geschulten Steucrbetrazs geworden war. Will das Rcichsfinanz- Ministerium gegenüber diesem Tatbestand behaupten, die Landab- gäbe sei wirtlich zu Ansang des Monats eingegangm. und nicht erst gegen Ende? 3. Aber der Steuerschuldner brauchte ja gar nicht den Weg offener Steuersabotage zu gehen, obgleich der Reichslandbund diesen Weg seinen Angehörigen mehrmals angeraten hat. Es gab ja noch andere Mittel, den größten Teil semer Steuerschuld durch die Geld- entwertung loszuwerden, z. B. die Zahlung durch mrbestäliglen Scheck. Nach dem Erlaß des Relchsfinanzmmisters vom 10 Oktober 1923 galt auch bei unbestätigten Schecks der Tag des Eingangs bei der Fmanzkasse als Tag der Zahlung. Das hatten die Land- wirt« sehr bald herausgefunden. Sie zahlten mit unbestätigten Schecks, die sich dann, wenn sie die Finanzkasse zur Einlösung prä- sentierte, als nicht gedeckt erwiesen. Dann erst sorgte der Agrarier ganz gemächlich für Deckung. Die Fmanzkasse war machtlos. Und so war es Regel, daß die Gutschrift auf das Konto der Fmanzkasse etwa 14 Tage nach Ablieferung des Schecks erfolgte. Was das bei der damaligen Geldentwertung bedeutete, braucht nicht gesagt zu werden. Will also das Reichsfinanznumsterium behaupten, die Land. abgäbe hätte in der ersten Hälfte des ZNonals gezahlt werde» müssen, während sie nur die Dummen in dieser Frist gezahlt haben? 4. Aber dem Fmanzmimstermm ist noch ein anderer Irrtum unterlaufen. Seine Entgegnung übersieht völlig, daß es sich bei den Zahlungen auf die Landabgabe in den fraglichen Monalen August bis Oktober um zwei Arten handelte: a) um die regulären Zahlungen für diese Monat«, h) um d>i« Vorauszahlungen für die Monate November bis Februar. Nur die regulären Zahlungen für August, September, Oktober waren an die gesetzlichen Zahlungsfristen gebunden.. Für die Vor- auszahlungen, die noch gar nicht fällig waren, gab es natürlich auch keine bindenden Fälligkeitstermin«. Wer also seine Landabgabe im voraus zahlen wollte, stichle den Zeitpunkt dafür aus, der ihm am günstigsten schien, und das ist ja der Kern meiner Behauptung, es »vor eine glatte Spekulation, die damals mit der Landabgabc ge- trieben wurde. Gegenüber diesem vierfachen Beweis wird das Neichsfinanzministerium seine Behauptung, für die Umrech- nung auf Gold dürften nicht die Monatsdurchschnittskurse ge- wählt werden, nicht aufrechterhalten können. Es bleibt also dabei, daß der Gesamtertrag der Land- abgäbe nicht 80, sondern nur 42 G o ld m i l li o- neu beträgt. Daß diese Berechnung die einzig richtige ist, ergibt auch ein Ueberblick über das Aufkommen der Land- abgäbe in den e i n z e l n e n M o n a t e n. Ueber den Monats- durchschnittskurs des Dollar berechnet, betrug dieses im August 1923.... 0078300 Goldmarl September,.... 18 897 000, Oktober m.... 3 508 800, November,.... 5075400, Dezember,..», 6 269 300 m Januar 1924..... 1 722 200 Februar...... 40700„ Insgesamt... 41 586 700 Goldmark Das Anschwellen des Ertrages im Monat September auf mehr als das Dreifache des Durchschnittsertrages der übrigen Monate kennzeichnet ihn ohne weiteres als H a u p t- spekulationsmonat. Schätzt man unter Hinzunahme der Monate August und Oktober den Anteil der Voraus- leistungen der Abgabe an dem Gesamtaufkommen dieser drei Monate auf nur 15 Millionen Goldmark, so ergibt sich eine Spekulation von riesenhaftem Ausmaß. Denn mit diesem Be- trage deckten die eifrigen Vorauszahler eine Steuerschuld etwa in Höhe des Fünffachen, also von 75 Goldmillionen, ab. Will das. �.Reichsfinan,zministerium den Goldertrag der Monate August bis Oktober noch höher ansetzen, um dieses Spekula- tionsgsschäft noch riesenhafter zu machen? Das wird es ebenso- wenig wollen, wie es feinen Staatssekretär Zapf wird Lügen strafen können, der am 21. Juli im Hauptausschuß in einer Polemik mit mir den Ertrag der Landabgabe selbst auf 40 bis 44 Goldmillionen angegeben hat!
Ist somit die Entgegnung des Reichsstnanzniinistcriums in diesem Punkte völlig unzureichend, so richtet sich das doch alles nur gegen einen Nebenpunkt. Meine Dar- stellung wendet sich nicht so sehr dagegen, daß 100 oder 50 oder 30 Proz. der Landabgabe zurückgezahlt worden sind, sondern darauf, daß hier 1. �Erstattungen" bzw.„Anrechnungen" aus„Uebcrzahlungen" erfolgten, die eine Spekulation darstellten, bei dem das Reich um Lierfünfiel seiner Steueransprüche geprellt wurde und daß 2. diese Rückzahlungen nach unerhört übersteigerten Ilmrech- nungssätzen erfolgten, so daß die Ueberzahler ihre überzahlten De- träge in vicisacher höhe zurückgezahlt erhalten haben. Auf beide Punkte hat das Reichsfinanz- Ministerium nlcht ein Wort der Widerlegung gefunden. An dem Spekulationscharakter der Ueber- Zahlungen geht es schweigend vorüber. Will das Reichs- finanzminifterium vielleicht unterstellen, die Landwirtschaft, die gerade die Landabgabe mit einer wütenden Hetze be- kämpft hat, hätte aus Patriotismus dem Reich die Steuer- Zahlungen für Januar und Februar schon ein halbes Jahr früher zur Verfügung gestellt? Nichts davon, reine Speku- lation, geschäftstüchtige Ausnutzung einer Steuerkonstinktur hat die Landwirtschaft zu diesen Ueberzahlungen gereizt. Und solche rein spekulativen Steuerzahlungen macht man zur Grundlage von Erstattungen! Das ist ungefähr so, als wenn ein Börsenspekulant Aktien kaust in der Hoffnung, darauf bald junge Aktien zu bekommen. Er spekuliert damit falsch und verlangt nun Erstattring des„überzahlten" Kaufpreises. Einstweilen mögen diese Bemerkungen genügen. Mag auch das Finanzministerium stolz daraus sein, daß es„ledig- lich" 22 Millionen Goldmork sind, die es den Großagrariern geschenkt hat, die Auffassung der ehrlich ihre Steuern entrichtenden Bevölkerungskreise ist eine andere.
Die Follpropaganüa üer Großagrarier« Eine Kundgebung des Deutschen Landwirtschastsrates. Zu den bekannten Zollforderungen der Großlandwirt- schaft veröffentlicht jetzt der Deutsche Landwinschastsrat ein längeres Gutachten, in dem er die Notwendigkeit der S ch u tz- z ö l l e erneut zu begründen sucht. Auch in diesen Darlegungen wird die Gefahr einer Extensivierung der landwirtschaftlichen Produktion eingehend und dringlich geschildert mit dem Ergeb- nis, daß nur Schutzzölle uns retten können. Bezeichnend ist, daß man auch in der Dantellung, die wissenschaftlich sein soll. offenbar unrichtige Argumente für die agrarischen Forderungen vorbringt. So heißt es u. a.: Man mußt« daher trachten, den oben zuerst augeführten Kar- dinalpunkt zu beseitigen: Das Mißverhältnis in den Be» trlcbsmittel- und Produktionspreisen. Di« Gründe dieses Mißverhältnisses erkennen, heißt, die Forderung aus Zoll er- heben. Denn warum kann man für 100 Einheiten landwirtschasi- licher Produkt« heut« nur 75 Einheiten der wichtigsten Betriebsmittel erhalten, während man vor dem Krieg« deren 100 erhielt? Der Grund dafür liegt vorwiegend in der unterschiedlichen zollpolitischen Behandlung von Industrie und Landwirtschaft. Diese Darstellung berücksichtigt in keiner Weise, daß das Mißverhältnis zwischen den Preisen industrieller Fabrikate und landwirtschaftlicher Produkte eine.In t e r n a t i o n a l e Er- s ch e i n u n g ist und infolgedessen mit der deutschen Zollpolitik allein nicht erklärt werden kann. Der deutsche Landwirtschoitsrat stellt es als oberstes Ziel hin, den landwirtschaftlichen Betrieb wieder rentabel zu machen. Er übersieht dabei vollkommen, daß die Rentabilität der landwirtschaftlichen Produktion durch Schutzzölle allein nie- m a l s gewährleistet werden kann, wie schon die Geschichte der Schutzzölle Deutschlands zeigt. Die Mindestschutzzölle sind, nachdem man erst einmal diesen verhängnisvollen Weg beschrit- ten hatte, bei Getreide von 1 Mark auf 5,50 Mark pro Doppel- zentner heraufgeschraubt worden; die Forderungen der Agra-
rier gingen aber noch weiter. Das ist em Beweis dafür, daß die Schutzzollpolitik keineswegs eine Garantie zur Herstellung jenesZustandes bietet, den der Deutsche Landwirtschaftsrat jetzt als erwünscht bezeichnet. Auch der gegenwärtige Vorstoß in der Zollfrage ist ja nur ein k l e i n e r Anfang. Genau so wenig wie die Landwirtschaft die Der- prechungen hat halten können, die sie bei der Einführung der reien Wirtschaft abgab— damals sagte man, dje Landwirt- chaft würde sich s ch o n s e l b st h e l s e n, wenn man erst ein- mal die freie Wirtschaft habe—, ebenso wenig wird man jetzt sich mit den vorläufig von der Regierung zugesagten Zöllen begnügen, sondern bald weitergehende Forderungen stel- len, wenn man den Interessen der Großlandwirte jetzt nachgibt. Im übrigen kann nicht eindringlich genug betont werden, daß Getreidezölle nur der Großlandwirtschaft zugute kommen, und daß das von schutzzollfreundlichen Beratern der Landwirtschaft schon vor Jahrzehnten festgestellt worden ist. Der Deutsche Landwirtschaftsrat hat also k e i n R e ch t darauf, seine Forderungen als diejenigen der gesamten deutschen Landwirtschaft hinzustellen. Den Bauern, die auf den Zukauf von Getreide und Futtennitteln angewiesen sind, wird ja bald ein Licht darüber aufgehen, wie sehr sie durch die verfehlte Schutzzollpolitik der Großagrarier geschädigt werden. Aber wir können uns derartige Experimente nicht leisten, besonders nicht im Interesse der Vcrbraucherschaft, deren Kauf- kraft für Brot heute mindestens ebenso sehr hinter dem Vor- kriegsstand zurücksteht, wie die der Landwirtschaft für Jndu- stricprodukte. Wenn man aber schon die Preisdifferenz zwi- scheu Industrie- und Agrarprodukten, die übrigens in letzter Zeit wesentlich nachgelassen hat, als Begründung der Zölle anführt, so hätte die Landwirtschaft das dringendste Interesse daran, darauf hinzuwirken, daß durch einen energischen Preisabbau für Jndustriefabrikate das Gleich- gewicht angestrebt wird. Davon hört man in der Landwirt- schaft nichts. Im Gegenteil ist der Landwirt geneigt, der Landwirtschaft die eigenen Produktionsmittel durch Schutzzölle zu verteuern, wenn er dafür Gegenleistungen in Form von Getreide- und Fleischzöllen erhält. Wo bleibt da die Logik? Oder glaubt man, auch die Sanierung der Land- Wirtschaft auf Kosten der Arbeitskrast und des Verbrauchs durch- führen zu können?_
Die FoUvoriage im Neichswirtfchastsrat. Gegen sofortige Jnkraftsehnng der Getreidezölle. Der- wirtschaftspolitische und der finanzpolitisch« Ausschuß des Reichswirtschaftsrates hat in gemeinsamer Sitzung den Gesetz- «ntwurf über Zölle und Umsatz st euern weiter beraten. Der amtliche Bericht behauptet dazu, daß die Absicht der Regierung, einen einheitlichen Schutz der gesamten nationalen Arbeit wieder herzustellen, von den beiden Ausschüssen mit 27 gegen 16 Stimmen gebilligt worden ist. In dieser Form ist die Meldung falsch. Der Antrag, der aus mehreren Teilen bestand, wurde in demjenigen Teile, der von dem Schutz der nationalen Arbeit sprach, nur mit einer Zufallsmehrheit von 2 Stimmen angenommen. insbesondere stimmien die Arbeitnehmer gegen den Entwurf. Weiter nahm der Ausschuß eine zweite Entschließung er, und zwar auch Mit Stimmen von Arbeitgebern der Industrie und gegen den Einspruch der Regierung; in dieser zweiten Entschließung wird die Dringlichkeit der Getceidezölle geradezu bestritten. Heißt es doch darin, daß der Zeitpunkt für das Inkrafttreten der Agrarzölle unter Berücksichtigung der Entwicklung der wirt- schaftlichen und politischen Verhältnisse des Reiches zu wählen ist. Mit anderen Worten besagt das, daß vor- läufig cm hie Irikraflsetzung der Getreidezölle nicht zu denken ist. In der Tat würden sie in dieser Zeit steigender Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit für die breiten Massen eine ungeheure Belastung bedeuten. In diesem Punkte ist die Stellungnahme des Reichswirt- ichaftsratez also eine Zurückweisung der Regierungsvorlage, wie sie besser nicht zu denken ist. Insbesondere gegenüber dem«mit- lichen Bericht ist das gerade mit allem Nachdruck hervorzuheben.
Dsr natwnmfoziaüftifche Mpthss. iW:r hörten da die Stimmen aus dem Münchner Büvgerbräu- teller— aber wir verstanden nicht die Göttersprache, die aus den Mechkrügen der Münchener Walhalla redete. Welche tiefe germanische Symbolik lag in dem großen Worte Hitlers : Hol' mir emc Maß. Da rief der Genius des deutschen Volkes nach dem köstlichen Meth aus Kwasirs Blut, nach dem germanischen„Bcgeisterungswunk", damit er nicht im Schöße der Erde, nicht in der Gewalt tückischer Mächte lleibe. sondern, daß er Menschen und' Gölter lab«. Aus dem Munde Hitlers , des listigen Ueberlifters, erklang das Wort Odins , des Man- derers: Wir müssen nun List oersuchen, denn ich will und muß von dem Gebräu kosten, und ich kenne der Künste mancherlei, die mir etwa dazu verhelfen." Und er trank sich Begeisterung aus Kwasirs Blut, der hohe Recke, und er begann den entsetzlichen Kamps mit dem Wolf der Vernichtung. Wer öffnete uns Blinden endlich die Augan für den tiefsinnigen Mythos des Münchener Brügerbräukellers? Der groß« Skalde Georg Schott war es, als er uns„Das Volksbuch von Hitler " schenkte. Hören wir den gottbegeisterten Sänger, dem es auch vergönnt war, von Kwasirs Blute zu trinken, kwaseln— nicht quassein: „Das Genie ist vordeigeschrrttcn und eine ganz- Welt strahlt im neuen Glänze. Es ist die lautere Wahrheit. Durch Hstler, durch die in ihm verkörperte Idee hat sich die Wandlung vollzogen. An allen Orten rührt sich's und regt sich's. Geheime Ahnung wb-d lebendig. Uralte Kunde und Sage wacht auf. Die Stimmen des Nibelungenliedes, der Edda , des Heliand, schlagen an unser Ohr und sprechen mit einem Male eine ganz neue, vertraute Sprach«. Es wird alles Wirklichkeit. Parsjfal nimmt Abschied von seiner Mutter Herzelorde und reitet in die Welt hinaus— der reine Tor, der jugendliche Heid, er bezwingt den„roten Ritter", nahezu waffenlos rückt er dem wohlgeharnischten Gegner zu Leibe und schlägt ihn aufs Hanpt; vor keinem macht er Halt, nur vor dem Kreuze sinkt er aufs Knie und betet es an. Lohengrin, der Bote aus Montjalvat, der Streiter für Unschuld und Recht, Siegfried, der Drachentöter und Räuber der Tarnkappe; alles wird wahr, wird Geschichte! Die alten Goten, die, ihren Toten auf den Schultern, von der Walstatt ab- ziehen, wir haben sie gesehen, mit Augen geschaut, und alles Volt m den Straßen barhäuptig, ergriffen, von einem Unsagbaren durch- schauert. Uralter Mythus erwacht, die Stimme des Blutes hebt an zu sprechen. Eine neue Zeit dämmert herauf. Mt Adolf Hitler haben wir ihren Anbruch erlebt. Was an vorbereiteten Sttmmun- gen und Ideen in der Lust lag, hier hat es seine Gestalluna ge- wonnen. Das Erleben des Mythischen hat eingesetzt in unserem Volke. Ueberall ist es zu spüren. Die Gotter der Edda, sie nahen sich, sie kommen." Gewiß, Odin stcht leibhaftig vor uns, and wir vernehmen seinen prophetischen Spvuch: Trunken ward ich und übertrun-ten In des schlauen Fialars Keller. Trunken mag frommen, wenn man ungetrübt Sich den Sinn bewahrt. Kwasirs Trunk machte ihn trunken, Hitler den Helden. Richter
rächten sich, Baldor büßte, Götter aber gärten gegen die ge- brechlichen Gäuche. In den Straßen Münchens wurden nach Schott Gottessttmmen hörbar, die den Hitler frei sprachen. Tiefsinnigste Deutung gibt Schott den Kinderversen, die in den Münchener Straßen und Gassen ertönten. Er schreibt:„Das war die erste Instanz, die in der Sache „Hitler und Genossen" das Urteil gesprochen hat. Es ist aber auch noch von anderer Seite aus gesprochen worden, die nicht offiziell be- rufen war, die sich srisch-fröhlich selber als Instanz aufgeschwungen hat und seitdem Recht spricht. Und dos ist die Jugend, das Volts- gericht der Kleinen. Achtung: Boltsstimme— Gottesftimme. In allerlei Sprüchlein und Abzählreimen, die nicht gerade schmeichelhaft sind für die Gegner der„Völkischen " und die mit dem Schlußvers endigen: „Eins, zwei, drei— Der Hitler, der ist frei" hat sich die Welt der Kleinen des Falles Hitler bemächtigt. Das und ähnliches ist es, was man heute in den Straßen und Gassen der Stadt hört. Und daß wir uns auch recht oerstehen: nicht nur im Innern der Stadt, wo die gutbürgerliche Jugend sich tummelt, nein überall: in Schwabing und in Sendling , aus der Dherefienhöhe und in Giesing , wo die Rotesten der Roten wohnen, wo der Marxismus zu Haus« ist. wo man mit Hirn und Kopf HiNer heute noch als fchärfften Gegner bekämpft, und wo man sich ihm mit dem Hcrzen bereits hingibt mit einer Selbstverständlichkeit, vor der alle Partei- doktrin verfliegt wie Spreu vor dem Winde. Es ist etwas Käst» liches um diese kleinen Derslein und Scheimcnlieder, in denen das Volk, ohne es selbst zu ahnen, das leßte, tiefft« offenbart, was in seiner Seele ruht." Uns dünkt, das Tieffte wird in den Münchener Kinderreim wie- der lebendig, dos was die göttliche Wala in mythischer Zeit schon kündete. Es rauscht der alte Baum, da der Riese frei wird. Wir könnten den nationalsozialistischen Mythos vom Baldor, Siegjried, Parzifal Hitler— die drei Vornamen mögen genügen — weiter dichten. Ueberlassen wir das den nationalsozialistischen Dichtern und Dintern. Kinderreime sind schlicht und kindlich, an- spruchsvolle nationalsozialistische Mythendichtungen der Schott und anderer Skalden find schlecht und kindisch. Paul Kampssmeye'r.
von üer»verbrecherphpfiognomie�. In der Berliner Gesellschaft für Anthropologie sprach dieser Tage Medizinalrat Prof. Dr. Strauch, der bekannte Berliner Gerichtsarzt, über die Anfänge und Borstufen der Kriminal- Anthropologie. Strauch ist seinerzeit ausgegangen von L o m b r o s o, dessen Lehre m Italien ja noch heute eine ganz andere Rolle spielt als bei uns. Später aber hat er sich von der Lehre des Italieners weit entfernt. Lombroso hat die Lehre vom„geborenen Verbrecher" ausgebildet: dieser sei durch körperliche Merkmale von seinen Mit- menschen unterschieden, zum Teil in augenfälliger Weis«, er zeige di- Merkmale niederer Rassen, mehrfach atavistische Elemente. Für
bestimmte Verbrechertaiegorien hat dann Lombroso körperliche Kennzeichen aufgestellt, die nicht der Beruf ihnen aufprägte, die sie vielmehr als Patengaben der Natur mitbekommen haben. Strauch bekannte sich mir in eingeschränktem Sinne zur Lehre Lombrosos. er teilt den Standpunkt des Berliner Strafrechtslchrers Kahl über die nur vermindert« Zurechmmgsfähigkeit des„geborenen Verbrechers". Und er legte das an den Bildern von Verbrechern der letzten Jahrzehnte, an ihren Schädeln u. dgl. dar. Daß gewisse körperliche Auffälligkeiten bei Mördern vorkommen können, dafür hat Strauch am Schädel des Berliner Lustmörders Großmann ebenso Kenn- zeichen gefunden, wie am Schädel des Dr. N o b i l i n g, der 1878 das Attentat auf den alten Wilhelm ausgeführt hat. Diesen Mann konnte er wenigstens bedingt unter die Verbrecher einreihen, ebenso wie L u c ch e n i, den Mörder der Kaiserin Elisabeth, während er politische Verbrecher' sonst mit Recht unberücksichtigt ließ. Nobiling zeigt in seinem reparierten Schädel eine„praemature Synostose der Kranznaht", dos heißt, die Hauptnaht der Schädeloberflüche ist a»f der einen Seite vorzeitig zugewachsen. Und Großmann weist ebenfalls an den Schädelnähten eine Abnormität auf: die Schäkel- nähte bilden ein Kreuz, das die ganze Schädelfläche überdeckt, und gerade dieses Kreuz gilt in Bayern als das Zeichen besonders frommer Gesinnung— denn dort pflegt man ja bei Auflassung von Friedhöfen nicht wie es im Norden oft geschieht, Schädel und Gebeine fortzuwerfen, sondern sie in Beinhäusern sorglich aufzubewahren und die Schädel, denen von Natur jenes selffame Nahtkreuz ausgedrückt ist, sind dann als die Ueberreste Gottesfürchtiger besonders geachtet. Eine„Mörderphysiognomie" aber gibt es nach Strauchs An» ficht nicht. Schon Caspar, der um 1850 Professor an der Ber - liner Universität war, hcrt die Behauptung aufgestellt, das Der- brecherische spreche sich nicht in besonderen positiven Kennzeichen, sondern mehr in der Negation des Gefühls auf dem Gesichte aus. Die Abwesenheit besonderer Gefühlsträger in den Zügen zeigt« auch Strauch an einigen Hauptverbrechern der letzten Zeit. Ander« Gesichter von Kapitalverbrechcrn zeigen aber einen fast regelrechten, sozusagen gutbürgerlichen Durchschnittstypus, sie sind vom Galgen- gesicht himmelweit entfernt. Höchstens kann man manchmal in Kleinigkeiten wie dem angewachsenen Ohrläppchen, einer charakte- ristischen Schiefheit der Gesichtshälften u. dgl. Merkmale aufführen, die im Sinne Lombrosos verwertbar sind. Im allgemeinen aber bietet die Physiognomik, wie sie Lavater begründet, und die von Gall geschaffene Lehre vom Hirn und seiner Bedeutung für die Schädelbildung, nur in sehr eingeschränktem Sinne«ine Borstufe für die Kriminal-Aitthropologie.
Die abgekühlte Volksbühne. Wir machten vo-r kurzem Mittel- lung von den Ventilatoranlagen, mit denen Max Reinhardt dem Publikum des Wiener Theaters in der Iofcfftadt während der heißen Tage Kühlung zufächeln läßt. Wie wir erfahren, bestehen solche Anlagen auch in unserem Volksbühnentheater am B ü l o w p l a tz, sind aber dort seit Jahren nicht mehr in Betrieb. Auf eine Anfrage, weshalb man den Berlinern die ÜLohltaten nicht zuteil werden läßt, deren sich die Wiener ersteue» dürfen, er- halten wir jetzt von der Direktton des Theaters am Bülowpla'tz d-'z Mitteilung,„daß die Entlüftungsvorrichtung der Volksbühne je nach