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Eine faule Segrünöung. Hamm über die Zollvorlage. Der Reichswirtschastsminister Hamm sieht sich genStigt, in einer Unterredung mit dem Vertreter der»Kölnischen Zeuung" die Gründe jür die Haltung seines Amtes zur Z o l l- vorläge bekanntzugeben. Liest man den Inhalt der langen Ausführungen, so erhält man den Eindruck, daß die Regierungsstellen miteinander ein Komplott eingegangen sind� um ihre eigenen Forderungen zu diskreditieren. Ist schon schriftliche Begründung der Zollvorlage ein Ku- riosum, so sind die Mitteilungen Hamms gerade das Gegen» teil einer sachlichen und stichhaltigen Beweisführung für die Notwendigkeit der Vorlage. Der Reichswirtschaftsminister behauptet, die Vorlage fei notwendig zum Abschluß von Vertragsverhandlungen, die Deutschland den Weg zum Weltmarkt gegen die Schutzzoll- Politik anderer Mächte eröffnen solle. Herr Hamm erspart sich die Mühe, auf den wesenllichsten Einspruch einzugehen, der gegen diese Auffassung bereits vorgebracht wurde. W i r haben ja einen Zolltarif, der Handelsvertragsver- Handlungen zugrunde gelegt werden kann. Es ist der alte Zolltarif von 1902. der sogar mit einigen Verschärfungen für Industriewaren in Gellung ist und der vollkommen ausreichen würde, um als Grundlage für Verhandlungen mit Auslands- staaten zu dienen. Weshalb daher die Regierung anstatt einer Ermächtigung zu Verhandlungen aus der geltenden Grundlage nachzusuchen, sich für zwei Jahre die Ermächtigung geben lassen will, diese Zölle auf dem Wege der vereinfachten Gesetzgebung abzuändern, ist nirgend ersicbllich. Sollten für diesen Zweck wirklich einzelne neue Zollfestsetzungen not- wendig fein, so konnte die Regierung diese verlangen; es be- steht aber kein Grund, mit dem Dorwande der Außenhandels- Politik zollpolitische Forderungen zu stellen, die weit über o i e s e s Ziel hinausgehen. Herr Hamm deutet auch an, daß man noch weitere Zollsätze mit Hilfe der angestrebten Ermächtigung erhöhen will. Die Wünsche, die hier von den Interessenten geltend gemacht werden, sind für die äugen- blickliche Lage überhaupt ohne Delang, da ja das Loch im Westen noch offen ist. Es bleibt also Zeit genug, eine weiter- greifende Regelung der Zollfrage vorzubereiten. Wir sind durchaus nicht Gegner von Zöllen, die den Handelsverträgen zugrunde gelegt werden. Der Abschluß solcher Verträge ist in der Tat die einzige Grundlage für eine freie Handelspolitik, die die internationalen wirtschaftlichen Beziehungen fördert. Weshalb man hier aber Dinge, die nicht zusammen- gehören, miteinander verquickt, ist nicht ersichtlich, wenn man nicht die politischen Hintergründe der jetzt ange- bahnten Zollpolitik durchschaut. Keinesfalls jedoch ist zum Abschluß der Handelsverträge die Aufrichtung des G e t r e i d e schu tz z o lle s und seine sofortige Inkraftsetzung erforderlich. Für die meisten Staaten, die gegen Deutschland einen besonderen Zollschutz aufgerichtet haben, kommt der Getreidezoll als Objekt von Hanoelsoer- tragsverhandlungen gar nicht in Betracht. Diese Staaten haben vielmehr ein erhebliches Interesse an dem Absatz ibrer In- dustrieprohukte. Eine bevorzugte Behandlung deutscher Waren in Amerika wird durch die Wiedereinführung des Ge- treidezolls erst recht nicht zu erreichen fein, da die Ver- einigisn Staaten ein viel zu geschlossenes Wirtschaftsgebiet darstellen, als daß sie auf den immittelbaren Setreideabfatz nach Deutschland angewiesen wären. Aus all diesen Gründen besteht gar keine Veranlassung, jetzt um handelsnolstischer Ziele willen dem Boll das Brot zu verteuern. Das, was das Reichswirtschaftsministerium jedenfalls zu der Vorlage vorbringt, find nur faule Ausreden für das mißratene Werk der Zallvorlage anstatt einer sachlichen Begründung, auf die das Volk noch vergeblich wartet und wahrscheinlich immer vergeblich warten wird.

Jahren erleben wir«s zweimal täglich wie stumm sie ist, wenn einer ins Gefängnis gelangt; und wie totenstill, wenn Proletarier massakriert werden. Sie ehrt den sozialistischen Tod durch Schweigen. Ernst Toller steht nicht wie ein.weltfremder Schwärmer" aus. Es ist Ensogi« in seinem dunklen, jüdischen Gesicht,«r hat den Blick eines Beobachters, nicht den eines versonnenen Träumers. Er spricht und formuliert schnell. Es ist Festigkeit in seinem Wesen, in seinem Gesicht der Skeptizismus des Erkennenden und die Hbffnung des Gläubigen. Gedanken, Hoffnungen, Emtäuschungen, Energien hat er fünf lang« Jahr« komprimiert. Plötzlich erlebt er die Freiheit, die immer ein Wunder ist, auch, wenn man st« erwartet und sich auf sie vorbereitet. E, gehört ein« groß« Kraft dazu, sich auf Sachlichsten zu konzentrieren, Red« und Antwort zn stehen, wo di« Fragen so banal, so unwürdig sind, so gedankenlos, so schablonenhaft, wi« sie frei herumlausende, außer Festungshaft befindliche Journalisten her- vorbringen können. Ich gestehe, daß ich mit Toller kein.Interview" gehabt habe. Auf di« Frage: Wie geht es Ihnen? hätte er mir mit Recht antworten können: Ihnen gesqgt solang« Mühscnn in der Hast stirbt!...,. Und so gilt dies« Gruß an den befreiten Ernst Toller feinen gefangenen Genossen. Von ihnen weiß der Dichter oiel mehr zu erzählen, als von sich selbst Erich Mühsam ist nicht mehr fähig,«m halbes Jahr Festungshaft lebend zu überstehen. Aber es ist auch nicht leicht möglich, ihn zu retten. Und so werden wir, so wird Europa zuschen. wi« ecn Unschuldiger langsam zu Tode g«- fa l te r t wi r d. Niemand regt sich darüber auf. Alz Toller vor- gestern im Restdenztheater zum erstenmal seinenHinkemann" sah und am Scheuß über die Qualen semer Mitgefangencn sprach, wer war da von der Presse anwelend? Die Theaterkritiker der bürg«r< lichen Blätter, die aus ein Drama, wie.Hinkemann", well es prole» tarisch« Schmerzen behandelt, den großen Bannfluch de« Berliner Kritikerverbandee schleudern und aus gekränkter Ae th'tmkehle:Ten- denzt Tendenz!" schreien. Wo aber b beben die Leitartikler? Frei- lich die Begeisterung der Zuschauer war grenzmlca.>'« galt dem Stück dem Dichter, den Gefangenen in Nisderschonenfeld. Aber gültig ift hierzulande nicht die Stimm« des Volles. Ueber ein Stück ent- scheiden die Kritiker, über Leben und Tod der deutschen Dichter di« Justiz celdwebel. Im Rechtsausschuß des Deutschen Reichstages sprach Toller am nächsten Tage über die bayerstche Justiz. Aber nur ein Demokrat kam und hörte zu. All« bürgerlichen Parteien blieben zu Haus«. Wie? Fürchteten sie«in« menschliche Regung? Hotten si« Angst vor der Erschütterung des so unwahrscheinlich widerstandsfähigen Ge- wifsens? Si« erinnern an d>« Anekdote von jenem Kapitalisten, der feinen Dienern zurief, als ihn ein verhungerter Bettler besuchte: .Schmeißt ihn hinaus! Er bricht mir sonst da« Herz!" Man möchte nicht gerne«inen befreiten Dichter begrüßen mit der Mahnung: Sie reden tauben Ohren. Ihr Genosse Mühsam leidet an Lrterwstleros« Es rst die deutsche Krankheit. Ernst Toller ! Die Gehirnverkallung grassiert! Erich Mühsam ist in d-r Gefangenschaft taub geworden! Aber di« bürgerlichen Politiker sind schon längst taub gewesen! Indem wir Sie grüßen, weinen wir, Dichter Toller!...

Die väffetdorfrr»vnstcwsstell«»». dl? in int Sr» de» Kölner M e l! e b a i l e n geben muhte, da der Kunstpalast in Dusseldors von der ffcnzöfi'chen Beladung beschlagnahmt worden ist. ist gestern durch den Kölner Oberbürgermeister Adenauer feierlich eröffnet worden.

Zßr Keiegsbeschäölctte und Erwerbslose. Die Sozialpolitik im Reichshaushaltsausschuh. Der Reichshauehaltsausschuß beschäftigte sich in seiner Sitzung am Sonnabend mit den Beschlüssen de» Sozialpolitischen Ausschusses und des Ausschusies für Kriegsbeschädigtcnsragen. Reichs- finanzminister Dr. Luthe-r erklärte nach einem Ucberbltck über die Lage des Haushalts der Finanzen und der Reichskass«, daß die Re­gierung bestenfalls 60 Millionen Mark über di« im Haushall bereits verfügten Mittel flüssig machen könne, was bedeute. daß die vorliegenden Anträge angenommen werden könnten, mit Ausnahme des Antrags des Kriegsbeschädigten- o u s s ch u s s e s, sowell er ein« nachträgtich? Aufwertung der an die Kriegsbeschädigten mit 20 Proz. Erwerbsbe- schränkung gezahlten Abfindungssummen vorsehe. Hier handell es sich nicht um Abstellung eines schweren Notstandes, die hierfür erforderlichen IS Millionen ständen nicht zur Verfügung. Der Minister fand Unterstützung bei dem Vertreter des Zentrums, während ihm die Vertreter der Sozialdemokrat!« und der Deutschen Bslkspartei lebhaft entgegentraten. Ein Antrag, di« Frage auf«inen späteren Zeitpunkt zu vertagen, wurde mit 11 Stimmen der Sozial- demokraten, Kommunisten, Deutschen Volkspartei und Deutfchvölti» schon abgelehnt. Trotz der energischen Erklärung de« Fmanzministers, daß die Regierung außerstande sei, für diese Angelegenheit schon jetzt Mittel zur Verfügung zu stellen, wurde die Abfindung mit IL gegen io Stimmen beschlossen. Dafür stimmten die Sozialdemokraten, die Kommunisten, die Deutschvöllischen und die Deutschocllksparteiler. was den Finanzmtnister zu erregten persön- lichen Auseinandersetzungen mit den Vertretern der Deutschen Bolls- partei veranlaßt«. Die Beschlüsse des Ausschusse» für Kriegsbe. schädigtensragen sind damit sämtlich gutgeheißen worden. Im übrigen drehte sich der Kampf um die Gestaltung der Er- werbslosenunterstützung. Der Sozialpolitisch« Ausschuß hatte«ine Erhöhung von 20 Proz. beschlossen. Die Sozialdemokratie trat vor allem für eine ErhöhungderFamiltenzuschläge sehr wirksam ein. Zugestanden wurde schließlich eine Erhöhung von 40 Proz., jedoch mll der Maßgabe, daß die Parteien dazu Deckung»- antrage stellen sollen. Damit wird sich der Haushallsausschuß am Montag befassen. Die Anträge des Sozialpolitischen Ausschusses zur Wochenhilfe und Invalidenversicherung fanden Zustimmung.

veutstbnationale und öeamtenabbau. Aus dem Landtag wird uns geschrieben: Die Lcmdtagssttzung vom Freitag schloß mit einer Enthül» lung der deutschnationalen Wünsche über de» Beamtenabbau. Der Landtag hatte die sozialdemokratischen Anttäge auf Aufhebung der preußischen Personalabbauverordnung mit von anderen Parteien gestellten Anträgen an den Beamtenaus- fchuß verwiesen. Der Ausschuß hatte am Donnerstag abend be- schlössen, die Verordnung zwar nicht aufzuhben, aber er nahm ein« Entschließung cm, wonach die Staatsregierung dem au« politischen Gründen vorgenommenen und beabsichttgten Abbau von sozialdemokratischen Oberbürgermeistern durch di« reaktionären Stadtverordnetenversammlungen entgegen­treten soll. Genosse Hirsch beantragte deshalb die Sitzung des Landtages um ein« Stunde zu vertagen, damll dieser Ausschuh- beschluß noch angenommen werden kann. Während der Vertagung sollte der Beschluß verteill werden. Der Antrag auf Dertagung wurde auch angenommen. Da aber die Drucksache zur Feststellung der Tagesordnung noch nicht.vorlag, genügte der Einspruch eine» einzigen Abgeordneten, um die Festsetzung der Tagesordnung mit dem Berichts, des Beamtenausschusses zu verhindern. Den Einspruch erhob der, wie er sich selber nannte, Leamtenvertreter Ebersbach mit feiner deutschnationalen Fraktion, Darauf beantragte Genosse Hirsch«ine neu« Sitzung mit dieser Tagesordnung am nächsten Donnerstag abzuhalten. Für diesen Antrag ergab sich aber kein« Mehrheit im Landtag«. Herrn Ebersbach gebührt der Ruhm, di« Ausnutzung der Per- sonalabbauverordnung zur Beseitigung mißliebiger Beamter ver- teidigt zu haben. Nicht allein durch den Widerspruch, sondern auch dadurch, daß er die Drucklegung des Ausschuh» beschlusses verhindert hat. Infolge der Geschäftsord- nungsdebatte war genügend Zell vorhanden zum Druck de» Antrages. Herr Ebersbach ließ sich aber als Berichterstatter den Antrag, wozu er wohl berechtigt war, noch einmal vorlegen. Er verzögerte aber die Rückgabe so lange, daß der Druck unmöglich wurde. Warum«r da» tot. ging au« einer Bemerkung hervor, die er zur Geschäfts- ordnung machte. Er sagte: .Sie wollen die sozialdemokratischen Oberbürgermeister er- halten, wir aber wollen sie beseitigen." Das also war der Zweck der Handlung. Mll so schoflen Mitteln wird die gesetzwidrige politische Ausnutzung der Abbauoerordnung durch reaktionär« Stadtverordnete gefördert. Das kennzeichnet die Gesinnung dieser Sorte von Beamtenvertretern. Dabei war es Herr Ebersbach selber, der am 21. Februar d. I. im Landtage erklärte: Es besteht aber die Gefahr, daß mll diel« Notverordnung politisch«r Mißbrauch getrieben wird/ Cr hat es vorausgesehen und vorausgesagt! Nur daß w keinem Falle di« Linksmehrheiten in den Stadtverordnetenversammlungen ihre Macht zu politischem Mißbrauch des Beamtenabbaues au«> nutzten. Diese unerhörte und freche Beugung de« Rechtes blieb den vorübergehend zur Macht gekommenen Angehörigen der Rechts- Parteien in den Gemeinden vorbehalten. Und diese Herrschaften verschleiern diesen Rechtsbruch nicht einmal, sondern rufen es noch mit zynischer Osfenhell in di« Well hinaus. Dies« Sorte von Machtpolititern ist so brutal, wie sie es unter Wilhelm dem Ausgerissenen sein konnten, auch heute noch. Wo sie nur können, bauen sie die Repubüt ab. Deshalb müssen sich alle demokratisch Gesinnten mll um so größerer Kraft für die Erhaltung der Demokratie einsetzen._

Die Beschaffung von Agrarkrediten. Auf der am Freitag in Berlin stattgefundenen Ernährung«» ministerkonserenz stand im Dcrdcrgrund der Beratungen die Frage der Kredite für die Landwirtschaft. E- sind, wie der Sozialdemokratische Porlamentsdienst" in Ergänzung des amtlichen Berichtes erfährt, zunächst nur 100 Millionen zur Verfügung gestellt worden. Sie reichen nach der Auffassung der moßgeden- den ötell« zur Finanzierung der Ernte nicht aus. Es besteht jedoch die Hoffnung, daß bald ein neuer großer Kredit bereitgestellt wird, Zur Ermäßigung des Zinssatze» wird der Reichsernährungsminister noch besonder« Verhandlungen mit der Reichsbank führen. Im Streit über den Derteilungsmodus sind di« Vorschläge Preußens durchgedrungen: vi« Verteilung erfolgt jetzt üoer die Länder und von diesen aus an die verschiedenen landwirtschaftlichen Kredit» institute, Genossenschaftskassen, Landschaften usw. Berührt wurden auch die viel umstrittenen Fragen zur Umgestaltung der landwirtschaftlichen K re di t o r g y n i s a t i»n e n. Der Plan eines selbständigen Vorgehens der Länder in dieser Frag«

wurd» vorläufig aufgegeben. Geplant ist ein einheitliches Vorgehen zur Erlangung von Inlands- und vor allem von Auslandskredit. Dieser ist jedoch nach Auffassung der maßgebenden Stellen erst nach einer günstigen Regelung der Reparationsfrage denkbar. Gegenwärtig ist bereits eine Zentrolagrarkredlt stelle im Entstehen begriffen. Sie soll zunächst als Ersatz für die weiter- gehenden Plan« hinsichtlich der Umgestaltung d«r Rentenbank dienen, die von der Entente nicht gebilligt wurde.

Kommunistische parteibefekle. Di« Scholem-Iünger in der KPD. scheinen sich an manchen Orten direkt zu überschlagen. Die kommunistischeRote Fahne des Ostens" bringt es wirklich fertig, einen sogenanntenPartei. befehl" der ostpreußischen Bezirksleitung der KPD. zu veröffent» lichen, in dem man folgende Anweisung«» für den täglichen Um- gang mll den Mllmenschen findet: Jeder Kommunist als Stadtverordneter oder Mitglied hat seinen Klassenseiod als persönlichen Gegner zu behandeln. Wo ein« bürgerliche Veranstaltung stattfindet, die politisch für das Bürgertum wirbt, haben alle Kommunisten fernzubleiben oder die dafür von der Parteileitung herausgegebenen Anweisungen zu befolgen. Jeder Umgang mit sozialdemokratischen Angestellten, auch in den Gewerkschaften, hat den Charakter des politisch scharfen Kampfes gegen die Gewerkschoftsbureoukratts überhaupt zu tragen. Ein persönlich fteuodschafkliches Verhältnis gibt es mll diesen Klassen- feinden nicht." Mit diesem neuen Knigg« in der Hand werden die KPD .» Gläubigen in Oftpreußen hoffentlich well kommen. Schließlich hat die hohe Bezirksleitung nicht unrecht. Wenn schon das Rowdytum zum politischen Prinzip erhoben wird, dann ist nicht recht einzusehen, warum es nicht auch auf private Beziehungen Übertrogen werden soll._

Milde Richter in öapern. Ei« freisprach. ZNüuchea, 19. Juli. (Eigener Drahtbericht.) Bor dem Schöf- fengevicht in Würzburg hatte sich dieser Tage der Strohhülse.r» fabrikant Johann A s ch e r l wegen Vergehens gegen das Gesetz zum Schutze der Republik zu verantworten. Er nannte in einem Eisen- bahnabteil anderen Reisenden gegenüber den ermordeten Erzberger einen meineidigen Schuft. Lumpen und Betrüger, der das deutsche Volk um 16 Millionen Mark betrogen habe, und den ermor- beten Rathenau bezeichnete er als Judensau: alle, diese Lumpen müßten weg usw. Vor Gericht suchte der Angeklagte seine damals gebrauchten Aeußerungen abzuschwächen, doch wurden sie durch Zeugenaussagen einwandfrei nachgewiesen. Der Staatsanwalt war der Ansicht, daß zwar eine öffentliche Beschimpfung vorliege, doch sei die ollgemeine sehr gereizte Stimmung damals(im Juli 1923) in Betracht zu ziehen, so daß die M i n d e st st r a f e von 3 Monaten Gefängnis mit voller Bwährungsfrist am Platze sei. Die Richter waren aber noch milder und sprachen den Angeklagten frei. Sie begründeten ihren Freffpruch damit, daß die von dem Angeklagten gebrauchten Ptoriö wohl als Beschimpfung betrachtet werden könnten, aber es fehle bei dem Eisenbahnabteil der Begriff der Oeffentlichteit. Es sei nur ein bestimmter Per- sonenkreis vorhanden gewesen. Wie man sieht, haben die Schöffengerichte in Bayern von den Dolksgerichten schon viel gelernt, Um die verfaffungsänderung. Die Vorarbeit für die bayerische Monarchie. München , 19, Juli,(Eigener Drahtbericht.) Trotzdem sich die Mehrheit de» bayerischen Volkes im Frühjahr d. I. gegen die Aenderung der republikanischen Verfassung ausgesprochen hotte, indem es den Volksentscheid der Bayerischen Volkspartei ablehnte. oersucht dieselbe Partei nunmehr im neuen Landtag ewe Ver- faflungsänderung zu erreichen. Zu diesem Zweck muß sie zuerst esn« Aenderung de»§ 92 der Verfassung surkunde durchsetzen, der in noch schärferer Weise wie der entsprechende Artikel der Reichsverfassung für verfassungsändernde Gesetze eine qualifizierte Mehrheit des Parlamente verlangt. Der Antrag der Bayerische » Voltspartei auf Aenderung dieses§ 92 wurde am Samstag im Berfa ssungsausschuß de» Landtag » beraten. Aber entgegen den Erwartungen der reaktionären Koalitionsmehrhell ließen sich die Völkischen nicht ein- fangen und stimmten gegen den Antrag. Dieser wurde dennoch im Ausschuß mll einfacher Mehrhell angenommen. Im Plenum wird er fallen, da zu seiner Annahme eine Zwo-idrittelmehr-. h e i t notwendig ist._

Strafantrag de? Reichswehr . Breslau , 19. Juli. (Eigener Drahtbericht.) Im vorigen Jahrs veröffenttichte dieBreslauer Volksmacht" mehrer« Angriffe gegen den Reichswehrminister wegen der Beziehungen zwischen schlestschen Reichswehrsoldaten und privaten, bewaffneten Ocgani- sationen, die vom Reichswehrministerium oberflächlich abgeleugnet wurden. Vergebens verlangt« unser Parteiblatt damals wiederHoll, der Reichswehrminister möge Beleidigungsklage erheben, damit di« Behauptungen vor Gericht bewiesen werden könnten. Das Reichswehrministerium schwieg sich aus. Jetzt, nach über einem Jahre, wird endlich«in Strafverfahren gegen dieVolks- wacht" eröffnet, nachdem in der Zwischenzeit die Möglichkeiten eines Wahrheitsbeweises für di« vorjährigen Vorgänge natürlich geringer geworden sind. Aber auch jetzt noch scheint man diesen Wahr» heitsbeweis zu fürch'en, denn es ist nur ein einziger Satz aus einem Artikel unseres Parteiblattes unter Anklage gestellt worden, der«in« formale Beleidigung Geßlers entHallen hat. Es besteht somll di« Gefahr, daß«in Wahrheitsbeweis von dem Gericht über- Haupt nicht zugelassen wird. Kein badisches flrbeitsminifterium mehr. Minister Engler soll Leiter der Gelverbeaufsicht werde«. Karlsruhe , 18. Juli. (Eigener Drahtbericht.) Dem badischen Landtag ist ein Gesetzentwurf zugepangen. räch dem das badisch« Arbeitsministerium ab 1. Oktober 1924 aufgehoben unh sein« Geschäftsangelegenheiten dem Minister de? Innern, dem Genossen Reinmele, überwiesen werden. Der bisherig« Arbeitsminister Genosse Dr. Engl er wird zum Präsidenten des Gewerbe» aufsichtsämts ernannt und ihm die Leitung und Verwaltung des gesamten Arbeiterschutzes, der Tanffverträg«, des Schlichtung-- wesens, der Wohlfahrtspflege sowie die Versicherungsgesctzgebung und di« Durchführung des Bersicherungsordnungswefens übertragen. Dadurch erhält das Eewerbeaufsichtsamt die Bedeutung, welche di« bodische Fabritinspettipn vor dem Kriege hatte. Nur die Wosser- und Straßenbaudirektion ist dem Finanzministerium übertragen worden. Alle« übrige bleibt beim Gewerbtaussichtsamt. Die rechtsstehenden Parteien haben seit Monaten eme form- lich« Hetz« gegen das Arbeitsministerium entfallet und fein« so, fortige Aufhebung im Landtag beantragt. Nun haben ihnen di« Koalitionsparteien durch die vorstehend angegebene Regelung den Wind au» den Segeln genommen. Es besteht kein Zweifel, baß der Gesetzentwurf angenommen wird.