Sanktionspolitik hallen und würde das Durchdringen des Geistes der Verständigung in Frankreich verhindern. Sie wäre «ine Gefahr für den Frieden Europas ebensosehr wie das Fort- leben des Geistes des Mißtrauens und der Sanktionspolitik in Frankreich . Deutschland aber braucht den europäischen Frieden um seiner Existenz willen. * ' Daraus ergibt sich die große außenpositifche Gefahr, die das Regime eines rechtsgerichteten Bürger- b l o ck s unter nationalistischer Führung für Deutschland be» deutet. In diesem Zusammenhang einige Worte über die innere Bedeutung der Bestrebungen, ein Rechtsregime in Deutschland zu errichten und über die Stellung der Sozial- demotratie. « Die Sozialdemokratie kämpft für große ideelle Ziele. So sehr sie für die Hebung der Lebenslage der Arbeiterschaft ein- tritt, weil sie weiß, daß ideelle Fortschritte nicht mit ausge- hungerten, im tiefsten Elend verkommenen Massen zu er- kämpfen sind, so vergißt sie niemals, daß ihr politisches Han- dein der Befreiung vom politischen und geistigen Druck» der Herstellung der wahren Freiheit gilt. Auf diesem Gebiete liegen die großen Erfolge ihres Kampfes. Der Sturz der Monarchie und des Obrigkeitsstaates ist nicht lediglich die Folge des Kriegsverlustes und nicht nur Ju erklären aus der Zusammenbruchsstimmung der November- ige von 1918. Diese Stimmung hätte nicht zur Errichtung der Republik und zur demokratischen Verfassung geführt, wenn nicht die Sozialdemokratie in jahrzehntelangem Kampfe gegen den Obrigkeitsstaat angekämpft und den Gedanken der Demokratie und der Freiheit in die Massen getragen hätte. Ihre Arbeit hat den Boden bereitet für die Republik und die parlamentarische Demokratie. Ein ungeheures Maß von Auf- klärungs- und Erziehungsarbeit war nötig, um in Millionen von Arbeitern die feste geistige Grundlage zu schaffen für die Errichtung eines freiheitlichen Regimes.' Im Kampfe gegen den Obrigkeitsstaat haben die sozial- demokratischen Arbeiter ihr Staatsbürgerrecht in der Demo- tratre erkämpft, das Recht der freien politischen Selbstbestim- numg, die Gleichberechtigung im Staate. Sie haben die Vor- aussetzungen dafür geschaffen, daß das deutsche Voll sich zum Staatsoolt entwickelt. Das politische Bewußtsein und das staalliche Denken der Massen der Arbeiterschaft sind die Vor- aussetzung für die Verwirklichung des Sozialismus, für die Umgeftallung der wirtschaftlichen und sozialen Beziehungen. Die Befreiung von dem Albdruck des Obrigkeitsstaates ist darum für die Sozialdemokratie die wichtigste Etappe auf dem Wege zu ihren weiteren Zielen, ihre nächste Aufgabe die Be- hauptung des neu gewonnenen politischen Bodens, die Arbeit für ihre weiteren Ziele mit den Mitteln der Demokratie. Wir sehen die erkämpfte Freiheit bedroht. Die Sozial- demokratie wertet die Bestrebungen zur Sammlung des Bürgertums gegen die Arbeiterschaft und gegen die Sozial- demokratische Partei vor allem unter diesem Gesichtspunkt. Wohl erkennt sie. daß der materielle Untergrund der Rufe nach der Bürgerregierung die Interessen des Besitzes sind, die durch die Uebernahme der Lasten des verlorenen Krieges be- droht werden. Mit aller Entschiedenheit setzt sie sich zur Wehr gegen die Versuche, durch die Ausgestaltung des Steuersystems zu einem System der Schonung des Besitzes zu Lasten der Arbeiterschaft, durch die Wiedereinführung von Hochschutz- zollen, durch die Verschlechterung aller Arbeitsbedingungen die arbeitenden Klassen zu benachteiligen gegenüber den besitzen- den und sie wirtschaftllcher Bedrückung zu unterwerfen. Sie sieht aber hinter den Vorstößen des Bürgertums gegen die Arbeiterschaft noch einen anderen tieferen Sinn, eine kullu- relle Gefahr für die Arbeiterschaft, eine polttische Gefahr für das deutsche Voll. Der Ruf zur Sammluna des Bürgertums ist die Re- aktion auf den politischen Ausstieg der Arbeiterschaft, der Wille, die verlorene politische Vormachtstellung zurückzu- erobern und die Arbetterschaft aufs neue auszuschließen von
der Teilnahme am Staatsleben. Zurück zum Obrig- k e i t s st a a t! Das ist das Ziel der Parteien und Politiker, die für den Bürgerblock, gegen die Tellnahme der Sozial- demokratie am Staatsleben sich wenden. Sie wollen das Rad des Fortschritts rückwärts drehen: zurück aus der Frei- heit in neue Unterwerfung, zurück von' der demokratischen Mitarbeit im Staat in die Slellung der hoffnungslos ausge- schloffenen und beherrschten Objekte der Gesetzgebung, zurück vom Staatsbürgertum zum Untertanenverhältnis. Das sind die wahren, letzten Ziele der bürgerlichen Re- aktwnäre. Es geht ihnen um die völlige Restauration des alten Systems. Die Wiederherstellung der Monarchie mag bei diesen Plänen vielleicht eine geringere Rolle spielen: die Hauptsache ist die Vernichtung des politischen Ausstieg» der Arbeiter, die Vernichtung der Freiheit. Die Kämpfe um die materiellen Fragen sind für die Reaktion Etappen auf diesem Wege. In diesen Kämpfen geht es ihnen um die Herstellung der Einheitsfront des Bürgertums auf der Basis gemeinsamer materieller Interessen gegen die breiten Massen des Volkes. Der Kampf um die Steuern, um die Zölle, um die Arbeitszeit soll die feste Untermauerung für die kommende Regierung der Wiederherstellung des Obrigkeitsstaates schaffen. Er soll die Arbeiterschaft wirtschaftlich zerdrücken und zermürben, um ihr die Kampfkraft für ihre ideellen Ziele, für die Frecheit zu nehmen. Der Vorstoß der Reaktion auf der ganzen Linie ist ein Anschlag auf die demokratische Freiheit, ein Stoß gegen die Republik . Er stellt an die Staatsgesinnung der deutschen Ar- beiter die härteste Probe. Würde sie ins Wanken kommen, würden sich die deutschen Arbeiter von der Republik abwenden, was würde das Schicksal Deutschlands als Staat, was das Schicksal der Deutschen als Staatsvolk sein? Dieser Vorstoß der Reaktion bedroht darum die deutsche Zukunft. Die Sozialdemokratie ist nicht gesonnen, den unaufhör- lichen Vorstößen der reaktionären Kräfte untätig zuzusetjfcn. Sie wird sich nicht nur nach Kräften den Versuchen in den Weg stellen, die Arbeiterschaft wirtschaftlich herabzudrllcken, sie wird vielmehr mit aller Entschlossenheit ihre Fortschritte auf dem Wege zur politischen Freiheit zu verteidigen wissen. In jahrzehntelangem Kampfe hat die Sozialdemokratie den Obrigkeitsstaat niedergerungen, die Staatsgesinnung und das politische Bewußtsein der deutschen Arbeiterschaft entwickelt. Sie wird alles daran setzen, um diese Stufe der Entwicklung zu behaupten. Der Große der Bedrohung der Freiheit und der Demokratie wird die Schärfe ihres Abwehrkampfes ent- sprechen. Je mehr bürgerliche Parteien gegen diese Grenze des Erreichten vorstoßen, vorwärtsge.rieben von den rechten Par- teien der offenen und grundsätzlichen Reaktion, um so schärfer wird auch der Abwehrkampf der Sozialdemokratie werden. Die reaktionären Parteien, die Deutschnationalen und die Völkischen, drängen auf die entschiedene Auseinandersetzung des Bürgertums mit der Sozialdemokratie. Die Auseinander- setzungen, die jetzt von den bürgerlichen Parteien eingeleitet worden sind mit dem Aufwerfen der Schutzzollfrage, mu dem Abbau des Achsstundentages, mit dem Abbau der Republl- kaner, mit der Bedrohung der arbeitenden Massen, mit neuen ungerecht verteilten Steuerlasten, müssen mit Notwendigkeit zu einer großen und entscheidenden allgemeinen politischen Auseinandersetzung führen, wenn die bürgerlichen Mittel- Parteien haltlos dem Drängen der Rechten nachgeben. Bei dieser Auseinandersetzung hat die Sozialdemokratie die Zeit und die Zukunft für sich. Sie wird ihr dar,- m nicht aus- weichen und sie wird diesen Kampf mit aller Schärfe führen. Haben die bürgerlichen Kreise, die jetzt so leichtfertig die Restauration des Obrigkeitsstaates gegen die Arbeiter be- treiben, gänzlich vergessen, daß die Sozialdemokratt« eine Kampfpartei ist?_ Sein Rücklrlttsgefuch des Hannoverschen poNzeipräfidentea. Die Pressestelle des Oberpräsidiums Hannover teilt mit, daß dl« von einigen Zeitungen gebrachte Nachricht, der Polizeipräsident von Hannover , v. Beckerath, habe im Zusammenhang mit der Sache Haarmann sein Rückttittsgesuch eingereicht, falsch ist.
Sinü wir üenn wirklich öarbaren! Oder wird das deutsche Gewissen gege« Bayern erwachen? Es ist nicht gerade ein Ruhmesblatt der deutschen bürger- lichen Parteien, daß mit der einzigen Ausnahme des würt- tembergischen Demokraten 2r H e u ß kein einziges bürger- liches Mitglied des Rechtsausschusses sich zu der angekündigten nichtoffiziellen Sitzung eingefunden hat, um den Bericht Ernst T o l l e r s über Rieoerschönenfeld anzuhören. Aber gleichviel: jetzt ist das Wesenlliche aus den mündlichen Schllderungen Tollers durch den Bericht in der gestrigen Abendausgabe des„Vorwärts" öffentlich bekannt geworden, und es ist für niemand mehr möglich, sich den zur Sprache gebrachten Dingen blind und taub gegenüberzustellen. Auch diejenigen Blätter, die der Sozialdemokratie am ieindlichsten gesinnt sind, müssen Farbe bekennen: entweder ie schweigen die von Toller gemachten Mitteilungen tot und >ann bedeutet das nicht nur das E i n g e st ä n d n i s ihrer Richtigkeit, sondern auch eine S o l i d a r i s i e r u n g mit den grenzenlosen Gemeinheiten und Ungerechtigkeiten der baye- rischen Justiz- und Gefängnisverwaltung: oder sie müssen versuchen, die Anklagen Tollers mit Hilfe desjenigen Mate- rials zu entkräften, um das sie die zuständigen Münchener Stellen werden ersuchen müssen. Ein Drittes gibt es nicht, es fei denn, daß In ihnen das Gewissen erwacht und daß sie ihre Stimme mit den Stimmen aller anständigen Menschen vereinigen, um ein Ende dieser schändlichen Zustände zu fordern. Deusschland» Ehre steht auf dem Spiel. Nicht nur wegen der Zustände in Niederschönemeld. sondern auch wegen des Justizmordes an Fechenbach. Ein Volk, das sich gegen solche Dinge nicht aufbäumt, das zu bequem und zu feige ist, um solchem schreienden Unrecht ein Ende zu machen, verliert den Anspruch darauf, von seiner Kultur und von seiner Ehre zu sprechen. Das deutsche Volk hat sich während des Krieges und nachher stets wie ein Mann dagegen erhoben, daß die Propaganda der Gegner es als ein„Barbarenvolk", als „Hunnen " und als„Boches" beschimpfte. Nicht, daß man damit die unvermeidlich« Tatsache bestreiten wollte, daß in einer Armee von vielen Millionen es nur allzuviele sadistisch odev-verbrecherisch veranlagten Menschen geben mußte, die sich barbarische Handlungen zuschulden kommen ließen; aber das deutsche Boll wollte durch seine Entrüstung einerseits von diesen Verbrechern im eigenen Lager abrücken, andererseits gegen die pharisäische Heuchelei protestieren, die es so hinstellte, als ob es im anderen Lager keine solchen Verbrechers gab. Was jedoch die bayerische Justiz- und Gefängniszustände betrifft, so handelt es sich da nicht um Einzelerscheinungen, sondern um ein staatlich organisiertes und gedecktes System der Rechtsbeugung, Rechtsungleichheit, Gefangenenfolterung und Kulturwidrigkeit, um ein System, das einer bestimmten politischen Gesinnung entspringt und bestimmten politischen Zielen dient. Wer diese Zustände fördert, gutheißt und auch nur durch Stillschweigen duldet, macht sich einer Ehr- und Kulturlosigkeit schuldig, die zu bekämpfen ein« elementare sittliche und nationale Pflicht jedes Deutschen ist. Deshalb geht unser Appell an alle Männer und Frauen Deutschlands , ohne Unterschied der Partei, die mit ihrem Ge- wissen darunter leiden, daß in Bayern das Recht und die Mensch- lichkeit polttisch-systematisch mit Füßen getreten wird: vereinigt eure Stimmen zu einem machwollen, unwiderstehlichen Chor der Ankläger, bis wieder Recht herrsche im zweitgrößten deüi- sche'n Lande. Insbesondere ergeht unsere Mahnung an solche bürgerlichen Politiker wie Spahn, Fehrenbach. Schücking. Wirth. Düringer, Bell. Brodauf, Kahl. Erkelenz und manche andere, die im Reichstag schon wiederholt dafür eingetreten sind, daß auch ihren po- littschen Gegnern Recht zutell werde: Sie dürfen nicht schweigen, sie müssen mit der Sozialdemokratie fordern, daß der Reichstag , zunächst in seinem Rechtsaüsschuß, sodann im Plenum, sich mit den bayerischen Zuständen befasse und dort endlich wieder einigermaßen Ordnung schaffe!
Huf öem Lanöe. Don Hermann Horn . Ich komme durch die kühl« Halle des Schlößchens, und Therese. da» fleißige Mädchen, schreit auf: �Herrje, wie Sie schwitzen!"— So heiß war es auf dem Spaziergang den Fluß entlang gewesen. Nun setze ich mich auf einen weihen Gartenswhl.— Nebe» mir schreibt eine Dame mit hurtiger Feder einen langen Brief, und daneben liest eine ander« die„Brüder Karamasoff". Hier ist es schattig, und wie der Körper langsam abkühlt, zieht «in süßer, alle» umfassender und aufnahm« berei'.er Ernst in mich ein. Ein Brunnenschwengel läßt etliche heisere und schrille Tön« oernehmen, und die Störche auf dem benachbarten Schulhaus« be- ginnen zu klappern. Di« Geräusche erwecken in mir ander«, die Erlebnisse des Spazierganges waren. Sie mischen sich mit dem Krachen und Stöhnen hoher Tannen, durch deren Wipfel der Wind streicht, und dem leisen Wispern der Buchenblätter. Ein flacher, breiter Ast In halber Manneshöh« steht vor mir» den der Wind an einer Seit« leicht hochhält und ihm die Bewegung gekräuselter Wellen gibt. Hier an diesem Zweig mtt seiner Menge verschieden bewegter und doch nach einer Richtung aufgestörter Blätter hatte ich gedacht, wäre ein Bild de» ganzen Geheimnisses von Blättern im Winde male- rifch zu geben. Ach, wie ruhten die Augen hier aus über dem Blumenschmuck der Wiesen, in dem blühende Obstbäume standen. Etliche waren zu einem«nmutigen Knie gebogen, etliche kerzengerade, andere streckten ihre runden Aest« nach dem Boden und dazwischen, ganz im Hintergrunde, dehnte sich um ein halb offenes, kleines, schwarzes Fenster die Fläche einer weißgrünen Wand. Sie lag im Laub ver> steckt, manche Teile beschattet vom Grün, audere im Licht« der Sonn«, und an einer Stelle über dem Fenster hatte die Wand ein Wirrnis von Leben, das heiter, erquickend und ernst war. Durch alles zog das nie rastende Triebhaft« und Wechselvolle der stets nehmenden Natur, in der alles beeinflußt und empfängt und wieder empfängt und beeinflußt und alles dem Wechsel der Veränderung dient. Wie mir«in Gegenstand au» der Tasche fällt, liegt quer über dem Weg die langousgestreckte Leiche eines Regenwurms. An der Außenfläche ist st« schon oerdorrt und vertrustet, und am oberen Ende haben zwei große Käfer den Leib geöffnet und sich im saftigen Fleisch verbissen. Sie sind beide gepanzert, der eine in Schwarz , der andere in goldigem Grün. Ein dritter kleiner Käfer läuft begehrlich darum herum, und«in« prachtvolle Fliege mit roten Augen tastet alle- mit ihrem Saugrüssel ab, summt auf, summt nieder, läuft über den Körper der beiden Riefen und wagt sich zwischen die gewaltigen Gebißzangen, die das Fleisch zermalmen jrnd zerreißen.
Ich habe mich auf die Erde niedergekniet und nehme allgemach immer mehr Einzelheiten in mich auf. Ganz klein«, winzige Ameisen nähern sich. Sie sind auf einmal in Menge da. bedecken den langen Wurmleib, machen bald hier, bald da in Scharen«inen Angriff. Auch an den Beinen und Leibern der zwei Käfer suchen sie Nahrung. Aber die Panzer halten fest. nur daß die Starken hin und wider die langen, gerippten und g«. gliederten Bein« vom Boden heben und die Ameisen davon ab» streifen. Die Flieg« ist sofort, wie die kleine Schar gekommen ist. entsetzt davongesummt. Auf einmal aber geht eine gewaltig« Bewegung durch den Wurmkörper. Der grün« Riese hält ihn hoch in die Luft, der schwarze hält fest. Der Leib reißt in zw«! Stücke. Der Grün« schleift ncch im Schusse die Schlang« ein Stück Weges, der Schwarz« nimmt sein kleine» Stück«nlschlossen mit den Fängen, hält e» hoch über den Kopf und läuft durch den Kies in die Wiese. Ein Teil der Amelsen folgt ihm In gleichmäßiger, furchtbarer Emsigkeit, ein anderer bleibt zurück und überzieht den Grünen und die Beutestelle, wo er das Fleisch herauszerrt. Es kommen immer mehr. Zu Zweien und zu Dreien tasten sie den langen Körper de» Opfers ab,— da ist nicht» und da ist nichts— dort aber ist die Nahrung, und es geht über die offene Stell« her. Aber sie haben noch eine Beut« gefunden. Der tlein« Käfer muß irgendwie unter mein Knie gekommen sein oder unter meine aufgestützt« Hand, al» ich. um besser sehen zu können, die S�llung gewechselt hatte. Ich seh« plötzlich mit Entsetzen, wie er stch mit gebrochenen Flügeln und mit heraus» hängenden Eingeweiden durch den Sand schleppt. Eine Lmei!« ist zuerst über seinen Körper wegmarschiert, hat gestutzt, gewendet. und nun hängt sie an seinen Eingewe-den, und ändere folgen ihr. Der kleine Käfer ergibt stch in sein Schicksal, bleibt ruhig auf der Seite liegen, rafft sich noch einmal auf und wird nach einer letzten Anstrengung vom Gewimmel der Kleinen bewältigt und lebendigen Leibe« aufgefressen. Des Grünen gepanzerten Leib scheren nicht noch so viel« Amelsen. Ich seh« nun feinen schönen Kopsschild mit den schwarzen Kugelaugen, denen es nichts schadet, wenn die Füße der Ameisen hineintreten. Ich sehe diesen Kopf immer deutlicher, er wächst in mir zum Unbestimmten. Riesige Ausmaße urzeitlicher Raubtier« bekommen die scharfen, runden Zangen, die wie rascher Atem mtt der Gleich. Mäßigkeit einer Maschin« da» Fleisch bearbeiten, während verbor- gen« Werkzeuge«» einer unsichtbaren Maulöffnung zuführen. Der ganze gepanzerte Kopf und der Körper sind in Wollust versunken, nur zuweilen geht ein zuckendes Leben hindurch, wenn die Beute gezerrt und geschüttell wird. Vielleicht könnten ganz fein« Ohren«in böses Knurren ver- nehmen. Nichts stört die versunten« Hingab« diese» sich mit Leiden- schaft neue Kräfte einsaugenden Geschöpfe», weder der Ameisen» Haufen, der«» zwingt, den Loichnam weiter aufzureißen, noch der
Wind, den ich mtt der Hand mach«, oder der Sand, den ich über es schütte. Eine grausame Sucht, in Spiel und Tätigkeit die eigene Macht zu zeigen, ist nach dem neugierigen Gmusen über mich ge- kommen. Da kommt«in anderer grüner Käfer vorbei und plötzlich zuckt der Versunkene zusammen. Ich fange da» Tier und lasse es vor ihm wieder kaufen. Meine Hand hat davon einen abscheulichen Geruch bekommen, der Grüne aber hat den Fraß sein lassen, ist rasch ein Stück zurückgetre'.en und steht nun, auf sein« vielen Beine gestützt, in Spannung und Kampfbereitschaft mtt hocherhobenen Zangen da. Wie ich, noch befangen, mich erhoben habe, schlägt die Gong- glocke zum Abendbrot, und ich sehe die Augen der Dame über chr Buch hinweg fragend auf mich gerichtet. »Was haben Sie?" „Es ist gut, daß wir Metzger haben, die uns das Fleisch her- richten," erwiderte ich bestürzt und errötet«. „Wann wird zum erstenmal die Einrichtung vorgenommen worden sein." fahre ich fort,„daß Metzger, Koch und Gärtner uns die Mahlzett vorbereitet haben?" und werde noch mehr verwirrt. Ich will auf die Ameisen deuten und ihre Deute, aber eben schreitet die Magd vorbei, und ihr breiter Fuß zertritt alles.
Hruß an Ernst Toller . Don Joseph us. Sett drei Tagen ist Ernst Toller in Berlin , der Dichter der .Maschinenstürmer" und des„istnkematin", ein erfolgreicher Drama- ttter. ein Lyriker von Kraft und Inbrunst und— was uns mehr bedeutet: ein Märtyrer für das Proletariat, d-r fünf Jahr« in jener bayerischen Festung gesessen hat, die noch„Nieder- schönenfcld" heißt und inoffiziell in allen anständigen Ländern Europas die deutsch « Kulturlchande genannt wird. Wären wir noch in der Laze. uns den„Luxus eines Kullurgewissens" zu leisten, dann wäre heute(trifft Toller"nicht der einzige lebendig der bayerischen Justiz Enironncne. dieser Justiz, die so wenig eine„irdische Gerechtigkeit" handhabt, daß man stch wundern muß, wenn man eines ihrer Opfer noch auf irdischen Pfaden wandeln sieht. Es ist eine geradezu mm- physische Justiz: fchickrc si« dach Ludendorfs in die Walhalla und un- zählbare Prcletaner ins Jenseits! Deshalb grüßen wir in Toller «inen Auferstairscnen. Eine Wiederkehr aus bayerischer Gesangen- schaft ist ebenso wunderbar wie ein« Auferstehung. Man kommt, ihn zu bestaunen. Die Presse ist so gedrängt in semer Nähe, daß sich seder emzeln« Schmock auf seine eigenen Hühner- äugen tritt. Ach! es ist dieselbe Press«, die stch gar nicht danach gedrängt hat. gegen dl« bayerische Festungshast zu schreiben: dieselbe Presse, die ein Verbot in Bayern mebr fürchtet, als sie ein„Intcr- view" mit Toller ersehnt: diese Presse, die sich alles leisten kann- Photographen, Zeichner. Berichterstatter— nur nicht eines: den Muü Was ihr an dieser Eigenschaft abgeht, ersitzt st« durch Zudringlichkeit. Und so kann man seit drei Tagen sihen, w!« fix dl« deutsche Jrmr- nalistst ist. wenn»in« das Gefängms verläßt. Aber sÄt s�-