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Nr. 78.

Erscheint täglich außer Montags. Prets pränumerando: Biertel­jährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 Mr., wöchentlich 28 Pfg. fret In's nus. Einzelne Nummer 5 Pt Gonntags- Nummer mit tluftr. Sonntags- Beilage Neue Welt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 8,30 Mt, proQuartal. Unter Kreuz­ band : Deutschland u. Defterreich­Ungarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3Mt. pr.Monat. Eingetr. in der Post Beitungs Preisliste für 1895 unter Nr. 7128.

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Vorwärts

12. Jahrg.

Insertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pfg., für Vereins- und Bersammlungs- Anzeigen 20 fg. Inferate für die nächste Nummer müffen bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochen: tagen bis 7 Uhr Abends, an Sonn und Festtagen bis 9 Uhr Bor mittags geöffnet.

Fernsprecher: Amt 1, Nr. 1508 Telegramm- Adresse: Sozialdemokrat Berlin !

Berliner Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Abonnements- Einladung.

Dienstag, den 2. April 1895.

Bur Ranierei.

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Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

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Was wir heute hervorheben wollten, das war das

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Tugend. Unsere Ritter sagen: Das Geld ist die wahre Tugend dem Volte Entsagung, Tugend und Nächsten­Zu Beginn eines neuen Quartals richten wir an alle Der Leser braucht nicht besorgt zu sein. Fern liegt liebe predigen, fich selber die Taschen füllen, dem Nächsten Freunde und Parteigenossen die dringliche Bitte, für die uns die Absicht, tausendmal Gesagtes zum tausendsten Male die Pistole auf die Brust seßen und unter himmlischem Glocken­mit aller Energie thätig zu sein. Gegen die Partei, Agraricrn selbst nicht ernst genommen werden, ernsthaft oder drei Jahr lang eingesperrt." Ländlich, sittlich. Sin Erweiterung unseres Abonnententreises zu wiederholen, und agrarische Argumente, die von den geläute die tollsten Orgien begehen das ist Religion, Ordnung und Sitte" und wer es bezweifelt, wird zwei deren Zentralorgan der Vorwärts" ist, haben die vererörtern zu wollen. Ueber und über ist von den Gegnern oder drei Jahr lang eingesperrt." Ländlich, fittlich. Gin einigten Parteien der Reaktion, denen der des Kaniz- Antrages in der Presse, im Reichstag und in Fortschritt ist jedenfalls in unserer Methode: durch den Boden unter den Füßen wankt, jezt alle ihre Kräfte auf Versammlungen der Nachweis geliefert worden, daß es sich frassen Widerspruch zwischen Reden und Handeln wird der geboten; durch ein neues Knebelgeset soll die zahl nur um einen neuen Beutezug der Junker gegen das Volk Fäulnißprozeß sichtbarer, und das beschleunigt ihn. reichste Partei in Deutschland mundtodt gemacht, und für handelt, daß der Bruder Bauer", dem nach wie vor das unsere Feinde und des Volkes Feinde die Ruhe des Fell junkerlich über die Ohren gezogen werden soll, nur als Berede von dem sozialistischen Kern" des An­Kirchhofes hergestellt werden, damit sie ungestört Dekoration dient als idyllisches Lamm, das die Nächsten da ein Anhänger unserer Partei hat verwirren lassen. So lesen trages Ranit- ein Gerede, durch das sich auch hier und ihre gemeinschädliche und gemeingefährliche Arbeit liebe des frommen Wolfs, feines angeborenen Beschügers", verrichten können. Die Kämpfe, in denen wir stehen, erbaulich zur Anschauung bringt und daß der Kern der wir z. B. in einem Artikel des Sozialpolitischen Zentral­find von entscheidender Bedeutung; und die Berhand Sache, wie er nach Wegblasung des heuchlerischen Phrasen- blattes" über den Antrag Kanib: lungen des Reichstages über die sogenannte Umnebels sich darstellt, das Unverschämteste ist, was eru, der ihm gewiß auch manche theoretischen Sympathien 3weifellos steckt in dem Antrag ein sozialistischer sturz vorlage, die jetzt in der Kommission sich abjemals von nackter Interessenpolitik cinem geduldigen in sozialistischen Kreisen eingetragen hat. Die Verstaatlichung spielen, bald aber im Plenum stattfinden werden, Bolk, sagen wir gleich: dem geduldigsten der und planmäßige Organisation eines großen Gebietes derzeit find von ganz besonderer Wichtigkeit. Je größer aber die Völker, dem deutschen dem armen, noch 100 Jahre privattapitalistischer Handelsbethätigung und Aus Verbreitung des Zentralorgans, def größer sein Einfluß nach der französischen Revolution von der Junterwirthschaft beutung, die dadurch mitbedingten weitgehenden statistischen Fest­und seine Wirksamkeit, und desto größer die Macht geplagten Volke der Dichter, Denker und Umsturzvorlagen stellungen betreffend Produktion, Distribution und Konsumtion, der Partei. zugemuthet worden ist. Wir wollen nicht des näheren dar die zu heilsamen Regelungen auf den Gebieten der Müllerei und der Gesetzgebung zum Auspumpen der Taschen des Arbeits- Uebereinstimmung des Kaniz'schen Grundgedankens mit dem im legen, wie der Antrag Kanitz blos den Zweck hat, die Klinke Bäckerei drängenden Folgen sind Dinge, die zu einer Fülle Arbeits- on fozialistischen Betrachtungen und Versuchen anregen. Die voltes zu benutzen, wie er eine Liebesgabe in sechsfachem Februar v. J. von den franzöfifchen Sozialisten ein­Maßstab der Schnaps- Liebesgabe ist, ein Versuch, die gebrachten Antrage auf Berstaatlichung des Getreide Herren Junker zum Lohn, daß sie sich die höchst über- imports giebt dem Antrag Kanis außerdem einen sozia flüssige Mühe geben, geboren zu werden, zu lebenslängslistischen Empfehlungsbrief mit."

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Pflicht zu thun, und das Zentralorgan der Partei würdig Die Redaktion des Vorwärts" wird bemüht sein, ihre Mit dem 1. April eröffnen wir ein neues Abonne­ment auf den ,, Vorwärts"

31 machen!

mit der Auftritten Sonntags- Beilage

Die Neue Welt".

Für Berlin nehmen sämmtliche Zeitungsspediteure, so­wie unsere Expedition, Beuthstr. 3, Bestellungen ent­gegen zun monatlichen Preise von

1 Mark 10 Pfennige frei ins Haus. Für cußerhalb nehmen sämmtliche Postanstalten Abonne­ments zum Preise von 3,30 M. für das Quartal entgegen. Eingetragen in die Post- Zeitungsliste für 1895 In unerem Feuilleton beginnt nach Schluß der eben begonnenen kurzen Erzählung: Zu Tode geheht", der Abdruck der geschichtlichen Erzählung:

unter Numer 7128.)

Berliner Märztage"

von Michel Deutsch,

auf welches Werk wir unsere Leser besonders aufmerksam

machen.

Redaktion und Expedition des Vorwärts".

stub

Feuilleton.

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lichen Staatspensionären, oder richtiger Staats- Almosen- Und in cinem anderen Aufsatze des nämlichen Blattes empfängern zu machen. Wir wollen nicht dabei verweilen, heißt es: Das Prinzip, das dem Antrag Kaniß zu grunde liegt, wie unsere Junker, die sich auf ihr besonders feines Ehr­gefühl und ihren ritterlichen Sinn so viel zu gute thun, die ebernahme der gesammten Getreide Einfuhr durch den ebenso geldgierig und weit cynischer als der ver- Staat, zu dem Zweck, die Kornpreise im Inlande stabil und härtetste jüdische Bucherer", auf das Forum, vor das normal zu gestalten, ist ein durchaus sozialistisches und liegt in der Richtung der Bestrebungen auf Gewährung deutsche Bolt hintreten, und, den Bettelsack als Sturmfahne eines allgemeinen Rechtes auf Arbeit", das hierdurch für die schwingend, sich heiser schreien nach Geld, Geld, Landwirthe, die auf eigener Scholle arbeiten, gewährt wird." Geld gleich jenen Rittern des verfaulenden Römerreichs,

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bie oraz uns gezeichnet hat: Geld her, Geld her, oder die Ehre fällt um: quaerenda pecunia primum est, virtus post nummos!*) Geld zusammenraffen, das ist das erste

-erst das Geld und dann ritterliche Zugend!

so sozialistisch wie die Absicht des Straßenräubers, ber dem " Zweifellos" ist der Kern" des Antrags Kanit gerade Wanderer die Pistole vorhält: Die Börse oder das Leben."

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Das schiefe Urtheil beruht auf einer, leider nicht ungewöhnlichen Verwechselung von Sozialismus Die politischen Fäulnißerscheinungen sind sich überall und Ver staatlichung. Der Sozialismus ist Verstaats und allezeit gleich. Nur die Bedingungen und Formen, lichung- wenn wir den Ausdrud:" Staat" für Gemein­unter denen sie sich äußern, sind verschieden. Die römischen wesen, englisch commonwealth, lateinisch res publica ans Heiden waren noch ehrliche Kerle, die offen heraus sagten, nehmen. Allein Verstaatlichung ist nicht Sozia was sie dachten und fühlten erst das Geld und dann die lismus.

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*) Erste Episiel des Horaz: An Mäcenas .

Eines Tages traf Schwarz einen polnischen Instmann beim Düngen eines Kleefelds mit gefüllter Schnapsflasche an. Er schimpfte ihn ganz gehörig zusammen. Der Just­mann, statt demüthig zu fuschen, wie das sonst der pol­nischen Landarbeiter Art ist, weigerte sich frech, die Flasche 7 herauszugeben.

[ Nachdruck verboten.]

Zu Tode geheht!

Um den Sozialismus durchzuführen, müssen wir die Produktion verstaatlichen" d. h. für das ganze Gemein­

mechanisch und wortkarg. Sie hatte es aufgegeben, den Grobian zu trösten und zu ermuthigen.

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Nur wenn die Kleine Anna etwas aus ihrem Schul­lejebuch zum besten gab sie stockte häufig beim Borlesen, weil sie sich die schwierigeren Worte erst zusammenbuch stabiren mußte nur dann kam wieder etwas Leben und Schwarz riß sie ihm aus der Hand und warf sie über Freude in die große flotzige Gestalt, in das apathische, Eine Erzählung nach dem Leben von Franz Held. die Hecke in einen Tümpel, daß die Frösche platschend ins starre Gesicht. Dann zog er wohl das Kind, nachdem Wasser fuhren. Da griff der Trunkene nach seiner drei- die Geschichte oder das Gedicht zu Ende war, zwischen Schwarz traf um diese Zeit eines Tages auf der Dorf- zackigen Dunggabel und machte Miene, den Gutsherrn seine Knie und strich den blonden, glatt zurückgekämmten ftraße den Robolski. Der tam ihm gerade gelegen. Er damit in den Unterleib zu stechen. Wäre nicht ein herbei- Mädchenscheitel mit der großen rauhen Hand. Immer stellte ihn heftig zur Rede wegen jener Unterhaltung mit gerannter Knecht dem Instmann noch gerade rechtzeitig in ganz gleichmäßig langsam und zart, von der reinen Rendelmann am Morgen nach dem Braude und verlangte, die Arme gefallen, so hätte es ein blutiges Unglück ge- Stirn bis zu den derben Flechten, die franzförmig um den daß Robolski die Worte des Kendelmann: Das hab' ich geben. Hinterkopf des Mädchens gewunden waren. schon vor zwei Jahren gewußt" und ich werde bauen", Der Justmann bekam wegen Gewaltthätigkeit 14 Tage vor Gericht bestätigen solle. Haft. Bei der Untersuchung brachte er zu seiner Ent­schuldigung vor, Robolski habe ihn angestiftet.

Robolski machte Ausflüchte. Sein Gedächtniß sei in legter Zeit schlecht und man könne sich doch nicht gut mit einem Mann, wie Rendelmann verfeinden.

Schwarz redete ihm zu. Er würde in der Sache ja sowieso vom Gericht vereidigt werden. Und er, Schwartz, wolle ihm dann gern die 10 Mark, die er ihm noch schulde, erlaffen, als Zeugengebühr.

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Aber wirklich ich werde mich nicht erinnern können stotterte der Bole- ich werde nichts davon wissen- Ihre liebe Frau muß sich verhört haben-"

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Das Kind wird glücklicher sein, als wir!" dachte er dabei; und er lächelte leise. Es war ein schmerzlich ver zichtendes Lächeln. Wie sie eines Abends dasaßen das Nachtessen war gerade vorbei, es herrschte eine peinliche Ruhe der Bedrückung und Verstimmung, die schaarenweisen Fliegen an der geborstenen, schwarzen Decke summiten verstört da brach eine Fensters scheibe klirrend in hundert Stücke und ein großer Feldstein flog von draußen hinein, gottlob mitten in die Salatschüssel. Schwart fuhr ohne Bedenken zur Thür hinaus über den Hof -in den Gemüsegarten, wohin er zwei dunkle Gestalten laufen gesehen hatte. Er stolperte über einen Kohlkopf- fiel zur Erde raffte sich auf und ranute, ohne auf die schmerzhafte Stirnschramme zu achten, athem los weiter. Er suchte mit seinem Gesinde seinen ganzen Hof und die umliegenden Aecker ab. Aber sie fanden den Thäter nicht wohl aber vier Fußspuren im gelockerten Grund eines frisch aufgegrabenen Erbfenstücks.

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Schwartz machte dem Nobolski Borstellungen, was dieser mit wüsten Schimpfereien beantwortete. Daraufhin verklagte ihn der Gutsbesitzer wegen Beleidigung und der Pole bekam richtig seine 10 Mr. Ordnungsstrafe. Die zahlte er nun zwar ebensowenig, wie die dem Echwarz geschuldeten 10 Mart, sondern ließ sich ein altes, unbrauchbar gewordenes Gewehr abpfänden. Aber er wurde dem Schwarz dadurch nicht grüner gesinnt. Dieser seinerseits ging jetzt den ganzen Tag schimpfend ,, Na, dann werden Sie aber doch wohl noch was von und polternd herum. Keiner konnt' es ihm mehr recht den zehn Mark wissen?! Ich will sie endlich mal zurück- machen. haben. Ich habe mein Geld selbst bitter nöthig!" Bei der kleinsten Nachlässigkeit, wegen des geringsten Robolski dachte aber gar nicht an's Zurückgeben. Fehlers fuhr er wüthend drein. Statt deffen hetzte er ihm die Justleute auf, sagte ihnen, Sogar seine Frau, die ihn doch so gut zu nehmen Schwark decke feine Gebäulichkeiten mit Echindeln, damit wußte und ihm gegenüber die Sanftmuth selbst war, sogar fie bet nächster Gelegenheit" darin verbrennen sollten und sie hatte in lezter Zeit häufig Wortwechsel mit ihm. Steinwürfe ereigneten sich noch mehrmals gleicherweise er ihnen den rückständigen Lohn nicht zu zahlen brauche. Er gab ihr feine Mark Haushaltungsgeld mehr, ohne mit in den darauffolgenden Wochen. Immer abends, wenn Sie sollten sich das nicht mehr gefallen lassen, auch nicht, ihr zu zanken. Es war ihm aber auch knapp genug. Familie und Dienstboten bei Tische saßen. daß er ihnen verböte, Schnaps mit auf's Feld zu nehmen Der Herbst wurde früh kalt. Abends saß Schwartz bei Schwarz schärfte den Seinen und dem Gesinde ein, und in den Wirthschaftsgebäuden zu rauchen. der brenzligen Dellampe in der schlecht geheizten Wohn- um diese Stunde mit Luchsaugen aufzupassen. Aber troz Es war wieder Frühling geworden. Die Vorunter stube( sie sparten bereits am Holz!) und stüßte beide Ellen- seiner und seiner Leute angespanntester Aufmerksamkeit Vorunter- stube suchung in der Brandstiftungssache war in vollem Gang- bogen auf die Ruie, stumpf vor sich hinbrütend. Er wußte fonnte er die Friedensstörer( es mußten nach den sich immer aber Kendelmann war nicht verhaftet worden. nicht mehr, was das werden sollte. Seine Frau strickte wiederholenden Fußspuren zwei sein) nicht entdecken.

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