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deutschlanö und öas Kompromiß Mehr als vierzehn Tage lang mußten die Alliierten in London miteinander verhandeln, ehe sie unter sich zu einer vollkommenen Einigung über die Modalitäten der Durch- führung des Sachverständigengutachtens gelangen konnten. Entsprechend der von Anfang an geäußerten Absicht ist die Einladung an Deutschland erst nach vollendeter interalliierter Einigung erfolgt. Vielleicht wäre dieser Zeit- Punkt noch immer und noch lange nicht eingetreten, wenn nicht das heikelste Thema sorgfältig von vornherein von der ofsi- ziellen Tagesordnung der Londoner Konferenz ausgeschaltet gewesen wäre, nämlich die militärische Räumung des Ruhrgebietes. Mehr als zwei Wochen lang ist ausschließlich um die rem wirtschaftlichen Probleme gerungen worden. Das Endergebnis dieser interalliierten Besprechungen ist, wie nicht anders zu erwarten war, ein Kompromiß, zu dem nun Deutschland durch den Mund seiner Delegierten in den nächsten Tagen Stellung zu nehmen haben wird. Auf die Einzelheiten dieses Kompromisses läßt sich natürlich in diesem Rahmen kaum eingehen. ZweiThesen standen sich von Anfang an gegenüber: die französische These der grundsätzlichen Handlungsfreiheit der einzelnen Mächte im Fall künftiger böswilliger Verfehlungen Deutschlands und die angelsächsische These, die sowohl den An- schauungen der Regierungen von London und Washington wie auch den Forderungen des angelsächsischen Finanzkapitals entsprach, wonach der Wille der Geldgeber in Zukunft allein maßgebend sein müßte und nicht durch politische Ent- schlüsse einer einzelnen Macht aufgehoben werden könnte. Es ist nun nicht leicht zu entscheiden, welcher Standpunkt bei dem endgültigen Kompromiß das Uebergewicht erlangt hat. Denn einerseits ist es richtig, daß die Möglichkeit künftiger militärischer Sanktionen von feiten einer einzelnen Macht nicht vollständig ausgeschaltet wurde, andererseits aber ist es ebenso sicher, daß diese Möglichkeit durch zahlreiche Voraus- setzungen schiedsgerichtlicher Art dermaßen eingeengt wurde, daß sie nur noch theoretische Bedeutung besitzt. Es erscheint daher als eine arge Uebertreibung, wenn deutscherseits unter Berufung auf einzelne linksoppositionelle französische Stimmen behauptet wird, das Dawes-Gutachten liege nunmehr in Fetzen. Indessen ist nicht zu leugnen, daß der G«ist, in dem die Ver- Handlungen bisher von der französischen Delegation geführt worden sind, für uns Deutsche insofern eine Enttäuschung ist, als man von der Regierung H e r r i o t ein etwas deut­licheres Abrücken von der Vergangenheit hätte erwarten dürfen. Nicht der eigentliche Inhalt des Kompromisses ist es, der be- sonderen Tadel oerdient, sondern die Tatsache, daß Herriot überall den Eindruck erweckt hat, als sei er nicht fähig, mit der Politik Poincar6s endgültig zu brechen. Das ist vielleicht nur eine optische Täuschung: Es ist durchaus möglich, daß man mit Poincar6 in London überhaupt zu keiner Einigung gelangt wäre, und wer weiß, ob nicht die Zugeständnisie, die sich Herriot hat schließlich abringen lassen, von seinen inner- politischen Gegnern als«ine unerträgliche Preisgabe der französischen Rechte hingestellt werden und zu seinem Sturze führen. Bei der Beurteilung des bisherigen Werkes der Londoner Konferenz wird man gut tun, immer wieder von dem Gesichtspunkt auszugehen, ob es für Deutschland vorteil- hafter gewesen wäre, wenn Herriot von Anfang an eine uns genehmere Haltung eingenommen haben würde und sich seine Zugeständnisse etwas weniger bockbeinig hätte abhandeln lassen, dafür aber von einer unter dem geistigen Einfluß Poincarös stehenden Senatsmehrheit bei feiner Rückkehr ge- stürzt worden wäre. Es ist von dem Obersten Rat der Alliierten ausdrücklich erklärt worden, daß Deutschland nicht zur bloßen Entgegen- nähme eines Diktats, sondern zu Verhandlungen nach London geladen wird. Selbstverständlich ist der Begriff von Verhandlungen" ein etwas relativer. Es ist nicht anzu- rrgraBH MdWIWW H B

rief. Und obschcm er ihre Worte nicht verstand, wußte er, was sie zu den Tieren sprach. Er fuhr mit der Hand über die Stirn. Zorn oder Gram war es, den er darüber hinstrich. Aber plötzlich rief er den Namen der Frau, daß sie mit einem Schrei zusammenfuhr. Er rief ihn noch einmal. Es war, als habe er Mühe, das Wort zu holten, das er fast vergehen hatte! Es war etwas in dem Ton und in dem Namen, das war ein anderer Ruf als sonst. Sie barg die Tiere, hob sich«nd sah ver­wundert, voll steigender Verwirrung auf den Mann, der ihren Namen wiederfand. .Komm, Mazda," sagte er und sein Blick suchte am Boden, das ist wohl wie'n Wunder mit den Tieren, was?"

Eine Expedition zur Erforschung der Heuschrecken. Zur Be- kcimpfung der in Südafrika so furchtbar wütenden Heuschreckenplage ist ein« Expedition nach der Kalahari -Küsde ausgerüstet worden, die von Pretoria abgegangen ist und von Serowe aus die Wüste urchqueren will. Di« Route führt in nordwestlicher Richtung zu dem Dorf Ratops, wo ein Polizeiiager ist, von dort nach dem Dr.ami-Se« und von dort südwestlich nach Ghansi. Ueber Gobabis will man dann nach Windhuk gelangen, um die Lag« mit den Be- bürden von Südwestafrika.zu besprechen. Die Expedition wird sich bei den Häuptlingen darüber unterrichten, inwieweit sie von den Heuschrecken belästigt werden mrd was sie dagegen-unternehmen. Tic bereits vorhandenen Methoden sollen nach Möglichkeit verbessert werden. Man hvfst. in der Wüste mit einem größeren Wüstenauto. wie es von den Franzosen bei der Durchquerung der Sahara benutzt worden ist, vorwärts zu kommen. Da die Beschaffenheit der Wege ab:r ganz unbekannt ist, so wird man sich auch aus die Berwendung von Ochsen- und Kamelwagcn einrichten. helmholh über sein geistiges Schassen. Helmholtz.-der geniale Physiker, sprach sich einmal in sehr interessanter Weise darüber aus, lvann und wie ihm die guten Gedanken kamen.Da ich ziemlich oft bei meinen Arbeiten in die unbehagliche Lage kam, auf günstige Einfälle harren zu mühen, habe ich darüber, wann und wo sie kamen, einige Erfahrungen gewonnen, die vielleicht anderen nützlich sein können. Sie schleichen oft genug still in den Gedankenkreis ein, ohne daß man gleich am Anfang ihre Bedeutung erkennt. In anderen Fällen aber treten sie plötzlich«in. ohne Anstrengung, wie ein« In- ip>ation. Soweit meine Erfahrung reicht, kamen sie nie dem er- müdeten Gchirn und nicht am Schreibtisch. Ich mußt« immer erst mein Problem nach allen Seiten so viel hin- und hergewendet haben, daß ich alle seine Wendungen und Verwickelungen mi Geiste über- kchauen und sie frei, ohne zu schreiben, durchlaufen konnte. Dann mußte, nachdem die davon herrührende Ermüdung vorübergegangen war, eine Stunde vollkommener körperlicher Frische und ruhigen Wohlbefindens eintreten,«he die guten Einfälle kamen. Befonders gern kam sie bei gemächlichem Steigen über waldige Berge bei son- i.igem Wetter. Di« kleinsten Mengen alkoholischer Getränke aber schienen sie zu verscheuchen."

Führ,«, t« Masenm für VUraettmi*, Aeorgenstr. 54. Di««»» t« 0 1 Hört Prot,«ahlber»!.Schtst«*> SchWtmaschm««.-

nehmen, daß die Alliierten sich darauf emlasien werden, daß die deutschen Vertreter etwa das gesamte Endergebnis ihrer langwierigen internen Verhandlungen etwa durch einen ganz neuen deutschen Gegenvorschlag werden anfechten und ersetzen lassen. Insbesondere dürften sie sich auf den Standpunkt stellen, daß ihr mühsam zurechtgezimmertes S a n k t i o n s- k o m p r o m i ß lediglich eine einseitige interallierte Verienbarung mit den künftigen Geldgebern darstelle, die Deutschland völkerrechtlich nicht berühre. Deutschland könnte freilich dem entgegnen, daß die Frage der Sanktionen im engsten Zusammenhang stehe mit der Interpretation des be- rühmten Paragraphen 18 des. Anhanges H zum siebenten Teil des Versailler Vertrages und daß es für die Zukunft eine eindeutige Klarstellung dieser Bestimmungen wünsche. O b es aber taktisch klug von Deutschland wäre, dieses Problem aufzurollen, das wohlweislich von den Alli- ierten in London wie heißes Eisen beiseite gelassen wurde, ist eine andere Frage. Es wird von dem Gang der VerHand- langen mit der deutschen Delegation abhängen, ob es sich empfiehlt, diesen Punkt überhaupt zu berühren. Das einzige, was einstweilen auf diesem Gebiete erreichbar zu sein scheint, wäre vielleicht ein deutscher Antrag auf Anrufung des Welt- schiedsgerichtshofes im Haag zur grundsätzlichen Entscheidung über diesen wichtigen Punkt. Zu einer Boraussetzung der Annahme des Dawes-Programms und dessen in London ver- einbarten Ausführungsvorschläge wird diese Frage kaum ge- macht werden können. Am wichtigsten ist es natürlich, ob es der deutschen De- legation gelingen wird, im Zusammenhang mit der Annahme des Sachverständigengutachtens die Frage der m i l i t ä- r i s ch e n Räumung zur Sprache zu bringen und hierüber zu einer befriedigenden Vereinbarung mit der Gegenseite zu ge- langen. Das wird in hohem Maße von der Geschicklichkeit unserer Unterhändler abhängen. Man wird sich der Tatsache nicht verschließen dürfen, daß dieses Problem formell weder zu dem absichtlich eingeengten Aufgabenkreis des Sachver- ständigen-Komitees gehörte, noch infolgedessen zur offiziellen Tagesordnung der Londoner Konferenz. Indessen gibt es Gründe genug, mit denen man die Besprechung dieses Kapitels im Zusammenhang mit den übrigen Problemen der Londoner Konferenz stichhaltig begründen könnte. Das haben die Alli- ierten fo gut gefühlt, daß sie bereits unter sich über dieses Thema oerhandelt haben. So würden wir es durchaus be- greifen und billigen, wenn die deutsche Delegation den stärksten Widerstand jener Forderung der französischen Delegierten leisten würden, die dahin geht, viertausend Regieeisenbahner als Reservemannschaft im Falle von Streiks und dergleichen für die Sicherheit der Besatzungs- truppen im Ruhrgebiet zu belassen. Das ist ein Verlangen, das im klaren Widerspruch au dem Inhalt und dem Geiste des Dawes-Gutachtens steht: vbllige Wiederherstellung der wirtschaftlichen Souveränität Deutschlands innerhalb der Reichsgrenzen ist unvereinbar mit der Aufrechterhaltung von Regiebahnlinien oder von Regieeisenbahnern, gleichviel ob im Ruhrgebiet oder im altbesetzten Gebiet, gleichviel ob es sich um viertausend oder nur um vierzig französische Eisenbahner handelt. Es ist übrigens bezeichnend, daß diese Frage die einzige ist, über die sich die Alliierten unteremander nicht einigen konnten und wenn sie trotzdem die Einladung an Deutschland haben ergehen lassen, so geschah dies offenbar in der richtigen ErkennMis, daß man hierüber nur mit Deutsch - lanb selbst zu einer Verständigung gelangen könne. Hier wäre am ehesten der Hebel anzusetzen, um die Frage der militä- rischen Räumung zur Sprache zu bringen. Der Erfolg eines solchen Versuches hängt allerdings zum großen Teil von dem Grade des Vertrauens ab, das die Alliierten den deutschen Delegierten entgegenbringen werden. In dieser Hinsicht müssen wir uns allerdings jeder Pro- phezeiung enthalten. Was auf der deutschen Delegation am schwersten lasten wird, das ist die Tatsache, daß sie den Reichs- tag vom 4. Mai 1924 vertritt. Der einzige Umstand, der ihr in den Augen der Welt zugute kommt, ist die bedingte außen- politische Unterstützung der deutschen So- zialdemokratie. Aber dieses moralische Plus wird durch sin bedenkliches Minus nahezu restlos aufgehoben: man weiß, daß diese Regierung bestrebt ist, sich nach rechts zu erweitern, daß sie um die Gunst derjenigen wirbt, die bisher die schlimmsten Gegner der Erfllllungspolitik und der Ver- ständigungspolitik waren. Wir fürchten, daß das Mißtrauen, das aus den Bürgerblockbestrebungen im Auslande und zwar in England ebenso sehr wie in Frankreich entstanden ist, die Aufgabe der deutschen Unterhändler nicht gerade er- leichtern wird, wenn es gilt ein bestimmtes Versprechen der militärischen Ruhrräumung zu erwirken! Immer wieder ist in der französischen Presse in den letzten Tagen im Zusammenhange mst dem Problem der mili- tärischen Räumung an die Worte erinnert worden, mit denen H e r r i o t in seiner Programmrede vor dem Parlament zu dieser Frage Stellung nahm. Und die betreffende Stelle lautete: In Anbetracht des augenblicklichen Zustand«? in Deutschland , in Anbetracht der Notwendigkeit, nicht nur Frank- reich, sondern auch ander« Völker gegen«ine neu« Offensive des nationalistischen Alldeutschtums zu schützen, glauben wir die Ruhr erst räumen zu können, wenn die von den Sachverständigen, deren Bericht wir ohne Hintergedanken annehmen, in Aussicht genommenen Pfänder samt ausreichenden und billigen Garantien für die loyal« Erfüllung konstituiert und den für ihre Verwaltung vorgesehenen nationalen Organismen ousgehän- d i g t sind. Der augenblickliche Zustand Deutschlands , von dem Herriot sprach, wird verkörpert durch den e l e n d e n R e i ch s- tag, den sich das deutsche Volk am 4. Mai gegeben hat. Bei allen ihren bedenklichen Schönheitsfehlern ist die jetzige Reichs- regierung im Verhältnis zu diesem Reichstage noch einiger- maßen in London präsentabel. Aber man weiß im Auslande, daß die deutsche Reaktion nur auf den Augenblick lauert, wo sie die Londoner Konferenz hinter sich haben wird, um eine Regierung des Bürgerblocks einzusetzen, die in schärfste Kampffront gegen die einzige Partei treten wird, die sich bis- her konsequent zur Politik der Erfüllung und der Verstän- digung bekannt hat. Im Interesse unseres Landes, unserer Wirtschaft, unserer Arbeiterklasse und besonders unserer Brüder im Ruhrgebiet wünschen wir der deutschen Delegation von Herzen, daß es ihr gelingen möge, ein bestimmtes und befriedigendes Ver- sprechen auf militärische Räumung aus London heimzubringen. Sollte es ihr jedoch nicht gelingen, dann werden wir uns nicht damit begnügen pharisäisch die Franzosen anzuklagen, sondern wir werden denjenigen Teilen des deutschen Volkes, die sich am 4. Mai haben verleiten lassen, für die Extreme von rechts

und links, gegen die ErMüngspolltik und' gegen die demo­kratische Republik zu stimmen, zurufen:.Eure Schuld, Eure größte Schuld!" Dos Entgegenkommen Englands. London . 8. August.(Eigener Drahtbericht.) Di« auf der Kon­ferenz erzielte Einigung war nur dadurch möglich, daß die Eng­länder in letzter Stunde den französischen Vorschlag betreffend die Berusungsinstanz in Transfersachen, allerdings gegenüber der ersten Lesung in modifizierter Form, angenommen haben. Es wird in Konferenzkreisen erklärt, daß dies nur möglich gewesen sei, weil die Finanz ihren anfänglichen Widerstand gegen jede Macht- einschränkung des Transferkonritces aufgegeben habe. Durch diese Konzession haben die Engländer die Konferenz praktisch ge­rettet. Der gestern' nacht trotz gegenteiliger Bulletins, als ob nur noch nebensächliche technische Fragen offen wären, äußerst kritische Punkt der Einladung Deutschlands wurde noch vor der Konferenz vom Rat der Sieben beschlossen. Die um 2 Uhr beschlossene Einladung Deutschlands konnte schon um 1�4 von der deutschen Botschaft nach Berlin weitergegeben werden. Das Er» gebnis des heutigen Tages wird in Konferenzkreisen als von außer­ordentlicher historischer Bedeutung gefeiert und auf einen Aus­spruch des amerikanischen Delegierten Logan verwiesen, der die Sitzung den größten Erfolg allierter Beratungen seit Versailles nannte, wobei der Ton nicht auf Versailles , sondern auf Erfolg liegt. Man ist der Meinung, daß nunmehr der Weg zur«nd- gültigen Regelung der Reparationsfrage zum ersten Mal« frei sei, und es wird als charakteristisches Spiel des Zufalls bezeichnet, daß es der zehnte Jahrestag des Eintritts Englands in den Krieg ist, an dem Deutschland zur Erreichung des wahren Friedens nach London eingeladen werde. Paris , 2. August. (WTB.) Wie der Londoner Berichterstatter desTemps" meldet, soll Macdonald heute mittag Herriot ge- sagt haben:Das Einverständnis unter den Alliierten ist jetzt erzielt. Von nun an könnte nur der Satan allein uns trennen." Der Frank steigt. Paris , 2. August. lEP.) Unter dein Einfluß der auf der Lon- doner Konferenz erzielten Einigung hat der Frantturs sich heute wesentlich gebessert, indem die Dollarnotierung, die seit einigen Tagen auf 20,60 gestiegen war, wieder auf 19,22 gefallen ist.

tzughes in Serlin. Der Bater des Dawes-Plans. Heute, Sonntag, früh 7 Uhr 10 Minuten trifft der nord- amerikanische Staatssekretär des Aeußeren mit seiner Gattin in Berlin ein. Er bleibt zwei Tage hier, um mit dem Reichs- Präsidenten, der Reichsregierung und weiteren Persönlichkeiten der deutschen Politik und Wirtschaft Bekanntschaft zu schließen und einen, wenn auch nur flüchtigen Blick in die deutschen Verhältnisse zu tun. Irren wir nicht, so ist von allen regierenden Männern der Staaten, die mit Deutschland in jenem fürchterlichsten aller Kriege lagen, Herr Hughes der erste, der die Reichsregie- rung besucht. Er tut es zwar nicht offiziell, denn er ist ja mit einer großen Reisegesellschaft nordamerikanischer Juristen nach Europa gekommen, um die britischen Kollegen zu be- suchen: aber er kommt nach Berlin auch nicht als Tourist ohne Rang und Namen, sondern als der Außenminister der größten demokratischen Republik der Welt und ihres reichfM Landes. Dieser Besuch erfolgt genau zehn Jahre nach dem Aus» bruch jenes Krieges, den Amerikas Eingreifen zu Deutschlands Ungunsten entschieden, zur zerschmetternden Niederlage der Zentralmächte geführt hat. Aber jenes sogenannte Friedens- diktat von Versailles haben die Vereinigten Staaten nicht an- erkannt und der Republikanischen Partei, die Hughes führt, ist die Nichtratlfizierung zu danken. Zwar haben auch Union- truppen an der Rheinlandbesatzung teilgenommen, aber sie sind längst abgezogen, und es war ein Trauertag für das Koblenzer Gebiet, als die Amerikaner durch die Truppen des dloe-natkmsl-Frankreich ersetzt wurden. Der Abzug war der Ausdruck der Abkehr Nordamerikas von der europäischen Politik, die aber niemals das große amerikanische Hilfswerk für nolleidende Deutsche gehindert hat; war doch gerade Ge» neral Allen, der frühere Befehlshaber in Koblenz , ein Haupt- anreger dieses Aktes neuerwachter Völkersolidarität. Indessen wirkten deutscher Währungsverfall und deutsche Schleuderkonkurrenz, auf Kosten der deutschen Arbeiter ge- boten, so zersetzend auf die amerikanische Wirtschaft, und er- schien das bißchen Frieden, das nach Versailles eingetreten ist, so bedroht durch den Nationalismus, den der Gewalffrieden urud die Gewaltmaßnahmen des poincaristischen Frankreich in Deuffchland wieder großzüchteten, daß Amerika daran gehen mußte, seine Passivität auszugeben. Zwei Tage vor Beginn des unseligen Jahres 1923 hielt Hughes m Rewhaven jene Rede, in der er den nun verwirklichten Vor» schlag machte, die Reparationsfrage und die Möglichkeit ihrer Lösung durch politisch nicht voreingenommene Sachver- st ä n d i g e prüfen zu lassen, um so dieses Zentralproblem auf rein wirtschaftlichen Boden zu stellen. Herr H u g h e s ist der führende Mann einer bürgerlichen Partei des Landes mit dem entwickelfften und dabei noch jugendllch-aktiven, nicht greifenhaft-raffgierigen Kapitalismus ; von ihm ist nicht zu erwarten, daß er sich die Löfungsvor- schlüge unserer Internationale zu eigen macht. Dankbare An- erkennung verdient es zweifellos, daß er die Passivität der Union aufgegeben hat: einmal darum, weil damitxdas mäch- tigste Land der Erde wieder in die ach so zerrissene, doch un- verkennbare und untrennbare Kultur- und selbst Interessen­gemeinschaft der west- und mitteleuropäischen Pölker einge- fügt wird und dann, weil Amerikas Beteiligung schon an sich die Zurückdrängung des militaristischen Ge- w a l t g e i st e s bedeutet. Herr Hughes kommt in die deutsche Republik, an der man in all ihrer Wehrlosigkeit brutalste Rache für die Taten der verblendeten Kaiser-Partei genommen hat. Der Vater des Sachverständigenplans kommt hierher, kurz bevor die Ausführung dieses Plans beginnen dürfte. Kein Mensch weiß, ob das die Lösung sein wird, und ob die schweren Opfer des deutschen Volkes nicht vielleicht im Endeffekt nutzlos gebracht fein werden. Hoffen wir, daß wir der Lösung nahe find und daß Hughes, der gewiß das Rechte gewollt, auch des Rechts gewaltet hat._ Wechsel am Staaisgerlchtshof. An Stelle des am 1. 8. insolg« erreichter Altersgrenze in den Ruhestand getretenen Senatsprästden- ten beim Reichsgericht Dr. S ch m i d t übernimmt der bisherige stell- vertretend« Vorsitzende beim Staatsgerichtshof, Ssnatspräsident R i e d n« r, nunmehr endgültig den Vorsiü. Zu Mitgliedern des Staatsgerichtshofes sind der Umversttätsprof-ssor Dr. F« l i x Sa. lomon-Leipzig und der Obertewdesgerichts Präsident Reuter- Naumburg ernannt worden.