Stimme Bock'Z an. Auch die..Freisinnigen" stimmten dafür. welche mithin anderer Meinung sind, als ihre Parteigenossen im deutschen Reichstage. Oder ist bereits alles zu den Wadelstrümpflern übergeschwenkt? Was hat er denn sonst noch gemacht? Aus Osnabrück wird den„Berk. Neuest. Nachr/ geschrieben, und das Bismarckblatt ist dumm genug, es abzudrucken: „Zu Georgsmarienhütte bei Osnabrück hatten sich die Leitung des dortigen großen Werkes und die Gemeinde nicht nur darauf beschränkt, den reichsten Flaggenschmuck herzustellen und de» Geburtstag des alten Kanzlers durch Schulakt. Freudenieuer auf den Bergan. Kommers und Illumination zu seiern, sondern es fehlte auch nicht an dem auf dem Lande so beliebten Knalleffekt und unaufhörlich donnerten am 1. April die Böller in das Tbal 'hinein, die Kunde des Festtages in alle Winde tragend. Ein im Hochofen-Betriebe beschäftigter Arbeiter konnte sich indessen solche Begeisterung nicht vollständig erklären und bat daher seinen Meister um Aufschluß mit dem Bemerken:„Herr Upseher! Dat weet ick ja, dat Bismarck dat Zündnadel� gemehr erfunnen hett, ober dorum kann men doch nich so spiltakeln; wat hett he denn süs noch malet?" Was hat er denn sonst noch gemacht?— Ja, was eigentlich? Wir glauben, der Aufseher wird in tödtliche Verlegenheit gekommen sei», dem Manne zu erklären, warum die Illumination und warum so stark spektakelt wird. Den neugierigen Frager aber haben wir fast im Verdacht, ein verkappter„Rother" zu sein. Die Frage ist zu treffend.— tzine vom BiSmarckkollev erfasitc Stadtvertretnng. Magistrat und Stadlverordneten der Stadt Kiel haben be- schlössen, zu Ehren Bismarck's im Düsternbrooker Gehölz einen Aussichtsthurm zu errichten, und bewilligten zu diesem Zwecke aus dem Stadtsäckel die Summe von 10 000 M.— Hinzugefügt muß wohl des besseren Verständnisses wegen werden, daß die Mehrheit der Kieler Stadtvertretung aus Freisinns- manen besteht, allerdings aus solchen Rickert'scher Kouleur.— Heinrich v. Treitschke und A 130 der Umsturzvorlage. Der Berliner Korrespondent der„Breslaucr Zeitung" erzählt folgendes Geschichtchen: „Em vielgenannter Herr, der eine nahe und einflußreiche Vertrauensstellung bei dem Kaiser einnimmt(Herr v. Lucanus?) befand sich jüngst in einer Gesellschaft, in der die Rede auf den neuesten Band von Treitschke's Deutscher Geschichte kam. Man plauderte dies und das von dem glänzenden Stil, von der beziehungsreichen Darstellung, von den Absichten, die der Geschichtsschreiber gehegt habe.„Da sehen Sie, meine Herren, wie nothwendig es ist, daß ein Umsturzgesetz kommt, dannt diesen Herren v. T. und Genossen, die sich über die„sprichwört- liche Undankbarkeit der Hohenzollern "(eine Anschuldigung, die wir beiläufig für ganz unbegründet hallen) und ähnliche Dinge beklagen, der Mund gestopft wird!" So sprach der vielgenannte, hochgestellte Herr. Das ist keine Erfindung." Aber ein sehr netter Witz der Weltgeschichte! Heinrich v. Treitschke, der Hofhistoriograph, der begeistertste Klopf- sechter preußischen Krafthohenzolleruthums, verfällt mit seinem Hauptwerk der Umsturzvorlage. Armer Treitschke, was hilft Du nun all' Dein preußischer Patriotismus?— Das deutsche Chaos—!s Chaos Allemand— betitelt sich der neueste Leitartikel des„Temps", des objektivsten aller französischen Tagesblätter. Das„deutsche Chaos"— wie bezeichnend— Aegir. Der Kaiser hat heute in Kiel ein Panzer- schiff getauft und dabei das Fahrzeug folgendermaßen angeredet: Du sollst dienen zum Schutz deS Vaterlandes, Du sollst dem Fein deTrutz entgegenbringen undVern ichtun g. Der alten germanischen Sage entsprossen sind die Namen der Schiffe, die zu der gleichen Klasse gehören. Daher sollst Du gleichfalls an die graue Vorzeit unserer Ahnen erinnern, an die gewaltige Gottheit, die von allen germanischen mcerfahrenden Vorfahren angebetet und gefürchtet wurde, und deren gewaltiges llkich bis an den eisigen Nordpol und fernen Südpol sich erstreckte, in deren Ee- biet die nordischen Kämpfe ausgefochten, Tod und Ver< derben in das Land des Feindes gebracht wurden. Dieses großen Gottes gewaltigen Namen sollst Du führen. Mögest Du Dich desselben würdig erweisen. So taufe ich Dich auf den Namen„Aegir".— Gesetzentwurf über die VerpflegungSstationen in Preußen. Im Herrenhaus gab der Minister von Köller über diesen Gegenstand folgende Erklärung ab: „Es unterliegt gar keinem Zweifel, daß jene Vereine, welche die Schaffung von Natural-Verpflegungsstationen u. s. w. befördert haben, sich den außerordentlichen Dank und die Anerkennung des Landes erworben haben, und dieselbe auch in hohem Maße ver- dienen. Es sind von in Summa 531 Kreisen der Monarchie im Jahre 1802/93 363, im Jahre 1894 355 Kreise, und zur Zeit haben wir noch 342 Kreise, welche Verpflegungsstationen eingerichtet haben. Verpflegungsstationen sind gewesen in demselben Zeitraum 857, 844 und 745, sodaß allerdings leider konstatirt werden muß, daß die Zahl der Verpflegungsstationen um etwas heruntergegangen ist. Die Kosten der Verpflegungsstationen haben in demselben Feitraume betragen 1308 900. 1 111 000; für das laufende Etatslahr haben sie noch nicht festgestellt werden können. Nun, meine Herren, in Anerkennung der Nützlichkeit und Be- deutsamkeit dieser ganzen Frage ist die Staatsregierung nicht müßig, sondern damit beschäftigt gewesen, einen Gesetz- e n t w u r f auszuarbeiten. Der Gesetzentwurf liegt fertig zur Zeit dem Slaatsministerium vor, in welchem er zur Berathung kommen soll. Wenn die Sache etwas länger hinausgezogen worden ist und der Entwurf nicht gleich zu Anfang der Session dem Landtage vorgelegt werden konnte— ich weiß auch nicht, ob es möglich sein wird, ihn noch in dieser Session vorzulegen, obgleich die Vorarbeiten bereits fertig sind,— so sind die Gründe dafür einfach die, daß man bei den momentanen bedenklichen Finanz- Verhältnissen im ganzen Lande nicht gleich mit einer Vorlage hervortreten wollte, welche den Kreisen eine dauernde Last von etwa 2 Millionen Mark auferlegt. Denn so wichtig und be- deulsam in einzelnen Kreisen die Frage auch ist, so haben wir doch auch Provinzen, in denen diese Frage nicht von jener Bedeutung ist. Andererseits aber generell allen Kreise» der Monachrchie eine dauernde Last auferlegen, war ein Schritt, zu dem sich die Staatsregierung bisher nicht entschließen konnte." . Schade, daß bisher noch niemand erfahren hat, was in dem E. nurf steht.- Nachtragsetat für de» NeichStag. Dem Reichstage wird, wie die„National-geitung" erfährt, ein Nachtragselat zugehen, über besten Einzelheiten und Höhe»och verschiedene Nachrichten umlaufen. Bereits bei den Verhandlungen in der Budget» kommisston kündigten die Rcgierungsvertreter an, daß zur Be- kämpfung der Folgen der Heuschrecken-BerheeruNgen im oft- afrikanischen Schutzgebiete weitere Mittel m Höhe von 50 000— 100 000 SD?, gefordert werben müssen. Andererseils hat der Reichstag durch eine Resolution den Reichskanzler aufgefordert, die zur Milderung besonderer, aus der Einführung des Dienstaltersstiiseii- systems für die Postbeamten entstehenden Härten erforderlichen Summen durch Bewilligung einer Pauschalsumme in einem Nach- tragsetat zu beschaffen. Ob der Bundesrath diesem Beschluffe nachzukommen bereit ist, erscheint zweifelhaft, weil die preußische Regierung sorlgesetzt Bedenken trägt, das System der Dienst- alterszulagen im Interesse einzelner Beamtenklassen zu durch- brechen. Dagegen ist mit Sicherheit anzunehmen, daß für die Bestreitung der durch die Eröffnung des Nord-Ostsee-Kanals entstehenden Kosten ein nachträglicher Kredit in Höhe von etwa 1 200 000 M. gefordert werden wird.— Ueber Herr« v. Hammerstein, den Chefredakteur der„Kreuz- Zeitung ", den berufenen Vorkämpfer des feudalsten Agrarierthums in Preußen, den parlamentarischen und journalistischen Vertreter der Edelsten und Besten im Lande, lesen wir in der Frankfurter „Kleinen Presse" fol- gende intereffante Erzählung, für deren Inhalt wir aller- Vings dem genannten Blatt die Verantwortung überlasten müssen: „Es ist längst kein Geheimniß mehr, sondern in verschiedener Form durch Tagesblätter verbreitet worden, daß dieser konservative Parteileiter und Chesredakteur des konservativen Hauptorgans sich aus dem öffentlichen Leben und auch von der Redaktion der„Kreuz-Zeitung " zurückziehen soll oder richtiger zurückziehen muß. Seine Stellung ist ihm von den Besitzern der„Kreuz- Zeitung "— einem Konsortium hochkouservativer Parlamentarier— zu in 1. Juli gekündigt worden, ohne Anspruch auf Pension, und man erwartet in eingeweihten Kreisen mit Spannung, ob sich der Ziücktritt des vielgenannten Mannes wirklich zum 1. Juli voll- ziehen wird oder ob er schon vorher, dem Drängen seiner bisherigen politischen und persönlichen Freunde folgend, in aller Stille zurücktritt, um Skandal zu ver- meiden. Es ist sonst nicht unsere Art,'die Privat- Verhältnisse eines Politikers zu besprechen, aber in diesem Falle stehen die Privatverhältniffe in so engem ursächlichen Zusammenhange mit der politischen Wirksamkeit des Mannes. daß sie nicht zu umgehen sind. Freiherr v. Hammerstein ist das Prototyp des modernen Katilinarierlhums mit aller seiner Verwegenheit, welches an die Mittet der Allgemernheit und an den Staat drohend Forderungen stellt, um den Zu- sammenbruch der privaten Existenz zu vermeiden. Dieser Frei- Herr v. Hammerstein, der so beweglich über die Roth der Land- wirthschaft zu klagen versteht, kann nicht behaupten, daß ihn schlechte Ernten oder irgend welche Zufälle des landwirthfchaft- liehen Betriebes in die Lage gebracht haben, in welcher er sich jetzt befindet und welche der konservativen Partei selbst die größten Schwierigkeiten verursacht. Er hat durch eine Lebens- weise, aus die wir hier nicht näher eingehen wollen, die aber der Partei, die für Sitte, Sieligion und Ordnung kämpft, sehr schwere Sorgen bereitet, und jederzeit sowohl bei der lex Heintze, wie bei der Umsturzvorlage als Beispiel besprochen werden könnte, nicht nur seinen finanziellen Ruin, sondern auch den des von ihm geleiteten Blattes herbeigeführt. Die Besitz- Verhältnisse der„Kreuz-Zeitung " sind nicht ganz klar. Die Zeitung gehört einem Konsortium von Herren. Jedenfalls war Freiherr von Hammerstein nur Chesredakteur und Herausgeber, aber nicht Besitzer. Es ist ihm trotzdem gelungen, das gesammte Vermögen des sonst gut gehenden Blattes— man spricht von 400 000 M.— infolge seiner privaten finanziellen Verhältnisse gänzlich auszubrauchen und außerdem das Unternehmen mit erheblichen Schulden zu belasten. Die Details entziehen sich der näheren Besprechung. Jedenfalls ist der Pensionsfonds der Zeitung, um nur dies eine zu erwähnen, zu anderen als statutenmäßigen Zwecken verwendet worden, und von dieser Verwendung hat das Komitee drei Jahre lang keine Kenntniß erhalten. Die Zeitung ist auch dadurch sehr belastet worden, daß sie sehr hohe Papierpreise, 40 Pf. per Kilo, an einen Lieferanten bezahlt hat, dessen Privalschuldner reiherr von Hammerstein gleichzeitig mit einer beträchtlichen umme geworden ist. Bon demselben Tage an, wo das Komilee von diesen außerordentlichen Preisen Kenntniß erhielt, hat der Lieferant aus freien Stücken den Preis aus 25 Pf. pro Kcko her- untergesetzt. Im Anssichtsrath der„Kreuz-Zeitung " sitzen be- kanntlich Männer der konservativen Partei, der Landtags- Abgeordnete Herr von Kröcher, der königl. Kammer- Herr und Regierungspräsident von Colmar , der vor- tragende Rath im Handelsministerium Gras Kanitz, der Landtags-Abgeordnete und Kammerherr von Riffelmann. Sie haben alles aufgeboten, Frhrn. v. Hammerstein zu schnellein, stillen Ausscheiden zu veranlassen. Er denkt aber nicht daran; es ist sogar fraglich, ob er zum 1. Juli, wo er gekündigt ist, gehen wird, denn er kämpft um nichts weniger als um alles und stützt sich darauf, daß nian ihn nicht vernichten und vor der Oeffentlichkeil bloßstellen könne, ohne gleichzeitig die Partei in einem ihrer Parlamentarier und hervorragenden publizistischen Leiter aufs ärgste zu kompromittire». Diese Situation sucht er auszunutzen, und deshalb verfolgt man in eingeweihten Kreisen mit großer Spannung, ob und wann die Vertreter der Partei sich von ihm befreien werden. Ein Mitglied der Redaktion der „Kreuz-Zeitung ", der als Mililärschrislsteller bekannte Oberst- lieutenant Scheibert, ist bereits ausgetreten, weil er mit und unter Freiherrn v. Hainmersteiii zu arbeiten mit seinen An- schauungen nicht mehr vereinbar hielt. Es heißt, daß andere Mitglieder der Redaktion, die auch in öffentlicher Stellung stehen, zu dem gleichen Schritt entschlossen sind, wenn nicht inzwischen Freiherr v. Hammerstein sich zurückzieht."—- Ans der schweizerischen Bundesversammlung. Aus der Schweiz wird uns geschrieben: In Uebereinstimmung mit dem Ständerath hat es der Nationnlrath abgelehnt, dem Berlangen der Gesellschaft „Frei-Land"»m staatliche Monopolisirung der Wasserkräfte Folge zu geben. Dem Bnndesrathe gegen- über wird in einer Resolution die Erwartung ausgesprochen, daß er die in Aussicht genommene» Vorlagen betreffend: ,a) die Regelung der interkantonalen Beziehungen mit bezug auf Wasser- werkanlagen; h) generelle Vorschriften über Anlage, Betrieb und Beaufsichlignng von elektrischen Starkstromleitungen; o) die Untersuchung der Wafferverhältnisse der Schweiz als Grundlage zur Fcstslcllung der»och nutzbar zu machenden Wasserkräfte; mit Beförderung einbringen werde. Der Bundesrath wird ferner eingeladen, sich in gutfinvcnder Weise mit de» Kantonen in Ver- binduna zu setzen, um dieselben zur Aufstellung von einheitlichen, gesetzlichen Bestinimungen über das Wasserrecht, namentlich mit bezug auf Expropriation, zeitliche Beschränkung der Konzessions- ertheilungen, Rückfalls- und Vorzugsrechte des Staates und der Gemeinden, sowie zur Ausstellung eines Wasserrechtskatasters nach einheitlichem Schema zu veranlassen."— Der Kampf umS Gemeinde- Wahlrecht in Belgien ist ebenso mächtig geworden, wie vor zwei Jahren die Bewegung für das Kammer-Wahlrecht. Und das ist nicht zum verwundern, denn jenes hat i» Belgien thatsächlich eine nicht geringere Be- deutung wie dieses. Die Gemeinden sind dort vollkommen selb- ständig, und bei einem demokratischen Wahlrecht würden die Sozialisten in den Gemeinden eine noch ausgedehntere und ein- schneidendere Thäligkeit entwickeln können, als in Frankreich , wo die Gemeinde» von der Zentralregierimg weit abhängiger sind. Als bekannt wurde, daß das von der belgischen Re- gierung geplante Gemeinde- Wahlgesetz dem preußischen Dreiklassen- Wahlgesetz nachgebildet war und auf reine» Betrug hinauslief, faßten, wie man sich erinnern wird, die Sozialisten den Beschluß, für den Fall, daß die Regierung auf diesem Gesetzentwurf bestehe, den allgemeinen Streik zu verkünden. Der allgemeine Streik bedeutet in Belgien nicht, daß alle Arbeiter in allen Arbeitszweigen die Arbeil niederlegen sollen, bis die bürgerliche Gesellschaft, die ohne Arbeit nicht bestehen kann, gezwungen ist, vor dem Arbeiter zu kapituliren; er hat dort einen mehr politischen Charakter und bezweckt, daß die Arbeiter, soweit sie der Partei-Orgauisation an- gehören oder unter ihrem Einfluß sind, die Arbeit einstellen, um an politischen Kundgebungen: Massen- »mzügen und Massenversammlimgen t h e i l zu nehmen. So klug sind die belgischen Sozialisten, daß sie wissen, wie die Arbeitermassen nur für kurze Zeit und für vorübergehende Aktionen von der Arbeit ferngehalten werden können. Als das reaklionäre Gemeindewahl-Gesetz trotz aller Warnungen doch von der Regierung eingebracht wurde, folgte auch ein großer Theil der belgischen Arbeiter, namentlich die Bergarbeiter, der Auf- forderung zum Generalstreik und die Massen kamen in Be- wegung. Die Regierung ließ das Rothe Gespenst spazieren gehen und entdeckte„Dynamitlager", allein die Thaten des„falschen Barons" und des biederen Polizeispitzels Pourbaix waren in zu gutem Gedächtniß und das„Rothe Gespenst" mußte in die Rumpelkammer gestellt werden. Hier und da kam es zu Zusammenstößen zwischen Polizei oder Militärs und streikenden Arbeitern; mit Ausnahme des Blut- bades von Rena ix waren die Zusammenstöße aber wem.g ernster Natur. Das Blutbad von Renaix veränderte mit einem Male die Situation. Die Bewegung nahm sofort einen rhel leidenschaftlicheren Charakter an; auch in bürgerlichen Kreisen wurde die Regierung schwer angeklagt; und als gestern die sozialistischen Abgeordneten die von uns telegraphisch schon erwähnte Erklärung abgaben, daß der General- rath der Partei im Einklang mit der sozialistischen Fraktion auf den Generalstreik verzichtet habe und den Kamps für daS allgemeine Stimmrecht vermittel st der Orga- nisation und Propaganda zu führen gedenke, schlug die öffentliche Meinung entschieden zu gunsten der Sozia- listen um, und man glaubt nun allgemein, daß die Regierung sich, ähnlich wie weiland beim Kammerstimmrecht, zu einem Kom- promiß bereit erklären werde. Die Sozialisten legen inzwischen die Hände nicht in den Schooß und verdoppeln die agitatorische und organisatorische Thätigkeit. Charakteristisch für die modernen„Humanitäts-" Begriffe ist. daß von den Zeitungen mit einer gewissen Rührung gemeldet wird, die belgische Regierung habe den gegen die Arbeiter be» stimmten Truppen Patronen, die blos ans 300 Meter tödten, ver- abreichen lassen, statt der ordonnauzmäßigen Patronen, die ans die zehnfache Entfernung noch glatt durch mehrere Menschen- körper hindurchfahren. Nur aus 300 Meter tödten, statt auf 3000! Wie menschenfreundlich! Vom internationalen Militarismus. Gegen Spionage will die fraiizösische Regierung die Todesstrafe einführen. Derselben soll von Militärpersonen verfallen, wer, sei es einer sremden Regierung oder irgend einer Person, die im Interesse einer fremden Regierung handelt, Gegenstände, Pläne, Schriftstücke, Dokumente oder Auskünfte ausliefert oder mit- mittheilt, deren Geheimhaltung für die Landesverthetdigung oder die Sicherheit des Staates dem Auslande gegenüber von Wichtig- keit ist. Auch bei Zivilpersonen steht die Todesstrafe auf die Mittheilung von Plänen, Schriftstücken, Auskünften u. s. w. an den„Feind" oder an seine Agenten— also in Kriegszeiten—, für Beamte aber, die durch solche Mittheilung anvcrtrauter Pläne, Schriftstücke u. s. w. Berrath üben, auch iu Friedenszeiten. Die übrigen Bürger sind für dieses Verbrechen mitZwangsarbeit bedroht.— Der 1. Mai in London . Aus London wird uns ge- schrieben, daß diesmal jedenfalls der 1. Mai ein Meeting im tyde-Park sehen werde, das den bisherigen Meetings am ersten onntag im Mai an Größe nicht viel nachgeben und damit fortan den Ausschlag für den 1. Mai geben würde. Auf jeden Fall werden die Sozialisten am 1. Mai ihr Meeting im Park abhalten, während es noch zweifelhaft ist, ob am ersten Sonntag im Mai diesmal überhaupt ein Meeting im Hyde-Park stattfinden wird. Im Trabes Council ist nämlich der Antrag, den 1. Mai zu feiern, abgelehnt worden/, aber eine ziemlich erhebliche Minderheit dieser Körperschaft wollte überhaupt von keiner Maifeier etwas wissen. Neben dem Trabes Council war bisher jedes Jahr ein Achtstundengesetz-Komitee für die Maifeier thätig gewesen, hinter dein wieder die Achtstunden- gesetz-Liga stand, die überhaupt die Maiseier in England erst eingeführt hat. Wie in Vorjahren, so ist auch dieses Jahr in jenem Komitee die Frage, ob 1. Mai oder erster Sonntag En Mai diskutirt worden und auch hier ergab die Mb- slimmung eine Mehrheit für den Sonntag. Daraufhin hat Edw. Aveling, der bisher Vorsitzender dieses Komitees gewesen, seinen Austritt ans demselben erklärt, unter der Motivirung, daß er als gewesener Delegirter auf dem Züricher Kongreß es für seine Pflicht halte, mit aller Energie dafür zu wirken, daß England endlich in dieser Frage mit den übrigen Ländern gleichen Schritt halte. Das Komitee erkannte die Motive Aveling's an und sprach ihm noch ausdrücklich seinen Dank für die bisher geleisteten Dienste aus— die Diskussion war eine durchaus sachliche, und viele Mitglieder waren per- sönlich ebenfalls für den 1. Mai, hatten aber gebundene Mandate, für den Sonntag zu stimmen. Nun ist die Abhaltung der Feier mit erheblichen Kosten verknüpft, und ob das Achlstlinden-Komitee bei dieser Meinungsverschiedenheit dem Trabes Council die Hälfte der Kosten wird abnehmen wollen, oder können, wie es dies in den Vorjahren gethan, ist als zweifelhaft zu beirachten. Fällt die Konkurrenz des Komitees fort, dann fällt aber auch ein Motiv für den Trabes Council sort, sich in Unkosten und eine seiner Natur nicht sehr zu- sagende Unruhe zu stürzen. Auf der anderen Seite dagegen sind die Sitzungen des K o m i t e e s für den I.Mai dieses Jahres so stark besucht wie noch in keinem früheren Jahre, sowohl von Delegirten der verschiedenen sozialistischen Vereine Londons als auch von Delegirten einer ganzen Reihe von Gewerkschaften. Ein von Hunter Watts(Sozdcmokr. Föv.), El. Marx- Aveling(Achtstundenliga) und C. A. G i b s o n(Bronzearbeiler) in Austrage dieses Komitees aufgesetztes Manifest ruft die Ar- beiter Londons auf, dem Beispiel der Arbeiier des Festlandes Folge zu leisten und am I. Mai mit ihre» Frauen»nd Kindern für die Forderungen der Emanzipation ihrer Klasse zu demonstriren; daß das Meeting am I. Mai stärker sein wird als im Vorjahre, untersteht gar keinem Zweifel, wenngleich es natürlich noch von sehr vielen, vorläufig noch nicht entschiedenen Fragen abhängt, ob wir seine Besucher werden nach Zehn- lausenden zählen können.— A»ö Euba verbreitet die spanische Regiernng die jedenfalls sehr schön gefärbte Mitthcilung, daß nach einer Depesche des Gouverneurs von Euba der Ausstand auf die Provinz Santiago begrenzt wäre, wo General Lachnmbre verschiedene Rekogn osziruugen vorgenommen habe, ohne auf die Aufsländischen zu stoßen. Letztere hätten sich in die Berge zurückgezogeil und erwarteten dort Hilfe, die Küsten würden aber von den spanischen Truppen scharf über- wacht.— Der Marschall Martinez Campos hat es aber doch vorgezogen, nach Euba abzudampse». Er glaubt danach nicht recht an die Niederschlagung des Ausstandes.— Vnvlninettksdevithkc. Abgeordnetenhaus. 54. Sitzung vom 3. April, 11 Uhr. Am Regierungslische: komnlissarieu. Auf der Tagesordnung steht zunächst die zweite Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Aufhebung von Etolgebnhreu für Taufen, Trauungen und kirchliche Aufgebote im Nintsbezirke deS Konsistoriums zu Wiesbaden . Abg. Rudolphi(Z.) hofft, daß diese Vorlage die letzte ein wird, welche sich mit der Aufhebung von Stolgebühren ür die evangelische Kirche befaßt. Die Evangelischen ver- langen immer mehr und setzen alles durch, haben wir Katholiken aber Wünsche, so heißt es, wir verlangten eine mechanische Parität. DaS Zentrum werde gegen die Vorlage stimmen, weil der Minister seine frühere Zu- tage nicht erfüllt habe, daß solche Gesetze nicht mehr komme« s outen.
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