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Abendausgabe bia

Nr. 29141. Jahrgang Ausgabe B Nr. 146

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his is

Berliner Volksblatt

5 Goldpfennig

50 Milliarden

Montag

led and 23. Juni 1924

Berlag und anzeigenabteilungi

Gefchäftszeit 9-5 r Berleger: Vorwärts- Verlag GmbH. Beelin SW. 68, Cindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 2506-2507

Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Dartei Deutschlands

Der moralische Pakt von Chequers .

Die Zusammenkunft Herriot- Macdonald.

London , 22. Juni. ( WIB.) nach Schluß der in Chequers abgehaltenen Besprechungen wurde cine amtliche Mitteilung ver­öffentlicht, in der es heißt:

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mich

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Zulassung Deutschlands zur Londoner Konferenz.

Es bestehe die Aussicht, daß von gewissen Kreisen alle Anstrengungen unternommen werden, um die Zulassung Deutschlands herbeizuführen.

Mussolini und seine Freunde.

Rom , 20. Juni.

Der Zusammenbruch des Faschismus, der seit dem Bekannt

merden der Ermordung Matteottis eingesetzt hat, ist nichts Gesetzestafel die Weihnachtsamnestie vom Jahre anderes als die logische Auswirkung eines Systems, dessen 1922 wurde. In dieser Amnestie wurde der Grundsatz auf­gestellt, daß die Parteiangehörigkeit des Verbrechers für seine Strafbarkeit ausschlaggebend sei.

halten, die über die Vollmachten hinausgehe, welche bereits in der Rheinlandkommission für den alliierten Oberbefehl vorgesehen feien. Im übrigen sei Macdonald sehr befriedigt über das, was Herriot ihm bezüglich der Umnestie für die politischen Gefangenen und Aus gewiesenen im besetzten Gebiet mitgeteilt habe. Einer der Mörder Matteottis, Dumini, hat etwa einen Morningpost" schreibt, ein sehr wichtiger Buntt sei die Frage Monat vor der Tat einem Mitfaschisten erklärt, er hätte 10 oder 11 politische Morde auf dem Gewissen; es blieb ihm nachgerade nichts anderes übrig, als auf dieser Bahn fortzufahren, wenn er nicht verhungern oder selbst einem Delchstich zum Opfer fallen wollte; diese Erklärungen famen schon vor der Tat dem sozialistischen Abgeordneten Dugeni zu Ohren, und auf seinen Wunsch hat sie der Fischist, von dem sie gemacht wurden, zu Protokoll gegeben. Dumini, dem Biele", wie sie die Amnestie nannte, stellte also für die, die 11 Morde straffrei gelungen waren, Morde mit nationalem fein Borleben kannten, ein stets verwendbares Mittel für die Beseitigung eines Gegners dar. Für ihn gab es fein Zurüd, denn er lebte von diesem nationalen Zweck". Wie konnte man ihn auch strafen, der aus dem geheimen Bressefonds der Ministerpräsidentschaft bezahlt wurde, einem offiziösen Presse­organ des Ministerpräsidenten angehörte?

Die zwischen den Premierministern Frankreichs und Englands am Sonnabend und Sonntag in Chequers abgehaltenen nicht for­mellen Erörterungen erstreckten sich auf gewiffe Fragen, die sich aus dem Dawes Bericht ergeben, und auf Maßnahmen, die zu jeiner Berwirklichung notwendig find. Bestimmte Beschlüffe fonnten angesichts der schwebenden Unterhandlungen mit der italienischen und der belgischen Regierung nicht gefaßt werden. Die Unterredungen zeigten eine allgemeine Uebet­einstimmung zwischen den Auffassungen Frankreichs und Eng- uni lands und die gemeinsame Entschlossenheit der beiden Premier­minister, den Schwierigteiten in fortgefehtem Zusammenwirten ent- Es ist kein Zweifel daran möglich, daß die Kon gegenzutreten, welche ihre beiden Länder nicht nur, sondern auch die ganze Welt bebrüden. Es herrschte Uebereinstimmung darüber, daß, wenn die anderen Alliierten zustimmen, eine Konferenz in London nicht später als Mitte Juli abgehalten werden felle, um eine end. gülfige Berständigung über das einzuschlagende Verfahren herbeizu­führen. Endlich besteht zwischen den beiden Premierministern Ueber. einstimmung darin, daß fie fich beide zur Eröffnung der Völkerbunds. versammlung im September dieses Jahres zu kurzem Aufenthalt nach Genf begeben wollen.

Nach der Ausgabe des Communiqués haben Ramsay Macdonald und Herriot beschloffen, folgenden 3ufatz zu veröffentlichen:

Angesichts der Schwierigkeiten, die nicht nur die beiden Länder, sondern die gesamte Welt beeinflussen, haben wir uns dahin ver­ständigt, unter uns cinen moralischen Patt zum Zwede fort. gefehter Zusammenarbeit zu schließen.

London , 26. Juni. ( WTB) Die Konferenz von Chequers zwischen London , 26. Juni. ( WTB) Die Konferenz von Chequers zwischen Peretti della Rocca teilnahmen, bauerte von Sonnabend

Macdonald und Herriot, an der auch Sir Eyre Crowe und

abend 10 Uhr bis 2 Uhr morgens und wurde dann Sonntag von 9 Uhr 30 Minuten vormittags bis 1 Uhr 30 Minuten nachmittags

fortgesetzt.

Das Drgan der Arbeiterpartei, Daily Herald", bezeichnet die 3u­fammentunft als uneingeschränken Erfolg und erflärt meiter, der größere Teil der Erörterungen fei einer eingehenden Prüfung des Dawes- Berichtes gewidmet gewesen. Bollfommenes Einvernehmen sei bezüglich der Durchführung feiner Bestimmungen erzielt worden. Alle Anstrengungen würden unternommen werden, um es Deutschland leicht zu machen. Herriot und Macdonald hätten stets deutlich zwischen der deutschen Herriot und Macdonald hätten stets deutlich zwischen der deutschen Demokratie und den deutschen Reaktionären unterschieben: mit der ersteren würden sie bereit sein, entgegenkommend zu verhan­deln; follte es jedoch den Nationalisten gelingen, ans Ruder zu tommen, so würde sich die Haltung der Alliierten zweifellos ver freifen. England und Frankreich würden so weit wie möglich

gehen, um eine freundschaftliche Lösung zu erzielen, und hofften, daß auch Deutschland ihnen so weit als möglich entgegenkommen werde. Daily Herald" folgert schließlich aus der Absicht beider Bremier minifter, an der Bölkerbundsversammlung im September teilzu nehmen, daß eine Einladung an Deutschland , seinen Blaz fowohl in der Verfammlung als auch in dem Rat einzunehmen, wahrscheinlich sei, damit die Frage der Sicherheit und der Rüftungskontrolle dann vom Bölterbund aufgenommen werden fönne. Condon, 23. Juni. ( WTB.) Herriot fährt heute nachmittag nach Brüssel , um die mit Macdonald befprodjenen Fragen mit Theunis und Hymans weiter zu erörtern.

ferenz von Chequers wirklich in voller Harmonie verlaufen ist. Denn Macdonald und Herriot find in Berteidigung der von ihnen proflamierten Politik darauf angewiesen, nicht nur zwischen den beiden Regierungen, die sie vertreten, die Me thode der freundschaftlichen Verständigung an­zuwenden, sie müssen dieser Methode in ganz Europa Geltung verschaffen, wenn sie nicht unter dem Hohngelächter ihrer Gegner vom Schauplatz abtreten wollen.

An der Zustimmung der übrigen alliierten Regierungen zu der geplanten Londoner Konferenz ist nicht zu zweifeln. Belgien , das sich im Schatten der überragenden Macht Frankreichs nie sonderlich wohlgefühlt hat, kann diese Ent­widlung der Dinge nur begrüßen, Italien aber, dessen Regierungssystem ins Wanken geraten ist, kann unter den gegebenen Umständen überhaupt froh fein, wenn es noch für voll genommen wird. Die vereinigte Demokratie Englands und Frankreichs befindet sich also zurzeit im unbestreitbaren Vollbesitz der politischen Führung.

bunbidee in der europäischen Politif der nächsten Zeit eine Damit ist zugleich auch schon gesagt, daß die Bölter Rolle von erhöhter Bedeutung zu spielen haben wird. Um diefe Tatlache zu unterstreichen, haben Macdonald und Herriot zur Eröffnung der Völkerbundversammlung Anfang Septem­ber ihren Besuch in Genf angekündigt.

Das Ziel einer vernünftigen deutschen Außenpolitit tann jetzt nur sein, den Versuch zur Herstellung einer friedlichen europäischen Völferdemokratie mit allen Kräften zu unterstüßen und sich innerhalb dieser Völkerdemokratie die Stellung eines gleichberechtigten Gliedes zu verschaffen. Der Weg zu diesem Ziel führt über die Annahme der zur Ausfüh­rung des Dawes Berichts notwendigen Geseze, die Annahme der Note über die Militärtontrolle und den Eintritt Deutsch­ lands in den Völkerbund.

Während Macdonald und Herriot in Chequer beisammen faßen, haben Poincaré und Hergt Reden gehalten. Die Konferenz der führenden Politiker Europas von heute und die Reden der Staatsmänner von gestern und vorgestern bilden Beispiel und Gegenbeispiel. Regierte Poincaré in Frankreich reich noch und Hergt in Deutschland wieder, so wäre ein Aus. meg überhaupt nicht sichtbar.

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Herr Hergt hat in seiner Dessauer Wahlrede- laut Lotal- Anzeiger" anerkannt, daß Herriot ber alten Gewalt politit abgeschworen" und zum erstenmal in bestimmter Form die Räumungsfrage als für Franfreich in Betracht kommend hingestellt" habe. Indes findet Herr Hergt das Entgegenkommen Herriots noch nicht

eines offiziöfen Organs Mussolinis, ist verhoftet worden, ob­Der Chefredakteur des Corriere d'Italia", Filipelli, wohl sich einige der mächtigsten Exponenten der genuesischen Hochfinanz bemüht haben, dies zu verhindern. Filipelli hatte Dokumente bei sich, die den Gerichten in die Hände fielen. Als diese die Dokumente Filipellis ansahen, erließen sie einen Haftbefehl gegen den administrativen Generalsekretär der faschistischen Partei, Marinelli. Da gleichzeitig Verdachts­gründe gegen den Direktor des Pressebureaus der faschistischen Partei, Freddi , laut wurden, enthob Mussolini diesen einst­weilen feines Amtes. Den Unterstaatssekretär Finzi schützt geltend gemacht, daß er persönliche Beziehungen zu einigen fein Barlamentsmandat vor der Verhaftung. Gegen ihn wird der Mörder unterhielt und bak die Dokumente, bie Matteotti befas, in erster Linie ihn kompromittiert hätten; gegen ihn spricht ferner, daß er am 12. Juni, 48 Stun den nach der Lat , geäußert hat:... es handelt sich um ein politisches Berbrechen, aber die materiellen Bollieher der Taf und die Auftraggeber find Personen, die der Justiz schmerlich in die Hände fallen dürften". Diese mehreren Abgeordneten abgegebene Erklärung entriß einem von diesen den Ausruf: Dann weißt du also, daß Matteotti tot ift!"

"

as fann aber Mussolini mit der ganzen Sache zu tun haben? Am 8. Juni, zwei Tage vor der Lat , fchrieb ein faschistisches Blatt: Matteotti ist ein winziger Bestandteil dieses Lumpenpads, der schnell ein letzter Wind­stoß des gefunden Menschenverstandes und eine energische Bewegung des Heerführers( Mussolini ) zu ver­nichten wissen werden. Schon am 1. Juni schrieb das persön liche Organ Mussolinis, das Popolo d'Italia": Mussolini hat das Verhaltender Mehrheit sogar viel zulang­mütig gefunden, denn Matteotti hat( bei seiner Kritik der Wahlme hoben) eine höchst provozierende Rede gehalten, die etwas Greifbareres verdient hätte als die Bezeichnung umpenpad, die der Abgeordnete Giunta gebraucht hat." Das Blatt, das so schrieb, ist direkt von Mussolini inspiriert; daran zu zweifeln, daß es genau die Gedanken des Heerführers wiebergibt, wäre direkt Landesverrat.

Der diplomatische Berichterstatter des Daily Telegraph " schreibt: Was Frankreich wirklich wolle, seien sowohl Sachleistungen als auch baldige Barzahlungen, um sein Budget für das weit genug. Auch wir würden wünschen, Herriot hätte ich helm gemein, daß er sich für gottbegnadet hält; da ist Jahr 1925 Herriot über der Ruhr trag zu diesem Budget aus der im Dames- Bericht vorgesehenen An­fangsannuität von 50 Millionen Pfund Sterling sichergestellt zu fangsannuität von 50 Millionen Pfund Sterling ſichergestellt zu sehen. Bann nicht Belgiens Priorität weiterbestehen riirde. fo wiirde Frankreich auf 26 von diesen 50 Millionen Bfund Sterling Anspruch haben, und es sei möglich, daß

ein franzöfifch- belgisches Kompromiß.

Durch das Belgien einen Teil seiner Priorität gegen einen vermehrten Brozentjah eintauchen würde, später in Brüssel erörtert werde. Fer. ner müfje Frankreichs Sicherheit gewährleistet werden durch Wiederaufnahme der alliierten militär tontrolle, die zu einem sehr balbigen Zeitpunkt durch einre Militärkontrolle des Völkerbundes erfetzt merben önne, vorausgefeßt, daß mirffame Methoden für die Bölferbundstontrolle gefunden würden. Macdonald habe dem grundsäglich zugestimmt und habe jogar die Initiative ergriffen, ben Bölkerbundsrat und seine Abrüstungstommission zu ersuchen, die Frage der zu verwendenden Methoden zu untersuchen. Auch Gene ral Rollet prüfe diese Angelegenheit. Beide Ministerpräsidenten hätten den Vorschlag angenommen, daß die Sicherheit mittels des Bölferbundes erzielt werden folle. 5) erriotwerbe sicher night bie Pfänder aufgeben, die Frankreich jezt in Händen hatte, bevor die notwendigen Rontroll. maßnahmen und Bürgschaften zur Sicherung des Erfolges des Dames Planes ausgearbeitet wor benjeien.

Die militärische Befehung des Ruhrgebietes fcheine es jedoch unmöglich zu machen, irgendwelche besondere Ston polfe für die Eisenbahnen auf dem linken Rheinufer aufrecht zu er

gedrückt, was ihn aber daran gehindert hat, das hat er in der Rammer felbft gesagt: nämlich das Auftreten der deutschen Realtion, bas den Poincaristen und Räumungsgegnern täglich neue Waffen liefert.

Herr Hergt meint nun, dem Mangel sei dadurch abzu­helfen, daß in die deutsche Regierung willensstarte und tapfere Männer" feines Schlages aufgenommen würden. Und achselzudend meint er:

Die Regierung wird uns nun die Gesetze zur Durchführung der Forderungen der Sachverständigen bringen. Etwa Mittel Juli werden sie dem Reichstag vorgelegt werden. Wie sollen wir uns da verhalten? Ich sehe vorläufig feine Möglichkeit, fie mitzumachen, und bann tommt es eben zum Konflikt.

Deutlicher fann nicht gesagt werden, daß die Annahme der Geseze für Deutschland notwendig ist, daß die Deutsch­nationalen aber sie verhindern wollen, wenn sie nicht in die Regierung aufgenommen werden. Deutlicher fann man die Futterfrippe" nicht über das nationale Interesse stellen, als es Herr Hergt in Dessau getan hat!

Herriots Eindruck.

Condon, 23. Juni. ( EP.) Herriot erklärte u. a.: Ich habe in Macdonald einen Freund Frankreichs gefunden, einen Mann, der die Bedürfnisse Frankreichs versteht. Er legt sich Rechnung davon ab, daß Frankreich beruhigt werden muß. Gr will in Ueberein­stimmung mit uns arbeiten und fühlt, daß die Zusammenarbeit eines Tages nicht genügen wird. Er hat feinerlei Opfer von mir verlangt. Er versteht wohl, daß wir Sicherheitsgarantien verlangen. Er begreift, daß ein Land, das so oft angegriffen wurde, solche Sicherheiten und Garantien absolut braucht.

wohl auf ihn das Wort anwendbar: Die blindesten aber find Götterföhne." Denn Mussolini , der nicht ahnte, daß seine nächsten und liebsten Freunde das Zeug zu Meuchelmördern in sich trugen, war von weniger gottbegnadeten Elementen gewarnt worden. Der diffidente Faschist Cesare Forni hatte in einer Rede in Biella vor Monaten erklärt, daß Musso­ lini sich in schlechter Umgebung befände; daraufhin wurde er vom Bräfetten von Pavia aufgefordert, die betreffen den Berfonen zu nennen. Er nannte: Cesare Roffi, Direk tor des Pressebureaus des Ministerpräsidenten, Luigi Freddi , Direktor des Bressebureaus der faschistischen Partei, Aldo Finzi , Unterstaatssekretär des Innern, und Francesco Giunta, Generalsekretär der faschistischen Partei. Kurze Zeit darauf, am 28. Januar 1924, sagte Muffolini in seiner Rede im Palazzo Benecia:

Diejenigen, die man als die schlechten Berater des guten Tyrannen bezeichnet, find fünf oder sechs Personen, die jeden Morgen zum täglichen Bericht bei mir erscheinen. Auf alle Fälle muß ich erklären, daß für diefe, die die unmittelbarsten Mitarbeiter meiner täglichen Mühsal sind und die vor allem mit mir das falzige Broi der direkten Verantwortlichkeit der faschistischen Re­gierung teilen, ich hier in euer Gegenwart das tiefste Ge­fühl meiner Freundschaft und Dankbarkeit zum Ausdruck zu bringen.

Außer den von Ferni Genannten tamen hier in Betracht der General de Beno und Marinelli. Heute sind von diesen Leuten zwei, nämlich De Beno und Finzi, im Anschluß an die Ermordung Matteottis, von ihren Stellungen zurück­getreten, Rossi und Marinelli, von ihren Stellungen zurück­Mordes verhaftet, nur Freddi und Giunta stehen noch, aber fie tönnten stürzen über Nacht".