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Heilage öes
wanöerziele. Oranienburg   Kreuzbruch. Vom Stettiner Vorortbahnhof fahren wir nach Oranienburg  . Einen Besuch dieses 5)avclstädtchens wollen wir uns heute schenke�, wir wandern sogleich durch die Stralsunder Straße und dann rechts unter der Bahn hfcdurch auf der Königs, alle« zur Stadt hinaus. Anfangs begleitet uns die Villenkolonie oon Oranienburg  ; alsdann fuhrt die Straße als Schmachtenhagener Chaussee zum Lehnitzsee, der rechts sichtbar wird. Auf hoher Brücke überschreiten wir den Großschiffahrtsweg Berlin   Stettin  , der hier in den Lehnitzsee geführt ist. Eine Schleuse vermittelt den Uebergang. Die Chaussee ist weiterhin von mächtigen Eichen eingefaßt. Knorrige Burschen sind es, von sparrigem Wuchs, die wohl schon manches Jahrhundert vorüberrauschen hörten. Wir folgen der Chaussee bis zur Brücke über den Stintgraben: hinter der Brück« biegen wir links
ab und wandern nun auf dem Ostufer dieses Fließes nach Norden. Anmutig schlängelt sich das Wäsferlein durch den Waldesgrund, be- gleitet von Loubgebüsch. Späterhin führt der Weg etwas abseits. Wir kommen zur Elisabethbrücke, auf der wir die Bäk«, ein Neben- slüßchen des Stintgradens, überschreiten,. Bald taucht vor uns der Grabowsee auf, und wir haben die gleichnamige Volksheilstätte erreicht. Am Zaun entlang kommen wir zur alten Straß« von Oranienburg   nach Liebenwalde  , die schwarz beschüttet ist: ihr folgen wir gen Nordost. Durch prächtigen Kiefernhochwald, dessen Boden ein dichter Teppich von Farn- und Beerenkraut bedeckt, wandern mir bis zu einem Kahlschlag, an der durch eine Tafel bezeichneten Grenze der Oberförsterei Liebenwalde  , chier biegen wir halblinks ab und überschreiten den Großschiffahrtsweg auf einer eisernen Brücke. Jenseits erstreckt sich ein halbinselartigcr Vorsprung bis zur Havel  . Der hier nur sehr schmal« Fluß schlängelt sich in zahlreichen Windungen durch das Wiesengelände: auf dem anderen User liegt
Sonnabeno, 9. Mgust 1H24
ein Gehöft, die Schweizerhütte. Ein schönes Landschaflsbild tut sich vor uns auf, wenn wir den Rand des Vorsprungs erreicht haben. Wir wandern über die Brücke zurück und geradeaus weiter zur schwarz beschütteten Straß«, der wir nach links folgen. Bald haben wir die Siedlung Bernöwe erreicht. 25 Minuten iveitcr liegt das Haus Wittenberg  ..Hier wenden wir uns rechts ab durch schönen Mischwald mit besonders vielen starken Eichen und kommen in einer Stunde an die Berlin   Liebcnwalder Chaussee, der wir nach links bis 40 Schritte vor Kilometerstein 37 folgen. 16 Schritte links der Chaussee befindet sich ein kleiner E l s b e c r h o r st,«in statt­licher Stamm von 17 Metern Höhe und 1,33 Meter Umfang in Brusthöhe, der von mehreren dünnen Bäumchen, kleinen Sträuchern und Schößlingen umgeben ist. Die Elsbeere ist ein äußerst feiten vorkommender Baum des heimatlichen Waldes. Der Schaft ist hoch und schlank und trägt eine reich belaubte Krone. Die Blätter der Elsbeere sind langstielig, groß, breit-eiförmig, mit dreieckigen, all- mählich zugespitzten, ungleichgesägten Lappen versehen. Dies« Blatt- form ist so eigenartag, daß sie mit der keiner anderen einheimischen Pflanze verwechselt werden kann. Di« Frücht  « sind etwa 1,5 Zenti- Meter lang und von grünlich brauner, zuletzt lederbrauner Farbe mit«ingesprengten hellen Fleckchen. In reifem Zustand sind sie teigig und können dann gegessen werden.' Die jetzige Seltenheit der Elsbeere ist darauf zurückzuführen, daß im forstwirtschaftlichen Wald immer nur diejenigen Baumarten angepflanzt werden, die rasch großen Nutzen bringen. Die Elsbeere wächst jedoch langsamer: so fand man, daß ein Stamm von 26 Meter Höhe und 1,94 Meier Umfang in 1 Meter Höhe über dem Boden 235 Jahresringe zählte, also ebenso viel Jahre alt nxir. Wir wandern auf der Chaussee weiter, am Forsthaus Bismarck vorüber, zum Bahnhof Krcuzbruch der Reinickendorf   Lie- benwalder Bahn. Bon hier aus treten wir die Rückfahrt über Reinickendorf  -Roscnthal(umsteigen) nach Berlin  , Stettincr Vorort- bahnhof, an.(Weglänge etwa 16 Kilometer.)
Buf üer Kommandobrücke. Auf dem Potsdamer Platz   wird augsnblickttch unter ziemlich großem Aufwand von Schupomannschasten und Schupo- offizieren der Versuch gemacht, den Verkehr neu zu regeln. Man sieht, halbbelustigt und halbbeängstigt, diesen Experimenten zu und wer ein wenig in der Welt herumgekommen ist, denkt bei sich: Ja, mein Gott, warum denn nur oll dieser Aufwand, sintemalen und dicweilen der Verkehr auf dem Potsdamer Platz   weit weit hinter dem Verkehr in Straßenbrennpunkten der Weltstadt« London   und Paris   zurückbleibt. Na und wir wollen eben auch Welistadt werden und probierens mal so. Zunächst einmal, in der Mitte des Potsdamer Platzes ist«in Aussichtsturm mit Plattform errichtet, auf dem steht der Grüne mit der Tut« und tutet. Ab und wann gesellt sich zu ihm «in Schupoosfizier, der über den Platz blickt und ausschaut, wie ein Kapitän, der von der Kommandobrücke des Schiffes Wind, Wellen und Wolken prüft. Die Jnfelperrons sind mit Brettern umzäunt, und ebenso sind an der Ecke der Potsdamer Straße   und der Belle- vuestraße von Baum zu Baum Bretter genagelt, die auf den ersten Blick wie Barrikaden anmuten. Durch diese Verschlage und Wer- hau« soll das Publikum zur Verkehrsregelung erzogen werden. Wehe nämlich dem Passanten, der, wie er es bisher gewohnt war und auch ohne jede Gefahr tun konnte, quer über den Platz gehen will. Man ruft, man schreit und wenn er auf alle diese Alarmic- rungen nicht hört, holt man ihn zurück. Je nach Veranlagung und Temperament des einzelnen Beamten. Der ein« Schupomann führt den Verirrten, der gar nicht weiß, wie ihm geschieht, an der Hand aus demChaos" zurück,«in anderer wieder macht ihn mehr im Befehlston darauf aufmerksam, daß er sich auf falschem Wege be- findet. Während dieses Versuches der Verkehrsregelung darf näm- lich das Publikum den Platz entweder nur im Zuge der Leipziger  refp. der Potsdamer Straße   überschreiten, oder rund um den Platz herumgehen. Das ist ein wenig umständlich und trägt gewiß nicht gerade zur Vereinfachung des Verkehrs bei. Das Publikum muckt auf gegen die Bevormundung und nicht selten hat sich alles, Straßenbahnen, Wagen, Automobile und Fußgänger zu einem Knäuel verkrampft, der erst wieder mühsam von den Beamten aus- «inander gewickelt werden muß. Man steht und steht staunend auf die Experimente. In der Zu-
Nr. Z72 47. Jahrgang
Sonntägliche Lehnin   öeelitz. Vom Potsdamer   Hauptbahnhof fahren wir mit dem Fernzug über Groh-Kreuz(hier in die Kleinbahn umsteigen) nach Lehn in. Hier liegt eines der ältesten Klöster der Mark: es wurde um 1180 gegründet und mit Mönchen des Klosters Sittichen- bach bei Eisleben   besetzt. In jener Zeit der Wiederbesiedlung des Wendenlandcs durch öle Deutschen   muhte man bei der Anlage von Klöstern gleichzeilig darauf bedacht sein, Befestigungswerke zu schaffen. Di« Klöster sollten nicht nur Horte sein, von denen sich das Christentum ausbreitete, sondern sie sollton zugleich Stützpunkte des vordringenden Deutschtums bilden. Als Bauplatz wurde der sandig« Ausläufer einer Hügelkette ausersehen, die von Seen und sumpfigen Niederungen umgeben ist. Klostersee, Mühlentcich, Gohlitzse«, Mittelsee, sowie die Niederungen, in denen einst die verschwundenen Seen von Rädel und Schwina lagen, umkränzten Kloster und Ort Lehn:«. Heute ist der Ort wegen seiner schönen landschastiichen Lage zu einer beliebten Sommerfrische geworden. Früher war jedoch die Umgebung ein ziemlich wildes Gebiet. Dichter Wald   bedeckte das Land, delebt von zahlreichem Wild, wohl auch Bären: in den fisch- reichen Seen fanden Scharen von Reihern ihre Nahrung. Ge­heimnisvoll raunen die Sagen über die Gründungsgsfchichle des Klosters. Und auch der Abt Seebald soll nochumgehen". Willi- bald Alexis erzählt von ihm: Zu den Bauern ging er umher, in die schlechteste Hütt«, um sie zu bekehren. Aber ihm war es mehr um die Frauen zu tun, als die Männer. Einst kam er in Nahmitz(nördlich von Lehnin  ) in eines Fischers Haus, und die junge Frau, die gerade buk, kriegte einen Schreck und wußte sich nicht anders zu verstecken, als sie kroch unter den Backtrog. Da, als er Zlbt sie nicht sah, setzte er sich aus den Trog und wollte warten, bis sie käme. Doch ihre kleine Tochter lief erschrocken auf das Feld und schrie:Dater! Vater! der Abbat sitzt auf der Mutter." Da liesen sie alle vom Felde und schworen ihm den Tod. Als der Abt sie nun herankommen hörte, mit Mistgabeln und Sensen, lief er, was er laufen konnte, aus dem Hof in den Wald. Sie hinter ihm drein, und da er nicht weiter konnte, denn er war dick, kletterte er auf eine alte Rüster, wo sie ihn runterschütteln wollten. Aber da er sich fest hielt, sägten sie den Baum ab und schlugen ihn dann tot, was auch bie Mönche den Heiden Lösegeld boten. Von den alten Baulichkeiten des Klosters ist nur noch wenig erhallen: im Lause der Jahrhunderts wurde viel ausgebessert und umgebaut. Am bemer- kenswertesten ist dasKönigshaus" aus dem 15. Jahrhundert, in dem ein kleines Museum untergebracht ist(siehe Abbildung). Der Klostergorten enthält prächtige alt« Linden von einer Höhe, wie man sie in der Mark Brandenburg kaum noch einmal findet. Von Lehnin  .»andern wir gen Ost auf der alten Potsdamer Landstraße durch den Wald. Alte Eichen begleiten den Weg. Nach X Stunde biegen mir rechts ab zum Schampsee und Kolpins««, zwei«cht« märkische Waldseen. Wir wandern auf dem Westuser des Kolpinsees zu seiner Südwestecke. Hier sind größere Bestände der Weymouthskiefer oder Strobe, einer amerikanischen Verwandten unserer heimischen Kieser. Nach Südost kommen wir zum Luchgraben. Von der über ihn führenden Luchbrücke(die zweit« Brücke) wandern wir nach Resau. Vor etwa 36 Iahren machte dieser stille Ort viel von sich reden, hier ereignete sich derSpuk von Resau". In dem einen Bauernhaus machten sich allerlei polternde Geräusche bemerkbar, so daß man an einen Spuk glaubt«: auch mancherlei Gegenstände wie Kartofsein, Kohlköpfe und Kohlrüben flogen den Bewohnern um den Kopf, wenn sie ahnungslos am Tisch saßen. Dem Bauern wurde sogar des Nachts wie von Geisterhand das Deckbett fortgezogen. Die guten Leute wußten sich nicht anders zu helfen als den Pfarrer zu holen, damit er den Spuk bannen solle. Aber auch vor dem Pfarrer hatte der Spukgeist kein« Achtung: während der Geisterbeschwörung flogen dem Pfarrer ebenfalls Kohl und Rüben um den Kopf. Schließlich wurde alsSpukgeist" ein junger Bursche entlarvt, der bei dem Bauern in Dienst war. Wir verlassen den gruseligen Ort und wandern gen Südost und später gen Süd nach K l a i st o w, einem ausgesprochenen Runddorf am Rande des Kaniner Luchs. Das Luch liegt in der Senke, die die südwestliche Fortsetzung des Schwielowsees bildet, und die einst von der Havel   durchflössen wurde. Von Klaistow wandern wir durch Kiefernwald zum Bahnhof B e e l i tz, von wo aus wir mit dem Vorortzug nach Berlin  (Stadt- bahn) zurückkehren.(Wegläng« etwa 19 Kilometer.)
,-i Die Rebellion. Roman von Joseph Rokh. Herr Arnold stand schweigend, weil der Stimme beraubt. ISt beobachtete die rote, schwarz und braun gestreifte Schleife seines Gegners, die keck und wie ein Requisit der Lebensfreude über die beiden Kragenenden hinausragte. Es wurde sehr still, nachdem Luigi Bernotat mit erhobener Stimme seine Rede beendet hatte. Plötzlich begann Bernotat zu trillern. Er wollte offenbar seinen frechen Uebermut beweisen, indem er eine Lerche täuschend imitierte. Sein Pfeifen schwoll an und bald war es, als jubilierte ein ganzer Lerchenchor. Da schrie Herr Arnold:Trillern Sie hier nicht, Sie frecher Lausbub!" Luigi Bernotat verneigte sich:Das werden Sie be- weisen," sagte er leise und gar nicht konsequent und er tän- zelte, nachdem er sich noch einmal verneigt hatte, elegant "°Herr Zlrnvld übersah, trotz seiner Aufregung, die ganz gefährlichen Folgen dieses Besuches nicht. Da hatte er was angerichtet! Fünfundvierzig Jahre eines anstandigen Lebens- wandels, eines tadellosen Ruses, eines glänzenden Geschäfts- ganges waren gefährdet. Und, ohne lange zu uberlegen, fuhr er zu seinem Rechtsanwalt. m Freilich war dieser abwesend und beim Gericht. Ein Narr, wer es anders erwartet hätte! Wozu haben wir eigent- lich unsere Rechtsanwälte? Damit ste verschwinden, sobald wir ihren Rat gebrauchen. Unsere Hausärzte. Sie kommen erst, wenn wir gestorben sind und schreiben unsere Toten- scheine. Unsere Bureaumädchen? Sie bringen uns eines dummen Witzes wegen in die allergrößte Verlegenheit, unsere Frauen? Mit ihnen können wir überhaupt mcht sprechen, wenn unser Herz voll ist: unser Unglück loscht nur ihren ewigen Rachedurst. Unsere Kinder? Sie haben ihre eigenen Sorgen und wir Däter sind womöglich ihre Feinde. Und obwohl alle diese Berhältnisse seit Jahrhunderten wahr und gültig sein mochten, so war doch vieles von dem, was den besonderen Fall Bernotat, Lenz und Arnold betraf. -ine Schuld dieser Zeit: dieser entsetzlichen Gegenwart, deren Tendenzen dahin gingen, diverse Ordnungen zu zerstören. In welchem Zeitalter der Weltgeschichte wäre es sonst möglich gewesen, daß ein kleines Bureanmädchen ihren Verlobten zu wreni Brotgeber schickte? Daß dieserBräutigam" Herr Arnold dachte diese Bezeichnung in Gänsefüßchen   zum Chef erneg auangesekzeneri Hauses käme und. Rechenschaft �ordKrte--
notabene einen Bräuttgam, der ein Zirkusmensch ist! In welcher anderen Zeit hätte diese Hefe der menschlichen Gesell- schaft noch so viel impertinenten Mut aufgebracht? Herr Arnold schickte das Auto weg und ging durch die Straßen. Er in einem Restaurant. Mochte seine Fa- milie auch ein bißchen aufgeregt sein. Hatte er vielleicht die Verpflichtung, seit Jahren pünktlich heimzukommen? Mochten sie zu Hause nur glauben, ihm fei ein Unfall zugestoßen. Im Gasthaus schien der Kellner eine so auffällige Er- scheinung, wie Herrn Arnold, nicht bemerken zu wollen. Arnold zerschlug mit einem schweren Messergriff ein Salzfaß und nahm mit der wortlosen Gekränktheit eines gewaltigen Tyrannen die demütige Entschuldigung des feierlichen Direk- tors entgegen. Dann trank er einen Mokka, um die Müdigkeit nieder- zuringen. Dennoch mußte er noch auf der Straße gegen den Schlaf ankämpfen, der mit der Zähigkeit einer langjährigen Gewohnheit auftrat. Herr Arnold ging durch fremde Straßen mit eiligen Schritten, als wollte er bald ein Ziel erreichen. Mit jedem Schritt merkte er, bitter und dem Weinen nahe, wie wenig er eigentlich bedeutete. Man geht so durch die Welt, durch sein eigenes Land, durch seine Heimat, für die man fünfund- vierzig Jahre geschuftet hat und ist ein Niemand. Vor fremden Automobilen und Wagen muß man sich in acht nehmen. Die Lümmel von Polizisten sehen stolz aus uns herab. Gemeine Menschen aus den unteren Schichten'des Volkes, versoffen und zerlumpt, gehen uns nicht aus dem Wege. Geschäftsdicncr mit Gepäckstücken stoßen uns an. Sechzehnjährige Burschen bitten mit der Miene ernster Männer um Feuer für ihre Zigarette. Es fällt uns aber nicht ein, stehen zu bleiben und Rotzbuben Gefälligkeiten zu erweisen. Auf Schritt und Tritt erkennt man die zersetzenden Tendenzen dieser Zeit. Dieser gottverlassenen Gegenwart! Die Dämmerung senkte sich rasch über die Welt. Di- ersten Laternen erglommen. Ein hinkender Mann stellte sich Arnold in den Weg. Er trug auf Brust und Rücken ein ausreizendes Plakat.Genossen!" so begann es,Die Not der Invaliden kennt keine Grenzen. Die Regierung ist ohnmächtig!" In diesem Ton ging es weiter. Das war ja auch eine schöne Bande! Bettler, Diebe und Einbrecher. Viele waren ja gar nicht echt. Simulierten Schmerzen. Gaben vor, Krüppel zu sein! Eine nette Gesellschaft. Die Regierung ließ das zu. Auf öffentlichen Plakaten schreiben sie: Genossen! Ein schreckliches Wort. Anarchistisch. Zer- setzend. Es riecht nach Bomben. Die russischen Juden er- Linden jolche.Bezeichnungen, Der Polizist stand in der. Nähe
und griff nicht ein. Dafür zahlt man die horrenden Steuern! Schrecklich, so was! Da ist ja auch das Versammlungslokal! Hinein strömen sie! Aufallend wenig Krüppel. Drei oder vier Blinde mit Hunden. Aber sonst? Tagediebe, Bettler, Gesindel. Es war spät. Man mußte heim. Am besten, man be- stieg eine Straßenbahn. Hätte der Herr Arnold, wozu er wohl in der Lage gewesen wäre, ein Auto genommen, um heimzukommen, er wäre der letzten Aufregung dieses furchtbaren Tages entronnen und sein Weg hätte. sich nicht unheilvoll mit jenem des Leierkasten- mannes Andreas Pum gekreuzt. So aber richtet es ein tückisches Geschick ein: daß wir zugrunde geben nicht durch unsere Schuld und ohne, daß wir einen Zusammenhang ahnen: durch das blinde Wüten eines fremden Mannes, dessen Vorleben wir nicht kennen, an dessen Unglück wir unschuldig sind und dessen Weltanschauung wir sogar teilen. Er gerade ist nun das Instrument in der vernichtenden Hand des Schicksals. 8. Es fügte sich, daß Andreas, der an diesem Nächmittag seinen Leierkasten zu Hause gelassen hatte und den Esel im Stall, wie er es an jedem Mittwoch zu tun gewohnt war, plötzlich so müde wurde, daß er, obwohl er sparsam und sein Haus nicht mehr weit entfernt war, die Straßenbahn bestieg. Hart an.ihrem Eingang und so, daß er das halbe Trittbrett einnahm, stand 5)err Arnold mit seinem Regenschirm, wie ein Wächter. Mehrere Passanten hatten sich schon über den umfangreichen 5)errn aufgeregt, der den Verkehr so an- maßend behinderte. Arnold aber war wir wissen, wes­halb nicht in jener Stimmung, in der man seinen Mit- menschen Gerechtigkeit widerfahren läßt. Er, der sonst immer für die vorgeschriebene Ordnung auf öffentlichen Verkehrs- anstalten eingenommen war, rebellierte gegen seine eigene Ueberzeugung. Andreas Pum war schon lange nicht Straßenbahn ge- fahren. Er hatte sie als ein sympathisches Verkehrsmittel in der Erinnerung. Immer boten ihm zwei und drei Passagiere gleichzeitig ihre Plätze an. Seine Krücke, sein militärischer Anzug, den er an Wochentagen trug und sein blankes Kreuz sprachen zu dem Gewissen der Leute, selbst jener mürrischen Nebenmenschen, die immer tiefbekllmmert und wie durch tausend Ungerechtigkeiten, die ihnen jemand zugefügt, er- bittert durch die Welt gehen, mit dem Ziel, allen, die ihnen in den Weg laufen, das Dasein zu erschwere». In der Straßenbahn begegnete Andreas Pum immer zuvorkommen-, den.GeMterNi(Fortsetzung folgt.)