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Im September 1914 schrieb Tirpit: Alles ist legten Endes der| Spielerei zu verdanken. Vielleicht rettet uns das Volk und feine Kraft. Mit dem bisherigen Klassen- und Kastenwesen ist es Dorbei. Sieg oder Niederlage wir bekommen die reine Demokratie."( hört, hört! links.) Im März 1915 schrieb Tir­pig: Es ist ein unerhörtes Versagen unserer Oberschicht, mitverschuldet durch die Spizen. Ich habe das ja die ganzen Jahre, Jahrzehnte hindurch kommen sehen. Wie oft habe ich Dir gefagt, wie die Ratastrophe einmal fommen werde, wüßte ich nicht, sie müsse aber fommen.( Hört, hört! links.) Schon im September 1914, als er fah, wie das ganze Bolk aufgestanden war,

fchrieb Tirpit: Nach dem Kriege gehe ich unter die Sozi und fuche mir Laternenpfähle aus, aber einen ganzen Haufen. Denn es muß einer ganzen Hydra zu Leibe gegangen werden, wenn es besser werden soll. ( Lebhaftes hört, hört! links und i. d. Mitte.) Man darf die Borte des Herrn v. Tirpitz allerdings nicht ganz ernst nehmen.( Heiter feit.) Eine Reihe von früheren Abgeordneten, beispielsweise auch der frühere Vorsitzende der jetzt deutschnationalen Fraktion, Herr Dr. Dertel, haben gesagt, man farm das nicht allzu ernst nehmen, was er gesagt hat. Und einer ging so weit, daß er behauptete, die Balfen biegen sich, wenn er rede.( Große Heiterfeit.) Aff das berücksichtige ich, wenn ich die Tatsache feststellen will, daß er nicht Laternenpfähle aufgestellt hat. Denn er hätte ja schließlich alle die jenigen aufhängen müssen, die ihn neulich zum Reichstanzler machen wollten.( Große Heiterfeit.)

Ich will an ganz wenige Episoden aus der Vorgeschichte des Krieges erinnern. Hier an dieser Stelle flanden einmal im Jahre 1908 alle Parteiführer auf; von Seydebrand bis Singer über Liebermann v. Sonnenberg hielten sie aus Anlaß der" Daily Telegraph " Affäre ein Gericht über den Kaiser, wie man es schlimmer sich gar nicht vorsiellen kann. Alle Weit wußte oder fühlte es, daß dieser Mann geistes gestört war.( Unruhe rechts.) Ich erinnere an Konrad Born hat, einer der hervorragendften Mit­arbeiter der Kreuzzeitung ", der in seinem Buche" Deutsche

Geschichte unter Wilhelm II. " schrieb, daß die

Außerungen des Kaisers nur in einer tranfhaften Trübung der Geistesträfte ihre Erklärung finden, daß Wilhelm die Züge einer einfach unverständlichen sitt lichen Berwilderung aufweist.( Hört, hört! links.) Die Reden dieses Mannes, der über ein unglückliches Volk damals die furchtbarste Gewalt hatte, der das bekannte Wort gesprochen hat, der Admiral des Atlantischen Ozeans grüßt den Admiral des Stillen Ozeans, der die ganze Welt jahrzehntelang aufpeitschte, waren der nröbfte Unfug auf Kosten emes armen Voltes, das wahrhaftig om Ausbruch des Krieges feine Schuld trug. Aber sobald die Ver­ſtändigungsmöglichkeit da war, wurde von rechts mit Keulen schlägen dazwischen gefahren. Man wollte keine Berstän­bigung, man wollte den Siegfrieden. Das war es ja, was das ganze Bolt nachher in die Zerrissenheit hineinbrachte, da es sich mehr und mehr überzeugen mußte, daß der

Berteidigungskrieg umgefälscht werden sollte in einen wahn­wihigen Eroberungskrieg.

der jezigen Regierung erinnern, aber in der Zeit, als wir vor der Frage standen, ob wir unterzeichnen sollen oder nicht, hat der da­malige Reichskanzler Bauer am 22. Juni 1919 in Weimar fol­gendes ausgesprochen:

Die Regierung der deutschen Republit ist bereit, den Friedens­vertrag zu unterzeichnen, ohne je soch damit anzuerten­nen, daß das deutsche Volk der Urheber des Krieges fei und ohne eine Berpflichtung zur Auslieferung nach Art. 227 bis 230 des Bertrages zu übernehmen.

Die damalige Regierung hat schon ganz entschieden dagegen Berwahrung eingelegt, und so ist es geblieben bis auf den heutigen Tag.( Sehr wahr!) Alles, was da on Vorwürfen erhoben wird, ist unehrlich. Deshalb will ich noch daran erinnern, wovon leider auch tein Mensch mehr redet, und woran offenbar auch niemand mehr denkt. Nachdem die Regierung damals das große und schwere Opfer gebracht hat, die Unterzeichnung zu beschließen und auszu= führen, nachdem die Nationalversammlung sie dazu ermächtigt hatte, da war es sehr vielen Leuten, die große Töne gegen den Bertrag geredet und nicht alle Konsequenzen gezogen haben, sehr be quem und sehr angenehm, daß sich überhaupt eine Mehrs heit gefunden hatte. Und um diese Mehrheit überhaupt zustande zu bringen, war ein Abkommen getroffen worden darüber, daß ver­schiedene Parteien ablehnende Erklärungen abgaben, und in diesen Erklärungen stand, daß

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an der vaterländischen Gesinnung derer, die für die Unter­zeichnung feien, fein Zweifel erhoben werden könne.( Hört, hört! Zuruf rechts! Die Deutsch­nationalen aber nicht!) Ich will es Ihnen gleich vorlesen. Sie sehen, ich bin immer im Kampf mit Ihnen auf alles gefaßt und habe alles bei mir.( Seiterfeit.) Der erste Redner- Sie fommen gleich zuerst war Herr Abg. Schulz- Bromberg. Er hat gefagt:" Im Namen der Deutschnationalen Volks­ partei habe ich folgende Erklärung abzugeben: Wir stehen nach wie vor auf dem Standpunkt der Ablehnung des Friedensentwurfs und erheben unter Festhaltung dieses grundsätzlichen Standpunktes Widerspruch. Wir setzen als felbstverständlich voraus, daß jedes Mitglied der Nationalversammlung feine eigene Stellung nach bestem Wissen und Gewissen einnimmt."( Buruf bei den Deutschnationalen.) Es hat eine Vereinbarung bestanden. Der eine hat es mehr so, der andere so gesagt. Herr Abg. Heinze hat folgendes gesagt: Auf die Ausführungen des Herrn Ministerpräfi denten habe ich zu erklären: Selbstverständlich erkennen wir an, daß auch die Gegner unserer Ansicht nur aus vaterländischen Gründen handeln."( Hört, hört!) Weiter habe ich doch auch gar nichts ge­fagt. Was wollen Sie denn eigentlich? Jetzt wird schon wieder so getan und vielfach so geredet, als wenn damals die Männer, die, wie gesagt, das schwere Opfer brachten, die reinen Landesverräter gewesen wären!

Also ich stelle noch einmal fest: Wer die Schuld am Ausbruch des Krieges objektiv feststellen und fich nicht damit begnügen will, eine solche Agitationsrede wie Abg. Berndt zu halten, der muß mit seinen Forschungen dreißig bis vierzig Jahre Aber ich habe auch gesprochen von der

zurückgehen.

Erinnern Sie sich doch an die Zeit, als wir über Wilsons Vorschläge sprachen! Es find sehr törichte Reden damals hier gehalten worden. Schuld an der Berlängerung des Krieges. Damals in der fritidsten Stunde, als Lansing eine Note nach Deutschland geschickt hatte, machte der Kaiser die Bemerkung daran: Wer diese Schuld nachprüfen will, der wird unter all denen, die ,, Ein Wilson- Verständigungsfrieden wird weder vom Bolt, noch vom feine Verständigung wollten, die den Verständigungsfrieden als Heer; noch vom Kaiser afzeptiert."( Burufe der Natsoz.: Das hat doch einen Schandfrieden bezeichneten, all die finden, die sich unter nichts mit der Schuldfrage zu tun!) Ja, die Dinge, die Ihnen un den Rechtsparteien sammelten. Ich will sie nicht im einzelnen bequem find, müffen Sie auch schon mit anhören.( Sehr gut! anführen, die Alldeutschen oder Nationalliberalen, oder wie sie sonst links.) Wilhelm schrieb weiter: Es ist gut, daß Wilson hinaus geheißen haben. Man wird vor allen Dingen auch finden, daß gefchmissen wird." Noch eine andere Aeußerung Wilhelms: der Dirigent dieser ganzen Geschichte stets der General Ludendorff Einfach in den Sandschat hineinmarschieren, dann ist der Klagewesen ist. Und wer die Schuld am Zusammenbruch, die letzte maut fertig. Ich habe Ihnen ja vorher gesagt, daß wir fange Schuld am Bufammenbruch feststellen will-( 3uruf der Natioz: gemug den Mund gehalten haben. Aber wenn Sie es verlangen, Die haben Sie! Die hat die Revolution!) das ist Ihr Fraktions­fönnen wir auch auspaden. Das sind die Aeußerungen eines follege Ludendorff gewesen.( Lebhafte Zustimmung links.) Es Mannes, der erledigt ist. Das deutsche Bolt hat damit nichts zu gibt eine ganze Anzahl von Männern, die nicht alle Ludendorff tun. Das sind die Aeußerungen von phantastischen Eroberungs heißen und auch in ihren Qualifikationer nicht alle Ludendorff find. politifern, die in eine Raltwafferheilanstalt gehören.( Buruf b. d. Natsoz.: Der steht turmhoch über Ihnen! Gegenrufe ( Lebhafte Zustimmung bei den Soz, Lärm bei den Natfoz.) So links.) Ich bin auch dafür, daß Sie ihn da stehen lassen, fo wenig das deutsche Volk damals an der Seite des Kaifers gestanden hoch es irgendwie geht, ihn nur nicht hierherkommen laffen.( Er. hat, so wenig steht es jetzt an der Seite derjenigen, die unausgesetzt neute Zurufe b. d. Natsoz.) Da sich nun offenbar ein Freund der wieder mit dem Gäbel rasseln, ein Treiben, das im Hinblick auf die Herren Ludendorff und Ahlemann hier fortgesetzt meldet, Lage Deutschlands geradezu verbrecherisch genannt werden möchte ich doch sagen: Went wirklich eine größere Anzahl von muß. Offizieren von der gleichen Qualität gewesen wäre wie Herr HI e- mann, dann würde ich manches Borkommnis unter den Soldaten verstehen, das uns früher unverständlich gewesen ist!( Lebhafte Buftimmung links und in der Mitte.) Herr Ahlemann hat gestern in geradezu unerhörter Weise den Abg. Breitscheid beschimpft. Es geht aus dem Stenogramm hervor, daß das, was Abg. Breit scheid nachher hier aus dem Gedächtnis festgestellt hat, vollständig richtig ist. Ich will Ihnen aber weiter sagen: Richtig ist auch, was das Berliner Tageblatt" schreibt; das Berl. Lagebl." gibt nach der Schilderung des Vorkommnisses folgender Ueberzeugung Ausdruck:

Zu den Dingen, die man in Rechnung stellen muß und die man dem Herrn Reichsfanzler, wenn er etwa in London mit Reden tommen wollte, wie sie Herr Berndt hier gehalten hat, sofort um die Ohren schlagen würde, gehört, daß man uns entgegenhält: Bitte, was hat Deutschland gemacht auf der Friedenskonferenz im Baag?

Die deutsche Politif in der Schiedsgerichts- und Abrüstungs­frage 1907 hat der Reichsminister a. D. Si m ons eine der wesent­lichsten Ursachen des Kriegsausbruches 1914 und der deutschen Nie derlage genannt, weil sie die Welt mit Mißtrauen gegen Deutschland erfüllt hat.( 3uftimm. b. d. Soz. Unruhe rechts.) Wie Abg. Haas im Berl. Tagebl." mitteilt, hat Edmund Weber 1913 in feiner Schrift Krieg oder Frieden mit England?" gesagt: Wir nur beginnen müssen, sondern auch beginnen fönnen."

heßen zum Striege, weil wir glauben, daß wir ihn nun nicht

Die Aldeutschen Blätter", das Organ Liebermann von Son nenbergs, schrieb: Webers Gebantengang ist ebenso folgerichtig wie t'a pfer. Wir müssen entschlossen den Kampf aufnehmen durch Rüstungen, solange es 3eit ist durch Losfchlagen, wenn Zeit und Gelegenheit günstig ist."( hört! hört! links.)

Nachdem der Krieg ausgebrochen war, jubelten die Alldeutschen Blätter". Gie schrieben: Die Stunde haben wir ersehnt. Unsere Freunde

wiffen es."

Der Alldeutsche Tannenberg hat Anno 1911 schon den fünftigen Frieden in Baragraphen abgefaßt und seinem bösen und dummen Machwert die Einleitung gegeben:" Der Krieg darf dem Unterlegenen nichts laffen wie die Augen zum Beinen über sein Unglück."( hört! hört! b. d. Soz.)

Und dann ftellt sich ein Mann wie Herr Berndt hierher und hält eine Rede, die er uns hier vorgefeht hat. Dazu hat er wahr haftig feinen Anlaß gehabt.

Ich wiederhole: Protest gegen diese Behauptung, gegen diese Lüge, daß wir allein schuld feien! Aber ich protestiere auch gegen die unaufrichtigkeit, die darin liegt, daß man fagt: alle anderen sind schuld, und wir sind unschuldig. Wir find un­schuldig,

das deutsche Bolt ist unschuldig, aber die, die es damals geführt haben, haben ihr gerütteltes Maß von Schuld zweifellos ebenso gut, wie alle anderen Monarchen und Regierungen auch. Die Münchener Neuesten Nachrichten", die jetzt jeden Tag völkisch- patriotische Burzelbäume schlagen, bamen in der Silvesternummer 1918 auf diese unglückliche Zeit zu sprechen, die zum Kriege führte, und sagten da zum Schluß:

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Eine Zeit, die teine Persönlichkeit zur Verfügung hatte, eine Beit, in der Lateiengesinnung als eine beson dere Qualifikation galt, in der Kritiflosigkeit mit Patrio­tismus verwechselt wurde, ließ sich dieses wahnsinnige Be­ginnen gefallen."

Leider ist es heutzutage fast noch genau so schlimm wie damals, obwohl man annehmen müßte, daß selbst die jüngsten Leute, die heute aktiv und paffio wahlberechtigt sind, soviel geschichtliche Studien hätten mahen können, daß sie den Unsinn gar nicht mehr glauben fönnten, den sie jeden Tag in ihren Versammlungen vor­getragen bekommen. Das Bolt ist vollkommen einig in der Er­flärung: Wir weisen es zurüd, daß Deutschland die Alleinschuld trägt. Herr Berndt hat fo getan, als hätte niemots eine deutsche Re­gierung Protest erhoben. Ich will gar nicht an die Aeußerungen

Wir glauben, daß damit dieser deutschvölkische Abgeordnete Ahlemann für alle anständigen Menschen ohne Unterschied der Partei erledigt ist." ( Gehr richtig fints und in der Mitte. Erregte Zurufe der Natfoz.: Sie sprechen für Frankreich! Wollen Sie Bürgermeister pon Paris werden?!- Glode des Präsidenten.) Noch ein Zeuge! Außenminister Stresemann hat als Leiter der Partei in einer Bersammlung des Nationalliberalen Verbandes der Parteisekretäre in Berlin am 13. Oftober 1918 folgendes gefagt: Es ist in der Deffentlichkeit behauptet worden, der Reichstag habe versagt, die Nerven verloren. Demgegenüber muß doch betont werden, daß das Barlament ohne Unterschied der Partei in dieser Krise die gefün­desten Nerven gehabt hat. Die

Schwierigkeiten und Gefahren bringt?!( Sehr wahr! links und in der Mitte.) Weder Deutschland noch Frankreich werden eine sclche Krise, wie sie uns droht, ohne die allerschwersten Erschütte­rungen überstehen können. Infolgedessen haben beide Länder ganz besonders dankbar dafür zu sein, daß diese englisch- amerikanisch Berständigungs- und Vermittlungsaftion eingefeht hat. Ich will freilich nicht unterlassen, meinem Bedauern, darüber Ausdruck zu geben, daß eine solche Vermittlung zwischen den beiden großen Nachbarvöltern überhaupt erst noiwendig geworden ist. Die Anfänge der Regierung Herriot lichen uns erwarten, daß die beiden Bölter aus eigener moralischer Kraft den Weg zur Ver­ständigung finden würden. Wie fegensvoll wäre das für die gesamte Bir Sozialdemokraten weitere Entwicklung Europas gewesen! wollten die dirette Verständigung mit Frankreich. Darum haben wir die Amnestie, die die neue franzöfifche Regierung für das be= feste Gebiet verkündete, freudig begrüßt. Um so schmerzlicher müssen wir es bedauern, daß diese mutige Initiative einer freien Mensch­lichkeit sehr bald wieder durch eine rückläufige Bewegung unter brochen worden ist, daß im besetzten Gebiet neue Verurteilungen erfolgten und daß

durch neue Erklärungen der franzöfifchen Regierung über die Räumung des neubesetzten Gebiets und die friftgerechte Räu­mung des altbefehten Gebiets eine Unsicherheit entstehend, die schlechterdings unerträglich ist.( Sehr richtig! im ganzen Hause.) Wir bedauern es, daß schließlich in London das Bild entstand, als ob Frankreich alles verewigen wolle, was vom ganzen deutschen Boit als drückendes Unrecht emp­funden wird, als ob es sich nur widerwillig zu Erleichterungen Wir erblicken in dieser, wenigstens dem Anschein nad), entschlösse. veränderten Haltung der Regierung Herriot einen Erfolg des franzöfifchen Nationalismus, der geeignet ist, in feiner Rückwirkung dem deutschen Nationalismus wieder Wasser auf die Mühlen zu leiten.

Während des Krieges hat ein geistreicher Professor ein Buch mit dem Titel Helden und Händler" geschrieben. Seitdem ist es Mode geworden, daß man in einzelnen Ländern und Völkern nach dieser Art Händler oder Helden zu katalogisieren versucht. Ich möchte die Deutschnationalen fragen: Betrachten Sie sich selbst in ihrem ler? Zweifellos vor Ihrem Publikum möchten Sie als Helden, als Verhalten zum Sachverständigergutachten als Helden oder als Händ­Die erzgepanzerten Götter erscheinen. Aber hinter den Kulissen ent­mideln Sie händlereigenschaften, die verflucht orientalisch anmuten. Ich habe manchmal den Eindruck, daß ein Altkleiderhänd­ler aus dem Osten vor Neid eigentlich platen müßte, wenn er Sie an der Arbeit sieht.( Seiterfeit.)

Wie steht es denn nun eigentlich mit dem Sachverständi­gengutamten. Ist es das zweite Bersailles, wie Helfferich gesagt hat, oder ist es der Schwertstoß ins Herz des deutschen Boltes, wie Tirpig neulich sagte? Wenn das der Fall ist, dann sind Sie auf der Rechten, daß sage ich Ihnen auf den Kopf zu, drauf und dran, dies zweite Bersailles zu unterzeichnen, drauf und dran, den Schwertstoß in das Herz des deutschen Boltes führen zu laſſen. ist das Sachverständigengutachten das, als was Sie es in grenzen­loser Demagogie hingestellt haben, dann können Sie nicht noch zu dem Schluß femmen, es anzunehmen, ohne bewußt, nach dem, was Sie früher gefagt haben, nationalen Berrat zu üben.( Buftim­mung in der Mitte und links.) Ist es aber wahr, daß Sie das Gutachten gar nicht grundfäßlich ablehnen, und wird Wahrheit, daß Sie es zum Schluß doch schluden, wie wollen Sie dann selbst Ihre Haltung uns gegenüber bezeichnen, die wir von Anfang das Gutachten richtig gewürdigt haben? Ich weiß nicht, ob das Wort harmlosigkeit dann zu schlimm wäre. Aber vielleicht ist dies Ver halten, das wir als eine ungeheure Heuchelei empfinden, weniger auf Ihre raffinierte Absicht zurückzuführen, als auf Ihre Halt Tofigfeit, auf die Kämpfe innerhalb Ihrer Fraktion, die Sie hin und herwerfen, auf die Rücksichtnahme auf Ihre völkischen Nach barn. Sie fönnen nur ein Ziel, Ihre Partei in der Republik regierungsfähig zu machen.

Sie werden bereit sein, das Gutachten anzunehmen. Sie werden bereit sein, die Verfassung zu beschwören. Der Bürgerblod ist Ihnen eine Messe wert. Nur glauben Sie nicht, meine Herren, daß Ihre Annahme und Ihr Eid uns beruhigen werden. Die eine wird fie nicht hindern, die Völker weiter zu verhehen, der andere wird Sie nicht hindern, die Republik zu untergraben. Aber lassen Sie es fich gefagt sein, wir stehen zu Kampf und Abwehr bereit.( Stürmische Zustimmung bei den Soz.) Große Ereignisse werfen thre Schatten voraus. Da ist die 3ollvorlage, da ist die Weigerung der Regierung, das Ab­fommen von Washington über den Achtstundentag zu ratifi­zieren. Das sind die Schatten, die der Bürgerblod vorausmirft: mehr Arbeit, weniger Brot! Das Sachverständigengut­achten bestimmt als deutsche Leistungsgrenze die Erhaltung des gleichen Lebensstandards des deutschen Boltes mit anderen Bölfern. Das Dittat von Versailles erkennt das Recht auf den 2 ch tstundentag an. Aber hier, wo es sich darum handelt, die Rechte des arbeitenden Boltes wahrzunehmen, da sind Sie, die Echreier gegen jede Erfüllungspolitit, erfüllungswütig bis weit über die Grenze des Friedensvertrages und des Gutachytens hinaus!( Sehr wahr! b. d. Soz.)

Sie treiben in jeder Beziehung die Politik weiter und wieder, die Sie im Kaiserreich getrieben haben. Sie übersehen nur eins, daß es

tein persönliches Regiment und fein Klaffenwahlrecht mehr gibt, das Sie schüßt. Sie haben sich durch trügerische Vor piegelungen bei den letzten Wahlen eine Stellung verschafft, die über furz oder lang zusammenbrechen muß. Wir appellieren von dem schlecht unterrichteten Bolt an das besser zu unterrichtende Bolt, von den Wählern, die beschwindelt mora den find( Unruhe rechts), an die Wähler, die aufzuhorchen beginnen, die fehen, daß ein frevelhaftes Spiel mit ihnen getrieben worden ist.( Unruhe rechts.) Bitte, wollen Sie die Probe auf das Erempel? Wir sind jeden Tag bereit und werden in den Wahltampf ein­treten für die Annahme des Gutachtens, für den Achtstundentag, gegen die Berteuerung der notwendigen Lebensmittel durch Schutzölle, für die Sicherung des Friedens, die Wiederherstellung des Wirtschaftslebens, Erholung nach der Arbeit und Brot genug zum Safteffen für alle. Das find für uns Sozialdemokraten eben auch völlische Belange. ( Beifall b. d. Soz.) Reinem Bürgerblod der Welt wird es gelingen, diese Forde des arbeitenden Boltes ausspricht. Darum wünschen wir die Stunde herbei, die das Bolt zu neuer Entscheidung aufruft. Sie aber( zu den Deutschnationalen), die sich noch vor kurzem 3hres ( Lebhafte Sieges rühmten, fürchten diese neue Entscheidung. Zustimmung links.) Sie fürchten sie, weil Sie wissen, daß Ihr Gefchrei über die Ueberwindung des Margismus eitel humbug gewefen ist und daß aus jedem neuen Kampf die Sozialdemokratie stärker wiederkehren muß: Euch zum Troß, der Arbeiterschaft zum Nutzen!( Stürmischer Beifall b. b. So3.)

Erschütterung des letzten Restes von Siegeswillen ist von der Obersten Heeresleitung und von niemand anderem ausgegangen. Wenn also davon gesprochen wird daß in jenen entscheidenden Stun den die Nerven versagt hätten, muß ich der Wahrheit entsprechend fagen, daß es nicht beim Parlament, sondern bei der Obersten Heeresleitung der Fall gewefen ist."( Hört, hört! lints.) Alle, die anders reden und schreiben, betrügen das Bolt."( Beb hafte Zuftimmung lints und in der Mitte. Große Unruhe d. Natsoz. Fortgesette zurufe des Abg. Ahlemann. Glode bes Präsidenten.) Ich möchte mir eine Bemertung erlauben, die nicht ganz zu meinem Thema gehört. Ich glaube, wir müssen uns ernst- rungen niederzuftimmen, Forderungen, in denen sich der Lebenswille lich in der Geschäftsordnung mit der Frage befassen, ob nicht hier unten, wo die Badezellen sind, eine Gummizelle eingerichtet werden soll.( Lebhafte Zustimmung links. Burufe d. Natsoz.)

Alles, was ich in bezug auf Kriegsende ufw. gejagt habe, geht hervor aus zahllofen amtlichen Dokumenten, namentlich auch aus der Zusammenstellung in dem legten amtlichen Weißbuch, das Ihnen ja zur Verfügung steht. Es geht hervor aus den Mitteilun gen der Untersuchungsausschüsse. Alles das ist ein lückenloser Be weis für die Richtigkeit eines jeden Wortes, das ich hier gelagt habe.( Sehr richtig! links.) Ich bedauere, daß die Londoner Ver­handlungen in den hauptbeteiligten Ländern von einer so lärmen. wirkenden Kräften leider zugute fommen wird.( Sehr wahr! links.) den Agitation begleitet werden, die naturgemäß den negatio Es ist viel leichter, den verhandelnden Regierungen zuzurufen, baß sie sich dort hart und irgend welcher Kompromiffen unzugäng lich erweisen sollen, anstatt ihnen als besonnener Mann zu sagen, sie sollen jenes Maß von Nachgiebigkeit an den Tag legen, das von allen Seiten aufgebracht werden muß, um zu einem pofitiven Ergebnis zu kommen.( Lebhafte Zustimmung links.) Die

lärmente Ugitation trägt in allen Ländern das Zeichen der Unehrlichkeit an der Sfirn.

( Sehr richtig! links.) Wer fann denn ernstlich das Scheitern eines Blanes wünschen, der für alle Beteiligten ich will mich vorsichtig ausdrüden einen vorläufigen Ausmeg aus unabfehbaren

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Es sprechen noch die Abgg. Dr. Rosenberg( Romun.), Graf Reventlow( Matfoz.) und Kunze( Difchfoz.).

Genosse Adolf Braun. Die zweite Lesung des Etats wurde fofort Nach Knüppeltunze sprach unter ungeheurem Lärm der Rechten angeschlossen. Als erster Redner sprach Abg. Bell( 3.), der erklärte, daß nun genug zum Notetat geredet fei. Nach diesem Redner wurde ein Antrag auf Schluß der Debatte angenommen. Die An träge der Kommunisten und Nationalsozialisten wurden abgelehnt, das Haus beschloß, einen Ausschuß über die Kriegsschuldfrage ein­zufeken, der die Arbeiten bestehender Ausschüsse übernehmen soll. Um 114 Uhr beginnt die Beratung des sozialdemo fratischen Antrags Müller Franken, der die Wiederaufnahme der durch bayerische Boltsgerichte abgeschlossenen Strafverjahren

ermöglichen will. Der Antrag ist bekanntlich mit einigen Aenderun