Nr. 32641. Jahrgang
3. Beilage des Vorwärts
Sonntag, 13. Juli 1924
Deutschlands künftiger Steuermann
( wenn es nach den Deutschnationalen ginge).
Die Porzellan- Untersuchung.
In der Zeugenvernehmung des Untersuchungsaus schusses des preußischen Landtags zur Klärung des Streits um die Leitung der staatlichen Porzellanmanufaktur erklärte am Sonnabend Handelsminister Genosse Siering, daß er persönlich zwar gerne bereit sei, sofort Rede und Antwort zu stehen, allein die Auffassung in seinem Ministerium gehe dahin, daß er dazu erst der Genehmigung des Staatsministeriums bedürfe. Daraufhin wurde die Vernehmung des Handelsministers zunächst verschoben. Der frühere Handelsminister Fischbeck erklärte, daß er über die Eignung des früheren Direktors der Manufattur, Herrn Gohlke, für seinen Posten teine Bedenken gehabt habe. Er hätte auch mit Gerrn Gohlte eine Umstellung der Manufaktur versucht, wenn es zur Zeit seines Ministeriums dazu gekommen wäre.
Staatssekretär Dönhoff , der zweite Zeuge, spricht weitSchweifig über alle möglichen weit zurückliegenden Vorgänge in der Manufaktur. Er versichert, daß er von der Abberufung Gohltes nur fehr spät, Mitte April 1923, erfahren habe; der Minister habe ihm d dem Ministerialdirektor Seefeld erklärt, mit der fünstlerischen worbildung Gohlfes sei er einverstanden, aber nicht mit seinen faufmännischen Qualitäten. Mit dem Abschluß des Vertrags zwischen dem Handelsminister und Dr. Schneider habe er( der Staats. fekretär) amtlich nichts zu tun gehabt. Er sei bei der Regelung der ganzen Sache übergangen worden. Infolgedessen habe er auch seine Bedenken bezüglich der Neubefehung des leitenden Postens und der Umstellung nicht geltend machen können. Mit der Einführung des parlamentarischen Systems habe die Heranziehung der oberen Beamten zu allen schwebenden Fragen nachgelassen; nur Minister Fischbeck habe an den alten Gepflogenheiten festgehalten. Abg. Genosse Wcentig fragt den Staatssekretär, ob es denn früher beim alten System auch üblich gewesen, daß eine Person Leiter der Manufaktur und zugleich Referent im Ministerium sei, also sozusagen fich selbst gegenzeichne. Der Staatssekretär entgegnet, er felbst sei seit 1900 Referent gewesen und seit 1907 zugleich Oberdirettor. Es tomme dabei auf die Zuverlässigkeit der Person an. Abg. Genosse Heilmann: Haben Sie als Ober
DEUTSCHLAND
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direktor z. B. Kredite angefordert und als Referent gegengezeichnet? Laut den Denkwürdigkeiten v. Kiderlen- Wächters ligt Herr v. Tirpitz derartig, daß sich die Balken biegen.
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Abg. Riedel( Dem.): Sie sagen, Sie seien übergangen wor
ein winziges fleines Mädchen auf meinen Zehen einher und
ben; hat nicht vielleicht auch Gohlte den miniſter übergangen? Eine Operation und ihre Folgen.rie:„ Aetſch, du haft ein Kind gekriegt, ätſch, der Storch hat did
Hat man z. B. Mitteilung gemacht, als gewisse private zerne mit der staatlichen Manufaktur Fühlung zu nehmen verfuchten? Dönhoff: Solche Fühlungsversuche haben stattgefunden, so von den Konzernen Rosenthal und Arnold, aber die Sache ist wieder eingeschlafen, und im allgemeinen erfolgt Mitteilung doch erst nur dann, wenn es sich um wesentliche Dinge handelt. Genosse Heilmann: Erfolgien auch nach der Berufung Dr. Schneiders folche
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Bemühungen gewiffer Konzerne, um die Manufaktur in ihre Hände zu bekommen?
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Donhoff: An mich sind solche Fühlungsversuche nicht mehr herangekommen. Genosse Heilmann: Sie waren überrascht von der Abberufung Gohltes; hatten Sie bei der Etatsberatung nicht den Eindruck, daß der Minister gegen Gohlke sehr schroff auf Lage der Pensionäre der Manufaktur gesagt, so schlimm fönne es nicht sein, denn noch fämen ja die Pensionäre und holten ihre Beiträge? Der Staatssetretär erflärt, daß auch er diese Aeußerung für ungeschickt gehalten habe, doch fönne er sie nicht mit den Leistungen Gohlfes in Verbindung bringen.
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Ministerialdirektor von Seefeld, der dritte Zeuge, erklärt, der Vertrag mit Dr. Schneider sei abgeschlossen worden, ohne daß er( Seefeld) etwas davon gewußt habe. Er sei durch das Vorgehen des Ministers überrascht worden. Mitte April habe der Minister Staatssekretär Dönhoff und ihm eröffnet, daß Gohlke abberufen werde. Den Namen des neuen Mannes habe der Minister nicht mitgeteilt. Auch habe man über den Inhalt der Abmachungen mit Dr. Schneider nichts erfahren. Auf die Frage nach seinem Urteil über Gohlte erklärt der Ministerialdirektor, er habe von ihm einen günstigen Eindruc; Gohlte sei auch mit den Arbeitern gut ausgekommen und habe in der Inflationszeit die Gewinne durch Anlegung in Sachwerten gesichert. Auf die Frage des Zentrumsabg. Schwering, ob das Gehalt Herrn Schneiders pünktlich und in der vorgesehenen Höhe ausgezahlt worden sei, erklärt v. Seefeld , die Höhe des Gehalts sei über den Etat hinausgegangen und pünktliche Zahlung habe infolge der Inflationsschwierigkeiten oft nicht erfolgen fönnen.
Revisionsbureauvorsteher Krusetopf erflärt, Handelsminister Siering habe in der Betriebsversammlung der Manufaktur tatsächlich gesagt, er habe abfichtlich das Etatsrecht verletzt und werde es in ähnlichen Fällen in Zukunft wieder tun. Das gleiche erklärt der Vorsteher der Verkaufsabteilung, Weißenburge, während Maler Kühn, der Leiter der Betriebsversammlung, versichert, die betreffenden Säße des Ministers hätten nicht so aufgefaßt werden können. Niemand könne beeiden, daß der Minister von einer vorsäglichen und absichtlichen Verlegung des Etatsrechts gesprochen habe. Es gebe übrigens verschiedene Aufzeichnungen über die Rede des Ministers von den Sekretärinnen des Verkaufsvorstehers, Frl. Ullmann und Frl. Zim
mermann.
Der Ausschuß beschloß die Vernehmung dieser Sekretärinnen und des Diplomingenieurs Müller, der nach der Aussage von Weißenburge ein Brotokoll über die Rede des Ministers angefertigt haben soll. Zum Schluß wurde noch der frühere Direktor Gohlfe vernommen, der der Auffassung ist, daß seine
fei.
Entfernung von der Leitung der Manufaktur auf Treibereien gewiffer Privatfirmen der Porzellanindustrie zurückzuführen Nächste Sigung des Untersuchungsausschusses Dienstag abend
7 Uhr.
Bon Klaps.
Hurra! Ich hab' nen Klog am Bein. Und der ist aus Gips. Mein berühmter Professor hat ihn mir am 14. Mai mit meiner linken zarten Beinhälfte verheiratet. Das Datum steht auf dem Oberschenkel, und jetzt liegen beide bei mir im Bett, der Kloß und seine Ehehälfte. Sie halten sich eng umschlungen, und in der Nacht schmelzen sie drangvoll in eins zusammen. Dann weiß ich nicht mehr, was Gips und was Bein ist, und ich zünde mein Lämpchen an und sehe auf die Zeichnungen, die mir ein Maler, der schon ganz blaß geworden ist vom vielen Bilderverkaufen, auf den Gips gemalt hat. Jedesmal, wenn er fommt, vermehren wir die Galerie. Mein Professor im Krankenhaus ist das von seinen Patienten zwar nicht gewöhnt, aber er lächelt nachfichtig, und da er ein Berliner ist, so ist ihm nichts Menschliches fremd. Auf der einen Hälfte meiner Gipswade prangt ein junges Mädchen. Sie hat sehr wenig an, schwenkt dafür aber einen Lilienstengel. Sie steht nach der Methode der Jutta Klamtschen Tanzschule verzückt auf einem Bein, und ihren Nabel vertritt eine Delle im Gips. Ihr gegenüber hodt auf einem Schemel ein alter Mann, offenbar ein Mitglied des neuen Reichstages, denn er bläst auf einer Kindertompete, und schaut sehnsüchtig nach der verlorenen Jugend hinüber. Auf meinem Kniestück lacht mich das eigene Porträt an, und weiter oberhalb ist ein schlanker, eleganter Mann mit einem Zylinder zu sehen.
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Wie ich so schlaflos daliege und meinen Gipsfuß betrachte, muß ich noch einmal an alles denten, was mit mir geschehen ist. Dem Professor hatte mein Bein nicht gefallen. Er wollte es hinten verlängern, vorne verkürzen und außerdem einen fleinen Suppenfnochen herausnehmen. Ich habe unendliches Vertrauen zu ihm, und wenn er gefagt hätte:„ Ich muß Ihnen beide Beine um einen Meter herausziehen und den Hals um zehn Zentimeter verkürzen" ich hätte ihn gewähren lassen, und so streckte ich mich, von zarten Schwesternhänden gehoben, auf das Operationsbett. Der Professor stand da, eingefeift bis an die Ellenbogen. Schon hatte ich eine Maste vor dem Gesicht, hinter der ich mich bald selbst nicht mehr erfennen konnte. Plöglich war ich verschwunden, und als ich wieder da war, war auch die Bildhauerarbeit an meinem Bein schon fertig. Man hatte mich operiert, ohne daß ich dabei gewesen war.
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Morphium haben will, fommt eine und legt mir ein Neugeborenes Immer wenn ich jetzt nachts oder tags von einer Schwester aufs Bett. Ich bin nämlich der einzige Mann auf der ganzen Station. Sonst gibts da nur Wöchnerinnen. Einmal kamen die dicke Hilde und die zarte Toni mit einem Kind an, das sah aus wie ein kleiner feiner Siourindianer. Es war einen Tag alt. Etwas so Nettes habe ich mein Lebtag nicht gesehen. Der kleine Kerl ähnelte meinem Berleger und machte eine Schnute, als ob er feine Gehaltserhöhung bewilligen wollte. Die Händchen lagen über dem Stedtiffen, zart gebogen wie zu einem Andante von Chopin . Der ganze Kerl war, abgesehen von den schwarzen Haaren, so rot, als hätie er fünf Liter Burgunder in den Adern. Ich drückte ihm verbindlich die Hand und dröselte ein. Im Halbschlaf sah ich meine hochgelegten Zehen aus dem Verband herausguden, sie sahen aus wie fünf alte Männer, die hintereinander gedrüdt einen Gipsberg hinangestiegen waren und Umschau hielten. Dann war es mir wieder, als tänzelte
ins Bein gebissen!" Ich wachte erschrocken auf. Aber da stand die Nachtschwester lachend am Bett mit der Morphiumspriße und spriẞte mich hinüber in eine bessere Welt. Ich wurde von meinem Körper getrennt, der lag im Bett. Ich schwebte horizontal darüber, angenehm, leicht befeligt. Nach einer Weile träumte mir, der Professor fäme ins Zimmer. Sein weißer Operationsrod leuchtete, sein Gesicht beugte sich dicht über das Bett, er machte das Zeichen des Kreuzes über mir und sagte:„ Die Operation ist ausgezeichnet gelungen. Stehe auf und wandle!" Ein Paar Shimmyschuhe schwebten gespenstisch blinkend auf mich zu. Ich nahm sie in die Hand und glitt barfuß im Nachthemd durch die korridore. über die Treppen, durch die Haustür Kriegsplay. Ich setzte mich auf die Stufen der Siegessäule, zog die und plötzlich stand ich mitten in der Nacht auf dem Shimmyschuhe an und pfiff„ Ach du lieber Augustin, alles ist hin!" Mit einem Male sah ich, daß der fleine Siougindianer auf meinem Schoße faß. Er schmunzelte und trommelte den Taft auf seinem Wickelleib. Ich nahm ihn in den Arm, und im Boltaschritt bei leuchtendem Mordenschein tänzelten wir ins Krankenhaus zurück. Der Kleine follerte hin und wider wie ein Truthahn, was mich wegen feiner Röte im Geficht nicht weiter verwunderte.
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Bieder und besorgt. Sie sollten mich nach Hause bringen. Ich um=
Eines Tages aber standen zwei Riejenferle im Krankenzimmer.
hatte sie liebevoll, und schon schwebte ich zwischen ihnen die Treppe hinab. Unten stand eine Bahre. Pfui Teufel! Wie ein Gruß aus dem Jenseits. Um nicht von mir selbst für eine Leiche gehalten zu werden, pfiff ich gemütvoll und gemächlich vor mich hin:" So leben wir, so leben wir, so leben wir alle Tage" und winkte dem Rosenstrauch zu, der gerade dabei war, im Wehen des warmen Windes ein paar rosarote Knöspchen in die Welt zu sehen. Da rollte die Bahre auch schon in den Kasten, und die Tür flog hinter ihr zu. Vorsichtig, als gelte es eine Porzellanfigur zu befördern, die bereits einen Sprung hat, federte der Wagen dahin. Durch ein großes offenes Fenster an der Seite sah die schöne Welt herein. Ich richtete mich zum Sizen auf und bemerkte zu meiner freudigen Ueberraschung, daß ich ein berühmter Mann geworden war. Jeder, der vorüber ging, gudte respektvoll. Von den Lastfuhrwerken beugten die Kutscher die Köpfe bis aufs Knie, um einen Blick von mir zu erhaschen. Von der Elektrischen wären beinahe zwei Infaffen heruntergefallen, weil sie sich zu gleicher Zeit die Hälse nach mir ausredten und einer sich am anderen festhielt. In den engen Straßen schossen die Frauenköpfe förmlich aus den Fenstern heraus: angftvoll, starr, mit fliegenden Haaren, eine Gorgo nach der anderen, und auf allen Gefichtern war die stille Hoffnung zu lesen, daß sich außer meinem sichtbaren Kopf nichts weiter im Wagen befinden möchte. Einem alten Mütterchen indes, das vom Bordstein aus hereinschaute, war die befriedigende Gewißheit förmlich auf dem Geficht geschrieben:„ Ja, ja, nun sind die Beine weg!"
Nach solchen Tröftungen mitleidender Neugier legte ich mich wieder zurück auf die Bahre und dachte, wie amüsant doch die Welt ist. Um den Wagen aber rauschte jetzt das Grün der Anlagen. Weiße Afazien winften, Flieder leuchtete und duftele, breite Lichtbündel warfen sich durchs Fenster in das Gefährt und auf den weiß ladierten Wänden huschten die Sonnentringel umher, wie erotische Fische in einem großen Aquarium. Noch ein paar Straßen.
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10
33
10 33
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12
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12
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Imperia
18
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Neuer Mercur.
18
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