei mittlere», d. h. aus 2 bis 4 Wohnzimmern und Zubehör bestehenden Wohnungen, am zweiten Quartalstage um 12 Uhr mittags; 3. bei großen, d. h. mehr wie 4 Wohn- zimmer umfassenden Wohnungen, am dritten Quartalstage um 12 Uhr mittags. Etwas vom Umzug. In der gegenwärtigen Zeit der Arbeilsnoth bildet der Umzug, wie er zum April meisthin in aus- gedehntem Maße vor sich geht, für manchen verdienstlosen Ar- beiter eine willkommene Gelegenheit, feine Arbeitskraft zu ver- kaufen, wenn auch nur für eine kurze Zeit. Eine große Rolle spielen namentlich die Geschäftsumzüge, zu welchen eine größere Anzahl von Arbeitern erforderlich sind. Allgemeines Schütteln des Kopfes bei allen derartigen Reflektanten erregte aber der am Freitag stattgehabte Geschäflsumzug der Luckenwalder Woll- waaren-Fabrik-Akliengesellschast, vormals Wilhelm Müller , von ihrem bisherigen Domizil, Krausenstraße am Dönhoffsplatz, nach den neuerbauten Geschäftslokalitätcn im Nebenhause. Zu diefem Umzug« waren 23 Hilfskräfte engagirt worden. Diese Hilfskräste waren aber nicht etwa arbeitslose Arbeiter, nein, vielmehr— Mannschaften der Berliner Feuerwehr! Da diese mit 1 M. pro Stunde entlohnt werden, so hat der Umzug den- felben einen ganz hübschen Nebenverdienst erbracht. Wir wissen sehr wohl, daß auch die braven Feuerwehrleute bei ihrer zu- geftandenermaßen kärglichen Besoldung einen solchen sehr wohl brauchen können, meinen aber doch, daß bei solchen Gelegenheiten die hungernden Arbeiter in erster Linie Berücksichtigung ver- dienen, um so mehr, als die Feuerwehrleute wohl kaum be- fähigter sein dürften, einen Umzug auszuführen, als private Arbeiter. Oder hat die Firma vielleicht geglaubt, daß eS m Berlin keine arbeitslosen und Arbeit und Verdienst suchenden Arbeiter giebt? Eine grelle Bekenchtnng erhalten die Warnungen vor einzelnen Privat-Deteklivs, die dem Publikum wiederholt durch die Zeitungen zugegangen sind. Am nächsten Dienstag bezw. am Donnerstag werden sich die beiden selbständigen Detektivs St. und Z. vor Gericht zu verantworten haben. Dem einen wird Verleitung zur Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung, dem anderen Kuppelei zur Last gelegt. Dem Publikum, das in die Lage kommt, sich solcher Privatbeamten bedienen zu müssen, kann nur gerathcn werden, seine intimsten Angelegen» heilen nicht der ersten besten Persönlichkeit anzuvertrauen, sich vielmehr vorher bei der Polizei über die Zuverlässigkeit der be- treffenden zu vergewissern. Die Barbiere und Friseure RixdorfS und Umgegend haben gleichfalls den einstimmigen Beschluß gefaßt, in Aus- sührung des Gesetzes über die gewerbliche Son»tagsruhe ihre Geschäfte vom 7. April d. I. an allen Sonn- und Feiertagen um 2 Uhr nachmittags zu schließen. Dieselben richten nunmehr an alle Einwohner die Bitte, sich diesem Beschlüsse entsprechend einzurichten und nur solche Geschäfte auszusuchen, welche in betreff der Sonntagsruhe ihrer Pflicht nachkommen. Der Herr Major hat eS eilig. Eine peinliche Rolle ist dem mit Ablauf dieses Monats aus dem Eisenbahndienst scheidenden Regierungsrath Heuer noch in seinen letzten Amts- tagen beschieden worden. Es handelt sich um einen Vorfall, den der Landtags-Abgeordnete für den vierten Potsdamer Wahlkreis, Major v. Feldheim, auf dem hiesigen Anhalter Bahnhofe gegen einen Bahnsteig- Schaffner hervorgerufen hat, und der damit seinen vorläufigen Abschluß fand, daß der Abgeordnete von einem Schutzmann festgestellt und nachher von dem Schaffner angezeigt wurde. Der Thatbestand wird von einem Augenzeugen, dem
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