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Abendausgabe

Nr. 29541. Jahrgang Ausgabe B Nr. 148

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5 Goldpfennig

Vorwärts

Berliner Dolksblatt

50 Milliarden

Mittwoch

25. Juni 1924

setleg und Angelgenabteilung Geschäftsgelt 9-5 Uhr

Berleger: Borwäris- Berlag GmbH. Berlin S. 68, Cindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhof 2506-2507

Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Die Aufnahme der Militärkontrollnote

Die Note Macdonalds und Herriots über die Frage der militärischen Kontrolle hat ein doppeltes Echo in Deutschland gefunden. Die Presse, die eine Berständigung ernsthaft will, fieht in dieser Note den Beginn einer neuen Methode, den Ausdrud einer Gesinnung, die Voraussetzung zur Verständi­gung. ist. Die offische Zeitung" faßt diesen Ein­brud zusammen in den Säßen:

Herriot und Ramsay Macdonald sprechen zu dem Chef der beutschen Regierung, von dem sie voraussetzen, daß er ein bereit williger Mitarbeiter an dem großen Wert der Schaffung eines wirklichen Friedens ist, in einer ganz offenherzigen, freimütigen Sprache, in der fogar ein Ton von herzlichkeit mittlingt. Die Ankündigung, baß die Politik der Einschüchterung und Gehässigkeit ersetzt werden follte durch guten Willen und Zusammenarbeit wird hier zum ersten Male verwirklicht, wenigstens in der Form. Aus jeber Zeile des Briefes spricht der Wunsch, der deutschen Regierung einen Schritt zu erleichtern, dessen Beinlichkeit der Aufmerksamkeit ber Lenter selbstbewußter Bölfer nicht entgangen sein tann."

,, Germania " und" Berliner Tageblatt" stellen die innere Verantwortlichkeit jener Kreise fest, die Deutsch­ land die Suppe der militärischen Kontrolle eingebrockt haben: bie Nationalisten, die von Wehrhaftigkeit des Volkes reden, obwohl sie im Grunde genommen nur an Züchtung gegen revolutionärer Organisationen denken. Die Germania", die für die Annahme der Kontrollnote eintritt, setzt den Natio­nalisten auseinander:

"

,, Dabei laufen doch die gesamten militärischen Spielereien un­ferer Jugend doch nur auf eine durchaus nicht ungefähr tiche Selbsttäuschung über die Anforderungen eines tünftigen Krieges hinaus und lassen jeden Anjaz gur Entwicklung des politischen Sinnes im Keime verfümmern. Dieser Mangel an innerer Ronsequenz, dieses partei politische Unvermögen, aus richtigen Beraussetzungen die letzten richtigen Schlüsse zu ziehen, die innere unwahrhaftigkeit, bie der Veranstaltung der hirnlosen militärischen Demonstrationen zugrunde liegt, haben dazu beigetragen, die internationale Stellung des Erzmilitariſten und größten Deutschenhaffers Poincaré für eine merträglich lange Zeit zu fundamentieren."

Das andere Echo tommt aus der Presse der Nationalisten. Das andere Echo kommt aus der Presse der Nationalisten. Es ist das stereotype Echo, an das Inland und Ausland schon gewohnt sind, und das Stüße und wertvollster Vorwand des Poincarismus war. Um so markanter der neue Ton in der

Note Macdonalds und Herriots hervortritt, um so pro­

nonzierter das Festhalten der Nationalisten an dem alten hegerischen Geschrei. Die Deutsche Tageszeitung" spricht von ungewöhnlich dreisten Mahnung", der Tag" von einer Sumutung", die Deutsche Zeitung" endlich schreibt:

einer

Ein neues Dokument, das von Deutschlands tiefer Erniedrigung zeugt. Staaten, die über Millionenheere und riesige Kriegsflotten verfügen, Die Regierungshäupter derjenigen beren Truppen im Herzen Deutschlands stehen und die sich anfchicken, bem elenden deutschen Bolte die letzten Groschen als Kriegsfontri bution abzupressen, sie wagen es, von einer drohenden Gefahr" zu fprechen, Deutschland der geheimen Kriegsrüstungen zu zeihen und prechen, Deutschland in Aussicht zu stellen, wenn die deutsche Regie rung nicht den letzten Funken nationalen Bewußtseins im deutschen Wolfe austritt."

Dies Echo wird im Ausland schwerlich ernst genommen werden, es wird höchstens von den Drahtziehern neuer Heze gegen Deutschland ausgenutzt werden. Dies Echo iſt auch nicht fürs Ausland berechnet, sondern für die Deutschen , die der nationalistischen Phrase nachlaufen. Die Deutsche Die Deutsch e 3eitung" freut sich schon darauf, daß die Regierung die Rontrollnote annimmt, um dann um so strupellofer jene ver­logene und verantwortungslose innere Heze fortsetzen zu fönnen, die fie nationale Opposition" nennt.

Die Bundesgenossen der Nationalisten in Deutsch ad kommentieren die neue Note fast mit denselben Worten wie die Deutsche Zeitung". Sie haben es mit der nationalen Ehre:

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-

Die unausgesetzten Forderungen Macdonalds und Herriots nach der Entwaffnung Deutschlands im Namen des Weltfriedens natürlich find die frechsten Propotation en. Während der französische und englische Imperialismus unter den linken" Regierungen zu neuen Kriegen luftig weiter rüstet, militärische Geheimbündnisse schließt, wollen fie ihren Pazifismus der Welt an Deutschland weismachen...

Da arbeitende Bolt Deutschlands wird aber so lange die Bro= potationen goldbetreßter englischer und franzö= Sicher Generale mitsamt ihrem Surengesindel in Deutschland zu dulden haben, bis es nicht selbst die Sache der nationalen Ehre" in die Hand nimmt. Dazu ist aber die Berjagung der deutschen Verbündeten dieser Generale die Vorbe. bingung. Das Verhalten der Reichsregierung und der bürgerlichen Barteien in dieser Frage wird manchem die Augen über den Punkt nationale Ehre" öffnen."

So zu lesen nicht im Deutschen Tageblatt", dem Deut fchen Vorwärts" oder sonst einem völkischen, auf den Fang von Arbeitern für den Nationalismus berechneeten Organ, sondern in der Roten Fahne". Die Verständi ging marschiert. Die friegslüsternen Katastrophenpolitifer aus allen Lagern bellen fie an.

Macdonald und die Abrüstung.

Militärkontrolle und Völkerbund.

Wahnsinn oder Methode?

Das Kampfprogramm des Landbundes.

Die Landbündier haben dem deutschen Verbraucher den Krieg erklärt. Das geschieht nicht zum ersten Male. Denn das London , 25. Juni. ( WTB.) Macdonald erflärte gestern in Durchhalten" im Weltkriege wurde ja von dem Landbund­Glasgow, wo er das Ehrenbürgerrecht erhielt, welche Regierung führer v. Oldenburg- Januschau auch mit der Drohung einge­auch immer an der Macht sei und wer auch immer an der Spike leitet, daß man den Getreideanbau einschränken werde. In dieser Regierung stehe, eine oder zwei elementare Tat. der Inflationszeit wurde die Drohung mit der Einstellung der sachen müßten erfannt werden: die Gefeße der Wirtschaft Produktion zur ständigen Redensart bei Verhandlungen mit würden nicht von den Regierungen gemacht und alle Regierungen den Vertretern des Großgrundbesizes. Man braucht fich da­müßten zusehen, daß der Handel so kräftig wie irgend möglich ge- her nicht zu wundern, wenn die Landbündler unter der Füh fördert werde. Es sei daher die erste Pflicht des Staatssekretärs des rung des Grafen Kaldreuth bei der Vertretung ihrer Aeußern, die Voraussetzungen. für den Frieden zu Forderungen nach Steuererleichterung, Kreditgewährung und schaffen und zuzusehen, daß die mühsam eingebrachten Einfünfte Schußzöllen, mit aller wünschenswerten Deutlichkeit burth­tes Staates nicht für Verteidigungszwede ausgeblicken ließen, daß man- angeblich weil man fein Geld hat­geben würden, die, wenn die Welt vernünftig wäre, nicht not- die Ernte verfaulen lassen will; denn das ist der mendig sein würden. Macdonald schloß, er tue fein Bestes, um die Sache nach der Sinn ihrer Ausführungen, wenn man, wie es in dem Text des Berichtes heißt, auf die Gefahr eines durch Alliierten sowie die vormaligen Feinde Englands zu verstehen, da­mit durch gegenseitiges Einvernehmen das Gebäude des Mangel an Barmitteln herbeigeführten Stillstandes der Landwirtschaft" hinweist. Und dieser Sinn tritt um so flarer Friedens aufgebaut werden könnte. zutage, wenn man hört, daß in einer Reihe von Bersamm­lungen und Presseäußerungen der Bauernstreif zur Zeit der Ernte und sogar die Bauernrevolution angekündigt wurde. In der Frankfurter Zeitung " schreibt General a. D. von Die Landbündler tun mit dem erpresserischen Auftreten Deimling: ihrer Sache feineswegs einen Dienst. Der deut­,, Es wäre mehr als jämmerliche Kurzsichtigteit, fchen Deffentlichkeit gegenüber freilich haben sie einen Dienst wenn on der im Grunde genommen doch nur untergeordneten Frage erwiesen, insofern, als sie die letzten Zweifel über die poli der Militärkontrolle die Lebensfrage des Eintritts des deut- tische Orientierung des Landbundes zerstreut schen Boltes in den Völkerbund zuum Scheitern täme. Ich und der Allgemeinheit flargemacht haben, daß sie zur Durch tomme eben von Genf zurück, wo ich den Sizungen des Bölkerbund führung ihrer politischen Ziele vor teinem Mittel zurück­rates als Zuhörer beigewohnt habe, um persönliche Eindrücke zu schrecken würden. Um die deutsche Agrarwirtschaft: je­gewinnen. Ich habe auch Gelegenheit gehabt, mit Bundesratsmit doch, deren augenblickliche Notlage ihnen dem propagandisti­gliedern über die allgemeine Lage zu sprechen. Von allen Sei- schen Vorwand zu ihren Forderungen gibt, ist es ihnen erst ten wünscht und erhofft man Deutschlands Ein inlegter Linie zu tun. Davon zeugt nicht nur die in die tritt in den Bölkerbund. Auch ven Frankreich wird Form eines Berichtes über ihre Verhandlungen mit dem eine ei widerspruch mehr stattfinden. Im Gegenteil. Die Reichstanzler gefleidete Rundgebung, das zeigt noch deutlicher ganze Welt jehnt sich nach Frieden und erhofft ihn durch Zusammen die Begründung des Grafen Kaldreuth, die über die Beweg­wirfen in Böllerbund. Nur Deutschland steht noch abgründe des Auftretens der Landbünde erschöpfende Aus­Teits! cin; oir dürfen uns den Eintritt in den Völkerbund kunft gibt. nicht perbauen lassen durch eine Geistesrichtung, die zumi Fluche Deutschlands frog der viutigen Lehren des Weltkriegs noch nicht begriffen hat, daß Deutschland , das Land der Mitte von Europa , nur im Zusammenwirten mit den Böttern ringsum, nicht aber in Renitenz gegen sie und in Liebäugein mit dem Revanchefrieg wieder hochkommen tann."

Das Ergebnis der Besprechungen Herriots.

Austausch der Pfänder.

Paris , 25. Juni. ( WIB.) Der Sonderberichterstatter des Quotidien glaubt folgenden Gesamtüberblid über das Ergebnis der in England und Belgien geführten Verhandlungen geben zu können: Was die Reparationen anbetreffe, so würden die Alliierten den Austausch der Pfänder vornehmen, d. h. räumen, sobald die von dem Sachverständigen das Ruhrgebiet und die Rheinlande wirtschaftlich bericht vorgesehenen Organisationen funtfio nierten. Sofort darauf würden Frankreich und Belgien mit der militärischen Räumung des Ruhrgebiets beginnen, die nach Maßgabe der kommerzialisierung der deutschen Schulden fortgesetzt werden solle. Großbritannien würde Frant­reich eine allgemeine schriftliche Garantie fofortiger und vollkommener Zusammenarbeit geben, im Falle Deutschland eine seiner Verpflichtungen, die der Dawes- plan vorjehe, nicht erfülle. Die Vereinigten Staaten würden aufgefordert werden, an der interalliierten Konjernz vom 16. Juli teilzunehmen. Das sei ein wesentlicher Punkt; denn Sir Robert Kindersley have neulich mit Recht erklärt, das Reparationsproblem tönne nur mit der neulich mit Recht erklärt, das Reparationsproblem tönne nur mit der finanziellen Unterffügung Amerikas geregelt werden. Was die Sicherheitsfrage anbetreffe, fo fei Großbritannien geneigt, so mit seinen Alliierten, insbesondere mit Frankreich , einen allge meinen paft gegenseitiger Unterstühung, die im Falle eines Angriffs Deutschlands obligatorisch werde, abzujchließen. Der Bölkerbund werde von nun an im europäischen politischen Leben eine immer attivere Rolle spielen. Dadurch, daß Macdonald und Herriot im September in Genf anwesend sein wür­den, werde das erste Anzeichen dafür sein.

Herriots Rückkehr nach Paris .

Paris , 25. Juni. ( BTB.) Herriot erklärte bei seiner An­funft in Paris , die gestern abend um 11 Uhr erfolgte, auf Befragen: Mein Eindruck ist ausgezeichnet. Niemals bin ich von einer Ron ferenz mit soviel Befriedigung und Vertrauen zurückgekehrt wie heute."

Einigung bei der Reichsbahn.

Zwischen der Hauptverwaltung der Reichsbahn und den vertrags schließenden. Organisationen ist es am geftrigen Dienstag zu einer Einigung über die Schaffung des neuen Tarifvertrages für die Eisenbahnarbeiter gekommen. Die Bereinbarungen wurden durch beiderseitige Unterzeichnung eines Schlußprotokolls endgültig bestä tigt. Der Tarifvertrag fritt am 1. August in Kraft und läuft vor­läufig bis zum 31. März 1925. In der Frage der Arbeitszeit und der Löhne ist jedoch eine monatliche Kündigung verein bart. Neben einigen Berbesserungen enthält der neue Tarifvertrag gegenüber dem alten Tarifvertrag auch eine Reihe von Verschlechte rungen, die in der Hauptsache in der Arbeitszeitverordnung begrün­bet find.

Um allen Mißdeutungen porzubeugen, müssen mir mit dem größten Nachdruck betonen, daß die Sozialdemo frafie die gegenwärtige, durch die verschiedensten Umstände herbeigeführte Notlage der Landwirtschaft durchaus aner­fennt. Ihre Notlage ist allerdings nicht die gleiche, wie sie Millionen von Verbrauchern im Weltkrieg und in der Infla­tionszeit am eigenen Leibe erfahren hatten es ist noch kein

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Landwirt verhungert. Aber nicht geleugnet werden kann, daß

die gegenwärtige Kreditnot und die Verfassung des inlän­dischen Warenmarktes zu einem Preisdrud für Agrar­erzeugnisse geführt hat, der die Gefahr einer Ertensivierung hat es als selbstverständliche Pflicht angesehen, schon vor langer der Landwirtschaft in sich schließt. Und die Sozialdemokratie Zeit auf diese drohende Gefahr hinzuweisen und Maßnahmen duktionsfähigkeit abzuschwächen, wenn nicht gar zu beseitigen. vorzubereiten, die geeignet waren, die Wirkungen eines der­artigen Krisenzustandes auf die landwirtschaftliche Pro­Grinnert sei nur an die Vorschläge des Genossen Otto Braun , deren Sinn und Zweck die Belieferung der Landwirtschaft mit billigen Betriebsmaterialien war, erinnert sei ferner an das große sozialdemokratische Agrarprogramm, daß die produk­greße sozialdemokratische Agrarprogramm, daß die produk­feffung ausmerzen und die Grundlage für eine Kräftigung des tionshemmenden Wirkungen aus der modernen Agrarver­Bodenbaues bilden soll. Derartige ernsthafte Vorschläge sind von den Agrariern mit hohngelächter aufgenommen worden. Und wenn sie sich heute darüber beklagen, daß die Inflation ihnen das Betriebskapital aufgezehrt hat, so muß doch daran erinnert werden, daß es die deutsch natio nalen Landbundführer gewesen sind, die mit vers fogener und von den Eigenintereffen des Großbefizes diftierter Demagogie eine frühere Bekämpfung der Geldentwertung in gleicher Weise abgelehnt haben, wie die Schaffung der Vor­ausfeßungen dafür durch eine außenpolitische Verständigung. Es ist doch der Gipfel der Unwahrhaftigkeit, wenn jeht der Landbundpräsident erklärt, daß deutsche Bolt babe während der Inflationszeit aus den Wertpapieren bis zur restlosen Bernichtung des Kapitals gefebi", während einwandfrei feft­steht, daß gerade aus diesem Prozeß, der die Enteignung des Mittelstandes zur Folge hatte, die Landwirtschaft durch die zogen hat, einen Nußen, den sie nicht in ihrer eigenen Tasche zurückzahlung ihrer Hypothekenschulden großen Nugen ge­behalten darf und behalten wird, wenn die Wiederherstellung der deutschen Wirtschaftskraft eine Entschädigung der von der Inflation am schwersten getroffenen Boltstreife amangsläufig erfordert.

Genau so wie die Sozialdemokratie die landwirtschaftliche Krise zum Gegenstand ihrer Beratungen auf. dem letzten Parteitag gemacht hat, so wird sie auch jetzt und in aller Zu­funft eine vernünftige Agrarpolitit unter ft üzen. Die Landbündler aber wollen teine vernünftige Agrarpolitit, sie wollen die erneute Stärfung des Großgrundbesizes, und sie verbinden damit in höchst plumper Weise die Forderung nach der Wiederaufrich­fung des alten Wirtschaftssystems der Kaiserzeit, also die wirtschaftspolitische Restauration und gleich­zeitig die Sabotage des Dawes- Berichtes, die einer neuen Ver­nichtung der deutschen Währung gleichfommt.

Wenn die Landwirtschaft Steuererleichterungen auf dem Kreditwege mill, jo hat sie mit der erpresserischen