Nr. 117.
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Vorwärts
8. Jahrg.
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Redaktion: Beuth- Straße 2.
Die Elektrotechnik.
Sonnabend, den 23. Mai 1891.
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Expedition: Beuth- Straße 3.
tapitalfräftigen Konkurrenten Alles wieder einzubringen unternehmer zurückbleiben, wie ein Bummelzug hinter dem und die günstige Konjunktur doppelt ausnutzen zu können. Telegraphen. Herr Miquel ist ein wohlunterrichteter und scharf- Aber selbst wenn dies Alles nicht wäre, so könnte die Im Uebrigen denken wir auch an die Arbeiter finniger Mann und hat jedenfalls als ehemaliger Sozialist Entwicklung der technischen Einrichtungen doch nicht dem und nicht nur an die Kleinhandwerker, wenn wir die die Natur der kapitalistischen Produktionsform vollständig Kleingewerbe auf die Beine helfen. Denn die ganze Wirkungen der Elektrizität betrachten. Von den begriffen. Wie er es aber damit vereinbaren kann, alt- Maschinentechnik, die in der Großindustrie eine so mächtige Arbeitern werden viele brotlos durch die fortschreitende da können wir nicht, wie Herr hergebrachten Vorurtheilen und Illusionen so häufig das Rolle übernommen hat, ist ihrer Natur nach angelegt, Technik und Wort zu reden, das verstehen wir nicht. Als er jüngst ganz besonders den Großbetrieb zu fördern. Gerade die Miquel, ein Wohlbefinden" erblicken. Denn zu Frankfurt am Main über die Entwickelung der Elektro- Maschinentechnik hat den Großbetrieb zu dem gemacht, die Vortheile der Technik kommen in der kapitalistischen technik sprach, meinte er, man könne noch nicht alle Folgen was er ist; mit den einander folgenden Erfindungen und Beit nur den Kapitalisten zu gute; die Arbeiter werden ahnen, welche diese Entwickelung für das menschliche Da Verbesserungen hat sich auch der Umfang des modernen diese Vortheile erst verspüren, wenn die ökonomische Umsein und die sozialen Verhältnisse haben werde. Das Industrialismus gesteigert. wandlung die Produktionsmittel in den Besitz der Geaber, sagte der Minister, sei gewiß, daß die Elektrizität Die gleiche utopistische Hoffnung, dem Kleingewerbe sammtheit gebracht hat. ein gewaltiger Hebel des menschlichen Wohl aufhelfen zu können, hat man bei der raschen Ausdehnung Die liberale Presse wird uns nun wieder andichten, befindens sein und daß diese leicht theilbare, des Dampfbetriebes gehegt. Hochgelahrte und wohlweise wir wollten das Kleinhandwerk ,, vernichten". Das wollen Arbeit und Mühe sparende Kraft in Professoren der Nationalökonomie haben bis auf das wir nicht; aber wir wollen keine Hoffnungen aufkommen wesentlichen Beziehungen die Vortheile Tüpfelchen ausgerechnet, wie billig der Handwerker pro- lassen, die sich nicht erfüllen. Der Kapitalismus wird den des Großbetriebs auf den Kleinbetrieb duziren könne, wenn er sich mit Anderen zusammenthun Kleinbetrieb aufsaugen. überführen werde. und sich eine Dampffraft zugänglich mache. Das ist in
schaften nach dem ledernen Muster des Herrn Schulze- annähernd so leistungsfähig werden, als daß die moderne
Damit hat Herr Miquel aufs Neue der Hoffnung vielen Fällen auch geschehen. Aber wird man ernsthaft beRaum gegeben, das absterben de kleinhandwerk haupten wollen, daß dadurch das Handwerk im Allgemeinen könne erhalten und lebensfähig gemacht werden und zu den konkurrenzfähiger geworden sei? verschiedenen Methoden, nach denen dieser vielgeplagte Die Maschine, die mit Dampf oder mit Elektrizität Krante turirt werden soll, tritt nun eine neue. betrieben wird, ist von Hause aus eine Feindin Die Konservativen leben in dem Köhlerglauben, das des Kleinbetriebs. Sie erspart Zeit und Arbeit telegraphische Meldung, daß die Ernennung des EisenbahnDie Hamburger Nachrichten" erhalten aus Berlin die Kleinhandwerk durch Zünfte und Zwangsinnungen neu und steuert damit ganz von selbst auf die Massenproduktion präsidenten Thielen zum Nachfolger Maybach's nunfräftigen zu können; der Liberalismus hat die nicht weniger los, wie diese den Anforderungen der modernen Gesell- mehr erfolgt sei. Die amtliche Bestätigung der Meldung findliche Illusion, durch Vorschuß- und Rohstoff- Genossenschaft entspricht. Der Kleinbetrieb wird niemals auch nur ist abzuwarten.- Die Weser Zeitung" meldet aus Hannover , Herr Delitzsch das Kleinhandwerk zur Konkurrenzfähigkeit Gesellschaft ihm einen bedeutenden Theil der Deckung ihrer v. Bennigsen sei über die Zerfahrenheit der Verhältnisse gegenüber der Großindustrie zu erheben. Beide hätten aus Bedürfnisse auf die Dauer überlassen könnte. Schon des- innerhalb der nationalliberalen Partei in HanErfahrungen der letzten Zeit mit Sicherheit entnehmen halb wird eine sozialistische Gesellschaft, die im Ganzen nover sehr verstimmt. Das wiederholt aufgetauchte Gerücht, können, daß die Konkurrenz des Großkapitals heute mehr nur Großbetrieb hat, mehr produziren, als die gegen er sei zum Nachfolger des Ministers von als je umhergeht wie ein brüllender Löwe und suchet, wen wärtige, halb feudale, halb bürgerliche Gesellschaft. Bötticher bestimmt, nehme in unterrichteten Kreisen feste sie verschlinge. Das Elend des Kleinhandwerkerthums Die Massenverarmung und das Absterben des Klein- Gestalt an. Den ersten Theil der Mittheilung glauben wir gerne, wächst mit jedem Jahr. Aber wir leben einmal in der gewerbes resultiren daraus, daß die Produktionsmittel im Zeit der Illusionen und so tritt denn zu den alten Besitze einer Minderheit sind, die mit diesem ungeheuren doch halten wir dafür, daß es sich beim zweiten Theile Illusionen noch eine neue, daß nämlich die Elektrotechnik Machtmittel das ganze ökonomische Leben beherrscht. lediglich um einen frommen Wunsch des Herrn v. Bennigsen mit ihrer Kraftübertragung geeignet sei, dem Wenn die Elektrotechnik sich heute noch so vortheilhaft handelt.- Kleinhandwerk neue Lebenskraft einzuflößen. entwickelt, so wird an diesem Verhältniß Nichts geändert, Die einstimmige Verurtheilung, welche das Man vergißt bei solchen Dingen jerne, daß die Ueber- denn die kapitalbesitzende Minderheit wird damit in ihrer Reichsgerichts- Erkenntniß, die kriminelle Verantwort macht des Großkapitals bei der Konkurrenz nicht nur im Ueberlegenheit gegenüber dem kapitalschwachen Kleinbetrieb lichkeit des Korrektors betreffend, in der Presse und Produktionsprozesse selbst, sondern auch auf dem Waaren nur gestärkt und der Großunternehmer bekommt eine in sämmtlichen unabhängigen Bevölkerungskreisen gefunden markt sich geltend macht. Das Großkapital gestattet sich, vortheilhaftere Position. Angenommen, die Elektrotechnik hat, scheint den Mitgliedern des Reichsgerichts doch etwas mit den Waarenpreisen auch unter die von Angebot und würde dem Kleinhandwerker die Produktionskosten ver unangenehm zu sein. Eines derselben versucht in der„ Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" eine Vertheidigung, während Nachfrage diktirten Preise hinabzugehen, nur um den billigen, was von sachkundiger Seite mit Erfolg bestritten ein zweiter Herr, der vermuthlich gleichfalls ein Mitglied Konkurrenten zu ruiniren. Wenn dabei Verluste entstehen, worden ist, so kann das nicht in dem Maße geschehen, des Reichsgerichts ist, denselben Versuch in der„ Nationalso sieht man sie als„ Anlagekapital" an und man geht wie beim Großunternehmer. Das Großkapital kann die Beitung" macht. Der Gedankengang beider ist der nämliche, eventuell mit dem Preis weit unter die Produktionskosten neuen Verbesserungen mit tausendmal mehr Nutzen aus- und die juristische Haarspalterei muß bei beiden den Mangel hinab, da man ja sicher ist, nach Vernichtung des weniger beuten und der Kleinhandwerker wird hinter dem Groß- an Gründen ersetzen. Das Erkenntniß enthalte keine a IIfeit verführen oder zwingen. Ihre Liebe hatte um alle Jch will gar nicht von mir reden. Mit mir kannst Du Schwächen und Fehler des Vaters einen Mantel geworfen: er war ein Ehrenmann; das war der gesunde, starke Kern in der stacheligen Schale. Nun erwies sich auch dieser Kern als angestockt. Sie vermochte den Gedanken nicht auszudenken; die Sinne vergingen ihr.
Feuilleton.
Nachbruck verboten.]
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Die Falkner von St. Vigil. Roman aus der Zeit der bayerischen Herrschaft in Tirol von Robert Sa, weichel.
machen, was Du willst; aber um Deinetwillen thut es mir so weh, so weh, was Du mit mir im Sinne haft. Du stehst in einem Ansehen weit und breit wie kein Anderer und ich bin immer so stolz darauf gewesen, daß ich Deine Tochter bin, wenn Dir auch nichts an mir liegt."
Mach's kurz," schnob er.
" Jeßt, Bater," fuhr sie mit schwellender Brust fort, wie soll ich's nur verstehen, daß Du die nämliche Sach' zwei Mal verkaufen willst? Ich gehör' doch dem Wolf Lechner"
Es wurde dunkel und Lisei trocknete ihre Thränen. Ihre wirthschaftlichen Pflichten riefen sie und sie unterzog sich ihnen wie immer; nur ſtill und bleich war sie dabei. Vefa's Mahnung an Ambros hatte ihm Unbehagen ver- Toni, die Großmagd, arbeitete ihr geschickter und flinker als ursacht, das ihn nicht verlassen wollte, und hatte er in der sonst in die Hände. Sie hatte in behaglicher Sonntagsruhe Vorstellung geschwelgt, wie er sich breit vor den Vater und in der Küche gesessen, als der Klosterbauer seine Tochter Der Klosterbauer unterbrach sie mit einer Stimme hart seine Stiefmutter hinstellen und ihnen zurufen würde: heruntergerufen, und die Stimmen in der Wohnstube waren wie Stein. Er wollte sich mit ihr nicht ärgern, wie er sich Schaut mich an, hier steht der künftige Klosterbauer! so zu laut gewesen, als daß sie den Vorgang daselbst sich nicht mit ihrem Bruder geärgert habe. Sie kenne seinen hielt er es jetzt für gerathen, seine Bräutigamswürde einst hätte zusammenreimen sollen. Mit Blicken voll Mit Willen, deutlicher könnte er nicht reden und damit wäre weilen noch zu verbergen. Was half ihm des Klosterbauers leides beobachtete sie verstohlen Lisei. Auch der Kloster die Sache ein für alle Male zwischen ihnen abgethan. Er Zusicherung, wenn Lisei zu fremden Leuten in den Dienst bauer schielte während des Abendessens versteckt nach ihr, ließ sie stehen und warf die Thür mit solcher Gewalt ging? Der Vogel, dem er mit einem Sprunge an die jedoch nicht mitleidig, sondern grollend. Sie bemerkte es hinter sich zu, daß die Fenster klirrten. Lisei rang die Rehle zu fahren gedacht hatte, saß noch sicher auf dem nicht; wie geistesabwesend saß sie vor ihrer Schüssel Hände. Dache. und dann und wann war es, als ob fie fröre. Als Der Klosterbauer trat noch, ehe er das Hans verließ, Armer Vogel! Das Herz zitterte ihm vor Angst in bas Abendessen vorüber war, das Gesinde sich entfernt in die Küche, wo die Knechte und Mägde beisammen saßen, der Brust. Es war eine eigenthümliche Angst, in der Lifei hatte und der Klosterbauer sich seine Pfeife anzündete, um und befahl dem Pferdeknecht, seinen Wagen mit dem Apfelauf ihrer Kammer saß und auf die in ihrem Schoße zu- zum Sonntags- Abendtrunk in den Stern zu gehen, bat schimmel für den folgenden Morgen um sieben Uhr bereit fammengelegten Hände schaute, ohne daß sie zu weinen ver- sie ihn mit einer leise zitternden Stimme, daß er noch zu halten.
mochte. Es war ihr, als ob die Berge ringsum auf sie einen Augenblick dableiben möchte: sie wünschte mit ihm Die Fahrt wurde jedoch einstweilen vereitelt. Denn es stürzten und sie lebendig begruben. Wie konnten sie auch zu reden. erhob sich in der Nacht eines jener Unwetter, wie sie dem Frühling voraus zu gehen pflegen, und dauerte ununterbrochen bis zum Abend des zweiten Tages fort. Lisei, die schlaflos in ihrem Bette lag, hörte das Heulen des Sturms, unter dessen wüthendem Anprall das Haus bebte, und das Bischen der Regengüsse auf den Dachschindeln über ihr, aber sie fühlte dabei kein Grausen, wie sie es sonst wohl
noch fest stehen, da es keine Treue mehr auf Erden gab. Eine Was soll's?" murrte er. schmerzlich brennende Scham über die Wortbrüchigkeit des Sie fuhr sich mit der Hand über die Stirn, wie um Baters überzog ihre Wangen. Und es war ja nicht genug das, was hinter der beinernen Wand wühlte, zusammen zu daran, daß derjenige, der sein einmal gesprochenes Wort fassen. wie einen unerschütterlichen Felsen hinzustellen pflegte, feine Versprich mir doch, daß Du mich ruhig anhören Ehre gleichgiltig wegwarf, er wollte auch sie zur Treulosig- willst," bat sie;„ nur das eine einzige Mal im Leben, Bater.