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Nr.326 41.Jahrgang Ausgabe A Nr. 167

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Der Rutsch zum Bürgerblock.

Sonntag, den 13. Juli 1924

Für Zollschuh, gegen Arbeiterschuh!- Republit ohne Arbeitsminister Dr. Brauns ist in solchem Maß Gefangener Republikaner!

Ablehnung des internationalen Achtstundentags, Hochschutzollvorlage, Schwankungen der Außen politif in der Richtung zur deutschnationalen Auffassung, diese Tatsachen bezeichnen den Kurs der letzten Zeit. Die ge­plante Totengedenkfeier unter der schwarzweißroten Kriegs­flagge" und die instematische Austreibung der Republikaner aus den öffentlichen Aemtern dienen als ergänzende Rand­skizzen zu dem großen Gemälde. Es wird mit jedem Tag bürgerblöcklicher in der Deutschen Republik.

Der Reichskanzler Marr hat gestern in einer Rede auf einem Empfangsabend der Preffe für die Ueberrumpelung der Deffentlichkeit mit der Zollvorlage nach Entschuldi gungsgründen gesucht. Er glaubt sie in der Not der Landwirtschaft gefunden zu haben. Die augenblickliche Not­lage der deutschen Landwirtschaft wird von teiner Seite be= ſtritten; bestritten wird, und nicht nur von Sozialdemokraten, daß eine grundstürzende Aenderung der Zollpolitik sie zu be­heben geeignet ist. Unbestreitbar und unbestritten ist dagegen die Tatsache, daß die neue Zollpolitik mit Notwendigkeit zu einer Berschlechterung der Lebenslage jener breiten Bolts­massen führt, deren Not nicht von heute oder gestern datiert, sondern die schon seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten in ausgesprochenem Elend dahinleben.

preiszugeben. Hier ist es auf einmal erfüllungswütig bis über den Frieden von Versailles und das Sachverständigen­gutachten hinaus! Und die deutsche Regierung mitsamt dem des Unternehmertums, daß fie über den Bertrag hinaus bereit ift, den Gläubigern Deutschlands aus der deutschen Arbeits­fraft ein Geschent zu machen, in deffen Erlös man sich zu teilen gebentt. Ginge dieses Gefchent auf Kosten der Be­sigenden, welches Getöse über Breisgabe völkischer Belange" würden wir da vernehmen. Aber der Schuh derer, die nichts besigen als ihre Arbeitskraft, ist eben kein völkischer Belang". Auch hier wieder ist es die Sozialdemokratie, die allein wahrhaft national" ist, indem sie Mart und Kraft der Nation vor übermäßiger Ausbeutung zu schüßen sucht.

In der großen Frage der Außenpolitik, der Frage der Sachverständigen gutachten, hat der Reichs tangler Marg gestern auf dem Presseabend wieder die Auffassung vertreten, die hier vom ersten Augenblick an als die allein mögliche dargetan worden ist. Seine Formulierun gen decken sich fast wörtlich mit der unseren in unserer Notiz von gestern abend: Cremer gegen Strefemann". Es ist dabei unmöglich zu übersehen, daß diese Kanzlerrede nicht im Einklang steht mit manchen anderen Reden, die gehalten worden sind, mit gewissen Parteibeschlüffen, die ge­faßt wurden, und gewissen Preffeäußerungen, die ihnen folgten.

Noch gestern abend fonstatierte Bestarp in der Kreuzzeitung ", daß fich die Bolts partei in Frankfurt Gegenüber diesen Massen, die doch schließlich auch zum den Standpunkt der Deutschnationalen zu eigen ge­deutschen Volke gehören, bedeutet jede mit Mitteln der Gesetz macht habe: teine Annahme des Gutachtens ohne vorherige gebung herbeigeführte Berteuerung ihrer Lebenshaltung nicht militärische Räumung! Auch der Tag" glaubte feststellen zu mehr und nicht weniger als eine Brutalität. Die Ar better dürfen ,,,, daß in sachlicher Beziehung die weitestgehende und Angestellten, deren Löhne zu drücken eine von der Uebereinstimmung zwischen der gegenwär­gegenwärtigen Regierung unterstützte Aufgabe des Unterstigen Regierung und den Deutschnationalen nehmertums ist, die unteren Beamten, die bei der besteht. Die Deutsche Allgemeine Zeitung" sprach ge­legten Besoldungsnopelle in der bekannten fürstlichen Weise radezu von einem Wendepunkt". bedacht wurden, die Pensionisten, die Kriegsbe. schädigten, die Sozialrentner, die versinkende Mittelschichten, sie alle stehen fassungslos einer Re­gierungspolitik gegenüber, der das tägliche Brot noch nicht feuer genug erscheint.

Die Lebensinteressen dieser Massen wären ohne jede Ber­teidigung, menn fich die Sozialdemokratische Partei ihrer nicht annähme. Wenn sich eine Intelligenz vom Schlage des Grafen We starp in der Kreuzzeitung" die entschiedene Haltung der Sozialdemokratie gegen die

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Angenommen, an diesen Auffassungen bestände etwas Richtiges, so würde die Kanzlerrede einen neuen Wendepunkt" bedeuten. Dann aber würde die Frage entstehen, wieviel folche ,, Wendepunkte" wir uns noch gestatten dürfen.

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Wir haben eine geschriebene Verfassung, in der steht: Das Deutsche Reich ist eine Republit". Daneben haben wir aber auch noch eine ungeschriebene, in der es heißt: ,, Republi faner find zur Bekleidung öffentlicher Aemter unfähig". Für ihre Auswirkungen nur ein paar Beispiele: Löbe war, wie niemand bestreitet, der beste Präsident, den der Reichstag je gehabt hat, trozdem wird er abgefägt und durch den Mon­archisten Wallraf ersetzt. Im auswärtigen Dienst der Res publit wimmelt es so von Genies, daß für einen Mann wie Otto Landsberg durchaus keine Berwendungsmöglichkeit zu finden ist. Der württembergische Gesandte Hilden­brand wird trotz allgemein anerkannter Tüchtigkeit durch einen blauen Brief glatt erledigt. Männer wie Scheide= mann in Kassel , Leinert in Hannover , Paulsen in Berlin , die zu befizen jede Gemeinde stolz sein könnte, sucht man mit Liſt und Gewalt aus den Aemtern zu hezzen.

Was in Bayern , Württemberg , Mecklenburg , Thüringen begonnen ist, die Reinigung der Republik von republikani­schen Beamten wird in größtem Maßstab in Breußen fortgesetzt werden, sobald das große Ziel des Bürger­blods im Reich und in Preußen erreicht ist.

frei.

Graf Westarp hat schon recht, daß der Kampf gegen den Brotwucher für die Sozialdemokratie eine ausgezeichnete Parole bietet. Das gleiche gilt vom Kampf für den Acht­stundentag. In der Außenpolitik hat sich die Sozialdemokratie als die einzige Partei erwiesen, die weiß, was sie will. Dar­über hinaus ist jede Maßregelung eines sozialdemokratischen Beamten für sie ein Gewinn, denn sie hilft klare Kampfa linien fchaffen und macht agitatorische Kräfte Daß unter folchen Umständen jede kommende Reichstags= wahl einen Aufstieg der Sozialdemokratie brin­gen muß, ist flar. Somit könnten wir mit aller Zuversicht in die Zukunft blicken, wenn wir uns nur abgewöhnen könnten, uns um das Reich und das Volk Sorgen zu machen. Die aber find allerdings sehr beträchtlich. Reich und Volk gehen unter der Herrschaft des werdenden Bürgerblocks schlimmen 3eifen entgegen. Eine Fahrt in den Ab­grund ist angetreten, die sich von Tag zu Tag mit beschleu nigter Geschwindigkeit fortsetzt.

Nur eine neue Entscheidung des Voltes fann ihr Einhalt gebieten. Möge fie bald herbeigeführt werden!

Verteidigungsrede des Reichskanzlers

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Völkerbund.

die Zollvorlage.

Auf einem Empfangsabend der Presse, den der Mini­sterialbirektor Spieler gestern veranstaltete, führte Reichs­tanzler Marx nach einigen einleitenden Worten der Be­grüßung folgendes aus:

neuen Brotwucherpläne nicht anders erklären fann als Für das Gutachten ohne Bedingung. mit der Annahme, die Sozialdemokratie habe hier eine zug­fräftige Wahlparole gefunden, so spricht daraus nur die Stimme der Angst und des schlechten Gewissens. Diese Stimme wird noch deutlicher in dem Jammer des edlen Grafen, es sei in der Tat schwer zu verstehen," daß die Re­gierung gerade den gegenwärtigen Augenblic- fnapp vor einer nicht unwahrscheinlichen Reichstagsauflösung zur Am schwersten lastet auf uns die Sorge um unsere Wirt Beröffentlichung der Vorlage gewählt habe. Graf Bestarp gibt damit zu, daß die Aussichten der Brot- shaft, der wir nach langen Jahren des Leidens und der Ent­wucherparteien in einem neuen Wahlkampf erbärmlich schlechttäuschungen auf Grund des Gutachtens der inter­find, und daß die mit nationalistischen Phrasen auf den Leim gelockten Gimpel für die Deutschnationale Partei nicht mehr zu halten find, sobald die materiellen Hintergründe der antimarristischen Ideologie sichtbar werden. Nach dem 4. Mai hat die ganze deutschnationale Presse gebrüllt, dem Willen des Volkes" müffe Rechnung getragen werden. Seit dem sind nicht viel mehr als zwei Monate vergangen, und schon zeigt man wieder vor dem Willen des Volkes die gräß­lichste Angst.

"

Diese Angst soll für uns eine Ermutigung sein. Mit tiefer Genugtuung nehmen wir das Gezeter der reaktionären Presse über die Heße" des Borwärts" zur Kenntnis. Es ist ja an sich schon ein erheiternder Ohrenschmaus, wenn man die reaktionäre Presse über Heze" flagen hört!

Nicht minder als die Brotfrage ist die Frage der Ar beitszeit in den Mittelpunkt der Kämpfe gestellt. Die Ratifizierung des Abkommens von Washington über den Achtstundentag durch alle Industriestaaten Europas steht heute in naher Aussicht, wenn sich auch Deutschland zu ihr entschließt. Wenn sich der Engländer Tom Shaw, der Franzose Godart und der Deutsche Brauns die Hände reichen, wird ein bedeutender Fortschritt des internationalen Arbeiterschutzes zur Tat.

Tom Shaw und Godart sind bereit, Brauns weigert sich. Als Vorwand für die Weigerung muß die auf Deutsch­ land ruhende Reparationslast dienen, obwohl auch die anderen beteiligten Staaten schwere Schuldenlasten zu tragen haben und obwohl selbst der Bertrag von Bersailles Deutschland das Recht auf den Achtstundentag zugesteht. Auf derfelben Linie liegt das Gutachten der Sachverständigen, indem es ausdrück lich erklärt, es bestehe nicht die Absicht, das deutsche Volk unter das Kulturniveau der anderen Bölker zu drücken.

Statt sich nun auf diese Bestimmungen und Erflärungen zu stützen, zeigt sich das deutsche Unternehmertum bereit, sie

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Entschuldigung für

lands, sondern ganz Europas zu beginnen. Mit Freude durften wir feststellen, daß auch in Frankreich , wo immer noch das meiste Mißtrauen gegen Deutschland herrschte, all­

mählich eine Betrachtungsweise Boden gewann, die zu der Hoff nung zu berechtigen schien, daß nunmehr endlich die fo lange erstrebte und umfämpfte Lösung des Repas rationsproblems gelingen würde.

Die Londoner Konferenz sollte uns der Verwirklichung dieses Zieles näher bringen. Nach den Mitteilungen und Erklärun= gen, die von drüben zu uns kamen, glaubten wir, daß die Londoner Konferenz wirklich von einer anderen Art sein würbe, als die bis herigen Konferenzen, zu denen Deutschland in den vergangenen Jahren immer wieder geschleppt wurde mit dem Ergebnis, daß unsere Lage stets schlechter, stets trostloser wurde. fern, über die Londoner Konferenz, zu der bis heute eine Einladung an uns noch nicht ergangen ist, heute schon ein Urteil zu fällen. Feststellen aber muß ich, daß durch die Pariser Abmachun gen zwischen den Ministerpräsidenten Englands und Frankreichs manche der auf die Londoner Konferenz gefekten Hoffnungen ernstlich bedroht scheinen. Wenn der große Gedanke, in dem wir das Sachverständigengutachten durch führen zu können hoffen, wirklich lebendig wäre, dann müßte es auch für die fiegreichen Nationen selbstverständlich sein, daß Deutschland , um dessen wirtschaftliche und nationale Eristeng seit Jahren das Spiel geht, jetzt endlich als gleichberech tigter Partner, zu den Verhandlungen zuge

nationalen Sachverständigen wieder Freiheit und Kraft zuführen zu können hoffen. Ich muß leider feststellen, daß die Erwartungen, die in weiten Kreisen des deutschen Volkes nach dem Bekanntwerden der Vorschläge und For­derungen des Sachverständigengutachtens auffeimten, vielfach wieder ernster Sorge und Befürchtungen Plaß gemacht haben. Wir waren uns vom ersten Tage an darüber klar, daß die Durchführung des Sachverständigengutachtens nur möglich und wirt­sam sein könnte, wenn damit eine neue Aera guten Wil­lens und ehrlicher Verständigung nicht nur in wirt schaftlicher, sondern auch in politischer Hinsicht ein­segen würde. Von dieser Hoffnung war auch die deutsche Regierung getragen, als sie der Reparationskommiffion die Erklärung über­mittelte, daß sie in dem Sachverständigengutachten eine praktische Grundlage für die Lösung des Reparationsproblems erblicke und in dem Geiste, der unserer Auffassung nach das Sachverständigengut achten veranlaßt und fertiggestellt hat, haben wir ohne 3eit versäumnis und mit allen Kräften die Vorarbeiten gefördert, die von unserer Seite für die Durchführung des Sachverständigengutachtens geleistet werden müssen. Wenn Poin- laffen werden müßte. care in feiner legten großen Rede vor dem Senat wirklich gesagt haben sollte, Deutschland habe noch nichts getan, um die Gesetze zur Durchführung des Gutachtens zustande zu bringen, fo beruht das auf völliger Berkennung und Unkennt. nis der Sachlage. Herr Poincaré hätte sich durch Erkundi­gung bei den franzöfifchen Verhandlungsführern eines besseren be lehren laffen können! Der Geist, der uns bei diesen Arbeiten beseelt, und den wir auch bei der Fertigstellung des Gutachtens tätig fahen, ift

der Geift offener, ehrlicher Verständigung, freier offener

Aussprache,

der Geist, der nach Begräumung all der Trümmer, die noch aus der Kriegs- und Nachkriegszeit her den Weg der Völker zueinander behindern, dazu befähigt, mit freiem Blid in das Auge des Gegners zu schauen und einander wieder die Hand zu reichen in dem Ent schluß, endlich den Wiederaufbau nicht nur dertsch.

Denn wie soll sonst das deutsche Volk, das zu jeder ehrlichen Verständigung bereit und entschlossen ist, noch weiter den Mut auf< bringen, bie ihm zugemuteten schweren Opfer auf sich zu nehmen wenn es wiederum das niederdrückende Gefühl hat, daß auch dies mal wie in den verhängnisvollen Junitagen des Jahres 1919 ihme Don siegreichen Machthabern das Schicksal diktiert wird. Das deutsche Bolt hat jetzt lange Jahre hindurch zur Erfüllung der ihm auferlegten Berpflichtungen große, schwere Opfer gebracht, ohne

daß es einen entsprechenden Erfolg dieser Opfer sah, einen Sinn für alle diese Opfer erkennen konnte. Im Gegenteil, auf neue Opfer folgten meist neue Laften, neue Demütigungen, die das Biderstreben im deutschen Bolte immer größer und stärker und die Stimmen derer immer lauter wurden, die fagten, daß die von Deutschland betriebene Erfüllungspolitik falsch sein müsse. Das Gutachten der Sachverständigen hat im deutschen Bolle neue Hoffnungen gewedt und es ist gewillt und bereit