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Nicht nur, daß der Mechanismus der Parlamentsarbeit sie er- faßt und mitnimmt, ob sie wollen oder nicht. Sie müssen um der Existenz ihrer Partei willen und damit um der eigenen Führerstellung willen Stellung nehmen zur politischen Wirk- lichkeit. Sie müssen sich in Aktion, in parlamentarische» Aktion, zeigen, um die Existenzberechtigung ihrer Partei, und damit ihre eigene Existenzberechtigung als Reichstags- und Landtagsabgeordnete zu erweisen. Damit ist zunächst ein Kamps um die Führung bei den Böllischen gegeben. Für Hitler ist die Voraussetzung für die Behauptung der Führung das Beharren in dem einzigen Glauben an die neue kommende outschistische Aktion für die Parlamentarier die Abkehr von der ausschließlichen Anbetung der Aktion und die Wendung zur parlamentarischen Arbeit. Dieser Kampf um die Führung zeigt sich in der inneren Verwirrung der völkischen Bewegung, in Spaltung und Grün- dung von neuen Gruppen, er wird auf dem bevorstehenden Parteitag der Nationalsozialistischen Freiheitspartei scharf her­vortreten. Die Völkischen sind auf dem Wege zum Parlomen- tarismus. Das will nicht sagen, auf dem Wege zu verantwor- tungsbewußter parlamentarischer Mitarbeit, sondern auf dem Wege zur parlamentarischen Agitationspolitik. Sie gehen den Weg, den eine jede politische Partei, die mehr als bloße Kon- junkturerfcheinung sein will, gehen muß. Aber schon die parla- mcntarischc Agitationspolitik erfordert feste Verbindung mit großen ideellen und materiellen Interessen. Das ist die Probe auf das wahre Wesen und den wahren Inhalt einer jeden Partei. Die Anhänger der Völkischen aus den Kreisen der arbeitenden Bevölkerung und den bürgerlichen Mittelschichten gehen des- halb einer dritten Enttäuschung entgegen. Nach der Erschütte- rund durch den mißlungenen Putsch die Erschütterung durch den Wahlerfolg, der die Welt nicht aus den Angeln hob, nach der Erschütterung durch den Wahlerfolg aber kommt die Er- schütterung durch die parlamentarische Arbeit der Völkischen, die sie heute schon zeigt teils als unheilbare Querulanten, teils als Hilfstruppe der finstersten sozialen Reaktion. Wo aber ist die große ideelle Grundlage, die dieser Partei Dauer und Existenzberechtigung geben könnte?

der»Stahlhelm� verjuöet! Enthüllungen seiner Anhänger. Wi« weit die Zersetzung imStahlhelm" gediehen ist, zeigen uns mit eindringlicher Deutlichkeit die Nummern 9 und 12 der ZeitschriftTannenberg", die als Organ der ostpreußischenVater- ländischen Frontsoldaten" firmiert. Die Spaltung desStahlhelms" ist in Ostpreußen besonders stark. Die meisten der dortigen Orts- gruppen sind aus demStahlhelm" ausgeschieden und haben sich den völkischen" bayerischen Kriegerverbänden angeschlossen. Die Magde- burgerVolksstimme" findet nun in Nr. 9 dar obengenannten Zeit- schrist einen Artikel über denStahlhelm", der einem woiteren Leser- kreis« vorgelegt werden muß. Aus Rücksichten auf den Raum können wir leider nur einige Proben wiedergeben. Aber auch diese werden schon genügen: Die Herren dort(Bund« s l e it u n g desStahl­helms" in Magdeburg . D. Red) unterscheiden peinlich zwischen dem Genera! und dem Politiker Ludendorff und rücken von letzterem in Nr. 7(desStahlhelms ". D. Red.) merklich ab. Was soll denn da noch die Versicherung der Treue? Ist diese nicht hin- fällig, wenn sie an Bedingungen geknüpft wird? Das ist ohne Personenkult zu treiben u nd e ut s ch und ünv ölkisch, hänolerischer und jütischer Geist. Weiter: Die T reu� ist das Mark der Ehre, so schloß jenes Telegramm (desStahlhelms . D. Red.) an Ludendorff . Hatte man sich dazu. entschlossen, so gab es kein Zurück mehr, man verlor dadurch das Mark, wurde zum Händler, zum Schacherer. Der B undc so ersitzend« Seldt« in Magdeburg bekommt es Aanz dick: Unsere ostpreuhischen Schädel können dies« Tatsachen nicht ver­einen und jeder«cht völkisch Empfindende wird sie ebenfalls icicht gutheißen können. Kürzlich ließ der Herr Bundesoorfitzende Seldt« iherrn Stresemann hochleben, der bekanntlich erfüllen will.

Und der Artikel schließt' ... kein Ausstemmen gegen scheinbar unüberwindlich« Lasten, sondern kluge Berechnung des Vorteils, kein Lebenseinsotz oder Frage nach dem Gewinn, sondern Unterwerfung unter den Nutzen und Erfolg. Das ist Eünd« widex de» völkischen G e i st l Wodan sei es geklagt: e» sieht schlimm aus um die Erneuerer Deutschlands . Einer entlarvt den anderen. Und alle diese völkischen Helden stehen offenbar im Dienste jenergeheimen Oberleitung des jüdischen Voltes", von der Lmdström-Ludendorff in seinen Nieder- lagenerinnerungen«rzählr. Wi« o« r j u d e t aber nicht nur derStahlhelm", sondern auch die Deutschnotionalen sind, zeigt uns Nr. 12 derselben Zei- tungTannenberg". Da steht wortlich: DerStahlhelm" Ostpreußen ist in das parteipolitisch« Fahr» wasser der Deutschnationalen Volkspartei geraten. Der Kurs begann, als stch der Führer der Vaterländischen Ber - bände Major Flstcher zum Spitzenkandidaten der Deutschnationalen Voltspartei aufstellen ließ, obwohl die zahlreichen Kameraden der andeoen Parteien nicht hinter ihm standen...Umvon dieser «inseitigen d« uts ch n a t i o n al« n P arte iw ir tsch a s t endlich loszukommen, rufen wir alle Frontsoldaten zur Gründung des Frontkämpferbundes Ostpreußen auf. Kameraden, jetzt gibt es für uns kein Zurück mehr... Nur die Losung: G e- schlössen hinter Lupendorffl Treu« um Treue! Bemerkenswert ist vcr allem der völkische Beweis, daß dl« Deutschnational« Partei eine von Händler- und Schachergeist erfüllt« Juden parte! ist. Denn derStahlhelm" ist jüdisch und frei von deutschem Geist und derStahlhelm" ist gleichzeitig deutschnational bis ms Mark.Wenn zwei Größen einer dritten gleich sind, so sind sie untereinander gleich" das lernt schon jeder zehnjährig« Junge in der Schick«. In derselben Nr. 12 der ZeitschriftTannenberg" steht nebenbei eine von einem gewissen Gieseler unterschriebene Erklärung, gemäß der Emigungsverhandlun- gen(mit diesenverjudeten" deutschnatioimlenStahlhelm"»Händ- lern) gescheitert seien. Di« Erklärung schließt:Im Auftrag von Exzellenz Ludendorff ist nunmehr die Gründung des Front- kämpf« rbundes Ostpreußen vollzogen worden." Die Spaltung imStahlhelm "(st also perfekt. Der Tiefseepolpp als Spaltpilz. Aus dem völkischen Bruderkrieg. Herr I. Bucher vomDeutschen Tageblatt" ist in Memungs- differenzen mit dem Münchener Mitarbeiter derDeutschen Zeitung" geraten. Er fährt nun mit dem Unglücklichen folgendermaßen ab: Es war nicht zu erwarten, daß der gemeinste liesseepolyp in den Spalten eines Blattes sein Wesen treibt, das leider immer noch auch von manchen unserer Freunde als völkisch, w«nn viel- leicht auch mit einer gewissen Bedingtheit, angesehen wird. ... Wer diesen Artikel geschrieben hat, der steht bewußt sein« Aufgab« darin, als Spaltpilz in den völkischen Reihen zu wirken, für den gibt es nichts anderes als Zersetzung und Zersplitterung. ... Ein derartig erblich belasielcr Mann ist wirtlich nicht fähig, unsere Freundeskreise in München irgendwie in Verwirrung zu bringen. Ueber dos geschwollen« Köpfchen dieses Männchens hinweg reichen wir unserem herrlichen Adolf Hitler , dem einqekcrten Helden, die Hand zur Treue." Wir haben jüngst aus einer Polemik desselben Herrn Bucher mit Herrn Alfred Roth erfahren, baß es im Lager des völkischen Idealismus Lumpen und Schwein« gibt. Aber was ist ein gewöhn- liches völkisches Schwein gegen einen erblich belasteten Tiessee- polypen, der zugleich als Spallpilz wirkt! Es wird allmählich Zeit, die ganze völkische Bewegung als Geschenk dem Zoologischen Garien zu überweisen. Gberbürgermekfterkrlfe in tzeiöelberg. Heidelberg , 19. Juli. (WTB.) Nachdem der Bürgerausschuß mit 16 Stimmen bei Deutschnalionalen, der Deutschen Volkspart«!, des Zentrums und der Kommunisten gegen 82 Stimmen der Demo- traten und Sozialdemokraten den Haushaltsvoranschlag abge- lehnt hatte, hat Oberbürgermeister Dr. Walz leinen Rücktritt von seinem Amt als Oberbürgermeister erklärt. Das Rücklriilsgesuch des Relchslinanzmlntster» Dr. Luther al» Oberbürgermeister von Essen ist in der gestrigen Stadtverordneten- Versammlung angenommen worden.

Kampf gegen öureaukratenmauern. Siering und das preußische Porzellan. Im Untersuchungsausschuß des preußischen Landtages wird über die Frage verhandelt, ob der preußische Handels- minister, Genosse S i e r i n g, absichtlich das Etatsrecht ver- letzt habe, als er eines guten Tages einen anerkannten Fach­mann für die Umstellung der staatlichen Po r- zellanmanufaktur warb. Aus dem Bericht über die Vernehmungen im Untersuchungsausschuß hat man schon ent- nehmen können, welche Widerstände sich dem Minister entgegentürmten, als er dem Berlangen der LeffentUchkeit nachzukomemn suchte, die staatlichen Werke in kaufmännische Betriebsführung zu bringen. DieGermania " nimmt nun zu dem bisherigen Ergebnis der Untersuchungsoerhandlungen vorläufig Stellung. Sie ist der Meinung, daß sich eine absichtliche Etatsverletzung durch Siering nicht erweisen lasse und fährt dann fort: Weit inteveflaMer waren dt« Verhandlungen, die sich um die Anstellung und Absetzung des Herrn Gohlke drehten. Hier gab es auch polltische Leckereien! U. a. ein zufällig belauschtes Ferngespräch, In dem gewisse S reife sich gegenseitlg zum Kampfe wider den Mini- fler ermutigten, lieberhau pt hatte man den Eindruck, daß der sozlcckifttsche Minister zum mindesten einen starken politischen Mder- stand vor sich sah. und daß er bei dieser Einstellung des Ministeriums allmählich die Empfindung haben mußte, dich Selbsthilfe hier allein zum Ziele führen könne. Geht man von diesen Gesichtspunkten«ms, so wird manches verständlich, u.«t. auch das brüske Vorgehen des Herrn Siering bei der Abhalsterung des Herrn Gohlke; denn von einer solchen muß man doch wohl sprechen. Auch Herr Gohlke ist vernommen worden. Der Typ eine» höhereu preußischen Beamten alten SM»: sachkundig, gewissenhast, kenntnisreich und durchdrungen von seiner Itneutbehclichkeit. aber doch kein Mann, um einen moder­nen Betrieb zu schissen und ihn in frischer Zaisiaöve und tress- sicherem orgaaisationsblick auf die höhe zu führen. Mit diesem Manne konnte der Minister nimmermehr sein Ziel erreichen; aber er war«in gefährlicher Gegner für den Minister, weil er die Unterstützung des gesamtengeregelten Geschäftsgänge»" für sich hatte. Ihn hat Herr Siering sehr wesentlich unterschätzt, und daraus ergeben sich er st geschäftsmäßige, dann parlamenta - rische Spannungen und Friktionen, die man nicht mit einem Alexanderhicb beseitigen kann, solange man sich in einem parlamen- tarischen Staate befindet. Dasgute und bewährte Alte" traf hler in erbittertem Bingen mit dem vorwärtsstünnendeu Reuen zu- fammen. dessen Vertretung zwar nicht immer geschickt, aber sicherlich gut gemeint nxrr. Auch dieser Teil der Untersuchung hat an Beweismaterial gegen den Minister kaum wesentliches gebracht. Er wird vorsichtiger wer- den müssen und mit den entgegengesetzten Mächten mehr rechnen. Für den politisch Zoieressierlen ab r war das Ganze deshalb so inker- essanl, weil es einen klefe» Einblick in die Schwierigkeiten bot, in die Zentralwstanzen«neu dem demokralisihen Staate entfprech nfccn neuen Geist hineinzubringen. Daran ist auch dos Zentrum interessiert. An anderer Stelle spricht dieGermania " von der Empfindlichkeit eines gewesenen Ministers", und diese Bc- merkung zielt sicher auf Herrn Fischbeck, der seinem Amtsnach- folger noch immer nicht grün sst. Indes hat dieGermania " recht, wenn sie auf die unge« heuren Schwierigkeiten hinweist, die dergeregelle Geschäfts- gang", das heißt das ganze Heer der Bureaukraten, jedem frisch zugreifenden Erneuerer macht. Im Falle der prcn« ßischen Porzellanmanufaktur wirkt noch doppelt befremdend. daß diese Hemmungen durch die Bureaukratengesellschaft freundliche Unterstützung bei den Bolksparteilern fanden, die sonst nicht laut genugkaufmännische Grundsätze" in den Staatsbetrieben fordern können. Hier, wo ein Sozial» d e m o k r a t den schwerfälligen Betrieb der Porzellanmanu- faktur in kaufmännischen Trab setzen wollte und dabei den Widerstand der Bureaukraten kaltstellen mußte, bot sich Gc- legenheit, ihm volle Unterstützung zu gewähren. Was der volksparteiliche Finanzminister sich aber da an Erschwerungen geleistet hat, muß nach seinem eigenen Geständnis festgehalten werden.

Der öahnhof. Skizze von Heinrich Goldmann. Der Wirt des kleinen Restaurants, in dessen dumpfengem Raum der Schriftsteller allabendlich mit seiner Freundin, der blonden Anni, zusammen zu sein pflegte, wandte den Kopf halb rückwärts zur Uhr und rief:Feierabend!" Hast du auch wirklich noch Geld zum Nachtlogis?" fragt« das Mädchen den Freund mit ihren besorgt aufgeschlagenen Blauaugen. Es reicht, mein Kind," beruhigt« er sie. Dann verließen sie das Lokal, und auf der Straß« schieden sie mit Händedruck und Kuß... Aber, das Geld reichte nicht. Ja, wenn sie das Paar warme Würstchen nicht gegessen hätte! Aber lieber nahm er die entsetzliche Qual einer bleischweren Nachtwanderung auf sich, als daß er sein liebes Mädel hätte hungrig zu Bett gehen lassen wollen. Wie oft hatte sie selbst nicht schon Opfer für ihn gebracht! Und mit diesem Gedanken schritt er in die Nacht hinein. Ziel- los zunächst. Denn bis zur vierten Morgenstunde, an deren Beginn die Fernbahnhöfe der Welistadt ihr« Portale öffnen, lag noch eine weit« Wanderwüste, die den Fuß müde macht, die das Aug« l««r läßt, die an den Nervensträngen reißt. Das einzige Geräusch ist dann der Schritt, der zum eigenen Ohre heraufknallt. Oder es ist ein trabender Droschkengaul, dessen magerer Leib über den aufhallen- den Asphalt schaukelt und so eindringlich daran mahnt, daß es doch die Zeit dazu ist, müde zu sein und keine Umwege durch Haupt- und Seitenstraßen zu machen, sondern den kürzesten Weg zu nehmen. Aber unser Nachtwanderer legt ob, sichtlich Entfernungen zwischen seinen Wunsch und sein Ziel. Denn die vierte Morgen- stunde ist noch so weit. Der Warteraum dritter Klasse des Anhalter Bahnhof » war sein Ziel. Wie schon so manchesmal. Dort, im Gewimmel der Menschen, konnte sich das hungrige Auge wieder satt sehen, füllt« sich die Phantasie mit den Bildern der Reiseromantik. Und der fromme Selbstbetrug hatte immer«ine so wohltuend« Heilkraft für ihn, wenn er die Wünsch« seiner eigenen Reiselust in das Kielwasser der hinausgleitenden Eilzüge legte. Dann erlebte er im Geist« die fernsten Gegenden, und in den«legantesten Hotels durchschritt er, stolz aufgerichtet, di« Spaliere der zur Begrüßung aufgereihten Kellner Versunken war dann die bleiche Nacktheit der Gegenwarts- not, und... Und da war er mit einem Male dicht an den Askanischen Platz herangekommen. Vor ihm ragte das rotduntle Riesenmassiv des Anhalter Bahn- Hofs, hoch oben an seiner Stirn die Uhr, von der eigenen Lichtseele laut erhellt. Und die Uhr-«igte jetzt gerade erst die dritte Morgen- stunde. Und wieder wollte sich der Nachtwanderer zum Gehen wenden, da trieb ihn ein leise«insetzender Regen in den Schutz der

überdachten säulengeiragenen Anfahrt des Bahnhofsgebäudes. Eine ganze Stunde in der sich anfrischenden Nachtluft in den weinenden Regen hineinsehen! Dies denken zu müssen! Wie ein« Krall « griff es in sein wundenmüdes Herz. Aber da plötzlich stieg aus der nachtnebelverstopften Portalnische rechts hinter ihm ein Zweigesang zu ihm auf. Und wie er hinblickte, gewahrt««r zwei lässig lang hing-streckt« junge Leute, dicht nebeneinander. An sein Herz rührte der Gesang der beiden. Es war ein englisches Lied Die Melancholie des amerikanischen Straßengesanges floß weich in sein« Seele. Ganz hingegeben, lehnte er gegen den Pfeiler, und das Auge träumte in den Regen hinaus, der immer heftiger wurde. Und jetzt klatschten dicke Tropfen auf den Asphalt. Ein Blitz zuckte über den Himmel, dann brüllten die Wolken donnernd auf, die schmerzende Feuerwunde im grauen Leib, und ein wrltenbruchartiger Regen kracht« auf Dächer, Anlagen und in das Geäst der Bäume, schlug hellkugelig« Blasen auf dem Asphalt und peitschte aus den Anlagen, von den Bänken,«in« ganze Schar obdachloser Nachtvögel auf. plötzlich die regengeschützte Anfohrthalle füllten. Draußen fegte der Sturm aufwehende Wasserschleier über den Platz. Im Winter sind es schneidende Schneeschauer," dacht« gewiß so mancher oo» den allen, di«, fröstelnd die Fäuste in die Hosen- tasch« drückten und dem Toben von Wind und Regen stumpfsinnig zusahen. Denn so mancher mochte wohl schon monatelang hier auf die einlaßgewährende viert« Morgenstunde gewartet haben, weil er eben so lange Zeit kein« bedachte Laube sein eigen nennen durfte, dafür ober ungezählt« Hektar Sonnenschein,««nn die Sonne nicht gerade anderswo beschäftigt war. Und endlich di« echten Reisenden treffen ein, Automobile und Droschken fahren vor. oder man kommt zu Fuß. Etwas verfrüht noch, aber da knarrt es ja schon im Schloß des Portals. Vier Uhr. Und bald ist di« Schar der Wartenden verschluckt. Der grauend« Morgen oder der licht« Tag aber lockt sie alle einzeln wieder heraus in die Ungewißheit des pulsierenden Lebens...»

Mekn arischer �unge. Ich sitze mit meiner Frau und meinem dreijährigen Jungen Im D-Zug. Mein Bubi hat einen strohgelben Wuschelkopf und wasser- blaue Augen. Auf einer Station steigt eine Dam« sti unter Abteil. Sie sieht wie ein« angejahrte Lehrerin am Lyzeum oder wie«tne Offiziersfrau a. D. aus. Al« Brosche trägt sie ein Hakenkreuz. Der Jung« turnt im Abteil herum und sie lächelt über seine drolligen Fragen. Plötzlich legt sie los:Ach, sst dos ein fchöne» Kind,«in richtiger arischer Junge, germanische Nollrasse, in dem steckt kein jüdisches Blut, da» sieht man gleich am Haar und an den Augen." Mein« Frau und ich sehen uns schweigend an.

Die Dame schwärmt weiter, schließlich sagt sie:Nicht wahr. Sie achten darauf, daß dieses edle Rasseblut nicht jüdisch verseucht wird, wie es leider so viele germanssche Familien zuließen?" Verzeihen Sie," erwidere ich höflich,ich kann meinem Jungen doch nicht verbieten,«ri« Jüdin zu heiraten. Und dann ist die ganze Rassenfrago doch nur eine Theorie." Eine Theorie?" Erstaunt und mißtrauisch sieht mich die Dom« an. Aber natürlich rechnen Sie zum Beispiel die Franzoien und die Polen zur arisch-germanlschen Rasse?" Um Gottes willen, da, sind ja mit die minderwertigsten Böller Europas !" Das ist sehr schmeichelhaft; aber wie wollen Sie die Rasse- reinheit sessstellcn?" Gewiß ist das nicht immer möglich, aber an Ihrem Kinde sieht man doch deutlich, daß sn Ihrer Fomitl« kein schlechtes, fremd- stämmiges Blut fließt." Bedaure, Ei« irren. Ich stamme aus einer alten französischen Huqenottenfamiii«, die nach Deutschland auswanderte, und die Vor. fchren meiner Frau waren Polen . Sie sehen, was für ein hübsches Kärtchen aus einer polnssch-stanzöstsch-deutschen Blutmischimg im Laufe der Generationen werden kann." Während ich dos ruhig und verbindlich lächelnd sage, erhebt sich die arische Tont« und nimmt ihren Koffer aus dem Netz. Es ist schrecklich! Jetzt bleichen diese Frcmdstämmlgen ihren Bälgern schon die Haare, um die arische Rasse zu täuschen!" Ja, und die Augen haben wir dem Bengel mit Waschblau an- gestrichen!" rufe ich der Bogelscheuche nach, die die Schiebetür ins Schloß knallt. Mein« Frau und ich aber lachen uns Tränen, und unser Bubi steht dabei und fragt noch dem Grund. Und alle» wegen seln«» Strohdaches und seiner Blauaugen! Fred Hermann Den.

Zur gestrigen.H!nkemann"-Ausiührung können wir noch er- gänzend berichten: Als das durch die Darstellung Alfred Beierles(Hinkemann) und Lore Wagner»(Grete Hinke- mann) auf» tiefst««rschütiert« Publikum des R« s i d« n z t h« a t e.r» zum Schluß ununterbrochen nach Ernst Toller rief, trat endlich, von Beierle und Frau Wagner geleitet, der von nabezu 2909 Tagen bayerischer Gcfängnishaft gebleichte Mann auf die Bühne und sprach. Kraftvoll hell und zuversichtlich schwang sich seine Stimme durch den Raum. Kein« ungetrübte Freude könne«r über den herzlichen und lieben Empfang empfinden, denn er müsse an jene Opfer der baye- Tischen Justiz denken, di« er in Niederfchönenfeld Hab? zurücklassen müssen.Ein jeder von Ihnen." so ruft Toller der ergriffenen Menge zu.möge die Stimm« der Gerechlgkeit gegen die bayerisch« Regte- rung erheben, damit endlich den noch immer in bayerischen Gefäng. nissen Lchmoch'enden di« Freiheit wiedergegeben wird!" Fünf Jahr« moderner bayerischer Inquisition haben vielleicht den Körp-r dieses Dichters anätzen, nicht aber den Geist zerreiben können. Das ist der Eindruck, den wir erhielten, als wir Ernst Toller gestern abend sprechen hörten. tr. «tflauffahtungm der Boche. VlniZwg: Fnttme« Theater: ,Dee «b«;.lRoiHilichtu':.Der Sesehl". Freilog: Tribüne:.viederleute."