Nr. 34241. Jahrgang
Beilage des Vorwärts
Die Massenvergiftungen in Görbersdorf.
Wie die Katastrophe entstehen konnte.
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Vier oder fünf Tote?
Es mar vorauszusehen, daß die Massenvergiftung der Patienten| zahlreichen Patienten unterzeichnet. Der Erfolg war, daß man einem und Angestellten der Dr. Brehmerschen Lungenheilanstalt in Gör- Batienten als sogenannten„ Rädelsführer" eine Blitzkur gab, d. h. bersdorf nicht nur großes Aufsehen, sondern auch eine tiefgehende er mußte bald abfahren. Der Herr Chefarzt fuhr nach Berlin zur Unruhe hervorrufen würde. Diese Beunruhigung äußert sich durch Beschwerdeführer warten bis auf den heutigen Tag noch auf eine Reichsversicherung und es blieb alles, wie es gewesen war. Die täglich zunehmende Zuschriften und Mitteilungen und telephonische täglich zunehmende Zuschriften und Mitteilungen und telephonische Antwort von der Reichsversicherung. Die Patienten mußten des und schriftliche Anfrage an die Redaktion des„ Borwärts". Münd- halb, wenn ihre Kur nicht erfolglos fein sollte, weiter in ihre Tasche lich und schriftlich wird immer wieder bezweifelt, daß eine harmlose greifen und sich zu der Beföstigung zulaufen. Viele hatten Erfrischungsspeise die Ursache einer so furchtbaren Massenvergiftung ihre eigene Butter und Wurst, andere ließen sich sein könne. Wir wollen in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, von Hause senden. Wieder andere nahmen Milchkuren bei daß unsere Mitteilung, daß die Vergiftung von verdorbenen Kote- den Bauern. Wenn sie alle einmal ein vernünftiges Essen haben letten herrühren soll, bisher direkt weder abgestritten worden ist, wollten, so gingen sie nebenan in das Hotel, daß mit den Patienten noch entkräftet werden konnte. Man hüllt sich in Schweigen. Um Patienten, die zahlreich weiter vorgetragen wurden, wurden von der Brehmerei" sein bestes Geschäft machte. Einzelwünsche der die Bereitwilligkeit der Verantwortlichen zu einer weitgehenden rest- den leitenden Aerzten ebenfalls mit unverbindlichen Worten erledigt. losen und rücksichtslosen Aufdeckung alles dessen, was zur Klärung der Katastrophe dient, zu fördern, veröffentlichen wir zunächst zwei Zuschriften aus Patientenfreisen. Ueber jeden Zweifel erhaben ist heute schon die Notwendigkeit, die in ihrer Genesung furchtbar zurückgeworfenen und schwer geschädigten Patienten durch weitere Kur und andere Vergünstigungen wenigstens etwas zu entschädigen. Die Reichsbehörden täten gut, Garantien zu geben und im übrigen dafür zu sorgen, daß der Deffentlichkeit nunmehr schnelle Aufflärung zuteil wird, besonders auch über die in der ersten von uns veröffentlichten Zuschrift aufgestellte Behauptung, daß bereits fünf Todesfälle vorliegen, während bisher immer von vier Toten die Rede war.
Görbersdorf als Familien- G.m.b.H.
Als Dr. Hermann Brehmer vor 70 Jahren in Görbersdorf die erfte Lungenheilstätte einrichtete, vollbrachte er damit eine soziale Tat. Soziales Wirken und Schaffen war auch sein Lebenswert. Obwohl er dafür von den herrschenden Kreisen in Breußen und Deutschland nicht sonderlich geachtet und geehrt wurde, wurde fein Ruhm desto mehr von allen denen, die ihn in seinem Wirken tennengelernt hatten, in alle Lande getragen, und Dr. Hermann Brehmer erlangte mit seiner Heilstätte Weltruf. Leider wurde seinem Wirken nach 35 Jahren durch seinen Tod viel zu früh ein Ziel gesetzt. Seine Erben waren in den ersten Jahrzehnten nach seinem Tode ernstlich bemüht, das Erbe Hermann Brehmers hochzuhalten. Anders wurde die Sache, als die Anstalt mit in den Dienst der sozialen Gesezgebung gestellt wurde. Seit län gerer Zeit werden in Dr. Brehmers Heilanstalt vorwiegend Patienten der Reichsversicherung für Angestellte zur Heilung geschickt. Wer aber heute die Anstalt besucht, findet leider von Dr. Hermann Brehmers sozialem Geist nichts. Die Anstalt ist ein reines privatmirtschaftliches Unternehmen geworden. Wo ist der ehemalige herrliche Park mit seinen wundervollen Anlagen? Wo sind in der Anstalt die der Neuzeit entsprechenden notwendigen Einrichtungen? Wo ist das Wollen Hermann Brehmers „ Alles nur zur Gesundung der kranten Menschheit"? An den Gebäuden wird nur der Verfall notdürftig verhindert. Jetzt ist eine Familien G. m. b. 5. von 11 Familien mit rund 30 Erben vorhanden, die ängstlich darauf bedacht ist, daß der Betrieb der Anstalt auch Profit herauswirtschaftet. Als Aufsichtsrat diefer Familien- G. m. b. 5. fungiert ein leitender Direktor einer sehr bekannten Breslauer Großfirma. Seit vielen Monaten haben die Patienten die privatwirtschaftliche Lüchtigkeit dieser FamilienG. m. b. H. besonders gespürt. Die Klagen über schlechte Rost waren an der Tagesordnung, doch wurden sie im Frühjahr so start, daß die Batienten ernstlich auf deren Abstellung drängten. Die tägliche Nahrung für die Lungentranten sete sich wie folgt zusammen: 20 Gramm Butter, 40 Gramm Fleisch, 18 Gramm 3uder, ½ Liter Magermilch, Blümchenkaffee, Wald- und Wiesentee ohne Beschräntung. Brot reichte nie zu, die Patienten mußten es sich stets erst erbitten, 1 Brötchen mit Marmelade oder Kunsthonig. Dafür gab es aber Kartoffeln ohne Beschränkung. Gemüse und dergleichen war bis in die letzten Tage hinein ein Leckerbissen, der nur an hohen Festtagen gereicht wurde. Dazu kommt noch, daß allem Essen ein bestimmter Bujah von Soda beigefügt wurde. Man weiß schon warum und bei der eiweißlofen Kost ein allzu vorsorgliches Beginnen. Anfang Mai wurden die Patienten deshalb vorstellig, eine Beschwerde an die Reichsversicherung wurde aufgesetzt und von
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Bon Clara Rahka.
Das schien ihm denn doch ein hohes Spiel zu sein. Erst saß sie einem jungen Künstler hinter dem Rücken des Alten Modell, und dann sollte er noch die Beche bezahlen. Es imponierte ihm. Er bewunderte Livia.
,, Gnädigste Prinzessin, verkaufen würde ich dieses unvergleichliche Kunstwerk niemals." Er sah sie mit seinen dunklen, wie in Del schwimmenden Augen möglichst ausdrucks
voll an.
Diese Huldigung von diesem Manne, angesichts der Venusstatue, empörte Livia aufs höchste. Die Anwandlung von Milde vor der Schönheit des Kunstwertes war per flogen.
,, Sie müssen die Statue hergeben, es ist Ehrenfache!" sagte fie aufflammend.
Langsam og Fratelli die Schultern empor.., Ber soll mich zwingen?"
Run begann Casapi mit fein ausgemeißelter Redekunst, und der Prinz warf Zahlen und Ausrufe dazwischen. Bergebens.
Schließlich bat der Prinz. Fratelli lächelte nur.
Livia war aus dem Haus heraus, auf die Straße gegangen; fie tonnte nicht Zeuge der Verhandlungen sein. Es mar, als feilschte man um sie selbst. Sie setzte sich in den Wagen und wartete. lim nichts in der Welt hätte sie sich länger vor diesem gewöhnlichen, hohlköpfigen Menschen gedemütigt.
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doch sein
Branco ging vorüber, sah Livia, ahnte den Zusammen hang- auch er war auf dem Wege zu Fratelli Herz war völlig verstockt.
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Als der Prinz und Casapi aus dem Torbogen famen, sah Livia sogleich, daß irgend etwas eine günstige Wendung brachte, denn Casapi war in ein Lächeln getaucht.
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Brinzessin," sagte er mit einem höflichen Winden seines ganzen Körpers ,,, vielleicht ist es auch Ihnen nicht bekannt, daß es sich hier um eine alte griechische Statue handelt, die in Syratus ausgegraben wurde und dort im Museum steht." " Nein, das bin ich!" sagte Livia wütend. Niemand in
Die Katastrophe vom 13. Juli und ihre Folgen.
Nur in einem solchem Milieu mar es möglich, daß man am Gonntag, den 13. Juli, ein Mittagessen vorsehen konnte, das durch und durch verdorben war. In der amtlichen Untersuchung Erdbeerspeise allein war. Weit über 200 Patienten, Anist noch gar nicht endgültig festgestellt, ob es die gestellte und Hausmädchen erkrankten unter den fürchterlichsten Qualen, die Vergiftungserfrankungen verursachen. In dem amtlichen Bericht des Kreismedizinalrates heißt es:„ Die An= staltsleitung hat sich der Lage in jeder Weise gewachsen gezeigt." Diese Worte haben bei allen Patienten ein Lächeln hervorgerufen. Wir stellen deshalb fest, daß in der Nacht vom Sonntag zum Montag nicht nur alle Patienten, sondern auch die Schwestern und die Aerzte erfranften, so daß nur ein Assistenzarzt der Nebenanstalt und eine Schwester für mehr denn 200 Erfrankungen vorhanden waren. Die Kranten waren sich selbst überlassen und schrien teilweise wie ein Tier. Erst Montag, furz vor Mittag, wurde die Dr. Weifertsche Anstalt um Hilfe ersucht. Der Chefarzt war ja auch erst Montag früh von einer viermöchentlichen Bades reise zurückgekehrt. Erst in den folgenden Tagen setzte nach und nach eine regelrechte Behandlung der Kranten ein. Fünf Todesopfer sind zu verzeichnen: Der in seinem Fach tüchtige Oberarzt Dr. Rowe, der noch unter Dr. Brehmer tätig gewesen war, der bis zulegt in seltener Rüstigkeit seinen Dienst versehen hatte, der 84jährige Bademeister, 1 Privatpatient und 2 Versicherungspatienten. Ein Drittel der Patienten liegt noch zu Bett, und die anderen zwei Drittel friechen herum wie die Fliegen und hoffen auf Erholung der überstandenen Leiden. Alle müssen feststellen, daß der bisherige Erfolg ihrer Kur zunichte ist. Gewichtsverluste bis 18 und 20 Pfund sind pro Person zu verzeichnen. Wird man jetzt die wahren Ursachen erkennen und fie abstellen? Wird man die wahren, Schuldigen ermitteln und zur Verantwortung ziehen? Man wird vermutlich die Köchin in die Wüste schicken. Welche Wirtschaft in der Küche geherrscht haben muß, deutet der amtliche Bericht in feinem Saz an: Bielleicht spielen Ratten und Mäuse ursächlich eine gewisse Rolle." Also Ratten und Mäuse follen in solcher Zahl vorhanden gewesen sein, daß sie das gesamte Mittagessen von weit über 200 Personen vergifteten?
Wenn es in Zukunft besser werden soll, dann muß zunächst ein mal die Reichsversicherung sich die Anstalt genauer ansehen und sich flar werden, ob sie unter solchen Umständen der Anstalt auch weiter: hin Krante auf Gedeih und Verderb anvertrauen fann. Die Vertrauensmänner der Versicherten werden ihre Stimme besser zu Gehör bringen müssen wie bisher. Unbedingt nötig ist aber, daß das einseitige Dittat der Anstaltsleitung ein Ende nimmt, und daß Wünsche der Patienten gehört werden. Die Patienten müssen sich eine Bertretung der Leitung gegenüber wählen, wodurch sie zu ihrem Recht kommen. Allerdings wird das bei den Angestellten noch etwas leberwindung fosten, weil piele diefer guten Leute meinen, man fönne nicht etwas tun, was sonst mir die Arbeiter tun! Mit diesen Unbelehrbaren unter sich werden die Angestellten selbst ein fräftiges Wörtchen sprechen müssen, sie werden zu der Solidarität, die die Arbeiterschaft verbindet und vorwärts führt, kommen müssen, zu jener Solidarität, wie sie im Zentralverband der Angestellten und AfA- Bund gepflegt wird. Nur wenn sie sich durch einmütiges Zusammenhalten ein Kontroll- und Mitbestimmungsrecht über jene Anstalten erfämpfen, die doch im
Rom würde diese Märchen glauben, der Schleicher sollte einen solchen Unfinn gar nicht erst in die Welt seßen. Ich bin es," versicherte Livia nochmals nachdrücklich.
So?" sagte Monsignore lang gedehnt. Die Höflichkeit verließ ihn. Er lachte wirklich. Das hatte Livia niemals gesehen.
Es wunderte Casapi feineswegs, daß der Prinz und die Prinzessin die Venus von Syrafus nicht kannten; sehr viele, sehr gebildete Menschen kannten sie nicht, doch die Harmlofig keit, mit der Livia diese erlesene Schönheit für sich in Anspruch nahm, entzückte ihn. Sie muß es selbst am besten wiffen," dachte er und setzte sich froh bewegt in die hellblaue Kutsche. Ganz vorsichtig begann er der empörten Livia auseinanderzusetzen, daß diese Statue dennoch nicht sie selbst sei, sondern wirklich ein sehr altes Kunstwert- bis auf den Kopf und die Hand.
Ich weiß es nicht, ich weiß es nicht," jammerte der Casapi bedauerte ihn.
Brinz.
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Da ganz Rom lachte, mußte man einen hängen! Das fonnte nur jener Entführer sein. Hatte man ihn erst, dann würde es sich ja finden, ob man auch für die Prinzessin einen feidenen Strid drehen konnte.
Er würde schon reden, dieser Jüngling aus Palermo . Vor ein recht breites Tribunal mußte man ihn stellen, da würde sein Mut schließlich in ein Mausloch kriechen. laffen.
Doch Mut hatte das Bürschlein, das mußte man ihm Der Naub, die heimlich belauschte Prinzessin- wie sie felbst es darstellte! das war schlimmer als Susanne im Bade: es war eben eine öffentliche Angelegenheit, deren man sich gründlich anehmen mußte.
Am meisten aber hezte Livia felbst. Wahre Feuerströme gingen von dem verschlafenen Palaste des alten Prinzen
aus.
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Zur hohen Befriedigung aller waren denn auch die Häscher schon unterwegs.
Die mit schwungvoller Phantasie dachten es sich etwa so, daß Renzo zunächst einmal in Ketten durch ganz Rom geführt werden mußte.
Sonderbar mar nur das eine: in Renzo selbst verblaßte das Erlebnis. Er hatte seine Zeichnungen und das Ton
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Mittwoch, 23. Juli 1924
Grunde genommen für sie da sein sollen, für fie, die als Minderbemittelte im Kampf ums Dasein ihre Gesundheit eingebüßt haben und schwer geschädigt worden sind, erst dann werden solche möglich sein." Soweit das erste Schreiben, das von einer Anzahl entsegliche Vorfälle, wie sie sich in Görbersdorf ereignet haben, unPatienten mit unterschrieben worden ist.
Was ein Augenzeuge beobachtet hat.
Er schreibt uns:
,, Auf die in der Abendousgabe vom 21. d. Mts. mitgeteilte zu schrift des Chefarztes der Brehmerschen Heilanstalten in Görbers dorf übersende ich Ihnen einige persönliche Eindrücke, die ich bei giftung betroffenen nahen Verwandten am vergangenen Sonntag meinem Besuch einer dort befindlichen und ebenfalls von der Ber
gewonnen habe.
Bon einer völligen Ruhe habe ich, wenigstens am Sonntag, noch nichts merken können. Im Gegenteil, fämtliche Patienten, mit denen ich sprach, waren aufs höchste erregt und hielten mit ihrem feines wegs schmeichelhaften Urteil über die Anstaltsleitung nicht zurüd. Daß feine Patienten abgereist sind. stimmt wohl nicht in dem Maße, Reichsversicherung dorthin geschickt und dadurch nicht Herr seiner wie es behauptet wird. Der größte Teil der Patienten ist von der eigenen Entschließungen. Außerden waren diejenigen, die fort wollten, zum Teil noch zu schwach, um etwas unternehmen zu fönnen. Ich z. B. war eigens dazu nach G. gereist, um für meine Berwandte eine andere Unterkunft zu suchen, was mir denn auch gelungen ist. An eine fofortige Ueberfiedelung war aber auch infolge Schwäche der Kranken nicht zu denken. Die Hauptschuld schiebt man dem wirtschaftlichen Direktor zu, dessen Knauferigteit, besonders bei der Beschaffung neuer Wirtschaftsgegenstände, wie Kochtöpfe u. dergl., erst die Möglichkeit einer derartigen Katastrophe geschaffen zu haben scheint. Außerdem wurde sehr über mangelnde Sauberkeit geflagt. Wenn behauptet wird, daß die Anstaltsleitung der Situation gewachsen war, so stimmt das unter feinen Umständen. Ist es doch vorgekommen, daß man am Mittwoch nach dem Unglückssonntag eine fest daniederliegende Patientin überhaupt vergessen hatte, und selbst noch am legten Sonntag haben die Patienten erst zwischen 3 und 4 Uhr Mittagessen erhalten. Die Breslauer Schwestern, die zur Aushilfe gekommen waren und deren aufopfernde Tätigkeit durchaus aner. fannt werden soll, sowie die Leiter verschiedener anderer Sanatorien, mit denen ich sprach, schüttelten alle den Kopf. Geradezu erschütternd wirkte es, wenn man eine Patientin, die schon monatelang dort zur Kur war, flagen hörte, daß durch diese Sache vermutlich der ganze Erfolg verloren. gegangen sei. So wird es allen gehen. Eigenartig ist die Behauptung der Reichsversicherungsanstalt am vergangenen Sonn bag, daß feine Patienten gestorben wären, während der Chefarzt jetzt zwei Fälle zugibt. Daß es sich hierbei um schwer Tuberkulose. franke handelt, die, das tann man zwischen den Zeilen herauslesen, sowieso gestorben wären, ist ein schwacher Trost.
Es ist durchaus zu mißbilligen, wenn bei derartigen Anlässen die verantwortlichen Stellen ihre vorzüglichste Aufgabe darin erbliden, nur möglichst schnell festzustellen oder feststellen zu lassen, daß sie keine Schuld trifft. Sollte man dadurch jedem Versuch einer Schadenersagforderung von vornherein die Spihe abbrechen wollen? Die Reichsversicherung als Hauptinteressentin täte gut, mit der jezt in der Anstalt üblichen Wirtschaft der dortigen wirtschaftlichen Leitung aufzuräumen. Eine Anstalt, der alle äußeren Borzüge in dem Maße gegeben sind, hat der Allgemeinheit gegenüber die Pflicht, diese Vorzüge auszumußen zum Vorteil der leidenden Menschheit ohne Rücksicht auf den Geldbeutel irgendwelcher privatfapitalistischer Interessenten, feien es auch die Erben des verdienstvollen Gründers der Brehmerschen Anstalten."
Man ersieht aus diesen Zuschriften, daß die bisher verabreichten Beruhigungspillen nicht geeignet waren, den peinlichen Eindruc, den die Behandlung der ganzen Angelegenheit erweckt hat, zu be= feitigen. Man wird die Bermutung nicht los, daß man in der Görbersdorfer Anstalt vollständig den Kopf verloren hat. Biel schlimmer aber ist es, daß man der Deffentlichkeit die Katastrophe, die sich bereits am 13. Juli ereignete, nahezu eine ganze Woche vorenthalten hat, so daß die Presse erst am 19. Juli Nachricht erhielt.
modell zum Kopfe der Venus nach Monreale geholt, er wußte, es war nicht unmöglich, diese Arbeit noch einmal zu machen. Doch jetzt fonnte er nicht daran denten, denn alles, was tief in ihm lebte, gehörte der neuen Aufgabe, und Pater Matteo steigerte ihn noch mehr in diese Glut hinein. Er spürte mit großer Freude, was in diesem wilden Burschen steckte, und da, er die Dinge dieser Welt von einer höheren Warte aus betrachtete, erschien ihm der Raub zwar verwegen, doch auch wieder unschädlich. Vor allem hatte es dem jungen Menschen sozusagen die Lebensader angeschlagen, und Künstler im Sinne des tüchtigen und gedankenvollen Priors der Bene diktiner liefen selten in der Welt herum. So war er denn recht ruhig und dachte, die Kirche hätte einen langen Arm.
3war erwies sich nach einigen Wochen, daß er nicht lang genug war, um Roms hochgehende Wogen zu dämmen, denn vier barsch aussehende Männer in Uniform machten ihm klar, daß er ihnen Renzo Adriani auszuliefern hätte.
Sie sprachen zwar ehrfurchtsvoll, doch bestimmt. Pater Matteo hörte ihnen in gelassenem Staunen zu. Er ließ Renzo rufen, der mit einer hilflosen Gebärde an seine Beichte erinnern wollte.
Nein, das war nun ein Gebiet, das kein Gedante be= rühren durfte; Renzo blieb nichts anderes übrig, als die ganze Geschichte nochmals zu erzählen. Bater Matteo schüttelte immer wieder den Kopf, was für die Häscher so viel hieß, als daß dieser würdige Mann nicht ahnte, was für eine Schlange er an seinem Busen genährt hatte.
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Das Ende war fläglich; Renzo wurde gefesselt aufs Schiff gebracht. In der Tasche seines Begleiters die drei andern Uniformierten waren Gewaltige aus Palermo ſteckte ein Brief an den Prior der Benediktiner in Rom . Renzos einziger Trost.
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Das war
Er hatte nun lange Zeit, sich mittelalterliche Bräuche vorzustellen, doch bisweilen vergaß er es. Die Sonne ließ ihre glanzvollen Fanfaren erschallen, ganz gleich, ob einem armen Sünder das Herz zu einer Nuß zusammenschrumpfte und da sich der Glanz auf ein fo herrliche Land ergoß, wie das zwischen Neapel und Rom , fonnte es gar nicht ausbleiben, daß aud) Renzos sorgenvolle Gedanken immer bleichfüchtiger und schmächtiger wurden. Bismeilen löften sie sich in ein Nichts auf, dann erwachte sein Herz. ( Fortsehung folgt.)