ttc. 3$4 ❖ 41. Jahrgang
Heilage öes vorwärts
Sonnabend, lö. Mguft 1424
Sonntägliche wanöerziele.
Reich an Geschichte und landschaftlich schön ist das Gebiet, das wir aufsuchen wollen. Mit der Hamburger Bahn fahren wir über Glöwen (umsteigen) bis Ha Velber g. Der Bahnhof liegt dicht bei der Stadt, unmittelbar neben der Havel . Havelberg ist mit den Anfängen der Geschichte der Mark Brandenburg auf das Innigste verknüpft. Kaiser Otto I. , der Gründer Magdeburgs , gründete 946 das Bistum Havelberg, ebenso Brandenburg . Anfangs war es dem Erzbischof von Mainz unterstellt, 968 kam es unter das neugegrün- det« Erzbistum Magdeburg . Weithin erstreckte sich das Gebiet des Bistums Havelberg , von der Elbe bis zur Peene. Außer der Prieg- nig gehörten Teile der Altmark , Mecklenburgs und Pommerns zu Havelberg . Der Bischofsitz erhielt schon in früher Zeit große Bedeu- tung, so daß in den Urkunden nach ihm die ganze Priegnitz häufig als das Land Havelberg erwähnt wird. Bei dem großen Wenden- aufstand von 983 wurde die Domkirche von Havelberg zerstört. Erst 4136, unter Albrecht dem Bären, kam Havelberg endgültig in beut- schen Besitz. Am 16. August 1179 wurde der neuerrichtete Dom ge- weiht. Dom havelberg. Wenn wir vom Bahnhof kommen, wandern wir zunächst nicht ui die eigentliche Stadt, sondern zum Dom. Kurz vor der über die Havel führenden Steintorbrücke wenden wir uns nach links, zur St. Annakapelle. Sie ist ein einfacher, achteckiger Backsteinbau aus dem IS. Jahrhundert, der Ueberrest des Hospitals St. Gertraud und St. Annen. An der Kapelle vorüber steigen wir durch den Hohlweg zum Dom hinauf. Er liegt hoch oben, am Rand der bis zu 18 Meter senkrecht aufsteigenden Uferhöhe der Havel . Aus dieser Höhe hatten # vermutlich schon die Wenden, vielleicht auch bereits die Germanen vor ihnen eine Befestigung. Als die Deutschen dann das Land wie- der eroberten, legten sie ein Kastell an, dessen, Ausdehnung etwa der des späteren Klosters gleichkam. Die Klosteranlage ist die bedeu- tendste in der Mark Brandenburg. An den Abhängen der Höhe und auf dem schmalen Borgelände zwischen der Höhe und der Havel liegen die sechs Berggcmeinden, ehemals eigene Gemeinwesen, im vorigen Jahrhundert jedoch mit der Stadt Havelberg vereinigt. Nur eine schmal« Straße zieht sich durch die jetzt zusammenhängende Siedlung hindurch. Bon der Domhöh« bietet sich ein prächtiger Blick über die alte Jnselstadt Havelberg , die von zwei Armen der Havel um- flössen wird. Wir schauen die roten Ziegeldächer der gekrümmten Straßenzeilen. � Ueberragt wird das Stadtbild von der Laurentius- kirche. In weiter Ferne liegt der jenseitige Uferrond des breiten Haveltals. Nach West sehen wir die Elbniederung, über der häufig die Rauchsahnen vorüberziehender Dampfschiffe stehen. Noch um- fassender ist der Rundblick vom Turm des Doms. Er reicht bis nach Werben und Spandau . Stehen wir vor dem gewaltigen Turmbau, der in seiner massigen Breite und Höhe ungeheuer wuchtig wirkt, so können wir uns wohl vorstellen, wie beherrschend er auf die Bewoh- ner des Landes vor 7S9 Jahren wirken mußte, die in ihren unschein- baren, winzig klein erscheinenden Häuschen lebten. Wir lernen be- greifen, daß von den Menschen, die solche Bauwerke errichten ließen, eine gebietende Macht ausgehen mußte. Bon der ältesten Zeit her sind noch beträchtliche Teile des Bauwerks erhalten. Tore und Fen- ster mit Rundbogen, dem romanischen Bauabschnitt angehörend, zeu- gen davon. Wahrscheinlich rühren die Fundamente mancher Teile sogar von dem ursprünglichen Bau aus der Mitte des 19. Jahrhun- derts her. Fast ein Jahrtausend alt, das wären die ältesten Mauer- werke in der Mark Brandenburg. Der Havelherger Dom war der erste bedeutende Steinbau, der im ostelbischen Lande errichtet wurde. Das Gcsteinsmaterial, das� in diesem Zeitabschnitt zum Bau ver- wandt wurde, stammt aus Steinbrüchen in der Magdeburger Gegend. Backsteine wurden nur vereinzelt als Hilfsmaterial gebraucht. Bon 1289 bis 1339 wurde die Domkirche umgebaut, der gotische Dom ent- stand. Eine neue Zeit in der Baukunst war angebrochenst, die Gotik war geboren. Jene hehren Bauten hochgewölbter, auf schlanken Säulen emporstrebender Dome, wie wir sie in alten märkischen Klö- stern und Kirchen bewundern, entstanden um diese Zeit. Das Kloster des Domstifts zu Havelberg ist das älteste in der Mark Brandenburg. Bereits 1144 wurde es mit Prämonstratensern vom Marienkloster zu Magdeburg besetzt? es ist älter als die Klöster von Brandenburg und Lehnin . Der älteste Teil der Klostergebäude ist der Konventbau, ein zweistöckiges Gebäude östlich vom Kreuz- gang. Er wurde etwa von 1159 bis 117�) errichtet als einer der
ersten Backsteinbauten im Lande östlich der Elbe . Umschlossen von Kreuzgang und Dom liegt der Klostergarten. Hier weht der Hauch reicher märkischer Geschichte, ja Frühgeschichte. Die Inselftaöt. Etwa um die Zeit des Wiederaufbaus des Havelberger Doms entstand auf der von den beiden Armen der Havel umflossenen Insel die eigentliche Stadt Havelberg . Sie wird zum ersten Male in einer Urkunde um 1159 erwähnt. Die Pfarrkirche wurde dem heiligen Lorenz geweiht, nach dem sie heute noch St. Laurentius-
kirche genannt wird. Ein lebhafter Handelsverkehr, der hauptsäch- lich den Wasserweg auf der Havel und Elbe nahm, ließ die Stadt 'aufblühen. Jedoch war der Handel nur in der Frühzeit des Mittel- alters von Bedeutung. Als Perleberg sich zum Haupthandelsplatz der Priegnitz aufschwang, ging der Handel Havelbergs zurück. Unter den Wirren des Dreißigjährigen Krieges hatte auch unsere Stadt schwer zu leiden. 1627 belagerten die Dänen Havelberg und zerstör- ten die Stadt völlig. Arge Verwirrung entstand durch die„vielselti- gen notorischen Plünderungen". Viele Einwohner wanderten aus, darunter auch die Vorfahren des Dichters Mörike . Als der Krieg beendet war, erholte sich die schwer daniederliegende Stadt allmäh- lich wieder. Der Durchgangshandel auf dem Wasserweg nach 5)am- bürg wurde wieder bedeutender; Schiffswerften entstanden, auf denen sogar Seeschisse gebaut wurden. In neuerer Zeit wurde Ha- velberg jedoch von Wittenberge überflügelt, da hier der Schienenweg von Berlin nach Hamburg vorüberführt. Das älteste Gebäude der Stadt ist wohl das Beg u in en h a u s, früher ein« Kapelle des Heiligen-Geist-5)ospitals, jetzt«in Heim für alt« Frauen. Es wurde 1399 errichtet. In einem stillen Winkel der Stadt, am Salzmarkt, liegt dieses Haus. Vom Markt führt die Domstraße zu der alten Holzbrücke über den Stadtgraben. Von hier haben wir einen schönen Ausblick zum Dom auf der Höhe des gegenüberliegenden Ufers und zu dem Ortsteil von Havelberg , der sich am Fuß der Höhe selbst hin- zieht. Zur havelmünöung. Wenige Kilometer unterhalb von Havelberg mündet die Havel in die Elbe . Auf der Sandauer Brücke überschreiten wir die Havel ;
die Straße nach Werben führt uns zur Stadt hinaus. Beim Rück- blick sehen wir sehr gut, wie der gewaltig« Bau des Domes das Stadtbild beherrscht. Der Weg bringt uns zum Mühlenholz, einem schönen Laubwald mit zahlreichen alten Eichen. Das Wäldchen ge- hört zum Auwald der Elbe . Eine kurze Strecke noch, und wir haben den Elbdeich erreicht. Auf der Deichkrone wandern wir gen Nord. Linker Hand ziehen sich einige tote Elbarme, sogenannte Alt- wasser, hin. An den Bäumen sind Wasserstandsmarken angebracht, die anzeigen, welche Höh« das Wasser in den einzelnen Jahren er- reicht hat. Auch das Jahr 1924 hatte einen ziemlich hohen Wasser- stand zu verzeichnen. Mit Grauen denken wir an das Unheil, das angerichtet wird, wenn der Strom sein Bett verläßt und über den Deich flutet in das dahinter liegende Land. Bei der Fährstelle er- reichen wir den eigentlichen Elbstrom. Auf dem jenseitigen Ufer liegt das Dorf Röbel , bereits in der Altmark (Provinz Sachsen ); weiter entfernt taucht der Turm von Werben auf. Wir bleiben auf dem Deich. Immer näher kommt von rechts die Havel , bis sie am Werbener Fährhaus nur durch den schmalen Deich, den Zwischen- deich, von der Elbe getrennt ist. Auf dem anderen Elbufer sehen wir Werben. Wir folgen dem Deich bis zu seinem Ende. Von der Spitze sehen wir vor uns die Bereinigung der Havel mit der Elbe . Prächtig ist der Blick über die Stromniederung. Ein frischer Wind weht uns entgegen: er bringt uns einen würzigen Hauch vom weiten Weltmeer. Beim Werbener Fährhaus lassen wir uns über die 5>avel setzen. Nachdem wir den auf diesem Ufer verlaufenden Deich gekreuzt haben, kommen wir nach Ouitzöbel, einem alten Sitz der Quitzows . Di« Bauernhäuser weisen reich verzierte Giebelpfosten auf. Das Dorf wird bereits in einer Urkunde vom Jahre 1319 als„Ouitzhooel" er- wähnt. Von hier wandern wir durch schönen Wald in nordöstlicher Richtung zum Bahnhof Glöwen, dem Endziel unserer Wan- derung. Die Hamburger Bahn bringt uns nach Berlin zurück. Länge der Wanderung(ohne Rundgang durch Havelberg ) 29 Kilo- meter. Wie die Häuser verfielen. Seit zwölf Jahren stehen sie. In den letzten acht Jahren wurde gerade das instandgesetzt, was einfach nicht zu umgehen war. Die Besitzer, ein verwandtschaftliches Konsortium, hatten andere geschäftliche Interessen, kümmerten sich wenig um den Hausbesitz, verstanden auch nicht viel von der durch Kriegsfoglen und Zwangswirtschaft erschwerten Art, Wohnhäuser vor dem Verfall zu be- ivahren. Die verschiedenen Verwalter sahen zu, daß sie nicht zu kurz kamen, knauserten an allen Ecken und Enden, führten all- monatlich Ueberschüssc ab, die aus den für Instandsetzungen be- stimmten. Geldern genommen wurden. Die Mieter nahmen ihre berechtigten Interessen und gesetzlichen Rechte nicht genügend wahr. Es bestand auch hier, wie in so vielen Häusern, eine starke Gleich- gültigkeit gegen Nachteile, ein stoisches Sichabfinden mit Zuständen, die nicht zu sein brauchten, und eine noch stärkere Unkenntnis der gesetzlichen Bestimmungen und der Mieterrechte. Die Mieter- Vertretungen hatten sich aufgelöst, niemand mehr wollte das undank- bare Amt, dem so oft von den Mietern selbst die größten Schwierig- keiten bereitet werden, übernehmen. Einige kommunistische Groß- mäuler schwatzten Phrasen von Gemeinwirtschaft, redcten den Frauen Löcher in den Kopf und waren unfähig zu praktischer Arbeit. So ging jahrelang alles drunter und drüber. Noch ein paar Jahre so weiter, dann hätte der ausgekochteste Häuserspekulant diese Klamotten nicht als Geschenk angenommen. Da kam ein neuer, fach- und rechtskundiger Verwalter, der sofort die Sachlage überschaute und mit den Hauswirten Fraktur redete. Er wies den Besitzern nach, wie unkaufmännisch sie handelten, und zeigte ihnen das Beispiel vom Loch im Strumpf, das in wenigen Tagen drei- mal größer wird, wenn man es nicht rechtzeitig zustopft. Die 'Besitzer kannten bisher selbst nicht den wahren Grad der Ver- luderung, waren erfreulich einsichtig, den Argumenten des neuen Verwalters zu folgen, und verzichteten einstweilen auf Ueberschüsse, um nicht durch Fortsetzung des Spanens am verkehrten Ende viel größeren Schaden zu erleiden. In acht'Wochen wurde mehr in- standgesetzt, als in fünf Jahren geflickt worden ist. Dazu reichten bei weiser Einteilung die Einnahmen hin. Natürlich konnte mit einem Schlage noch nicht jeder Fehler gutgemacht werden, aber in das alte für Vermieter und Meter gleich gefährliche Prinzip ist kräftig Bresche gelegt. Di« Mieter sind glücklich über die Wendung, und die kommunistischen Gernegroße haben die Sprache verloren.
18]
Der Tag, an dem Andreas vor Gericht erscheinen sollte, brach an, wie ein ganz gewöhnlicher Tag, wie alle Tage, die ihm vorangegangen waren. In der Nacht, die Andreas auf dem Sofa, ohne Kiffen und in Kleidern zugebracht hatte, war ihm eine großartige Rede eingefallen, deren Wirkung keine andere fein konnte, als die, daß man ihn um Entfchuldi- gung bitten und den Herrn, den Polizisten und den Schaffner einsperren würde. Der Morgen beruhigte Andreas. Um zehn Uhr sollte der Termin stattfinden. Es ist fast sicher, daß bereits um zwölf Uhr Andreas Pum siegreich und im Besitz seiner Lizenz das Gerichtsgebäude verlassen wird. Die Sonne schien etwas wärMer und der Frost war ge- brachen. Der Schnee schmolz. Es tropfte von den Dächern mit einer süßen hoffnungsfreudigen Melodie. Ja, es begann sogar ein Sperling zu zwitschern. Die freundliche Milde der Natur war wie Gottes tröstende Vergebung. Andreas hätte sich nicht auf Anzeichen dieser Art ver- lassen, wenn er in den Gesetzen des Staates heimischer ge- wesen wäre. Er wußte nicht, daß die gutgeolten Räder dieser Maschine auch manchmal— und besonders in kleinen Fällen— sich unabhängig voneinander drehten und, jedes für sich, das Opfer zermahlten, das ihnen der Zufall ausgeliefert hatte. Denn nicht nur den Gerichten, auch der Polizeibehörde steht das Recht zu, Strafen zu verhängen, und, wer es mit ihr an- gefangen hat, muß zuerst von ihr erledigt-werden. Es schien der Polizei, daß Andreas sich einer gewöhnlichen„Uebertre- tung" schuldig gemacht hatte und, daß er der Lizenz nicht mehr würdig war, die er durch eine besondere Gnade des Staates bekommen. Andreas Pum mußte also vor allem verhört werden. So kam es, daß, während er zur Wanderung aufs Ge- richt rüstete, die Tür sich auftat und ein Kriminalagent ein- trat, um Andreas zur polizeilichen Vernehmung abzuholen. Andreas verwechselte in einer katastrophalen Unkenntnis der staatlichen Bestandteile diesen Mann der Poliezi mit einem der Gerichte und sagte, daß der Termin erst für zehn Uhr ange- setzt wäre. Der Beamte ließ sich die Vorladung zeigen, klärte Andreas mit der Sachkenntnis eines Menschen von Fach über den enormen Unterschied auf, zwirbelte dabei seinen blonden
Schnurrbart und sagte endlich:„Pflicht ist Pflicht!" Das bedeutete, daß er nichts dafür könne, daß er aber seinen Auf- trag, Andreas zur Polizei zu bringen, ausführen müßte. Vor dem Kommissär, so riet er, möge Andreas seine Vorladung zeigen. Andreas Pum tröstete sich. Zwar ahnte er ein neues Unglück. Aber sein Verstand sagte ihm, daß der Staat für seine eigenen Irrtümer verantwortlich sein müsse und daß der Staatsbürger nicht das Recht habe, die Behörden auf ihre Widersprüche aufmerksam zu machen. Also ging er. Unter- wegs erzählte er dem freundlichen Kriminalbeamten den ganzen Vorfall. Der Mann lachte herzlich und stark, seine blauen Augen blitzten und seine breiten, weißen Zähne leuch- teten.„Ihnen geschieht nichts!" sagte er. Und Andreas faßte neuen Mut. In der Polizei mußte er warten. Entweder war der Beamte, der ihn verhören sollte, noch nicht anwesend, oder mit anderen Dingen beschäftigt. Die Normaluhr an der kahlen Wand des Amtszimmers zeigte halb zehn. Andreas näherte sich der Barriere, hinter der ein Mann in Uniform von gelben Karthothekzetteln Namen und Daten auf rote Zettel umschrieb und sagte:„Entschuldigen Sie!" Der uniformierte Mann schrieb weiter. Er behandelte den Buchstaben K. Darin wollte er nicht gestört sein. Erst als er den erstem Namen umblätterte, der mit L. anfing, wandte er den Kopf. Andreas zeigte ihm die Vorladung. Der Uniformierte fragte, was für eine Geschichte das nun schon wieder wäre, als hätte er bereits eine schwere Enttäuschung mit dieser Per- sönlichkeit erlebt. Andreas erzählte den ganzen Vorfall haar- klein. Im Zimmer warteten zwei Straßenmädchen. Sie lachten. Der Uniformierte faltete die Vorladung wieder zusam- men und sagte:„Warten Sie!" Dann schrieb er weiter. Endlich ging eine Tür auf und die Stimmen eines unsichtbaren Menschen rief:„Andreas Pum!" Andreas trat vor einen Herrn und machte eine Verbeu- gung, wobei seine Krücke ein wenig ausrutschte, so daß er mit der Hand gegen den Schreibtisch fiel, hinter dem der Kom- missär saß. „No, no!'� sagte dieser. „Erlauben bitte," stotterte Andreas,„ich habe hier eine Vorladung!"
„Das weiß ich," sagte der Herr,„antworten Sie, wenn Sie gefragt sind." Hierauf begann er den Bericht jenes Polizisten vorzu- lesen, der Andreas aufgeschrieben hatte. Als er zu der Stelle kam, an der die Lizenz erwähnt wurde, schwang er sie ein wenig hoch, so, daß Andreas sie sehen konnte. „Ist das so?" fragte der Kommissär. Es war ein junger Mann mit einem sehr hohen Steh- kragen und einem sehr kleinen dünnen Gesicht. Sein spitzes Kinn machte Anstalten, im Kragen zu verschwinden. Er sprach mit einer heiseren Stimme. Dabei glättete er seine Frisur mit beiden Händen und prüfte mit sanften Fingerspitzen immer wieder die gerade Linie seines Scheitels. „Ja." sagte Andreas,„aber nicht ganz." „Wie denn sonst?" fragte der Kommissär. Andreas erzählte seine Geschichte zum dritteü Male. Dann holte er schnell seine Vorladung hervor und zeigte sie dem Kommissär. Der sah nach der Uhr und sagte:„Zu spät! Weshalb sagen Sie das nicht gleich?!" i „Was soll ich jetzt tun?" fragte Andreas. „Jetzt werden wir Sie erst erledigen." „Wie lange dauert es?" „Das geht Sie gar nichts an," schrie der Kommissär. „Gar nichts an"— wiederholte er— und sprang auf. Er begann, im Zimmer hin- und herzugehen. Er schlug mit der Faust auf den Tisch und schrie:„So eine Frechheit!" Andreas fühlte, daß ihm Blut ms Gesicht schnellte. Haß gegen den Beamten ergriff ihn, schüttelte ihn, so, daß er zitterte. Mit dem Stock schlug er auf den Boden. Speichel floß in seinem Mund zusammen. Er spuckte aus. Der Begmte ballte die Fäuste. Andreas sah ihn in weiter Ferne. Der Beamte schrie. Andreas hörte seinen Schrei ge- dämpft und matt. Rote Räder kreisten vor Andreas Augen. Er hob den Stock und traf einen Lampfenschirm. Es klirrte schrill. Zwei Männer stürzten sich auf Andreas. „Vierundzwanzig Stunden!" schrie der Beamte. Dann überreichte' er den Akt Andreas Pum einem Schreiber: „Lizenzentziehung!" seufzte er und sagte:„Der Nächste!" Und während man Andreas über den Hof des Gebäudes in den Arrest für leichte Fälle führte, entschwanden alle Ge- danken seinem Hirn. Es war, als ob sein Schädel auslausen würde. Eine schmerzliche Leere entstand in seinem Kopf. (Fortsetzung folgt.)