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wie ehedem

Ferienvorfreuden.

Das nächtliche Anstehen zum Sonderzug.

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Jedes Ding hat feine zwei Seiten, auch solch eine Ferienreise. Bet da weit hinaus in die Walt möchte und doch den großen Geld­beutel nicht hat, der trachtet nach einen Platz in den billigeren Sommersonderzügen. Plähe gibt es in der Regel aber nur am ersten Ausgabetag und nur, wenn man dafür ansteht", ansteht, wie ehedem für Butter und andere bessere Dinge. Und die Berliner stehen an, stunden-, nächtelang, trog aller Geldknappheit. So waren laut Anschlag am Anhalter Bahnhof am 25. Juni bereits alle süddeutschen Sonderzüge bis einschließlich 19. Juli ausverkauft mit Ausnahme zweier wohl weniger günstig liegenden Züge am 28. und 29. Juni. Der nächste Tag aber brachte eine ebenso glatte Abforderung der Plätze für einen Zug am 2. August, der also erst in 35 Tagen abgeht. Die Ausgabe der Fahrkarten beginnt morgens 9 Uhr, das Anstehen aber. genau schon am Abend vorher. Zwischen 6 und 7 Uhr finden sich die ersten ein und bald werden es mehr. Gegen Mitternacht waren es jüngst schon an die 50 Personen, die in der Mödernstraße sich für eine Nachtmache einrichteten. Die Kundigen bringen Feldstuhl oder Fußbant, Wolldecke oder Mantel mit. Viele haben sich Ablösung bestellt, die es ihnen ermöglicht, mit dem letzten oder ersten Vorortzug wieder nach ihrem entfernten Heim zu ge­langen. Unter den Anstehenden herrscht erfreulicherweise meist eine gute Selbstzucht, man gibt sich selbst Nummern nach der Reihen­folge des Eintreffens und hält die Ordnung ehrlich inne, die lange Sommernacht hindurch. Wenigstens bei den Borderen, die sicher find, ihre Fahrkarten zu erhalten. Wer so über Nummer Einhundert oder Zweihundert hat, kann oft damit rechnen, leer auszu gehen, denn vieie der Anstehenden vertreten fleine selbstgebildete Reisegesellschaften und fordern gleich die zulässige Höchstzahl der Fahrkarten. acht, und damit ein bestimmtes Abteil.

Soweit wäre die Geschichte ganz gemütlich, denn die Anstehen­ben sind meist Bielgereifte, Wanderer und Sommerfrischler und wissen sich gar amüsante Erlebnisse aus den Vorjahren zu erzählen. So gehen die langen Stunden des Wartens leidlich schnell herum und gefahrlos, wenn der Himmel ein Einsehen hat und es nicht gerade rognen läßt. Aber neben anderem hat doch dieses An­stehen auch riesige Schattenseiten. Erftmal ist es eine riesige Ber= geudung wertvoller Menschenkraft, wenn Hunderte jich eine Nacht um die Ohren schlagen müssen, um nur in den Besitz einer Fahrkarte zu gelangen.

Wer aber diesen Leidensweg nicht mitmachen fann, ist einfach ausgeschloffen von dieser billigen Fahrgelegenheit.

Sollte hier die Bahnverwaltung nicht Abhilfe schaffen fönnen durch Bereitstellen ausreichender Züge? Sie schenkt wirklich den Reifenden dabei nicht allzuviel. Die Er­mäßigung macht ein Drittel auf den Fahrpreis dritter Klasse aus, d. h., der Reisende zahlt in Wirklichkeit den Fahrpreis vierter Klasse, pro Kilometer 3 Pf. Dabei hat die Bahn auf Der ganzen Strecke mit feinem unbezahlten Plaz zu rechnen und Das be crhält das Fahrgeld zum Teil einen Monat im voraus. beutet bei einem Bankzinssatz von pro Monat 5 und mehr Prozent für sie eine weitere erhebliche Einnahme. Man dürfte beshalb auf ein weiteres Entgegenkommen beim Bezug der Fahr­farten rechnen.

Die Julimiete.

Das Städtische Zentralamt für Wohnungswesen teilt mit: Im Anschluß an die vom preußischen Minister für Boits wohlfahrt unter dem 25. Juni erlassene Berordnung über die Rege­lung der gesetzlichen Miete in Preußen für die Zeit vom 1. Juli 1924 ab hat sich der Magistrat in feiner geftrigen außerordentlichen Sitzung mit der Bestsehung der Zuschläge bei der Berechnung der gesetzlichen Untermicte befaßt.

sie zu dem auf den leeren Raum entfallenden Mietzins treten ben Buschläge für die Ueberlassung und Abnuzung von Einrichtungsgegenständen, Wäsche, Gardinen usw. sowie für die Säuberung der Mieträume und Reinigung der Bettwäsche und Gardinen sind a) bei einfach möblieren Zimmern und Wohnungen auf 70 Broz., b) bei bürgerlich möblierten Zimmern und Wohnungen auf 105 Proz., c) bei elegant möblierten Zimmern und Wohnungen cuf 175 Proz. der gesetzlichen Miete festgesetzt worden. Die Ab­örderung der Hundertsätze wird mit den übrigen durch die neue Ver­ordnung des Ministers notwendig gewordenen Veränderungen in einer Sonderausgabe des Gemeindeblattes am Montag, den 30. Juni, veröffentlicht werden.

Ab 1. Juli beträgt die gesetzliche Miete einschl. sämtlicher Be­Iriebskosten und öffentlichen Caften, also auch einschl. der Hanszins. fleuer, in Berlin im Regelfalle 62 Proz. der reinen Friedensmiete. Hat ein Mieter auf Grund ausdrücklicher oder stillschweigender Ber­einbarung nach dem 30. April 1924 in seinen Mieträumen die so­genannten Schönheitsreparaturen übernommen, so ist er berechtigt, die 62 Prez. um 4 Proz. zu fürzen. In der neuen gesetzlichen Miete ist ein gewiffer Prozentsaß für die großen Instandsegungsarbeiten enthalten. In denjenigen Fällen, in denen das Mieteinigungsamt auf Grund der bisherigen Vorschriften einen besonderen Zuschlag für große Instandsehungsarbeiten festgesetzt hat, vermindert sich die gefeßliche Miete um den zugebilligten Betrag, soweit er am 1. Juli 1924 cder später fällig wird. Das bisher übliche Verfahren zur Be­willigung eines Gonderzuschlages für die Verzinsung und Tilgung von Mitteln für große Instandsetzungsarbeiten kommt damit voni 1: Juli d. I. ab in Fortfall.

* Ferner ist der Vermieter berechtigt, das Wassergeld in voller Höhe auf die Mieter nach dem Verhältnis der Friedensmiete umzulegen, wogegen die Mieter in diesem Falle die Miete um 3 Proz. Türzen fönnen.

Der Mord in Siemensstadt .

Zu dem Mord in Siemensstadt wird mitgeteilt, daß die Leiche der Frau Misch te gestern obduziert worden ist. Das Ergebnis bringt einen weiteren Beweis dafür, daß der verhaftete Maly nicht im Affekt, sondern mit Vorbedacht gehandelt hat. Frau Mischte hat nicht einen, sondern zwei Stich e, und zwar mit verschie denen Werkzeugen erhalten, den einen mit dem noch un­fertigen Dolchmesser, das ein Sohn Malys angefertigt hatte, den anderen mit einem Dolche, den Maly selbst besaß und den er, wie er fagt, geschliffen hat, furz bevor er bei Orenstein u. Koppel seinen Urlaub antrat. Diesen Dolch will der Täter nach der Tat weg­geworfen haben. Nach ihm wird jetzt die Wohnung noch einmal Durchsucht werden. Der Berhaftete wurde gestern wegen Mordes dem Untersuchungsrichte vorgeführt.

Dörr wieder aus der Haft entlassen.

Der Führer der kommunistischen Fraktion im Berliner Stadt­parlament Dörr, der vor einigen Tagen nach Schluß der Bezirks­verscmmlung Wedding verhaftet und dem Untersuchungsrichter zu­geführt worden war, ist am Sonnabend wieder auf freien Für gesezt worden. Dörr wird des Hochverrats beschuldigt, weil er die Bercntwortung für die am 13. April d. J. erschienene Nummer der Reten Fahne" trägt, in der der Aufruf der Kommunistischen Partei

Für die Reise

nicht vergessen

3ertrale Die nächsten Aufgaben der Partei" abgedruckt| wünsche der Reichsregierung überbrachte und den Genossenschaften ist. In diesem Aufruf erblickt der Oberreichsanwalt den Versuch, gewaltsam die Aenderung der Verfassung herbeizuführen.

Unsere Fraktion der Bezirksversammlung Wedding schickt uns folgende Erklärung: Die Behauptung der Roten Fahne", der Bezirksverordnete Weide hat der Polizei Helferdienste bei der Verhaftung des kommunistschen Stadtrats Dörr geleistet, ist unwahr. Der Genosse Weide hat lediglich seine Fraktionskolle­gen vor einem Zusammenstoß mit den Beamten, welche mit ge­gezogenem Revolver vorgegangen sind, zu warnen versucht.

Die Obstruktion des Bürgerblocks.

Die geftige vierte außerordentliche Sigung der Stadtverordneten versammlung fand wiederum nur eine Minderheit von Mitgliedern im Saale versammelt. Auf der rechten Seite zählte man etwa 10 Anwesende, auf der Linken war u. a. der enthaftete Kommunist Dörr erschienen. Der Vorsteher Genosse 5' eröffnete die Sitzung um 5 Uhr. Sofort verlangte Koch ( dnatl.), von der Linfen mit stürmischer Heiterkeit und mit dem Rufe: Ausgerechnet Koch!" begrüßt, zur Geschäftsordnung das Wort, beantragte die Bertagung und bezweifelte zugleich die Beschlußfähigkeit des Hauses. Vorsteher Haß: Da die Versammlung zweifellos nicht beschluß­fähig ist, kann natürlich die Eizung nicht stattfinden. Ich möchte aber noch folgendes bekanntgeben.( Die Herren auf der Rechten erheben Widerspruch und verlassen dann den Saal.) In der nächsten Woche wird nur eine Sigung, und zwar am Donnerstag, stattfin­den, nachdem im allgemeinen zu erkennen ist, daß vor den Ferien ein beschlußfähiges Haus nicht mehr zustande kommt. Es ist im Gemeindeblatt" für die nächste Woche zu drei Sizungen eingeladen worden; ich stelle hiermit öffentlich fest, daß diese Einladung und diese Bekanntmachung nicht mehr gültig sind; es wird zu der Don­nerstagsizung besondere Ginicdung ergehen. Die Sigung ist ge­schlossen. Schluß 5 Uhr 2 Minuten.

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Bürgerliche Blätter melden von einer Vermittlungsaktion des Oberbürgermeisters und von einem freiwilligen Ausscheiden des Stadtschulrats Paulsen. Tatsächlich hat der Oberbürgermeister am Freitag die Führer der bürgerlichen Fraktionen zu sich gebeten. Eine Verständigung erscheint aber zurzeit vollkommen aussichtslos. Es muß damit gerechnet werden, daß vor den Ferien der Etat nicht verabschiedet und auch eine Lösung der Abbaufrage nicht gefunden wird. Ueber den angeblichen Vermittlungsvorschlag des Oberbürger­meisters ist in den Kreisen der sozialdemokratischen Stadtverordneten­fraktion nichts bekannt.

25 Jahre Berliner Konsumgenossenschaft.

Das Jubiläum einer Selbsthilfeorganisation. Die Konsumgenossenschaft Berlin und um gegend hatte gestern eine Erinnerungsfeier. In diesen Tagen vollendet sich das 25. Jahr seit Gründung des fleinen Konsumver­eins Berlin- Nord, der als Keim der inzwischen zu achtunggebietender Größe fortgeschrittenen Organisation der Berliner Konsumenten, der heutigen Konsumgenossenschaft, anzusehen ist. An einer Fest sigung , die vom Vorstand und vom Aufsichtsrat veranstaltet wurde und im großen Saal des Reichswirtschaftsrates stattfand, be­teiligten sich viele Gäfte, die Vertreter von anderen genoffenschaft. lichen Organisationen, von Gewerkschaften, von Behörden der Stadt, des Staates und des Reiches.

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1902

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Der Aufsichtsratsvorsitzende Lange begrüßte die Gäfte und gab dann in feiner Festrede einen Ueberblick über die Entwicklung der Genossenschaftsbewegung in Berlin . Er schilderte Profeffor Hubers Werbearbeit in der Mitte des 19. Jahrhunderts, die späteren Versuche von Schulze- Delitzsch , dem das Ziel einer Ge­meinwirtschaft fremd war, die Neubelebung der Genossenschaftsbewe gung in den neunziger Jahren, die Gründung der Arbeitergenossen­schaft Befreiung" 1895 und des Konsumvereins Eintracht" 1898, Noch vor aus denen 1900 der Konsumverein Berlin hervorging. diesem entstand 1899 der Konfumverein Berlin­Nord, dessen wir jetzt bei der Jubiläumsfeier gedenken. wurde er mit den Konsumvereinen Berlin - Süd, Schöneberg und Weißensee zur Konsumgenossenschaft Berlin und Umgegend ver­schmolzen. Unter den Förderern der neuen Konsumentenorganisation waren Leo Arons , Franz Oppenheimer , Peus, Eduard Bernstein , 2. von Elm und andere. Von 1905 ab erfreute die Genossenschaft sich auch wirksamerer Unterstützung durch die Berliner Gewerkschafts­kommission. Die Konsumgenossenschaft nahm 1908 den oben er­wähnten Konsumverein Berlin auf und in den nächsten Jahren noch mehrere andere Vereine. Heute hat fie 163000 Familien als Mitglieder. Nicht nur Verteilung von Waren, sondern auch Organisierung der Produktion hat ihr von Anfang an als Aufgabe gegolten. Ihre Bäckerei ist die größte in Deutschland . Durch den Krieg und seine Folgen ist sie bisher ge hindert worden, den längst gehegten Plan eines Fleischereib riebes auszuführen. Der Redner gedachte in ehrenden Worten all der Mit­arbeiter, durch deren treue Pflichterfüllung die Konsumgenossenschaft zum Aufschwung gelangt ist. Er erwartet für die nächsten Jahre und Jahrzehnte eine noch schnellere Entfaltung zu hoher Blüte.

Der Reichspräsident Ebert hatte schriftliche Glückwünsche ge­fandt, ebenso der Vorstand des Internationalen Genossenschaftsbundes und andere. Bom Reichsministerium für Ernährung und Landwirt schaft war Ministerialdirektor Dr. Müller erschienen, der die Glück­

Das Rundfunkprogramm.

Sonntag, den 29. Juni.

7 Uhr abends: Märchen, gelesen von Hede Geber( Jugend­vortrag). 8-11 Uhr abends: Tanzmusik, ausgeführt von der Tanz­kapelle Formiggini. Einlagen: Charlotte Freyer, Karl Schnog . Montag, den 30. Juni.

Tageseinteilung. Vormittags 10 Uhr: Nachrichtendienst. Be­kanntgabe der Kleinhandelspreise der wichtigsten Lebensmittel in der Zentralmarkthalle. Nachm. 12.15 Uhr: Vorbörse. Nachm. 12.55 Uhr: Uebermittelung des Zeitzeichens. Nachm. 1.05 Uhr: Nachrichtendienst. Nachm. 2.15 Uhr: Börsenbericht.

7.30 Uhr abends: Sprachunterricht( Englisch ). 8 Uhr abends: Vortragszyklus: Das Sachverständigen gutachten". Erster Vor­trag: Ministerialrat Dr. Haentzschel: Die Grundzüge des Sach­verständigengutachtens". 9 Uhr abends: Konzert. 1. a) Weißer Flieder, b) Knabe Frühling, c) Wiegenlied, von P. Graener,( Mary Wurm- Meisenberg, v. d. Staatsoper). 2. Andante aus dem Streich­quartett, von Brahms ,( Das Schubert - Quartett. Teherese Schubert ( 1. Violine), Hali v Sittmann( 2. Violine), Anita Rokamora( Bratsche), Ilse Dearneborg( Cello). 3. a) Ich liebe dich, b) Adelaide , von Beethoven ( Konzertsänger Hermann Schey . 4. Erster Satz aus dem Streichquartett G- dur, von Haydn ( Das Schubert - Quartett). 5. a) Es muß ein Wunderbares sein, b) O komm' im Traum, c) Die Loreley. von Liszt ( Konzertsänger Hermann Schey ). 6. a) Freude soll in deinen Werken sein, von Schillings, b) Wie wundersam ist dies Verlorengeh'n. von Schillings, c) Leise Klinglarei, von Winteritz ( Mary Wurm- Meisenberg). 7. Polka aus dem Streichquartett, von Smetana ( Das Schubert- Quartett). Am Steinway - Flügel: Dr. Felix Günther. Anschließend: Dritte Bekanntgabe der neuesten Tages­nachrichten, Zeitansage, Wetterdienst, Sportnachrichten.

bei Wahrung ihrer Neutralität alle Förderung zusicherte. Als Ver­treter der preußischen Regierung sprach Handelsminister Siering. Er wies darauf hin, daß heute die Stellung der Regierung zu den Konsumgenossenschaften eine andere als vor der Staatsumwälzung ist. Er betonte, daß die Konsumgenossenschaften eine Lebensnotwendigkeit des Volkes find. Stadtrat Schüning, der die Stadt Berlin vertrat, erinnerte an die Hilfe, die in der Kriegszeit dem Magistrat bei der Nahrungsmittelbe­schaffung von der Konsumgenossenschaft geleistet worden ist. Es folgte eine Reihe anderer Gratulanten, Prof. Dr. Grünfeld vom Genossenschaftsseminar der Universität Halle, Direktor Best leim vom Zentralverband deutscher Konsumvereine, Direktor Eberling von der Großeinkaufsgenossenschaft deutscher Konsumvereine, ein Ber treter russischer Genossenschaften. Königs, einer von den Alten, die an der Gründung der Berliner Konsumgenossenschaft teilge nommen haben, schilderte die Mühen der damaligen Werbearbeit, die bei den Frauen noch am ehesten Erfolg hatte. Für den Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund und für den AfA- Bund sprach Um breit. Er betonte ein den Gewerkschaften und den Genossenschaften Gemeinsames, den Kampf für das gemeinwirtschaftliche Prinzip dort in der Arbeitsverfassung und hier in der Wirtschaftsverfassung. In einem Schlußwort dankte Geschäftsführer Mirus dem Personal für die treue Arbeit und streifte die zukünftige Entwicklung der Berliner Konsumgenossenschaft. Er forderte Entwicklungs­freiheit, an der man es gegenüber der Konsumgenossenschaft bis­her habe fehlen lassen. Die Konsumgenossenschaft erstrebt Zusammen­faffung aller Verbraucherschichten und Herbeiführung der Gemein­wirtschaft.

Kameradschaft".

Weil er nicht Vater sein wollte.

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Die falsche Auslegung des Begriffes der Kameradschaftlichkeit hat der Laufbahn zweier Polizeibeamten ein vorzeitiges Ende de reitet und schweres Unglück über sie gebracht, da sie sich eine doppelte Meineidsflage zugezogen haben. Der Polizeioberwachtmeister Wil helm Deutsch hatte Beziehungen zu einer Stenotypistin Lydia L., die nicht ohne Folgen geblieben war.

Um sich von seiner Zahlungspflicht zu drücken, hatte Deutsch in gewiffenloser Weise die ihm unterstellten Polizeiwachtmeister Eduard eschte und Ernst Kopplin dazu bewogen, zunächst eine eides­stattliche Versicherung abzugeben und neun Monate später auch in dem Hauptprozeß fälschlich zu beschwören, daß sie in der fritischen Zeit mit Fräulein Lydia gleichfalls nahe Beziehungen gehabt hätten. Als sich die Unwahrheit dieser Aussagen herausgestellt hatte, war zunächst wegen Anstiftung etit Verfahren eingeleitet worden, in dem Jeschte und Kopplin zu je neun Monaten, Deutsch zu einem Jahr Ge. fängnis verurteilt worden war. Der zweite Teil der Tragödie fpielte fich jetzt vor dem Schwurgericht des Landgerichts I ab. Jeschte und Kopplin hatten sich unter der Anklage des Meineids zu verantworten. und Deutsch wegen Anstiftung zum Meineid Jeschte und Kopplin waren in vollem Umfange geständig. Sie hätten dem Oberwachtmeister den Freundschaftsdienst leisten zu müssen ge­glaubt, nachdem Deutsch sie dauernd dazu gedrängt hätte. Am Lage des Termins, an dem der Eid geleistet werden mußte, habe Deutsch fie beide in der Kantine mit Bier und Schnaps freigehalten und immer wieder erklärt, man müsse aus Kameradschaft­lichkeit zusammenhalten. Sämtlichen Angeklagten stellten die Polizeihauptleute Stengel und Schmahl das beste dienstliche Beugnis aus. Staatsanwaltschaftsrat Messerschmidt bezeichnete Deutsch als den gewissenlosen Verführer und bear­tragte gegen ihn eine besonders hohe Strafe, und zwar zweieinhalb Jahre Zuchthaus und zehn Jahre Ehrverlust. Die Rechtsanwälte Dr. Herbert Fuchs und Dr. Jaffa nahmen für Jeschke und Kopplin Eidesnotstand in Anspruch, da fie in einer Zwangslage gewesen wären, indem sie bei Angabe einer wahrheitsgemäßen Aus­jage fich selbst der Leistung einer falschen eidesstattlichen Versicherung bezichtigt hätten. Beide Angeflagte hätten feinerlei Vorteile. gehabt und unter dem falschen Begriff der Kamerad fchaft gehandelt. Rechtsanwalt Dr. Arras bestritt, daß der Bes weis erbracht worden sei, daß Deutsch die Mitangeklagten zum Mein­cide verleitet habe, weil diese schon aus Furcht, daß ihre erste falsche Angabe entdeckt werden würde, zum Meineid fich veranlaßt gesehen hätten. Das Schwurgericht verurteilte Jeschte und Kopplin entsprechend den Anträgen der Verteidigung unter Zubilligung mildernder Umstände zu je neun Monaten Gefängnis und heb die Haftbefehle gegen sie auf. Polizeioberwachtmeister Deutsch wurde wegen Anstiftung zum Meineide zu einem Jahr sechs Monaten Zuchthaus und dem Verlust der bürger­lichen Ehrenrechte auf fünf Jahre verurteilt. Jeschte und Kopplin verzichteten auf eine Revision des Urteils. Die Bildung einer Gesamtstrafe unter Einschluß der früher erfannten Strafe fonnte nicht sofort erfolgen, da die Akten über den ersten Straffall nicht zur Stelle waren.

Mit Revolver und Pfeffer.

Zu einem Feuergefecht zwischen einem Fahrraddleb und einem Polizeibeamten tam es gestern in Lichtenrade . Um 6 Uhr früh meldete ein Oberlandjäger in 3ossen dem Bahnhofsvor­steher in Bichtenrade, daß gegen 4% Uhr zwei Männer in Zoffen je ein Fahrrad gestohlen und damit die Richtung nach Berlin eingeschlagen hätten. Ein zufällig auf dem Bahnhof anwesender Polizeibeamter und ein Beamter des Sicherheitsdienstes Groß- Berlin stellten sich auf Poften an der Ecke der Golz- und Kaiser- Wilhelm­Straße zu Lichtenrade , um die Diebe zu erreichen. Schon nach 10 Minuten fichteten sie zwei Radfahrer. Auf ihren Anruf warf einer sein Radweg und entfloh in der Richtung nach der Dorfstraße. Der zweite jagte nach der Kaiser- Wilhelm- Straße zu weiter. Der Polizeibeamte schwang sich auf das weggeworfene Rad und nahm die Verfolgung des zweiten Diebes auf. An der Ecke der Blücherstraße ließ auch dieser sein Rad stehen, lief in das Birken­wäldchen hinein und gab drei Pistolenschüsse auf den Beamten ab, die alle fehl gingen. Der Beamte erwiderte mit drei Schüssen auf etwa 50 Meter, scheint aber auch nicht getroffen zu haben. Die Diebe ließen außer den gestohlenen Rädern zwei Regen­mäntel, vier geschlachtete Hühner und eine Tüte Pfeffer zurüd. Sie hatten sich also auf alles vorbereitet gehabt.

Den Vater erstochen.

Eine Familientragödie erhielt vor dem Schwurgericht des Land­ gerichts I ihre Sühne. Wegen Tötung seines Vaters hatte sich der Drogist Warnide vor den Geschworenen zu verantworten. Vater und Sohn betrieben ein Drogeriegeschäft. Da beide sehr erregte Naturen waren, fam es häufig zu den heftigsten Streitigkeiten zwischen ihnen. Anfang Januar dieses Jahres waren sie sich wieder über geschäftliche Angelegenheiten derart in die Haare geraten, daß der Vater, so schilderte es wenigstens der Angeklagte, da Augenzeugen des Vorfalles nicht vorhanden waren, erregt aus feinem Bette auf sprang und mit einem Biertantfnüppel auf ihn ein. geschlagen hate. Dann habe der Vater zu einem Küchenmesser gegriffen und ihn verfolgt. Als er ihn an der Tür einholte, habe er sich zur Wehr gefeßt, dem Bater das Messer entwunden und ihm dann

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