Nr.350 41.Jahrgang Ausgabe A nr. 179
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Sonntagsausgabe
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Berliner Volksblatt
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Sonntag, den 27. Juli 1924
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Bankkonto: Direktion der Diskonto- Gesellschaft, Depositenkasse Lindenstraße 3
Condon, 26. Juli. ( Eigener Drahtbericht) Der Stillstand in der Konferenz ist am Sonnabend unverändert. Die Fragen der Sicherheit und der Ruhreisenbahnen sind nach wie vor ungelöst. Jedoch ist in Kreisen der Konferenz gegenüber dem Pessimismus der letzten Tage eine freundlichere Auffassung festzustellen, da anscheinend in den letzten Stunden eine Annäherung zwischen der Finanz und Frankreich erfolgte. Es ist jedoch nur so riel befannigeworden, daß Frankreich die Garantie der Anleihe entweder durch die alliierten Regierungen oder durch die führenden Banthäuser als Grundlage der Sicherheit für die zukünftigen Zeichner in den Vordergrund gestellt hat. Daneben ist beachtenswert, daß nach dem„ Daily Telegraph " von verschiedenen alliierten Teilnehmern der Konferenz die Mitbeteiligung deutscher und französischer Bankhäuser an der Zeichnung der Anleihe verlangt wird, weil darin eine gewisse Garantie für den DamesPlan und für die Aufrechterhaltung der Stabilität der Währung der beiden Länder erblidt wird. Ein wichtiges Moment ist die Tatsache, daß der französische Finanzminster Clementel, der in den letzten Tagen in Paris weilte, eine Anzahl französischer Banfiers, darunter Morgans Pariser Vertreter, nach London mitgebracht hat. Außerdem ist ein Bertreter des New Yorker Bankhauses& ahn- Loeb in London eingetroffen. Jedoch soll Ford, wie aus New York gemeldet wird, die Beteiligung an der Anleihe abgelehnt haben.
Die Abordnung nach London . Der preußische Ministerpräsident fährt mit. Der Ministerpräsident Gen. Otto Braun wird als gleichberechtigtes Mitglied der Verhandlungsdelegation den Besprechungen mit den Alliierten in London beiwohnen. Das geschieht auf Wunsch der preußischen Regierung mit Rücksicht auf die starken Interessen Preußens in allen Fragen, die das besette Gebiet und die Räumung des Ruhrgebiets betreffen. Auch von der bayerischen und der badischen Regierung wird je ein Vertreter mit nach London reisen.
Die Delegierten bei der Flottenparade. Condon, 26. Juli. ( WTB.) Reuter erfährt: Bon der Ron.
ferenz sind eine neuen Entwidlungen zu melden. Alle Delegierten sind zur Flottenparade nach Spithead gegangen. Es verlautet, daß der größere juristische Ausschuß gestern verschiedene Fragen innerhalb seiner Zuständigkeit prüfte, aber zu Der Bericht vor Hurst und feiner Entscheidung fam. Der Bericht vort Hurst und Fromageot über die Bedingungen der Einladung an Deutschland ist fertiggestellt und einstimmig angenommen worden. Der Bericht wird der Konferenz am Montag nachmittag überreicht werden und dann wird die Frage der Absendung einer Einladung an Deutschland entschieden.
Die Arbeiten der Ausschüsse.
London , 26. Juli. ( WTB.)" Morningpost" zufolge wartet das zweite Komitee, das den Bericht seines wirtschaftlichen Unterausschusses am Donnerstag erhielt und seine Erwägungen hierüber vollendet hat, jetzt auf die Vollfigung der Konferenz am Montag. Dem Bericht ist dem Blatte zufolge ein Schreiben beigefügt, das erklärt, daß, soweit die Ereignisse vom 11. Januar 1923 in Betracht kämen, die Entschlüsse der Delegierten nicht als Ausdruck der Zuftimmung zur Poliff irgendeiner anderen Regierung aufgefaßt werden dürften. Das Schreiben enthält auch Borbehalte bezüglich der militärischen Organisation und der Frage des franzöfifch- belgischen Eisenbahnternes.
Der diplomatische Berichterstatter des„ Daily Telegraph " teilt
weiter mit: Der Redaktionsunterausschuß des dritten Komitees arteitete in Richtung einer Vereinbarung zwischen der deutschen Regierung und der Reparationstommission bezüglich der Methoden bei der Wiederherstellung und Behandlung der Sachlieferun gen. Er trat ein für die Erneuerung eines Organisations ausschusses, der aus alliierten und deutschen Vertretern bestehen soll, um die notwendigen Vereinbarungen zu entwerfen. Sollte sich eine Einstimmigkeit als unerreichbar erweisen. so soll ein neu traler Sachverständiger ernannt werden. Die dritte in Angriff genommene Frage führte dem Berichterstatter zufolge zu beträchtlichen Meinungsverschiedenheiten, denn der Versailler Vertrag jieht bis zum Jahre 1930 Kohlen- und Kofslieferungen, bis 1925 Farbstofflieferungen vor, der Dawes- Plan jedoch zieht die Fortsetzung derartiger Lieferungen, insbesondere von Rohftoffen über die im Friedensvertrag enthaltenen Zeitpunkte hinaus in Betracht und in diesem Falle muß die Frage des Preises erwogen werden, denn die im Friedensvertrag enthaltenen Preise, die unangemessen günstig für die Alliierten sind, müssen abgeändert werden.
Drei Interpellationen an Herriot . Paris , 26. Juli. ( WTB.) Angesichts der Wiederaufnahme der parlamentarischen Arbeiten am nächsten Dienstag sind an das Generalsekretariat der Kammer brei Interpellations:
begehren gerichtet worden. Sie beziehen sich alle auf die Londoner Konferenz und gehen aus von Margaine( Radikalsozialist), Léon Blum ( Sozialist) und Marcel Cachin ( Kommunist).
Micum will die Verträge" verlängern.
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Effen, 26. Juli. ( WTB.) Die Sechserkommission des Bergbaubereins erhielt heute die Einladung der Micum zu neuen Verhandlungen für Montag nachmittag.
Beilegung des Russenkonflikts?
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In russischen Kreisen rechnet man wie der„ S03. Parlamentsdienst" erfährt mit einem befriedigenden Abschluß der Verhandlungen mit Deutschland über den Vorfall in der russischen Handelsdelegation in Berlin . Die Berhandlungen haben sich sehr wechselreich gestaltet und drohten mehrfach auf den toten Punkt zu gelangen. Aeußerst schwierig war z. B. die Erörterung der fünftigen Stellung der Handelsdelegation, für die inzwischen auch eine Formel gefunden wurde, so daß noch in der kommenden Woche mit einer völligen Ginigung gerechnet wird. Damit hätte ein Intermezzo ein Ende gefunden, das in drastischster Weise Politik und Wirtschaft verquickte und den kommerziellen Interessen beider Länder sehr geschadet hat.
Deutsch - polnisches Grenzabkommen.
Der oberschlesische Arbeitsverkehr. Kaffowih, 26. Juli. ( WTB.) Der Präsident der gemischten Der Präsident der gemischten Kommiffion für Oberschlesien Ca l'onder stellt fest, daß die deutsche Calonder und die polnische Regierung übereinstimmend den Stand punft anerkannt haben, daß die Angestellten und Arbeiter, die in Obrschlesien wohnen, im Sinne der Genfer Konvention berechtigt find, ihren Beruf in Deutsch - Oberschlesien auszuüben und umgefehrt. Desgleichen haben die beiden Regierungen übereinstimmend erklärt, die notwendigen Maßnahmen treffen zu wollen. Diese Erklärung hat der Präsidert von sich aus im allgemeinen Interesse durch Meinungsaustausch herbeigeführt.
Der Verfassungstag und die Rechtspflege.
Der Preußische Justizminister gibt soeben für den Bereich feiner Verwaltung den Beschluß des Preußischen Staatsministeriums über die Feier des 11. Auguft bekannt und Inüpft, dem Amtlichen
Preußischen Preſſedienst zufolge, hieran die Anweisung, die Abhaltung von Terminen an diesem Tage nach Möglichkeit einauschränken.
Hitler- Dementi.
München , 26. Juli. ( Eigener Drahtbericht.) Die Enthüllungen des Abgeordneten der Bayerischen Volkspartei , Schäffer, über das Aktionsprogramm des ehemaligen Kampfbundes in der Zeit, als Kahr Generalstaatskommissar wurde, ist den Völkischen arg in die Glieder gefahren. Nunmehr kommt ihnen das in Landsberg etn= sperrte Kleeblatt Hitler- Weber- Kriebel zu Hilfe, die in einer offiziellen Erklärung folgendes bekanntgeben:„ Das von Schäffer erwähnte Aktionsprogramm sowie der Brief über Kahr war feinem von uns dem Sinne oder Wortlaut oder überhaupt nur feiner Eristenz nach bekannt. Die Herren Dr. Glaser, Graf Treuberg und Redakteur Rosenberg stander mit der Kampfbund leitung in feinerlei Beziehung und konnten auf deren Tätig. keit und Entschlüsse auch keine Einwirkung ausüben. Der Adresfat des Aktionsprogramms, Scheubner Richter , war wohl Geschäftsführer der politischen Leitung des Kampfbundes, doch lag die Entscheidung über irgendwelche politischen Schritte und Handlungen ausschließlich bei der politischen Führung( Hitler ). Es ist unzulässig, den Inhalt eines von drei Seiten verfaßten Programms dem Empfänger als deffer geistiger Einstellung entsprungen unterzu schieben. Die vom Abgeordneten Schäffer auf Grund der gemachten Enthüllungen gezogenen Schlüsse sind daher falsch und unhaltbar. Wir Unterzeichneten sind bereit, vorstehende Erklärung eidlich zu erhärten und begrüßen zweds restloser Klärung der ganzen Angelege heit und der neuerdings erhobenen Angriffe die vom Landtag geplante Einsetzung eines Untersuchungsausschusses."
Ueber diesen von der sozialdemokratischen Fraktion des Landtages verlangten parlamentarischen Untersuchungsausschuß wird am kommenden Donnerstag im Plenum des Landtages entschieden werden.
Brasilianischer Bürgerkriegsbericht. Zeitgerecht zum Gedenktag der Völkerkatastrophe,
Rio de Janeiro , 26. Juli. ( WTB.) Einer amtlichen Meldung zufolge haben die Regierungstruppen an der ganzen Front beträchtliche Fortschritte gemacht. Flugzeuge bombardierten die Stellungen der Aufständischen mit Erfolg. Es wurden Maschinengemehre und Munition erbeutet und 60 Gefangene gemacht.
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Scheidemann und seine Widersacher. Hoetsch maskiert den deutschnationalen Umfall.
Der Reichstag ist gestern in Ferien gegangen, um wieder zusammenzutreten, wenn die Entscheidung über den DamesPlan zu fällen ist. Zwischen den Skandalen bleiben als politische Tatsachen die Reden des Sozialdemokraten Scheidemann und des Deutschnationalen Hoetzsch.
Für die Rechtsparteien ist Scheidemann noch immer und wieder der bestgehaßte Mann. Noch stärker als durch den Beifall der Freunde ist der Erfolg seiner letzten Rede durch die tobende Wut der Feinde unterstrichen worden. Wenn diesen die Erkenntnis fommt, daß der Mann, den sie schon totgehetzt zu haben glaubten ,,, noch immer gefährlich" ist, so mag ihm das eine persönliche Genugtuung sein. Nur hätte der der„ Natter, die Giff Scherl- Stribent das Bild von sprigt", nicht brauchen sollen, es beruht offenbar auf einer fehlerhaften Gedankenverbindung. Denn menschliche Nattern, die auf politische Gegner Gift sprigen nicht metaphorisches Redegift, sondern veritable Blausäurewerden von der Rechtspresse als holde Jungen behandelt, die sich eben nur einmal mit einer Kliftiersprize" einen harmlosen, netten Ulf erlaubten. Jener Ult ist vorbeigegangen, und der Mann, dem er galt, ist leider noch immer ge= fährlich"...
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An dem fanatischen Haß, der fich gerade gegen Scheidemann richtet, erkennt man den ganzen Stumpffinu des Gesindels, mit dem wir uns herumschlagen müssen. Nie mand hat in den vier furchtbaren Jahren stärker für die Baterlandsverteidigung gewirkt als er da hat er nun den Dank der ,, Baterländischen". Gestern sprach im Reichstag ein nationalsozialistischer dummer Junge aus Mecklenburg höhnisch von dem Reichskanzler a. D." Weiß der dumme Junge nicht, daß diefer Reichskanzer a. D." der erste war, der in freier Entschließung sein Amt seiner Ueberzeugung zum Opfer brachte und daß er zurücktrat, weil er den Frie den wollte? von Versailles nicht unterzeichnen
Er hat es dann freilich nicht mit den nationalistischen Pharifäern gehalten, die da beten: ,, Herr ich danke dir, daß ich nicht bin wie jene". Sondern er hat noch am letzten Freitag wieder diejenigen verteidigt, die in jener tragischsten Stunde der deutschen Geschichte anders dachten als
er. Vor solcher Gesinnung stehen dann die um Ahlemann Hier öffnen sich Klüfte... wie man leicht versteht, ganz fassungs- und verständnislos.
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Die moralischen Folgen des Krieges äußern sich in der Zusammensehung des Reichstags in geradezu grauenhafter Weise. Nie hätte man es für möglich gehalten, daß ein fulturell verhältnismäßig so hoch stehendes Bolt wie das deutsche solche Haufen geistiger und sittlicher Minderwertigteiten in feinen Reichstag schicken fönnte. Es ist niederdrückend, wie gewisse Volksvertreter zu jedem Gegenstand der Tagesordung- mag es fich um ein Sozialgejek, einen Handelsvertrag oder die Bekämpfung der Reblaus handeln- ihre letzte Wahlversammlungsrede in den Saal schmettern, und es ist bedauerlich, daß man solche Leute, statt sie mit Berachtung zu strafen, noch einigermaßen ernst nimmt und ihnen dadurch Gelegenheit gibt, die Stänkerei zum Krawall ausarten zu lassen.
denten noch vermehrt wird, kann durch Mittel der GeschäftsDiesem Uebel, das durch einen ziemlich hilflosen Präsiordnung allein nicht gesteuert werden. Es ist dringend notwendig, die Wahlkreise zu verkleinern, damit den Wählern Gelegenheit gegeben wird, sich ihre Abgeordneten genauer anzusehen. Leider ist auch diesmal wieder die
ahlreform nicht vom Fleck gekommen, die um so dringender wäre, als ja mit der Möglichkeit naher Neuwahlen zu
rechnen ist
Die ehernen Worte, die gestern Herr Hoesch mit lächelnder Miene sprach, scheinen uns nun freilich noch lange feine Schicksalswende anzukündigen. Hörte man den Klang, fo fonnte man glauben, nun ginge es hart auf hart, und bei der Entscheidung über das Gutachten würde der Reichstag auseinanderfliegen. Aber sah man das Lächeln, so mußte man schon ein ganz perbissener Menschenfeind sein, um zu glauben, es sei wirklich so bös gemint.
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Rann es ja gar nicht! Herr Hoetzsch versichert, seine Fraktion werde alles unerbittlich ablehnen, wenn ihre berühmten sieben Forderungen nicht bis zum letzten Tüpfelchen auf dem I erfüllt werden. Herr Hoegsch aber einer der wenigen geistig Respektablen, die auf der Rechten sizzen ift viel zu flug, um ein solches Gelöbnis ganz ernst nehmen zu fönnen. Jedermann würde sich freuen, wenn die deutsche Regierung mit einem ganzen Sack voll Erfolgen aus London heimkehren sollte. Aber jedermann weiß auch Herr Hoetsch weiß es: Wenn man mit sieben zu stellenden Bedingungen an den Verhandlungstisch geht, fommi man günstigen Falls mit dreieinhalb erfüllten zurück. Die Deutschnationalen aber schwören, sie würden alles in die Luft