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Nr.372+ 41.Jahrgang Ausgabe Afr. 190

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

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Sonnabend, den 9. August 1924

Herriot fliegt nach Paris  .

Der Ministerrat soll entscheiden.

ständen zu einer Demiffion des Kriegsministers tommen werde, ent­behren einstweilen jeder Grundlage.

Paris  , 8. Auguft.( WTB.) Wie Havas aus Condon| rats deden zu wollen. Gerüchte, daß es am Sonntag unter Um­meldet, werden der französische   Ministerpräsident Herriot, der Kriegsminister Nollet und der Finanzminister Cle­mentel morgen, Sonnabend nachmittag, nach Paris   ab­Unterbrechung der Konferenz mindestens bis Montag. reisen, eventuell im Flugzeug, um den Ministerrat zu be­Condon, 8. Auguft.( WIB.) Der Rat der vierzehn ver­fragen, welche Stellung die französische   Delegation zu den Fragen der militärischen Räumung und zur Beibehaltung tagte fich heute nachmittag 4 Uhr. Wie verlautet, find ihm vom der Eisenbahner einnehmen soll. Die drei Delegierten zweiten und driften komitee noch keine endgültigen Be­beabsichtigen am Sonntagabend wieder in London   zu sein. fdflüsse vorgelegt worden. Macdonald begibt sich wahrscheinlich Diese Reise darf, nie Havas weiter feststellt, nicht als morgen aufs Land; er hat sich vorbehalten, eine Sitzung für Montag Morgen vormittag finden vermutlich Komitee­das Eintreten einer krise auf der Londoner Konferenz einzuberufen. angefehen werden, sondern lediglich als ein Wunsch des Minister- fitzungen statt. präsidenten, am Tage vor wichtigen Entscheidungen die Ansicht jeiner Mitarbeiter zu hören. Weiter berichtet Havas, daß im Prinzip zwischen den Alliierten und den deutschen   Sachver­ständigen ein Einvernehmen in der Frage der von Deutsch  land verlangten Garantien und in der Frage des Schiedsgerichts im Falle eines Konfliktes zwischen dem Zahlungsausschuß und Deutsch­ land   unter dem Vorbehalt der Billigung durch die Delegationsführer bereits erzielt worden sei.

Ueberraschung in Paris  .

Paris  , 8. August.  ( Eigener Drahtbericht.) Die am Freitag nachmittag in Paris   eingetroffene Nachricht, daß Herriot am Sonn­abend zusammen mit den Ministern Nollet und Clementel zu einer Besprechung mit den übrigen Mitgliedern der Regierung nach Paris  tommen werde, hat hier begreiflicherweise start überrascht, ba fie zunächst an eine Krise der Londoner   Verhandlungen glauben ließ. Eine halbamtliche Auslaffung stellt sie jedoch ausdrücklich in Abrede und gibt als Grund der Reise den begreiflichen Wunsch der französischen   Unterhändler an, den Ministerrat über die bis­herigen Ergebnisse der Konferenz in Kenntnis zu setzen und sich mit ihnen über die beiden in London   bisher noch nicht erledigten Sardinalfragen zu beraten, nämlich die der militärischen Räumung des Ruhrgebietes und der Zurücklaffung von 4000 franzöfifch­belgischen Eisenbahnern auf den strategisch wichtigen Streden des Rheinlandes. Es ist durchaus natürlich," heißt es in der von Havas verbreiteten halbamtlichen Mitteilung, daß der Minister­präsident am Vorabend wichtiger Entscheidungen, sowohl in der Frage der Reparationen wie in der der Sicherheit, sich der voll­fommeren Uebereinstimmung mit seinen Kollegen versichern will, mit denen er seit nahezu einem Monat teine Möglichkeit zu direkter Aussprache mehr gehabt hat."

Die französischen   Minister werden am Sonnabend fofort nach Beendigung der üblichen Vormittagsfihung der alliierten Delegations­chefs die Reise nach Paris   im Flugzeug antreten. Ihr Aufent­half in Paris   foll nur 24 Stunden dauern. Am Sonntag vormittag foll ein Ministerrat stattfinden, nach dessen Beendigung die fran­zöfifchen Delegierten die Rückreise nach Condon antreten werden, wo fie für Sonntag abend zurüderivartet werden.

Nollet gegen Herriot?

In unterrichteten freifen verlautet, daß der Hauptgrund für den unerwarteten Beschluß Herriots, feinen Aufenthalt in Con­don zu unterbrechen, um sich mit den in Paris   zurückgebliebenen Mitgliedern feines Kabinetis zu besprechen, in den sehr scharfen Meinungsverschiedenheiten zu suchen sei, zu denen es innerhalb der franzöfifchen Delegation fiber die beiden in der halbamtlichen Mitteilung erwähnten Fragen der mili­tärischen Räumung des Ruhrgeblets und der Zurüdlaffung von 4000 Eisenbahnern auf den rheinischen Eisenbahnstreden gekommen fei. Die französische   Forderung bezüglich der Eisenbahner soll auf eine sehr tategorische Ablehnung von englischer Seite ge­ftoßen fein. Herriot jei angeblich bereit, diese Forderung fallen zu laffen, sei aber dabei dem sehr energischen Widerstand feines kriegsministers begegnnet. Aehnlich scheinen die Dinge in der Frage der baldigen Räumung des Ruhrgebiets zu liegen. Dem gegen den französischen   Versuch, die Zurüdziehung der Truppen sich mit englischen Zugeständnissen in der Frage der interalliierten Schulden oder durch deutsche Zugeständnisse wirtschaft­licher Natur abkaufen ju lassen, geltend gemachten Argument, daß die militärische Beschung nach der Definition, die selbst Poincaré  gegeben hate, mit der Zurüdziehung der französischen   Ingenieure jeden Rechtsgrund erloren habe, hat sich Herriot am­fcheinend nicht entzogen. Aber auch dabei ist er bei Nollet auf ent­fchiedenen Widerstand gestoßen, und die Versuche des Finanzministers Clementel, die Gegensätze zu überbrüden, scheinen bisher er­folglos geblieben zu sein. General Nollet verlangt als Vorbe bingung für die Räumung des Ruhrgebietes nicht nur die refleje Durchführung der interafliierten Militärtontrolle fowie der in der lehlen Note der Botschafterkonferenz geforderten Inspettion, fondern darüber hinaus die Auflösung der grünen Schuh­polizei sowie bestimmie Garanfien in bezug auf die angeblich in Deutschland   noch immer bestehenden militärischen Geheimorgani­fationen. Angesichts dieser Sachlage scheint Herriot die Verant­wortung für die zu treffenden Entscheidungen nicht allein über­nehmen, fondern fich durch einen formellen Beschluß des Minister­

London, 8. Auguft.( WTB.) Reuter berichtet: Bisher ist über die heutige Tätigteit der Konferenz wenig zu melden. Der Rat der Bierzehn beabsichtigte, um 2 Uhr 30 Minuten zufammen­zutreten, wenn Hoffnung bestände, daß die Berichte der beiden Ausschüsse entsprechend vorbereitet seien. Der allgemeine Eindruck ist auch jetzt, daß die Konferenz nicht vor Mitte nächster Woche zu Ende gehen kann.

Durchaus befriedigender Verlauf". Condon, 8. Auguft.( WIB.) Wie hier verlaufet, kann der bisherige Fortgang der Verhandlungen sowohl in bezug auf die allgemein herrschende Almosphäre wie auch auf die fachlichen Er­gebnisse als durchaus befriedigend angesehen werden. Die augenblickliche Lage der Konferenz kann man als hoffnungs­voll aber noch nicht geregelt" bezeichnen. Es ist zu er­warten, daß die Beratungen des zweiten Ausschusses über die wirtschaftliche Räumung des Ruhrgebiets heute vormittag vollkommen erledigt werden. Mit Sicherheit tann angenommen werden, daß sich dieser Ausschuß im Wesentlichen einigen wird. Die Kompromißbasis.

London  , 8. August.  ( Funkbericht unseres Sonder­forrespondenten.) In den Vordergrung der Londoner   Beratungen dürfte von jetzt ab die erstrebte Regelung der Räumungs. Frage treten, nachdem der baldige Abschluß der Kommissions beratungen nicht mehr zweifelhaft erscheint. Die Basis, auf der die Erörterung dieser schwierigen Angelegenheit erfolgen tönnte, ist vorläufig allerdings noch nicht gefunden. Immerhin haben wir begründeten Anlaß zu der Annahme, daß die Chef­delegierten der franzöfifchen, belgischen und deutschen   Delegation jeht versuchen wollen, durch Berbindung der Räumungs­frage mit dem Problem der Sicherheit und der militärischen Kontrolle auf der einen Seite und der Vor­bereitung eines deutsch  - französischen Handelsver­trages und Berlängerung der Frist für 30llfreie Einfuhr nach Deutschland   über die elfäffische Grenze auf der anderen Seite einen Ausweg zu finden. Diese Zollfreiheit über die elfäffische Grenze läuft vertragsmäßig im Jahre 1925 ab.

Aus guter Quelle erfahren wir, daß dieser Fragenkomplex am Freitag abend zwischen den zuständigen Mitgliedern der franzöfi­fchen, belgischen und deutschen   Delegation an einem neutralen Orte besprochen worden ist. Als Folge dieser Besprechung begibt sich Herri of am Sonnabend im Flugzeug nach Paris  , um dort über die Grundlinien der geplanten Lösung des Räumungsproblems zu ver­handeln. Die Verhandlungen über die Räumung des Ruhrgebiets und des Düsseldorf  - Duisburger   Sanktionsgebiets werden infolge deffen erst am Montag vormittag nach der Rückkehr Herriots aus Paris   weitergeführt werden können. Falls eine Einigung er zielt wird, soll das Berhandlungsergebnis in einem Protokoll feft­gelegt werden, das dann den Rat der Großen Bierzehn" beschäftigen dürfte.

Interalliierte Finanzkonferenz in Paris  ? London  , 8. Auguft.( WTB.) Reuter berichtet: Es besteht der Plan, eine Zusammenkunft der Finanzminister und Sachverstän­bigen nach Abschluß dieser Konferenz in Paris   zu vereinbaren. Gegenstand dieser neuen Konferenz wäre die Berteilung der Reparationszahlungen, die von Deutschland   seit dem Beginn des Jahres 1923 und während des ersten Jahres der Wirksamkeit des Dames- Blanes erhalten worden sind, zu beraten. Ein anderer wichtiger Bunft wäre ferner die Frage, ob die franzöfifche und belgische Regierung die Ausgaben für die Ruhrbesehung aus dem Gutachten der Reparationskommission nehmen dürfe.

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Was wird aus der Rentenbank?

Der Reichslandbund als Staat im Staate. Die Zollvorlage soll der Landwirtschaft die wirtschaftliche Vormachtstellung wiedergeben, die sie vor dem Kriege besessen hat. Die großagrarischen Kreise wollen die augenblickliche politische Konjunktur und die augenblickliche Kräfteverteilung im Parlamente ausnuten, um sich eine wirtschaftliche Macht­stellung zu schaffen, die es ihnen ermöglichen soll, weit mehr als in den vergangenen Jahren auf das politische Leben in Deutschland   einzuwirken. Die Bedeutung des Zollkampfes geht deshalb weit über den Rahmen einer Auseinandersetzung über die Wirtschaftspolitik hinaus. Der Kampf gegen die Agrarzölle ist ein Kampf um die Gestaltung der politischen Machtverhältnisse und der wirklichen Verfassung in Deutschland  . Neben der großen Beachtung, die deshalb die Zollpläne der Regierung gefunden haben, ist die andere nicht minder wichtige Tatsache fast unbemerkt geblieben, daß die Landwirt­schaft sich mit dem Blane trägt, sich mit Staatshilfe und unter Ausnutung des staatlichen Zwanges ein gewaltiges wirt­fchaftliches Machtinstrument zu schaffen. Dies Instrument soll sie politisch und wirtschftlich so fest zusammenfassen, daß fie fast zum Staat im Staate wird, es müßte, wenn es zur Tatsache wird, den Spizenorganisationen der Landwirtschaft die Möglichkeit geben, die staatliche Agrarpolitik unwirksam zu machen und darüber hinaus die gesamte staatliche Wirt­schaftspolitik zu durchkreuzen.

Bei diesem Plane handelt es sich um die Umgestaltung der Rentenbank in ein großes privates agrarisches 3entralinstitut. Das Dawes- Gutachten sieht die Liqui= dierung der Rentenbank vor. Die hypothefarische Belastung der gesamten Landwirtschaft, auf der die Rentenbank auf­gebaut ist, soll die breite Grundlage abgeben für eine große Agrarkreditbank. Wie die Oeffentlichkeit aus einem Artikel von Dr. Seelmann- Eggebert in der Deutschen Tageszeitung" er­fährt, sind die Gesetzentwürfe für die Ueberführung der Rentenbank in ein Agrarkreditinstitut im großen und ganzen fertig. Der Gesezentwurf über die Liquidierung der Renten­bant ist völlig fertiggestellt, der Gesehentwurf über die Schaffung eines agrarischen Kreditinstituts steht in den Grundzügen fest. Die Probleme, die bei der Schaffung der Rentenbank für den Fall der Liquidierung bereits erörtert worden sind, werden nun aktuell. Nun zeigt es sich, eine wie große Gefahr darin lag, daß man die Leitung der Rentenbank nicht in die Hand des Staates, sondern in die hand von Ver= tretern einzelner Stände, von Vertretern der Landwirtschaft, der Industrie, des Gewerbes und des Handels einschließlich der Banken gelegt hat. Für die Periode der Wirksamkeit der Rentenbank, die von vornherein nur als außerordentlicher Notbehelf in außerordentlicher Notzeit ge­dacht war, war diese Konstruktion immerhin noch erträglich. Die enge Begrenzung der Funktionen der Rentenbank, die es unmöglich machte, daß dies Institut zu einem Machtinstrument gegen die staatliche Politik auf dem Gebiete des Geldwesens und der Wirtschaftspolitik wurde, verhinderte die Aus­nuzung der Leitung dieses Instituts durch die Ständevertreter zu politischen Zwecken. Wenn aber nun dies als Notbehelf gedachte Institut verewigt werden soll, und gleichzeitig die dadurch repräsentierte Wirtschaftsmacht für alle Zeiten in die hand von Ständevertretern gelegt werden soll, die in der wirtschaftspolitischen Ausnutzung dieses Machtmittels im weitesten Sinne durch staatliche Vorschriften nicht eingeengt find, so liegt darin eine überaus große wirtschaft­liche und politische Gefahr.

Der Inhalt dieser Pläne ist etwa folgender: Industrie, Gewerbe, Handel und Banten werden aus der Rentenbank ausscheiden. Nach ihrem Ausscheiden bleibt die General­hypothek, die durch staatlichen Zwang auf die gesamte Land­wirtschaft gelegt worden ist, übrig. Diese hypothefarische Be­lastung beträgt zwei Milliarden Goldmark. Mit der Ein­lösung der umlaufenden Rentenscheine wird diese hypotheka­rische Belastung, die bisher als Dedung für das Rentengeid Diente, frei werden. Es ist geplant, diese hypothefar de Be­faftung zur Generalsicherung für die Kreditgeschäfte der neu zu gründenden Agrarkreditbank zu machen. Darüber hinaus aber soll das angesammelte Kapital der Rentenbank, das durch die Rinszahlungen der hypothefarisch belasteten Anteilseigner der Rentenbank zusammengekommen ist, als Grundvermögen der neuen Agrarbant zugeführt werden. Es handelt sich dabei um ein Kapital von rund 200 Millionen Goldmark.

Die neue Agrarbant soll als Zentralkreditinstitut dienen, Amerika   will seinen Anteil an Reparationen. das mit landwirtschaftlichen Banken und Instituten, aber nicht New York  , 8. August.  ( WTB.)( Durch Funkspruch.) Wie mit Einzelpersonen Geschäfte treiben soll. Dies Institut foll Affociated Pres" aus Washington   meldet, habe Amerika   die Absicht, vollständig in die Hand und unter die Leitung der landwirt­Preß an einer Ronferenz der Alliierten zur Beratung ter Werschaftlichen Spizenorganisationen gegeben werden. Das Mit­teilung der von Deutschland   nach den Bestimmungen des Dawes bestimmungsrecht der Einzelpersonen der Planes zu leistenden Reparationszahlungen teilzu Landwirtschaft, die im Grunde genommen die wirtschaftlichen nehmen. Die Angelegenheit sei für Amerika   deshalb von Wich- Träger des Institutes sind und aus deren Vermögen das tigkeit, weil eine solche Konferenz das einzige Mittel darstellen Grundkapital der neuen Agrarbant stammt, ist ein in di­würde, um von Deutschland   Bezahlung der von der deutsch  - amerifarettes und unsicheres. Sein Ausmaß richtet sich nach nischen Kommission Amerika   zugesprochenen Forderungen oder die 3urückzahlung der amerikanischen   Bejagungskosten, zu erhalten.

( Weitere Konferenznachrichten auf der dritten Seite.)

dem Ausmaß des Einflusses, den der einzelne in den land­wirtschaftlichen Spizenorganisationen auszuüben vermag. Die Konstruktion der Rentenbank soll auf dieses Institut übertra­