Deutschlands auf einen nichtständigen Sitz würde aber in weiten deutschen Kreisen so gedeutet werden. Was ich hier über Deutschland sage, gilt ebenso für Ruß- land. Rußland dürfte, wenn es aufgenommen werden will, übermorgen nichtschlechter, aber auchnichtbesser behandelt werden als morgen Deutschland . Nur so wird wahre Gleichberechtigung durchgeführt und die Grundlage für gemeinsame dauernde Arbeit geliefert. Selbst- verstäMich darf der Eintritt Deutschlands deutscherseits nicht mit dem Eintritt Rußlands in Zusam» menhang gebracht werden. Ob Rußland eintreten will, hat die russische Regierung zu entscheiden, die wissen muß, ob sie den Eintritt Rußlands für zweckmäßig hält. Für die deutsche Regierung muß nur das deutsche Ämteresse Maßgebend sein. Sie kann den gleichzeitigen! Eintritt Ruß- lands für wünschenswert halten, was darüber hinaus geht ist aber vom Uebel. Eine andere Befürchtung, die in Deutschland oft laut wird, ist, daß Deutschland vor der Aufnahme gezwungen wer- den könnte, noch einmal den Versailler Vertrag an- zuerkennen. Wer soll daran ein Interesse haben? Der Ver- sailler Vertrag ist mit daran schuld, daß Europa seit 1919 nicht zur Ruhe kam. An ihm haben auch die Franzosen und die Belgier noch keine reine Freuds erlebt. Was sollte für Europa durch erneute Anerkennung besser werden? Es genügt wahrlich, daß dieser Vertrag einmal unterschrieben wurde, weil anders die deutsche Einheit nicht zu retten, neue Ueberziehung deutscher Gaue mit Krieg nicht zu verhindern und die baldige Rückkehr der Gefangenen nicht zu erzielen war. Die deutschen Kreise, die das Verlangen nach einer zwei- ten unterschriftlichen Anerkennung des Vertrages für möglich halten, denken dabei vor allem an die sogenannte Schuld- lüge und an die territorialen Bestimmungen des Versailler Diktats. Uebcr die Schuldfrage zu urteilen ist der Völkerbund ungeeignet, denn die Völkerbundsdelegierten handeln nach Instruktion ihrer Regierungen. Die Lüge von der deutschen Alleinschuld wurde seinerzeit aus politischen Gründen in die Welt gesetzt. Insbesondere Lloyd George brauchte einen moralischen Mantel für die unerhört harten Diktatbestimmungen des Versailler Vertrages. Dazu war das erpreßte Schuldbekenntnis gerade gut genug. Praktisch hat diese Lüge auf den Inhalt des Vertrags keinen Einfluß ge- habt. Die harten Bedingungen, die 1919 dem deutschen Volke aufgezwungen wurden, waren die Folge der schwe- ren militärischen Niederlage Deutschlands , das seit dem Zusammenbruch der Saloniki-Front und dem Abfall Bulgariens , der Türkei und Oesterreichs vom Bierbund seinen Kriegsgegnern auf Gnade und Ungnade aus- geliefert war. Wenn einmal«in neutrales, mit größter wissen- schasllicher Genauigkeit arbeitendes Kollegium eingesetzt wird — wir hoffen, daß das bald geschieht, damit den chaßpredi- gern, die in Deutschland den Kampf gegen die Schuldlüg« führen, das Handwerk gelegt werden kann—, so würde«in solches unparteiisches Gericht sicher zu dem Urteil kommen, daß Deutschland keineswegs die Alleinschuld am Ausbruch des Weltkrieges trägt, daß aber ebenso sicher die Politik des kaiserlichen Deutschland von 1911 und von vor 1914 wegen ihrer Taten und ihrer Unterlassungen mit- 'fchuldig ist an dem Ausbruch der größten Katastrophe der Weltgeschichte. Möchte ein solches Urteil für Deutschland so •■günstig ausfallen als denkbar, so würde dadurch nichts daran) geändert, daß das deutsche Volk nach seiner Leistungsfähigkeit zahlen müßte für die Kriegsschäden der Alliierten, weil es den Krieg verloren hat. Was aber die territorialen Bestimmungen des Versailler Vertrages anlangt, so sind sie zunächst machtpolitisch durch eine Reihe von S o n d e r b ü n d n i s s e n verankert, die zwischen der Kleinen Entente und Frankreich abgeschlossen wurden. Insbesondere gilt das fiir Pollen, mit dem Frank- reich ein zeitlich unbegrenztes Bündnis abgeschlossen hat, weil es weniger einen Angriff gegen die Vogesen als einen solchen auf seinem Basallen an der Weichsel fürchtet. Das amtliche
französische Eelbbuch über die Verhandlungen betreffend die Srcherhcitsbüryschaften gegen einen deutschen Angriff bringt dafür Beweise in Hülle und Fülle. Der französische Botschafter in London , de Saint Aulaire, berichtet zum Beispiel am 14. Dezember 1921 an B r i a n d, wie er in einer Aus- spräche über den angestrebten englisch -französischen Garantie- pakt dem Lord Curzon u. a. sagte: Ohne Zweifel würde Frankreich das(einen Angriff Deutsch » lands auf Polen als schwächsten Gegner) nicht dulden und die Waffen argreisen, um Polen und das europäische Gleichgewicht-an Rhein zu verteidigen. U-nd m der Instruktion des französischen Außenministers P o i n c a r 6 vom 23. Januar 1922 an denselben Voffchafter in London heißt es: Deutschland wird darauf ausgehen, Grund zum Kriege gegen uns zu finden, indem es sich den Anschein gibt, sich zu verteidigen. Das würde z. B. eintreten, wenn es Polen angriffe, da es wohl weiß, daß wir nicht«inen Augenblick die Verminderung der Bürgschaft dulden würden, die die Wiederaufrichlung dieses Staates für unsere Sicherheit bedeutet. Der Versuch, die territorialen Bestimmungen des Per- sailler Vertrages mit mllitärischen Mitteln zu ändern, würde direkt zu einem neuen Weltkrieg führen, den Deutsch . land noch sicherer verlieren würde als den vorigen. Wer in vielen territorialen Bestimmungen der Verträge von Ber- sailles, Saint Germain und Reuilly schweres Unrecht sieht und zur Durchführung eines wirklichen Selb ft best im- mungsrechts der Völker Hilfe gegen ein solches Unrecht heischt, muß Völkerbundspolitik treiben. Rur über den Weg des Völkerbundes werden territoriale Aenderungen in den Diktatverträgen des Jahres 1919 zu erzielen sein, so bald die Völker allenthalben von Völkerbund - gesinnungerfülltseinwerden. Bis dahin ist noch ein sehr weiter Weg. Dieser Weg kann abgekürzt werden, wenn Deutschland in den Völkerbund ausgenommen sein wird. So sprechen jetzt alle Erwägungen gegen denweiteren Boykottdes Völkerbundes durch die deutsthe Reichsregierung.
Das Tenüenzurtett von Weimar . Die Urteilsbegründung. Zu dem Urteil gegen den Mnister Hermann gab das Gericht folgende Begründung: „Kunze fei nicht als Mittäter, sondern als Gehilfe anzusehen. Die Daten in den Urkunden seien objektiv nicht richtig. Wenn tatsächlich am 24. September 1S23 der Minister die Anstellung von Beamten angeordnet habe, woran nicht zu zweifeln sei, trete dach die Rechtskraft der Anstellung mit dem Tage ihrer AuZslellung in Kraft. Kunze war die rechte Hand des Ministers und beide mußten sich ohne weiteres darüber klar gnvefen fein, daß sie das Datum des 24. September hätten nehmen müssen. Das Gericht halte es für unzweifelhaft, daß der Minister die falschen Daten nicht gesehen habe. Es nimmt an, daß die Daten der fraglichen Urkunden eine rechtlich erhebliche Tatsache dar- stellen. Das Gericht stellt ausdrücklich das Vorhandensein unlauterer Motive als nicht vorliegend fest und ist der Ueberzeugung, daß die Angeklagten für sich oder andere keine Vermögensvorteile verschaffen wollten. Das Gericht folgt nicht dem Antrag« des Staatsanwalts auf Erkennung von Gefängnisstrafen, sondern setzt, weil unedle Motiv« nicht zu erkennen sind, für Hermann und die Kreisdirektoren ein« Geldstrafe fest. Bezüglich der Anschuldigung gegen Hermann wegen angeblicher Beiseiteschaffung von Schriftstücken im Falle Kopf hat das Gericht festgestellt, daß kein« straf- bare Handlung vorliegt: es fei ohne weiteres zu glauben, daß ein Versehen geschehen sei. Ein Minister habe im übrigen das Recht, gewisse Schriftstücke im öffentlichen oder dienstlichen Interesse auch außerhalb der sonst üblichen Orte aufzubewahren." Soweit die Urteilsbegründung. Das Urteil ist unhaltbar. Es ist im Laufe der Verhandlung festgestellt worden, daß Vordatieiun- gen von Anstellungsurtunden in der Derwaltungspraxi» als zulässig gelten. Aehnliche Fälle wie die, die Anlaß zur Anklage gegen
Genossen Hermann boten, sind also in anderen Ministerien und zu anderen Zeiten vorgekommen. Wird nun eine strafrechtliche Verfolgung solcher Fälle vorgenommen werden und diese Ber- waltungssttte als falsche Beurkundung angesehen werden? Das ist nicht zu erwarten, und darum handelt es sich hier unleugbar um ein Tendenzurteil. RüüLger und Georg von üer Goltz. Der Schurke ist nur fein Vetter. Von den„Vaterländischen Verbänden" geht der Telegraphen- Union folgendes Schreiben des Grafen von der Goltz mit der Bitte um Veröffentlichung zu: „Dei Rückkehr von Reisen erfahre ich soeben, daß mich Links- blätter in unerhörter Weife mit Lorgängen im Luftfahrer- dank in Verbindung gebracht haben. Ich erkläre hierzu 1., daß ich alle Zeitungen, die mich in dieser Angelegenheit beleidigt haben, verklagen werde, wenn sie ihre beleidigenden Ausdrücke nicht binnen drei Wochen mit dem Ausdruck des Bedauerns zurücknehmen. 2. daß ich jeden der bewußten Verleumder gerichtlich verfolgen werde, der diese Verdächtigungen noch einmal zu wiederholen wagt, 3. daß der ganze Verleumdungsfeldzug offenbar die Vaterländischen Verbände treffen soll, für die ich zum Teil in führender Stelle arbeite. Denn die sonst so gut über mich unterrichteten Blätter hätten leicht feststellen können, daß ich von 1914 bis 1919 im Felde, also gar nicht in der Lage war, mich um heimatliche Dinge zu küm- mern.(Dergl. auch m«in« Sendung in Finnland und im Balti- kum), 4. daß der frühere Präsident des Luftfahrerdanks, Freiherr Georg von der Goltz ein entfernter Vetter von mir ist, der Gelegenheit nehmen will, die betreffenden Behauptungen als tendenziös« Verdrehungen nachzuweisen. Gez. Graf Rüdiger von der Goltz, Generalmajor a. D." Der Baitikumer-Goltz, der In dieser Erklärung den Mund bei- nahe so voll nimmt, wie in jener Rede, m der er gegen den Ge- nossen Dr. Breitscheid beleidigende Verdächtigungen ausge- streut hat, dessentwegen er sich gerichtlich zu verantworten haben wird» hat offenbar nicht einmal die Zeitungsnotizen gelesen, über die er sich so laut entrüstet. Im„Vorwärts" war jedenfalls nur die Anfrage an den zuständigen Staatsanwalt gerichtet worden, ob er identisch mit jenem Schurken sei, der diesen Namen trägt und laut gerichtlichen Feststellungen für 23 000 Gold- mark Witwen- und Waisenunterstützungsgelder als»Tantieme" ein- gesteckt hatte. Nachdem dies« Anfrage 3S Stunden lang in der hier- für zuständigen Rechtspresse unbeantwortet blieb, wurde sie in dringlicher Form wiederholt, um ein« Aeußerung zu erzwingen. Im übrigen stellen wir fest, daß Rüdiger von seinem Vetter Georg in keiner Weis« abrückt: letzterer will nämlich seinen Fall llvren. Dazu wird es aber— zehn Tage nach der Veröffentlichung de» Lufffahrerdank-Prozeßberichtes— die höchste Zeit. Nach diesem Bericht müssen wir allerdings die Bezeichnung „Schurken" für jene„Exzellenz" aufrechterhalten. Diesen Ausdruck zurückzunehmen, würden wir erst Veranlassung haben, wenn es wirklich dem Vetter Georg gelingen sollte, sich reinzuwaschen. Dem Rüdiger gegenüber haben wir nichts zurückzunehmen, am aller- wenigsten mit dem Ausdruck eines„Bedauerns": denn wie sollten wir«» bedauern, daß wir durch unsere Anfragen beim Vetter Georg das Bedürfnis endlich geweckt haben, sich zu melden und zu rocht- fertigen? Henning M.ü.R. SaüetommissarZ In Borkum wegen der Immunität. Für die gefährdete,„berechtigte Eigentümlichkeit" des Nordsee - bade Borkum , die die Oeffentlichkeit so lebhaft beschäftigt, ist, wie wir hören, der nationalsozialistische Reichstagsabgeordnet« Major«. D. mit germanischem Heldenmut«ingesprungen. Er hat sich nämlich bereit erklärt— sogar ohne Entgelt— das Badekommissariat des berühmten Strandes zu übernehmen, und er hat dieses Anerbieten damit begründet, daß er M. d. R. sei, man also an ihn nicht heran könne. Hakenkreuz und Bade Hymne von Borkum sollen also aus diesem Weg immunisiert werden. Dazu ist die Immunität der Abgeord- neten gut!
Sommer in öen Wäldern. -" Von Han» Bauer. Sommer in den Wäldern: Daran klebt ein Hauch von unend- licher Sehnsucht. Schon deshalb, weil die eigene allererste Lieb« zumeist mit den Wäldern in irgendeinem Zusammenhange gestanden hat. Damals... damals... sich in Kaffeehäuser zu setzen: so viel Geld hatte man noch nicht. Die Familie mit„ihr" aufzusuchen: ach Gott, es durfte ja niemand wissenl So ging man spazieren. In den Wald. Erzählte. War selig. Hatte«w« Sehnsucht und einen Glauben. Es erwies sich später, daß jene nichts taugte, man hatte sich getäuscht. Sie war ein Biest. Es blieb gleich. Jene Abende waren eben die Zeiten gewesen, zu denen man geglauibt hatte. Sommer in den Wäldern: Dort am Wege tändelt ein Soldat mit einem Dienstmädchen. Sie hat den einen Fuß auf die Park- umgrepzung aufgestützt. Der Soldat gibt ihr einen leichten Stoß. Sie wankt. Stolpert. Der Soldat fängt sie auf. Beide lachen. Um den Teich promenieren zwei Schweigsame. Ist«in Zank, ist Dersunkenheit in den schönen Abend der Grund ihres Schweigen»? Aus meiner Perspektive läßt sich das nicht erkennen. Jetzt kreuze ich den Weg zweier ganz Blutjunger. Er wird ein Pennäler fein. Zuweilen schaut er sich um. Er darf sich nicht erwischen lassen. Nicht von einem Lehrer, der der Angelegenheit möglicherweise ein unerwünscht großes Gewicht beilegt«, nicht von einem Schulkameraden, der den Fall w der Klaffe verbreitet«, nicht von einem Familienangehörigen. Jener dort ist weniger ängstlich vor seiner Umgebung. Um so mehr vor seinem Dämchen. Er scheint sie noch nicht lang« zu kennen. Hat wohl überhaupt noch nicht viel Umgang mit Weiblein gehabt. Ich merke, wie er um Unterhaltung ringt. Und wenn st« etwas sagt, dann lauscht er angestrengt, um ja keines Ihrer Wort« untergehen zu lassen, um einen Faden zu haben, an den er an- knüpfen kann... Die Erinnerung taucht auf an jene Zelten, wo man selber so recht saudumm daherredete:„Fräulein Lotte, wo waren Sie denn gestern?"—„Zu Hause."— Pause.—„Und vorgestern?"—„Auch zu Hause."— Pause. Ringen um neue Gedanken. Dann:„Und vorvorgestern?"—„Auch zu Hause."— Paus«.—„Und am Mrm- tag?"—„Auch zu Hause."—„So, so. Da waren Sie also die ganz« Woche zu Hause?"—„Ja, ich war die ganze Woche zu Hause."... Ich komme an einer Pank vorbei. Ein Pärchen sitzt auf ihr, das die Köpfe aneinander geschmiegt hält und sich stumm in die Augen guckt. „... und nun denken Sie bloß, Herr Engel," klingt«» jetzt aus einem Schlabbcrmäulchen, das mit jenem Herrn Engel mir ent- gegenkommt.„Nun denken Sie bloß! Und da ist doch die Kät « tatsächlich zu meiner Mutter gegangen und hat ihr da» von Viktor
erzählt, wo ich doch damals kein Wort gesagt habe, und ich hätte st« doch mächtig bei Hans reinsenken können. Aber so., Die Wort« verhallen In den dunklen Schatten der Bäume. Immer nur paarweise begegnen mir die Menschen. Paar« aller Arten und Sorten: junge und alle, fein« und grobe, arm« und reich«. schüchterne und routinierte. Ein unendlicher Friede herrscht. Zu denken, daß all die stillen und zufriedenen Menschen tagsüber im Kontor oder am Schraub- stock sitzen, daß sie tagsüber Untergebene anschnauzen oder von Bor - gesetzten angeschnauzt werden! Zu denken, daß sie in erregten Zeiten als Kommunisten, Sozialisten, Demokraten, Völkisch « sich be- kämpfen und In die Haare fahren I Eine andere Welt ist dies« Waldwelt am Abend. Eine heiligere, bessere. Trotz allem, wa, die Erde in unerhörten Katasttophen-Iahren umgestülpt und geändert hat: zweierlei ist geblieben: die Lieb« hier unten unb die ewigen Sterne dort droben. Hölle, wo Ist dein Sieg!■
der Slevogt'pavillon. Die moderne Filiale der Nationalgalerle im ehemaligen Krön- p r i n z e n p a l a i s ist um eine Sehenswürdigkeit reicher geworden. S l e o o g t» vielgenannte und umstritten« Cladower Wandmalereien sind nach jahrelangen Verhandlungen, Versuchen und Arbeiten endlich zur Ausstellung gebracht und dem Besuch des Publikums erschlossen. Der künstterische Wert des Werkes mag problematisch erscheinen. Es handelt sich um die Dekoration einer offenen Gortenhall«, die auf dem Landsitz des Kunstkenners und Dichters Johannes Guthmann in Neu-Cladow stand und deren Decke und drei Innenwände Slevogt im Sommer 1912 mit leicht hingeworfenen Malereien spielerisch improvisierend geschmückt hat. Auf dem Mörtel eines gewöhnlichen Mauerputzes, dessen Unregelmäßigkeiten zu allerhand gelstreichen Zufallswtrkungen benutzt wurden, sind menschlich« Figuren, Tiere, Blumen, Geräte hingezaubert. Das Ganze ohne einheitlichen Plan, die Einzelheiten in Anlehnung an pompejanische, japanische und Barockformen. Ein Musterbeispiel impresftonisttschen Stils, der den elementaren Bedingungen der Monumentalmalerei von Grundaus widerspricht,«ine einheitliche dekorative Wirkung nicht erzielt, tn Details aber durch fein« Naturbeobachtung, graziöse Er- findung und«sprttvolle Gestaltung mannigfalttge Reize bietet. Interessanter fast als das Werk selber ist die Geschichte seiner Ueberführung von Cladow nach Berlin . Di« Malereien waren dem Verfall nah«, als ihr Besitzer sie im Jahre 1920 der Nationalgalerie schenkte. Unter den Einflüssen der Witterung hatten die Kaseinfarben gelitten und von der Malfläche, die für künstterische Zwecke nicht vorbereitet war, blätterten ganze Stück« ab. Ein Loslösen der Malflöche von der Mauer, wie es bei Fresken möglich fft, ließ sich nicht bewerkstelligen. Also blieb nichts anderes übrig, als den ganzen Bau zu überführen. Damit aber der schlechte Putz die Erschütterungen des Transportes überstehen könne, mußten die Malereien vorher fixiert werden. Nach dreivierteljährigen Ex- perunenten der Museumschemiker gab man den Plan auf: es schien
unmögtich,«in für diesen noch nie dagewesenen Fall geeignetes Fixatto zu finden. Da erinnerte man sich eines Beispiels aus Tiroler Burgen, wo Temperamalerei abgelöst worden war. Reue Versuche beginnen und nach monatelanger Arbeit ist das Problem gelöst: die Maischicht sitzt fest, sie kann beklebt und für den Transport fertig gemacht werden. Inzwischen aber war der Winter 1922 zu 1923 herangerückt, und in der kalten Jahreszeit mußten die Arbeiten ruhen. Der Besitzer wird ungeduldig, ein anderes Museum bewirbt sich um die Halle, Verhandlungen gehen hin und her. Endlich, im Juni 1923 sind alle Hindernisse überwunden. Die Ueberführung beginnt. Cladow wird— wie Direktor Iusti sich ausdrückt—„ein- Art Flottenstation der Nationalgalerie". Ueber der Halle erhebt sich ein weite« Notdach, die Wände und die Deck« werden auseinander- gesägt und jeder der vier Teile wird in Eisenttäger gespannt. Dann sögt man zur Erleichterung des Transportes die dicken schweren Mauerstücke schmaler, verputzt die neuen Rückseiten mit Gips und Drahtnetzen, verschalt die Gesamtwände mit Brettern und fährt das Ganze aufrechtstehend in gut federnden Wagen nach Berlin . Im Januar 1924 traf der Tvcmspon hier ein. Auf dem Hof des Kronprinzenpalais wird«in gewaltiges Gerüst gebaut, ein Riesen- loch in die Mauer gebrochen und durch diese» die zentimeterweise hochgewundenen Mauerungetüme in das Innere des-Museums ge- wuchtet. Mitte Januar stand die Hall« an ihrem Bestimmungsort. Aber nun galt es, die Beklebung von den Malereien loszulösen. Gelang das nicht, so waren alle Mühen vergebens gewesen. Slevogt selber erscheint dazu in Berlin . In atemloser Spannung wird, unter andauernder Bespritzung mit kaltem Wasser, das Papier entfernt und steh« da: es war alles unversehrt geblieben! Die schon in Cladow schadhaft gewordenen Stellen wurden von Slevogt noch- mals� mit dem Pinsel übergangen, und nachdem die allerletzten Verzögerungen, die sich aus dem Bauarbeiterstreik ergaben, über- wunden waren, konnte die Aufstellung beendet werden. Der Pavillon steht vor dem Eingang zum Studiensaal der Zeichnungensammlung des Kronprmzenpalais. In den beiden Nach- barräumen sind Slevogts Zauberflötenfries und einige Zeichnungen und Aquarelle des Meisters untergebracht sowie die Revolutionsbilder, die er zum„Guillotine-Ball" der Berliner Sezession im Fasching 1908 in Riesensormat auf die Rupfenbespannun« eines der Festsäle gemalt hat. __ John Schikowskl. Englische Aerzle über den Gesundheikszustand der deutschen Kinder. Man hört und liest jetzt im Auslände vielfach die Ansicht, es sei unnötig, den Deutschen und besonders den deutschen Kindern noch weiterhin Unterstützung angcdeihen zu lassen, da die Verhält- nisse sich völlig geändert hätten und eine Unterernährung nicht mehr bestände. Sucht man diese Ansicht zu widerlegen, so wird auf die zahlreichen Deutschen hingewiesen, die es sich im Ausland« wohl- ergehen lassen. Es wird dabei übersehen, daß es in Deutschland , wie überall in der Welt, eine Klasse von Neureichen gibt. Daher ist es gut, daß auch von Ausländern zuweilen festgestellt wird, wie jammer- voll in Deutschland die Verhältnisse liegen. So veröffentlichen Dr. Helene Mackay und Dr. Mackenzie in der„Lancet" eine Arbeit über den jetzigen Gesundheitszustand der deutschen Kinder. Die Verfasser haben ihre jetzigen Studien während des Februars in Berlin , Leipzig München , Mainz , Köln , Essen und einigen